Die Küstenkommissarin - Tod in der Bucht (eBook)
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2682-5 (ISBN)
Jonas Brandt ist im Norden Deutschlands aufgewachsen. Er arbeitet als Lehrer und reist gern, wobei ihn das Schreiben stets begleitet. Immer wieder zieht es ihn an Deutschlands Küsten, wo er seine klugen Kommissare mit Vorliebe ermitteln lässt.
Jonas Brandt ist im Norden Deutschlands aufgewachsen. Er arbeitet als Lehrer und reist gern, wobei ihn das Schreiben stets begleitet. Immer wieder zieht es ihn an Deutschlands Küsten, wo er seine klugen Kommissare mit Vorliebe ermitteln lässt.
2. Kapitel
Die Morgendämmerung hatte bereits eingesetzt, als Frida durch die schlafende Hansestadt rollte. Eine kleine Gruppe Nachtschwärmer grölte durch die Straße und erhielt als Antwort den Warnruf einer Möwe. Die Luft war noch frisch, und die drückende Hitze würde erst in ein paar Stunden einsetzen. Als Frida am Krankenhaus ankam und vom Rad stieg, war sie trotzdem durchgeschwitzt.
Im Wartebereich der notfallmedizinischen Abteilung herrschte ein reges Treiben. An der Herreninsel hatte es einen Busunfall gegeben, und Dutzende Angehörige liefen aufgeregt durch die Gänge, hingen an ihren Telefonen, wimmerten vor sich hin oder starrten resigniert ins Leere. Als Frida sich suchend nach einer freien Pflegekraft umsah, um sich nach Milena zu erkundigen, tippte ihr jemand auf die Schulter. Sie schnellte herum.
»Hey, Fiete!«
»Ich bin dem Krankenwagen hinterhergefahren«, sagte der Leiter der Niendorfer Werft. »Ich kenne Milena Rautenberg seit ihrer Geburt.«
»Und ich lag in meinem Bett und konnte einfach kein Auge zumachen«, antwortete Frida. »Sind Milenas Eltern auch hier?«
»Ihre Mutter hat mich geschickt.« Fiete rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Meine Chefin.«
»Was denkt die jetzt wohl von ihrem neuen Angestellten?«
»Ich würde Nils nicht die Schuld geben«, antwortete Fiete. »Außerdem weiß auch Frau Rautenberg, welcher Menschenschlag in dem Tauchclub verkehrt.«
»Ach, und welcher wäre das?«
»Alles Taugenichtse! Ironischerweise hat ausgerechnet Gravenhorst die Figur umgerissen. Das ist noch der mit dem meisten Anstand. Aber ehrlich gesagt will ich gerade nicht über diese Leute sprechen.«
»Das können wir auch gern nachholen«, entgegnete Frida. »Du scheinst ja einiges über sie zu sagen zu haben.«
»Wie du weißt, arbeite ich schon fast mein ganzes Leben lang in der Werft.« Fiete setzte sich hin. »Eigentlich wollte ich nicht dasselbe machen wie mein Vater, aber dann hatte er einen Unfall und konnte nicht mehr richtig zupacken. Das war der Moment, als der Rautenberg zu mir kam und mich fragte, ob ich nicht als Bootsbauerlehrling in der Niendorfer Werft anfangen wollte. Ich sagte zu, und sechs Jahre später übernahm ich die Leitung der Werft. Mittlerweile kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen. Und das Unternehmen braucht mich zum Glück noch.«
»Sieh mal!« Frida sprang auf, als sie einen vorbeieilenden Arzt erblickte. Ihre Hand wanderte in die Hosentasche, in der ihr Dienstausweis steckte. Doch in letzter Sekunde entschied sie sich anders und ließ ihn dort, wo er war. Mit ausgestreckten Armen versperrte sie dem Mediziner den Weg.
»Guten Morgen!«, sprach sie ihn an. »Ich brauche eine Auskunft zu Milena Rautenberg.«
»Sie sind eine Angehörige, nehme ich an?«, fragte er zurück. »Andernfalls darf ich Ihnen nämlich leider keine Auskunft erteilen.«
»Ich bin ihre beste Freundin und war dabei, als es passiert ist«, log Frida. »Ich will nur wissen, ob sie außer Gefahr ist.«
»Rautenberg, Rautenberg …«, murmelte er zerstreut. »Es sieht ernst aus. Aber ich muss auch schon wieder weiter.«
Frida drehte sich zu Fiete um. Seinem Gesichtsausdruck zufolge hatte er die Antwort auch gehört. Er schloss die Augen, seine Arme sanken hinab. Frida ließ sich auf den Sitz neben ihn fallen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Sie suchte nach den richtigen Worten, aber es wollte ihr nichts in den Sinn kommen. Ihr Blick blieb am Krankenhausfenster hängen, in dem sich ein Gesicht spiegelte. Blass, mit Augenringen, ausgewachsener Frisur und grauen Strähnen an den Schläfen. Es war ihr eigenes.
Das war das Letzte, was sie sah, bevor ihr die Augen zufielen.
Die Morgensonne glitzerte auf der ruhigen See, und eine laue Brise strich durch die Blätter der Sanddornsträucher am Dünenrand. Es war noch früher Vormittag, aber die Sonne brannte bereits unerbittlich. Der junge Mann zog sich die Sandalen aus. Seine Füße versanken im warmen Sand. Er sah nach seinem vierbeinigen Begleiter, dessen Nase es zu den silbrigen Blüten des Strandhafers hinzog. Ein anderer Hund musste in der Nähe seine Duftmarke hinterlassen haben. Aber vielleicht vertrocknete dort auch irgendwo ein toter Fisch.
»Hierher, Kurti!«, rief der Spaziergänger seinen Zwergdackel und zog sanft an der Leine. »Wir gehen ans Wasser.«
Der Hund gehorchte und folgte dem Herrchen hinab ans Ufer. Dann trotteten sie langsam gen Norden. Je mehr sie sich Putlos näherten, desto weniger Menschen waren zu sehen. Als sie den Weissenhäuser Strand schließlich hinter sich gelassen hatten, ließ der Mann sich in den Sand fallen, schlug sich Kurtis Leine um die Beine, zog eine gelbe Plastikflasche hervor, drückte sich eine Ladung Sonnencreme in die Handfläche und schmierte sich das Gesicht ein.
»Komm, Kurti!«, sagte er und gab seinem Hund etwas zu trinken. Anschließend erhob sich der Mann und ging bis zu den Knöcheln ins Wasser. Sein Hund folgte ihm nur zögerlich. Und kaum hatte er den nassen Sand unter den Füßen, begann er zu knurren. Der Spaziergänger sah sich um, legte Kurti die Leine an und kraulte ihm den Nacken. Doch er wollte sich nicht beruhigen lassen. Sein Knurren wurde heftiger, und er begann, an der Leine zu zerren. Es zog ihn ins Wasser. Wahrscheinlich trieb dort irgendwo ein verendeter Meeresbewohner.
»Du bleibst hier!«, rief der Mann, machte kehrt und zog den Hund zurück auf den Strand. »Heute gibt es keine Schweinereien mit toten Flundern.«
Doch es half nichts, den Dackel drängte es weiterhin in Richtung Wasser. Allmählich ging sein Knurren in aufgeregtes Bellen über. Sie würden sich wohl eine andere Stelle suchen müssen, irgendetwas stimmte hier nicht.
»Nun komm schon, Kurti!«, forderte er seinen Begleiter auf und ließ seinen Blick über das Wasser gleiten.
Dann erfassten seine Augen zwei längliche, graue Gegenstände, die im knietiefen Wasser dümpelten. Waren das nicht Taucherflaschen? Und was hing da noch unten dran? War das etwa ein Mensch?
Frida öffnete die Augen. Ihr Nacken schmerzte, und Fiete schnarchte neben ihr auf der Sitzreihe. Die Strahlen der Vormittagssonne brachten seine grauen Bartstoppeln zum Leuchten, seine Augenlider zitterten nervös. Sollte sie ihn wecken? In ihrer Hosentasche vibrierte es. Frida fischte ihr Smartphone heraus und blinzelte aufs Display. Es war bereits nach zehn. Und ihr Vorgesetzter rief an.
»Moin! Wie war dein Sonntag bis jetzt?«, begrüßte Thilo Björnsen sie zögerlich.
»Ich mag es nicht, wenn deine Stimme so doppeldeutig klingt«, antwortete sie leise, während sie sich von dem schlafenden Fiete entfernte. »Was weißt du bereits über die gestrigen Ereignisse in Niendorf?«
»Ich lasse dir den Vortritt«, erklärte Thilo. »Aber im Netz war bereits etwas zu lesen.«
»Das war ja klar«, erwiderte Frida.
»Ich begnüge mich auch mit einer Schnellversion am Telefon, weil heute Sonntag ist. Den Rest kannst du mir morgen im Büro berichten.«
»Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.« Frida blickte zu dem schlafenden Fiete. Bei Nils? Bei dem Kerl, der unerkannt aus dem Tauchclub geflohen war? Bei diesem Gravenhorst? Oder doch bei der verletzten Milena Rautenberg? »Also gut, die Geschichte begann in einem Restaurant …«
»Ups! Sorry! Warte mal, Frida!«, ging Thilo dazwischen. »Ich bekomme gerade einen Anruf aus der Zentrale herein. Ich rufe dich gleich zurück, ja?«
»Alles klar.« Frida legte auf und blickte ratlos um sich, als eine junge Pflegerin auf sie zukam. Ihre weiße Uniform strahlte im Sonnenlicht, und sie lächelte. Frida vermutete, dass sie ihre Schicht erst angetreten haben musste und nichts von der Aufregung der vergangenen Nacht mitbekommen hatte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau.
»Ich wollte mich nach einer gewissen Milena Rautenberg erkundigen.«
»Frau Rautenberg hat das Krankenhaus doch bereits vor Stunden verlassen.«
»Aber lag sie nicht heute früh noch mit schweren Verletzungen auf der Intensivstation?« Frida rieb sich die verschlafenen Augen.
»Soweit ich weiß, hat sie lediglich ein leichtes Schädeltrauma und ein paar Prellungen erlitten«, antwortete die Pflegerin. »Damit konnte sie das Krankenhaus getrost wieder verlassen. Außerdem hat ihre Familie ja sicher einen Privatarzt, der sie zu Hause überwachen kann. Ihrem Instagram-Account zufolge geht es ihr jedenfalls schon wieder ziemlich gut.«
»Wie bitte?«
»Milena Rautenberg hat über hunderttausend Follower.« Die junge Frau runzelte die Stirn, als müsste sie Frida erst erklären, was Instagram überhaupt sei. »Also, Sie verstehen doch, oder?«
»Ja, ja, schon klar. Aber als ich vor ein paar Stunden einen Arzt gefragt habe, meinte der, sie sei noch nicht über den Berg«, erwiderte Frida verwundert. »Wie passt das zusammen?«
»Letzte Nacht herrschte hier das reinste Chaos«, erklärte die Pflegerin....
Erscheint lt. Verlag | 10.3.2022 |
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Reihe/Serie | Frida Beck ermittelt | Frida Beck ermittelt |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Band 2 • Deutschland • Dünen • Geschichte • Kommissarin • Krimi • Kriminalroman • Küste • Leiche • LKA • Lübecker Bucht • Meer • Mord • Mörder • Niendorf • Norden • Opfer • Ostsee • Plünderung • Polizei • regional • Strand • Strandkorb • Täter • Tauchclub • Toter • Urlaub • Weiblich • Werft • Wrack |
ISBN-10 | 3-8437-2682-5 / 3843726825 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2682-5 / 9783843726825 |
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