Blinde Wut (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
495 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2615-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blinde Wut - Hilary Norman
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Jura-Professor Jake Woods ist schockiert, als er von dem unerklärlichen Verschwinden des Sohnes seiner besten Freunde hört. Bei seinem Versuch, den Eltern zu helfen, stößt er auf einen ähnlichen Fall in New York City. Umfangreiche Recherchen führen zu einer Liste mit zahlreichen vermissten Jugendlichen, denen drei Dinge gemeinsam sind: Sie sehen gut aus, sind sportlich und verschwanden alle, nachdem sie ein anonymes Geschenk erhalten haben: Limbo, ein brutales Computerspiel, das sich größter Beliebtheit erfreut.

Bei seinen Nachforschungen gelangt Jake Woods auf die Spur eines Täters, bei dem die Grenze zwischen Realität und Fantasie fließend ist ...



Hilary Norman, geboren und aufgewachsen in London, war nach einer Karriere als Schauspielerin zunächst in der Mode- und Fernsehbranche tätig. Ihr erster Roman erschien 1986; seitdem hat sie zehn weitere Bücher geschrieben, die in siebzehn Sprachen übersetzt wurden.

4.


Es war am Samstag, den 13. Mai, eine Woche vor den Examen und dem Ende des Frühjahrssemesters. Ich war gut gelaunt und gerade im Begriff, meinen Töchtern, die jeden Augenblick von ihren arbeitsamen Vormittagen nach Hause kommen würden, Mittagessen zu machen, als plötzlich das Telefon klingelte.

»Jake, hier spricht Stu Cooper.«

Die Anspannung in seiner Stimme fiel mir sofort auf. Ich kannte Stu, seit er vor sechzehn Jahren Fran Gottlieb geheiratet hatte, eine alte Schulkameradin aus alten Zeiten in New Jersey. Stu ist ein Typ, der fast immer gut drauf ist, und er ist verrückt nach Fran und ihrem Sohn Michael, genannt Mikey.

Dieser Anruf jedoch brachte schlechte Nachrichten.

»Mikey ist verschwunden, Jake«, sagte Stu.

»Wie lange schon?«, fragte ich.

»Seit einem Monat.«

Ein Monat? Wie lange war es her, verdammt noch mal, seit wir zum letzten Mal miteinander gesprochen hatten?

»Was ist passiert, Stu?« Ich schüttelte das schlechte Gewissen ab.

»Er ist am 14. April verschwunden.« Stus Stimme begann zu zittern. »Und niemand tut etwas.«

»Wie meinst du das?« Ich war verwirrt.

»Genau so, wie ich es sage.« Der Mann war den Tränen nahe.

»Ist Fran da?«

»Ja. Aber sie kann nicht ans Telefon. Wenn du denkst, dass es mir beschissen geht, hast du keine Vorstellung, in welcher Verfassung sie ist.« Stu hielt kurz inne, um sich zu räuspern und sich zusammenzureißen. »Deshalb rufen wir an, Jake. Wir brauchen jemanden, der uns hilft.«

Ich schloss die Augen und versuchte, mir meine Pläne für den Rest des Wochenendes in Erinnerung zu rufen. Heute war es hoffnungslos, aber morgen ...

»Ist morgen früh genug?«, fragte ich.

Ich brach am frühen Sonntagmorgen auf und fuhr nach Nordosten aus der Stadt, Richtung Hartford. Dann nahm ich den Mass Turnpike nach Boston. Es gibt schönere Strecken, aber ich war nicht in der Stimmung für Umwege. Der fünfzehnjährige Sohn von Freunden wurde vermisst. Meine ältere Tochter, Rianna, ist ebenfalls fünfzehn, ihre Schwester Ella erst neun. Ich sorge mich ununterbrochen um sie. Welcher Vater würde das nicht tun?

Als Simone noch bei uns war, konnten wir uns die Last wenigstens teilen – nicht dass Teilen die Ängste wirklich kleiner macht. Ich erinnere mich an Nächte früh im Leben der Mädchen, in denen ich mit panischem Schrecken aufwachte und ins Kinderzimmer rannte, um nachzusehen, ob die Babys atmeten – nur um festzustellen, dass Simone mir zuvorgekommen war. Ich weiß noch, wie wir an der Wiege wachten, sie anschauten, lauschten, stillen Dank sagten und einander umarmten.

Ich erinnere mich ganz deutlich daran.

Wir lebten damals in einem wundervollen alten Schindelhaus in Madison, ganz in der Nähe des Strandes. Wir hatten es an irgendeinem Wochenende gemeinsam entdeckt, kurz nachdem ich erfahren hatte, dass ich die Stelle in New Haven hatte. Simone war wegen des Umzugs von Albany nach Connecticut ebenso unbekümmert wie wegen des vorherigen Durcheinanders, als meine Arbeit im Büro des Bundesstaatsanwalts uns von New York City nach Norden geführt hatte. Die Nähe zum Meer, sagte sie, wäre wundervoll für Rianna – damals sechs – und das neue Baby, wenn es da wäre. Und sie hatte Recht, es war wundervoll, für die Mädchen und für uns. Dort gründete Simone – deren große Leidenschaft das Kochen war – ihren Party-Cateringservice, der ihr großen Erfolg und uns viele neue Freunde in der Stadt brachte.

Er brachte ihr auch den Tod bei einem Autounfall drei Jahre später, als sie es während eines Unwetters eilig hatte, ein vorgekochtes Abendessen für sechs Personen zu den Kunden zu bringen.

Damals lernte ich, dass es Anrufe gab, die sehr schlechte Nachrichten bedeuteten.

Die Coopers lebten außerhalb von Boston, in Brookline. Beschäftigt mit Arbeit und Kindern, wie wir alle es in diesen rasch vorüberfliegenden Tagen zu sein scheinen, hatte ich sie in den Jahren seit Simones Tod nur etwa fünfmal gesehen. Meistens hatten wir uns zum Mittag- oder Abendessen entweder in New Haven oder Boston getroffen und die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht. Simones Sohn Michael war ich zweimal begegnet, seit
er ein Teenager war, und hatte ihn als warmherzigen, liebenswürdigen, gut aussehenden Jungen kennen gelernt. Es war nur eine Frage der Zeit, da waren Fran und ich uns einig, bis er zum Herzensbrecher werden würde und auch selbst erfahren würde, was Liebeskummer heißt.

Aber diese Art von Herzschmerz hatten wir ganz sicher nicht im Sinn gehabt.

Das Haus der Coopers war schlicht und gemütlich, ein echtes Familienheim. Ich dachte an das eine Mal, als wir alle zusammen hier gewesen waren und im Garten gegrillt hatten. Die Kinder hatten einen Riesenspaß gehabt. Wir Erwachsenen mussten sie bloß von den glühenden Kohlen fern halten und waren ansonsten rundum zufrieden mit unserem Essen, ein paar Bierchen und der netten Gesellschaft.

Fran war ein Rotschopf mit fröhlichen haselnussbraunen Augen, und Stu brachte sie oft zum Lachen.

Heute lachte niemand.

»Erzählt«, sagte ich, nachdem Stu und ich uns kurz umarmt hatten und ich die weinende Fran in den Armen gehalten hatte. Sie war schrecklich dünn geworden.

Wir saßen im Wohnzimmer, wo neben zahlreichen Familienfotos und Erinnerungsstücken Stus Golfpokale und Michaels Leichtathletik-Trophäen standen.

Stu übernahm das Sprechen. Am Freitag, den 14. April, hatte Mikey seine Tasche gepackt, um das Wochenende bei seinem besten Freund Steve Chaplin zu verbringen. Dort war er niemals angekommen.

»Und weil er eine Tasche gepackt hatte«, sagte Stu, »geht die Polizei davon aus, dass er von zu Hause weglaufen wollte.«

»Jugendliche laufen ständig davon.« Schon während ich diese Worte aussprach, wusste ich, dass es verkehrt gewesen war. Deshalb war die Bemerkung aber nicht weniger zutreffend. Michael Cooper war ein Teenager. Auch wenn er mir beim letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte, wie ein sorgloser, fröhlicher Junge erschienen war, konnte er sich durchaus geändert haben. Diese Testosteron-Wallungen in der Pubertät haben schon so manchen reizenden Jungen in einen Rabauken verwandelt und so manche Eltern die Geduld verlieren lassen.

»Michael würde niemals davonlaufen«, sagte Stu. »Die Polizei fragte uns immer wieder, ob wir Probleme mit ihm hatten. Und da haben wir den großen Fehler gemacht, ihnen die Wahrheit zu sagen – dass wir natürlich über manche Dinge gestritten haben. Welche Familie tut das nicht?«

»Hattet ihr auch an diesem Tag über irgendwas gestritten?«, musste ich sie fragen.

»Nein«, antwortete Stu bedrückt. »Nichts Ernstes ... nichts Besonderes.«

»Aber die Polizei will das partout glauben«, sagte Fran. »Und die glaubt es immer noch, nach vier Wochen.« Ihre Augen waren rot und nass vor Tränen. »Mikey wollte bei den Chaplins übernachten. Deshalb hat er seine Tasche gepackt, nicht weil er davonlaufen wollte. So etwas würde er uns niemals antun.«

Ich musste ihr Recht geben: Das war unwahrscheinlich.

»Keiner hört uns richtig zu«, sagte Fran. »Sie sagen, es gäbe keine Beweise, dass Mikey etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte, aber das ist nicht wahr.«

Stu beugte sich vor; der Blick seiner braunen Augen war intensiv und voller Schmerz. »Ein paar Wochen, bevor er verschwand, geschah etwas Seltsames. Jemand schickte ihm ein Geschenk – anonym.«

»Was für ein Geschenk?«

»Eins dieser schrecklichen Computerspiele, die Kinder so lieben.« Fran rümpfte die Nase. »Ein Spiel, das Mikey schon hatte.«

»Allerdings war es eine Art Sonderausgabe«, fügte Stu hinzu.

»Welches Spiel war es denn?«, fragte ich, da ich dank meiner fünfzehnjährigen Tochter ein wenig über das Genre wusste.

»Limbo«, antwortete Fran mit sichtlichem Widerwillen.

»Ich habe davon gehört«, sagte ich, »obwohl ich nicht glaube, dass ich es bei Rianna gesehen habe.« Sie schien Sportspiele am liebsten zu mögen, zumindest zu Hause, aber ich hatte so eine Ahnung, dass sie bei Freunden manchmal auch etwas anderes spielte.

»Es lag eine Nachricht dabei«, kam Stu auf das eigentliche Thema zurück. »Ohne Unterschrift. Darin stand, der Absender wisse, dass Michael bereits als ›Limbo-Master‹ gelte, aber vielleicht gefiele es ihm, die Luxusausgabe zu besitzen.«

»Master?«, hakte ich nach.

»Irgendeine Rangliste der besten Spieler«, erklärte Stu. »Außerdem stand in der Nachricht, dass der Absender Michael beim Laufen beobachtet hatte ...«

»Du erinnerst dich sicher, was für ein guter Läufer er ist«, sagte Fran.

»Natürlich.« Ich nickte in Richtung der Trophäen.

»Er schrieb, er habe ihm zugeschaut«, fuhr Stu fort, »und den Eindruck gewonnen, dass Michael viel Potenzial besitzt. Er werde eines Tages Größeres erreichen, als er sich vorstellen könne.«

»Hat Limbo etwas mit Sport zu tun?«, fragte ich.

»Nicht direkt«, antwortete Stu, »nur dass die beiden Helden die typischen synthetischen, stupiden, unschlagbaren Alleskönner sind. Sie haben Superkräfte, können Wolkenkratzer hochklettern ... du weißt schon, Jake.«

»Und sie können töten«, fügte Fran leise hinzu.

Ich blickte sie an. Panische Angst verdunkelte ihre Augen.

»Trotzdem ist es nur ein Spiel«, sagte ich leise und wandte mich wieder Stu zu. »Unter...

Erscheint lt. Verlag 16.11.2021
Reihe/Serie Hilary Norman Thriller
Übersetzer Bianca Güth
Sprache deutsch
Original-Titel DEADLY GAMES
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adam Fawley • Cara Hunter • Catherine Sheperd • Domestic Crime • Entführung • Familiendrama • Karen Rose • Spannung • Vermisstenfall
ISBN-10 3-8412-2615-9 / 3841226159
ISBN-13 978-3-8412-2615-0 / 9783841226150
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