Die Flucht der Pilgerin (eBook)

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2021 | 1. Auflage
405 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2718-8 (ISBN)

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Die Flucht der Pilgerin - Christiane Lind
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Der zweite Teil der großen Pilgerinnen Saga von Christiane Lind!

Jerusalem 1182. Durch Zufall kommt die Christin Leonore von Calden in den Besitz eines geheimnisvollen Pergaments, das die Macht im Heiligen Land ändern kann. Gemeinsam mit ihrem Geliebten, dem Muslimen Nadim, und ihren Kindern begibt sich Leonore auf eine abenteuerliche Flucht nach Damaskus.

Doch ihre Gegner schrecken vor nichts zurück und beauftragen die gefürchteten Assassinen, Leonore zu entführen. Wenn er seine große Liebe retten will, muss Nadim seinen Onkel um Hilfe bitten, doch der fordert einen hohen Preis ...




Christiane Lind, geboren 1964, ist Sozialwissenschaftlerin und wuchs in Niedersachsen auf. Nach Zwischenstationen in Gelsenkirchen und Bremen lebt sie heute mit ihrem Ehemann und fünf Katern in Kassel. Bei atb ist ihr Roman 'Die Heilerin und der Feuertod' lieferbar; 2015 erschien 'Die Medica und das Teufelsmoor'.

Prolog


Heiliges Land 1176

»Ihr seid Euch gewiss, Gottfried?« Die schwarzen Augen des Sarazenen blickten in die Runde, seine Gesichtszüge waren im Halbdunkel nur zu erahnen. Er wirkte fehl am Platz in der ärmlichen Hütte, ebenso wie die anderen, gut gekleideten Männer, die sich hier vor den Toren Jerusalems versammelt hatten. Auf einem schiefen Tischchen in der Mitte des kleinen Raums stand ein silbernes Tablett mit zwei Karaffen und fünf Kelchen. Der Duft einer angeschnittenen Orange überlagerte den Geruch von Armut, der in der Hütte schwebte. »Uns bleibt keine andere Möglichkeit?«

»Ich bin mir sicherer, als mir lieb ist«, entgegnete der Ritter im Habit eines Templers und wirkte besorgt. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab und er sah aus, als ob er mehrere Nächte schlecht geschlafen hätte. Er griff nach der Karaffe und goss roten Wein in einen Kelch, aus dem er trank wie ein Verdurstender. »Wir müssen handeln oder …« Seine Stimme brach, und er holte tief Luft.

»Der zerbrechliche Frieden im Heiligen Land zwischen Muslimen und Christen liegt in Eurer Hand.« Ganz ruhig klang die Stimme des Sarazenen, als er die bedeutsamen Worte aussprach. Ihnen folgte Schweigen, so als wären sich alle Anwesenden ihrer Tragweite bewusst.

»Denkt Ihr, das weiß ich nicht?«, antwortete der erschöpfte Ritter endlich und strich sich mit der Hand das Haar aus der Stirn. »Nun, da der Kriegstreiber Renaud de Châtillon durch Heirat zum Herrn von Oultrejourdain geworden ist, wird Saladin das Königreich Jerusalem angreifen, um einem Angriff Renauds zuvorzukommen.«

Er trank einen Schluck Wein. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus.

»Ich wünschte, wir hätten das Pergament nie entdeckt.«

»Darf ich es sehen?« Der Sarazene beugte sich vor. Er griff nach der zweiten Karaffe und goss sich Wasser ein, das nach Rose und Zitrone duftete. Dabei umklammerte er den Kelch, als müsste er seine Hände beschäftigen.

»Bitte.« Gottfried Kahle schlug seinen Umhang zurück und holte ein Pergament aus dessen Tiefen. Mit einem schiefen Lächeln reichte er es seinem Gegenüber.

Ehrfurchtsvoll nahm der Sarazene das Schriftstück entgegen. »Wie viel Macht in diesem Pergament steckt. Ihr hattet recht, die Feder ist weitaus mächtiger als das Schwert.«

»Nun denn, noch ist es niemandem gelungen, das Schriftstück zu entschlüsseln.« Gottfried trank einen weiteren Schluck Wein. »Wir müssen glauben, dass es den Standort der Heiligen Lanze verrät.«

»Was wollt Ihr mit diesem Wissen anfangen?«, mischte sich der dritte Mann in das Zwiegespräch ein. Seine Kleidung wies ihn als Juden aus. »Wollt Ihr es offenbaren oder für immer verbergen?«

»Wenn ich das nur wüsste.« Der Ritter rieb sich mit der Hand die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »So eine Entscheidung sollten Könige treffen, nicht einfache Menschen wie wir.«

»Ihr könntet das Pergament König Balduin überreichen. Er kann es nutzen, um seine Macht zu stärken.« Der Jude griff nach einem Stück Obst. »Der Besitz der Heiligen Lanze gäbe ihm die Oberhand gegenüber den kriegstreiberischen Falken an seinem Hof.«

»Denkt Ihr wirklich, dass der König von Jerusalem der Richtige wäre? Noch ist er stark genug, sich ohne dieses Hilfsmittel auf dem Thron zu halten.« Der Sarazene seufzte. »Oder wollt Ihr es dem Sultan von Ägypten geben, damit er die Frandsch vertreibt?«

»Besser nicht, obwohl ich oft denke, dass das Heilige Land unter der Herrschaft von Salah ad-Din ein freundlicherer Ort wäre.« Gottfried Kahle seufzte. Die Falten in seinem Gesicht schienen noch tiefer geworden zu sein; er sah aus wie ein Mann, der zu vieles gesehen und erlebt hatte. »Ich dachte an den Grafen von Tripolis. Er versteht euch Muslime besser als jeder andere Christ …«, Gottfried nickte dem Sarazenen zu, »… und wünscht sich einen dauerhaften Frieden.«

»Eine gute Wahl. Ein ehrenhafter Mann.« Der Sarazene neigte zustimmend den Kopf. »Wollt Ihr dem Herrn von Tripolis heute bereits die Macht übergeben?«

»Nein. Noch ist König Balduin stark genug.« Gottfried Kahle zuckte mit den Schultern. »Ich werde zurück nach Braunschweig reisen und das Pergament dort jemandem geben, dem ich vertraue und der es hoffentlich entschlüsseln kann.«

»Das ist eine kluge Entscheidung.« Der Jude nickte. »Sorgt nur dafür, dass wir es zur rechten Zeit wiedererhalten werden.«

»Woran wollt Ihr die richtige Zeit erkennen?« Der Sarazene neigte fragend den Kopf zur Seite. »Wer soll diese Entscheidung treffen?«

»Kismet.« Der Jude lächelte. »Nennt Ihr das Schicksal nicht so?«

»Ja, doch wir glauben auch daran, dass wir manchmal dem Schicksal nachhelfen müssen. Vertraue Allah – aber binde dein Kamel an, sagt man bei uns.« Ein leichtes Lächeln huschte über das dunkle Gesicht des Sarazenen und ließ ihn jünger aussehen.

»Vielleicht.« Der Jude hob die Schultern. »Vielleicht werdet Ihr die Bürde dann nicht mehr tragen müssen.«

»Seid vorsichtig auf Eurer Reise, Gottfried.« Der Sarazene blickte voller Ernst und Zweifel. »Meine Spione warnten mich vor den Tempelrittern. Eure Brüder haben von dem Pergament erfahren und würden sicher alles tun, um es in ihre Hände zu bekommen. Mit dem Wissen um die Heilige Lanze könnten sie ihre Position im Königreich stärken.«

»Ich weiß.« Gottfried nickte. »Ich werde heute aufbrechen.«

»Ist die Gefahr, die wir eingehen werden, nicht dennoch zu groß?« Der Jude holte tief Luft und musterte die anderen Männer. Auf allen Gesichtern zeichneten sich Erschöpfung und Sorge ab, aber auch eiserne Entschlossenheit.

Der Sarazene strich sich mit der Hand durch den Bart. Sein Gesicht war von tiefen Falten geprägt. »Auf unserer Seite gewinnt Salah ad-Din an Macht. Er ist der erste Herrscher, dem ich zutraue, alle Muslime zu einen.«

»Auf unserer Seite …«, der Ritter namens Gottfried lächelte schief, als ob ihm die Zugehörigkeit zu einer Seite schwerfiele, »… gewinnen die Falken an Macht. Mit der Freilassung de Châtillons ist einer der wildesten Kriegstreiber wieder auf dem Spielfeld.«

»Mein Volk wird keinen Krieg führen, aber wir haben bisher unter jedem leiden müssen.« Der Jude schwieg einen Augenblick. »Ich bin bereit, mein Leben für einen dauerhaften Frieden einzusetzen.«

»Das erscheint mir nicht nötig.« Gottfrieds Begleiter, ein Mann, dessen asketische Gesichtszüge und tintenbefleckte Finger ihn als Schreiber oder Philosophen auswiesen, mischte sich erstmals in das Gespräch. »König Balduin mag geschwächt sein von der Lepra, aber mein Zögling bleibt ein kluger König, der Frieden auf seiner Agenda führt. Falls es jedoch zu einem Krieg kommt, wird er sich zu verteidigen wissen.«

Er beugte sich nach vorn. Das Licht der Kerzen ließ seine Augen nahezu schwarz wirken. Der Franke, gekleidet in edles Tuch und bewaffnet mit einem Schwert, strahlte Ruhe und Selbstsicherheit aus. Obwohl er mit leiser Stimme gesprochen hatte, lauschten ihm alle konzentriert.

Die Männer tranken etwas und stärkten sich mit den Fladen, die auf einem irdenen Teller lagen.

»Aber …« Gottfried runzelte die Stirn. Es fiel dem Ritter sichtlich schwer, die Worte auszusprechen, die ihn drängten. »Es tut mir leid, mein Freund.« Er legte dem Schreiber eine Hand auf die Schulter. »Aber wie lange wird Balduin noch leben? Wer wird sein Nachfolger werden?«

Das Schweigen, das Gottfrieds Frage folgte, lastete auf den Männern wie eine düstere Wolke, die einen Sommertag verdunkelte. Endlich antwortete der Ritter. »Fünf, vielleicht zehn Jahre wird mein Zögling gegen den Aussatz kämpfen können. Dann wird die furchtbare Krankheit ihm das Leben nehmen.«

»Lasst uns in fünf Jahren wieder hier treffen. Dann kennen wir das Schicksal des Königs.«

»In fünf Jahren.« Gottfried nickte. Er seufzte. »Vielleicht wird es unseren Völkern bis dahin gelingen, friedlich miteinander zu leben.«

»Fünf Jahre also.« Der Sarazene sprang auf. Er wirkte wie ein Mann, der sich auf dem Rücken eines Pferdes oder eines Kamels wohlfühlte. Nicht wie einer, der in dunklen Höhlen politische Intrigen spann. »Lasst uns unser Geheimnis bewahren und uns in fünf Jahren erneut beraten.«

Die anderen nickten. Auch sie gingen zu ihren Pferden und sprengten eilig davon. Nur Gottfried Kahle blieb zurück. Er wandte sich um und sagte leise ins Innere der Hütte hinein: »Habt Ihr genug gehört, mein Herr?«

Ein Vorhang raschelte leise und ein weiterer Mann trat ins Licht der Kerzen. Seine Kleidung wirkte edel, aber bescheiden, so als ob er sie bewusst angelegt hätte, um nicht aufzufallen. Trotz der Hitze hüllte er seine Hände in Handschuhe und trug einen Turban und einen Schleier, der das Gesicht verdeckte. Nur seine hellen Augen waren zu sehen.

»Ich danke Euch, Herr Gottfried.« Die Stimme des Königs klang gepresst, als ob er unter Schmerzen litt. »Dank Eurer Bemühungen ist der Frieden im Heiligen Land in guten Händen. Für eine Zeit gewiss.«

»Ja, Herr.« Gottfried verneigte sich. Er musterte den Mann mit sichtlicher Hochachtung. »Seid Ihr wahrhaft sicher, dass ich das Pergament außer Landes schaffen soll?«

Der Tempelritter war nicht überzeugt davon, dass das Schriftstück den Standort einer der wichtigsten Reliquien des christlichen Glaubens verriet. Allzu oft...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2021
Reihe/Serie Die große Pilgerinnen Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 13. Jahrhundert • Braunschweig • Deutschland • Frauenschicksal • Gesellschaft • Heilige Stadt • Historischer Roman • Jerusalem • Kreuzzug • Liebe • Mittelalter • Mord • Niedertracht • Pilger • Pilgerin • Rache • Roman • Verbrechen
ISBN-10 3-8412-2718-X / 384122718X
ISBN-13 978-3-8412-2718-8 / 9783841227188
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