Schietendidi -  Paul Ontje

Schietendidi (eBook)

Die wundersamen Geschichten des Tjarko Behrens

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
326 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-7589-1 (ISBN)
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Buckbuhr. Ein verschlafenes Nest mitten in Ostfriesland. Ein furchtbares Drama überschattet das friedliche Leben im Dorf. Landwirt Tjarko Behrens kümmert das wenig. Er lebt allein auf seinem Hof und rettet sich mit Alkohol über den tristen Alltag. Seine Schwester aus Hamburg kommt zu Besuch und stellt sein Leben gehörig auf den Kopf. Merkwürdige Dinge geschehen auf dem Behrenshof. Und einige Dorfbewohner wissen mehr über Tjarko, als ihm lieb ist. Unverhofft wird der Landwirt in ein haarsträubendes Abenteuer gerissen. Schietendidi. Die wohl erste ostfriesische Grusel-Komödie. Mit einer steifen Brise Tiefgang. Voller Überraschungen und einem äußerst eigensinnigen Protagonisten.

Paul Ontje ist freischaffender Autor und lebt mit seiner Familie im hohen Norden. Wenn er keine Bücher schreibt, angelt er gerne und züchtet Schafe. Man munkelt, dass sein Name lediglich ein Pseudonym ist. Bisher sind jegliche Versuche zur Enthüllung seiner wahren Identität kläglich gescheitert.

Prolog


OSTFRIESLAND — SPÄTSOMMER

Gisela ist wieder unterwegs«, raunzte Heinz Boekhoff und lugte über die Hecke. Heinz hatte noch ein Jahr bis zu seinem Ruhestand. An seinen freien Tagen wuselte er am liebsten im Garten herum. Er erfreute sich noch bester Gesundheit. Jeden Morgen nahm er zwei Knoblauchpastillen. Und abends einen Kräuterschnaps. Sein Vater war mit diesem Rezept fast hundert geworden. Am liebsten arbeitete Heinz mit freiem Oberkörper. Obwohl an diesem Tage ein frischer Wind von der Nordsee wehte. Heinz störte das herzlich wenig. Ein üppiger Pelz überwucherte seine Brust.

»Nun lass sie doch«, erwiderte seine Frau. Trudi stand mit Lockenwicklern im Haar auf der Terrasse und bügelte den letzten Schwung Wäsche.

Heinz fuhr kopfschüttelnd mit der Heckenschere über das Grün. Die Gisela war schon zu bemitleiden. Seit ihr Mann das Zeitliche gesegnet hat, sprach sie mit den Tauben, die jeden Morgen in ihrer Einfahrt hockten und dumm durch die Gegend gurrten. Tauben waren für Heinz die Ratten der Lüfte. Schissen meistens seinen Wagen voll, wenn der frisch gewaschen war. Und seit Gisela die dämlichen Viecher fütterte, vermehrten sich die Vögel wie Karnickel.

Ja, Gisela tat ihm schon leid. Ungeplant Witwe. Doch wer plant schon das Ableben eines geliebten Ehemannes? Dummerweise ersoff er in dem kleinen Bach, der sich hinter der Wohnsiedlung entlangschlängelte. In Ostfriesland nannte man solche Gewässer üblicherweise »Schlot«. Und an diesem Schlot versammelten sich an diesem sonnigen Tag im Spätsommer unzählige Enten und Tauben. Denn das Federvieh wusste genau, wann Fütterungszeit war.

»Putti, Putti«, trällerte Gisela und warf eine Handvoll Vogelfutter auf den Rasen. Nicht irgendein Futter. Das Beste sollte es sein für ihr geliebtes Federvieh. Oft war Gisela den halben Tag unterwegs und kam abends mit einer ganzen Wagenladung Körner wieder zurück. Ihr Schuppen war bis oben hin voll mit dem Zeug.

Und so zeigte sich Gisela auch heute wieder großzügig, hüpfte zwischen den Tauben umher, jubilierte und trällerte. Lockte sogar einige neugierige Fischreiher an, die erhaben am Rande des Wassers posierten.

»Gutschi, Gutschi. Susi, Hilke«, quiekte Gisela.

Susi und Hilke. Wie sie ausgerechnet auf diese blödsinnigen Namen kam, war Heinz ein Rätsel. Aber es gab dem ganzen Irrsinn, den seine Nachbarin da veranstaltete, eine komödiantische Note.

»Moin Gisela«, rief er und lächelte.

»Uuh, moin Heinz«, grüßte sie zurück.

»Du lockst uns hier immer mehr Viecher an.«

»Aber sie müssen ihr Futter kriegen. Bald kommt der Herbst, und dann finden sie nichts mehr zu fressen.«

»Blödsinn«, raunzte Heinz. »Die kacken mein ganzes Dach voll. Sieh mal!« Er deutete auf sein Haus. »Weißt du eigentlich, was das für ‘ne Arbeit ist, das Zeug wieder wegzubekommen?«

»Die müssen doch ihr Kaka irgendwo lassen«, sagte Gisela und widmete sich wieder ihren Vögeln.

»Ich scheiß dir mal in die Einfahrt, du dämliche Planschkuh«, zischte Heinz leise und harkte den Heckenschnitt zusammen.

Gisela warf den Tauben eine neue Ladung Körner hin. Gierig pickten sie auf dem Boden herum und gurrten um die Wette. Zufrieden setzte sie sich auf eine alte Bank, die ihr Mann damals gebastelt hatte.

»Suusiii, nicht so hastig. Hilke, komm bei die Mama«, flötete Gisela zwischendurch. Ihre Kinder. Sie selbst hatte nie welche bekommen. Ihr Mann war viel auf See, da blieb ihm kaum Zeit, Nachkommen zu zeugen.

»Heinz, ich hab Tee gemacht!« Heinz legte den Rechen beiseite. »Ich komm, Trudi.«

Seine Frau stellte ein Kännchen auf den Tisch und legte ihrem Mann die Zeitung daneben.

»Hach, du bist ein Schatz«, seufzte Heinz.

»Ich habe auch Kuchen da«, antwortete sie.

»Lass mal. Ich schmeiß gleich den Grill an.«

»Schon wieder? Wir grillen schon seit einer Woche.«

»Egal. Solange das Wetter gut ist, will ich das ausnutzen.«

Trudi legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel.

»Wegen Gisela. Der ganze Qualm zieht immer in ihre Küche.«

»Na und? Mir egal. Ihre dämlichen Tauben bombardieren uns mit ihrer Scheiße. Was ist wohl schlimmer?«

Einige Meter weiter das Geplärre von Gisela.

»Susi, komm. Hilke, Mama hat Happa!«

Heinz schnaubte und stand genervt auf. »Nun reicht mir das. Ich kann ihr Gesabbel nicht mehr hören.«

»Was hast du vor?«, fragte Trudi besorgt.

Ihr Mann starrte sie böse an und stapfte forschen Schrittes zum Schuppen. »Ich zeig ihr, wo der Hahn die Eier legt«, brummte er.

Ein älterer Herr mit Hund nickte freundlich.

»Moin Gisela.«

»Ach, moin Günther«, erwiderte sie und lächelte Günther an, der seinen Dackel Gassi führte.

Günther wohnte ein paar Straßen weiter. Rentner, wie fast alle in der kleinen Siedlung. Auf seiner Gassirunde machte er sonst einen großen Bogen um Giselas Haus, da er sich das Schauspiel mit ihr ersparen wollte. Doch zum Käckerchen für seinen Rauhaardackel boten sich hier viele Gelegenheiten. Dafür nahm er sogar das übliche Debakel mit der ollen Nebelkrähe in Kauf.

Gisela war heute wieder sehr unvorteilhaft gekleidet. Grünes Shirt, darunter wackelten zwei Hängebrüste, die fast bis zu den Knien reichten. Eine kurze, pinkfarbene Hose spannte sich über ihrem dicken Hintern. Sie beugte sich nach unten und klatschte in die Hände. »Ohoooo, da ist ja der Kleine. Du bist ja so niedlich.« Gisela liebte nicht nur Federvieh. Nein, sie vergötterte alle Tiere dieser Welt. Besonders kleine Hunde hatten es ihr angetan.

Theo hatte keine Lust auf Knuddeleinheiten und knurrte.

»Pass lieber auf. Der Theo schnappt zu«, warnte Günther.

»Och, der Hundi doch nicht. Komm her, mein Anton.«

»Er heißt immer noch Theo«, erwiderte er.

»Kleiner süßer Anton.«

Theo fletschte die Zähne.

»Theo, Gisela. Er heißt Theo«, verbesserte Günther genervt.

Mit Namen hatte Gisela ihre Probleme. Anton hieß im Übrigen ihr verblichener Gatte.

»Gisela, vielleicht solltest du auf deine Tauben aufpassen. Der Theo ist schon ganz unruhig.« Günther schaute um sich. Das Gewimmel hatte das Ausmaß eines lebenden Bällebades erreicht.

»Ach wo. Die tun dem Anton schon nichts«, meinte sie.

Günther hisste innerlich die weiße Flagge. Im Dorf munkelte man, dass Gisela immer tüdeliger wurde.

Heinz ging zum Schuppen, wo schon seit Ewigkeiten ein Feuerwerkskörper vor sich hin gammelte. Hatte sein Sohn aus Polen mitgebracht. Ein schwarzer Totenkopf prangte auf der Verpackung. Heinz kramte sein Feuerzeug aus der Tasche, hielt die Flamme an die Zündschnur und warf den Böller über die Hecke. Gespannt wartete er einige Sekunden. Nichts. Außer, dass Gisela erschrocken guckte, und Günthers Hund wie irre kläffte.

»Sag mal, bist du bekloppt?«, brüllte Günther.

Heinz schluckte. Mit dem Kerl hatte er gar nicht gerechnet. Er beschloss, den Kopf einzuziehen und schlich davon.

»Was hast du gemacht?«, fragte Trudi von der Terrasse her.

»Äh, nichts«, log ihr Mann. Hoffentlich geht dieser Böller nicht gleich los, dachte er. Bitte lieber Gott, lass es ein Fehlzünder sein.

Heinz war erleichtert, als der laute Knall ausblieb. Vielleicht hatte er überreagiert. Ein schlechtes Gewissen plagte ihn. Nein, nicht wegen der Tauben und Gisela. Günther war sein alter Kumpel. Und Theo bekam oft ein Leckerli auf der Terrasse.

»Plopp«, ertönte ein dumpfes Geräusch hinter der Hecke.

Das soll es gewesen sein? Big Mamba stand auf der polnischen Sprengstange. Ein Witz. Nur ein mageres »Plopp«?

Dann wieder: »Plopp, Plopp.«

Heinz stutzte und schlich Richtung Hecke.

»Plopp, Plopp, Plopp.«

Fast wie Maiskörner, die sich in Popcorn verwandelten.

»Klotsch!« Jetzt klang es eher, als ob jemand einen Luftballon zerplatzen lassen würde. Heinz zuckte zusammen. Blut regnete auf seine Halbglatze. Kurz darauf schneite es Federn. Und dann landete Theos Kopf direkt neben seinen Füßen. Sauber abgetrennt. Große und leblose Kulleraugen glotzten ihn an. Heinz stieß einen stummen Schrei aus. Gisela kreischte sich die Seele aus dem Leib. Und Günther heulte nur: »Mein Theoooo!«

Panisch rannte Heinz um die Hecke.

»Ohgottogott«, keuchte er. »Das habe ich nicht gewollt.«

»Meine Susi!«, plärrte Gisela. Sie stand mitten in einem See aus Blut, Federn und den Überresten des armen Theo.

Günther griff sich an die Brust, stöhnte laut und kippte rücklings...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7543-7589-X / 375437589X
ISBN-13 978-3-7543-7589-1 / 9783754375891
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