Die Reise ins Paradies (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
CORA Verlag
978-3-7515-0306-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Reise ins Paradies -  Susan Wiggs
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Gegen den Widerstand ihrer vornehmen Familie in Boston tritt Isadora Dudley Peabody an Bord der Silver Swan die lange Seereise nach Rio de Janeiro an. Sie will etwas von der Welt sehen, ihre Unabhängigkeit beweisen. In Kapitän Ryan Calhoun findet sie einen interessierten Gesprächspartner und, in Rio angekommen, einen aufmerksamen Verehrer. Isadora ahnt nicht, dass Ryans Kampf um die Freiheit der Sklaven in den Südstaaten ihr neugefundenes Glück mit ihm schon bald gefährden wird.



Susan Wiggs hat an der Harvard Universität studiert und ist mit gleicher Leidenschaft Autorin, Mutter und Ehefrau. Ihre Hobbys sind Lesen, Reisen und Stricken. Sie lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem Hund auf einer Insel im nordwestlichen Pazifik.

1. KAPITEL

Boston, Oktober 1851

Unsichtbar zu sein hatte Vorteile. Isadora Dudley Peabody wusste, niemand würde sie bemerken, nicht einmal dann, wenn das glänzende Parkett des Ballsaals sich öffnete und sie verschluckte. Natürlich würde das nicht geschehen. Es würde sehr viel Mut erfordern, mitten in einem überfüllten Ballsaal zu verschwinden, aber Isadora war alles andere als couragiert.

Im Übrigen hatte sie etwas ganz anderes im Sinn.

Sie widerstand dem Wunsch, sich unsichtbar zu machen, und verdrängte ihn in den Bereich der Unmöglichkeiten, der in ihrer Welt ein großes Ausmaß hatte. Es erschien ihr ausgeschlossen, nicht gezwungen zu lächeln oder ein Kompliment zu machen, das nicht aufgesetzt war, und Träume zu haben, die nicht durch grausame Enttäuschungen gestört wurden.

Sie drückte sich in eine Fensternische, empfand einen Niesreiz und presste sich hastig das rasch hervorgezogene Taschentuch auf die Nase. Das Gerede der alten Klatschtanten war immer noch zu hören, und bekümmert fragte sie sich, ob die Schandmäuler niemand anderen finden konnten, über den sie herziehen mochten.

„Sie unterscheidet sich sehr von den anderen Peabodys und ist in mancherlei Hinsicht das schwarze Schaf der Familie“, flüsterte jemand empört. „Sie hat dunkles Haar und ist hässlich, wohingegen ihre Geschwister hübsch wie der junge Frühling sind.“

„Ihr Vater hat es selbst mit seinem Reichtum nicht geschafft, ihr einen Gatten zu kaufen“, erwiderte die andere Person.

„Es ist mehr nötig als nur Geld.“

Isadora widerstand dem Niesreiz nicht mehr, gab ihm nach und verließ, da ihr Versteck jetzt verraten war, geschwind die Nische. Die verblüfften Damen, zwei Freundinnen ihrer Mutter, räusperten sich betreten und wedelten echauffiert die Fächer vor sich hin und her.

Sie rückte die Brille zurecht und täuschte vor, das boshafte Gerede nicht gehört zu haben. An sich hätte sie diese Art der Erniedrigung mittlerweile gewohnt sein müssen und sich nicht mehr so verletzt fühlen dürfen. Aber leider konnte sie sich immer noch nicht damit abfinden, erst recht nicht bei diesem Fest, das an diesem Abend anlässlich der Verlobung ihrer jüngeren Schwester stattfand. Arabellas Glück feiern zu müssen trug nur dazu bei, Isadoras Elend zu vergrößern.

Das Korsett belästigte sie, weil zwischen ihren Brüsten ein Fischbeinstäbchen gebrochen war, dessen eine Hälfte sie nun unangenehm stach. Es kostete sie sehr viel Selbstbeherrschung, sittsam die gefalteten Hände vor sich zu halten, während sie verzweifelt darauf wartete, dass ein nicht sehr willig aussehender, grimmig lächelnder Herr zu ihr kam und sie zum Tanz aufforderte.

Es war selten der Fall, dass jemand sie darum bat. Kein junger Mann wollte mit einer unansehnlichen, blässlichen Frau tanzen, die zu schüchtern war, um unbefangen zu plaudern, banale Oberflächlichkeiten jedoch als langweilig empfand und sich daher nicht anstrengte, einfach nur Konversation zu machen.

Sie stand vor der marmorierten Wand und zog nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich als die mit Japanlack überzogene Aufsatzkommode der Mutter. Das Gelächter der Gäste, die Gespräche und die klirrenden Gläser waren ein angenehmer Hintergrund für die von dem zwölfköpfigen Orchester dargebotene Musik.

Unbemerkt schaute Isadora durch das Atrium zum Arbeitszimmer des Vaters und fand die Aussicht verlockend, sich dort hinzuflüchten.

In dem düsteren Raum konnte sie sich vielleicht etwas sammeln und kühn die Hand unter das Korsett schieben, um sich zu kratzen.

Sie bewegte sich auf den Eingang des Ballsaales zu und hielt unter dem aus Walnussholz geschnitzten Hauptbogen an. Sie hatte das Arbeitszimmer fast erreicht, musste nur noch durch das Atrium und den Korridor hinunter. Niemand würde sie vermissen oder wissen, wo sie sich befand.

Den Blick fest auf ihr Ziel richtend, wich sie einer Gruppe von Freunden ihres in Harvard studierenden Bruders aus, eilte an guten Bekannten des Vaters aus dem Somerset Klub vorbei und wäre fast von einer Schar kichernder Debütantinnen aufgehalten worden. Sie zwängte sich an einem mit Putten verzierten vergoldeten Spiegel und einem in einem vierfüßigen Blumentopf wachsenden anmutigen Farn vorbei und strebte in das Atrium.

Noch ein Schritt, und dann ein weiterer, und sie war nicht mehr sichtbar. Sie war unsichtbar und konnte wie ein Vogel fliegen, wie eine Schlange gleiten, geschmeidig und graziös, behände, nur einen Lufthauch erzeugend, wenn sie im Nichts verschwand, in die Freiheit.

Tief in diesem Traum versunken, dachte sie nicht mehr an ihre Polonaise, die mit nachschleppenden Bouillonieren am Kleid befestigt war.

Sie spürte ein Rucken am Rock, drehte sich hastig um und sah, dass ein Band sich um einen Fuß des Farnbehälters gewickelt hatte. Die Zeit schien langsamer abzulaufen, und Isadora glaubte, den Verlauf des ihr widerfahrenen Missgeschicks wie durch Wasser gebrochen zu sehen. Einen Moment zu spät streckte sie die Hand nach der sich schlängelnden Bouilloniere aus, die sich straffte und den Alabastertopf umriss. Die große Pflanze neigte sich, und der Behälter zerschellte auf dem Marmorboden.

Das Umstürzen des Farns und der Knall des zerberstenden Topfes ließen die im Ballsaal Anwesenden jäh erstarren. Einen Herzschlag später richteten sich die Augen der jungen Männer aus Harvard, der Freundinnen der Mutter, der Geschäftsleute, der Damen der Gesellschaft und der übrigen Gäste auf Isadora. Reglos verharrte sie, wie durch die Blicke gelähmt, auf der Stelle, einer Gefangenen gleich, die vor einem Erschießungskommando stand.

„Oh Dora!“ Wie üblich nahm die ältere Schwester Lucinda die Sache in die Hand. „So ein Pech, noch dazu bei Arabellas Fest! Komm, ich befreie dich!“ Einen Moment später erschien ein Hausmädchen mit Besen und Kehrschaufel, und gleich darauf setzte die Musik wieder ein.

Isadora brauchte nur einige Sekunden, um sich von dem Schreck zu erholen, doch sie kamen ihr wie eine Ewigkeit vor, in der sie das gleiche ungehaltene Gemurmel hörte, das belustigte Gekicher und missbilligende Räuspern, das sie während ihrer Jugendzeit verfolgt hatte.

Sehnlichst wünschte sie sich, verschwinden zu können, doch wie entrann man dem eigenen Dasein?

„Vielen Dank, Lucinda“, äußerte sie pflichtbewusst. „Wie ungeschickt von mir!“

Lucinda widersprach ihr nicht, lächelte sie an und glättete ihr geschickt Polonaise und Rock. „Das war keine Katastrophe, Liebes. Es bedarf mehr als einer umgefallenen Pflanze, um diesen Abend zu ruinieren. Es ist alles in Ordnung.“

Ohne jeden Groll merkte Isadora, dass die Schwester es ehrlich meinte. Die gertenschlanke blonde Lucinda war das älteste ihrer Geschwister und mit dem reichsten Fabrikbesitzer aus Framingham verheiratet, lebte dort in der waldigen Umgebung in einem aus Backsteinen und Marmor erbauten Palast und brachte in jedem Frühjahr ein gesundes, rosiges Kind zur Welt.

Isadora zwang sich, das Lächeln der Schwester zu erwidern, dachte jedoch daran, welch seltsames Bild sie abgeben mussten. Lucinda sah wie ein Porzellanpüppchen aus, wohingegen sie selbst den Eindruck erweckte, an unstillbarem Appetit zu leiden.

Da der peinliche Augenblick vorüber war, floh Isadora in das Arbeitszimmer, das typische Büro eines Bostoner Kaufmannes. Es enthielt erlesen geschnitztes Mobiliar, viele ledergebundene Bücher und einen umfangreichen Vorrat an alkoholischen Getränken und Tabaken. Erleichtert seufzend atmete sie den ihr vertrauten Geruch ein, schloss die Augen und lehnte sich an die walnussgetäfelte Wand.

„Drehen Sie bei, junge Dame“, sagte jemand in freundlichem Ton. „Ihre Takelage sieht ein bisschen in Unordnung geraten aus. Sind Sie mit etwas kollidiert?“

Isadora schlug die Augen auf und sah einen graubärtigen Herrn in einem mit braunem Leder bezogenen Ohrensessel sitzen, eine emaillierte Schnupftabakdose in der einen und ein Glas mit Punsch in der anderen Hand.

„Guten Tag, Mr. Easterbrook“, erwiderte sie. „Wie geht es Ihnen?“

Sie bildete sich ein, seine rheumatischen Gelenke knarren zu hören, als er aufstand und sich herzlich lächelnd vor ihr verneigte. „Ich bin in guter Verfassung, Miss Isadora, in sehr guter sogar“, antwortete er und setzte sich schwer auf die Armlehne des Sessels. „Und Sie?“

Im Stillen gestand sie sich ein, dass sie noch immer sehr in seinen Sohn verliebt war, äußerte das jedoch nicht. Ein gesellschaftlicher Fauxpas pro Stunde war selbst für sie genug.

Kläglich wies sie auf die offene Tür, durch die man sah, wie der ramponierte Farn fortgeschafft wurde, und antwortete: „Abgesehen davon, dass mir ein peinlicher Patzer unterlaufen ist, geht es mir recht gut. Allerdings habe ich mich bei diesem herbstlichen Wetter leicht erkältet. Ist der ‚Silberne Schwan‘ eingelaufen, Sir?“, fügte sie hinzu, weil sie wusste, dass er unruhig auf die Ankunft seines größten Dreimasters wartete.

„Ja“, sagte er und hob das Glas. „Heute Abend hat er am Liegeplatz festgemacht und wird morgen entladen. Er ist in Rekordzeit hier eingetroffen“, setzte er, die Stimme verschwörisch dämpfend, hinzu. „Er hat mir in einhundertundneunzig Tagen neunzigtausend Dollar brutto eingebracht.“

Da geschäftliche Dinge Isadora interessierten, schaute sie Abel Easterbrook ehrlich beeindruckt an. „Allmächtiger! Das ist wirklich ein Erfolg!“

„Das würde ich auch sagen. Ich habe ihn dem neuen Kapitän zu verdanken“, erwiderte Abel und spielte mit dem Gegengewicht der neben...

Erscheint lt. Verlag 23.11.2021
Reihe/Serie Historical Victoria
Historical Victoria
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
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ISBN-10 3-7515-0306-4 / 3751503064
ISBN-13 978-3-7515-0306-8 / 9783751503068
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