Die schwarze Wölfin (eBook)

Thriller - vom Autor von „Die rote Jägerin“
eBook Download: EPUB
2022
576 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-28856-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die schwarze Wölfin - Juan Gómez-Jurado
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Der neue Nr.-1-Bestseller von Spaniens erfolgreichstem Thrillerautor
Ein russischer Oligarch wird in seiner Villa in Marbella erschossen, seine hochschwangere Frau verschwindet spurlos. Kurz darauf taucht im Hafen von Málaga ein Schiffscontainer aus St. Petersburg auf, in dem neun Frauen qualvoll erstickt sind. Wie hängen die Vorfälle zusammen? Und wer steckt dahinter? Die Polizei ist vollkommen überfordert - bis Antonia Scott und Jon Gutiérrez eingeschaltet werden. Sie stoßen schon bald auf eine heiße Spur, die in ein kleines Dorf unweit von Madrid führt - und zu einer gefürchteten russischen Auftragsmörderin, der schwarzen Wölfin ...

Juan Gómez-Jurado, geboren 1977 in Madrid, ist Journalist und einer der erfolgreichsten Schriftsteller Spaniens. Seine Romane werden in vierzig Sprachen übersetzt und ziehen Millionen Leser*innen weltweit in ihren Bann.

2

Ein Draht


»So kommen Sie da nicht raus, Inspector«, sagt eine Frauenstimme an seinem Ohr.

Jon klammert sich an den Arm von Doktor Aguado, die ihm hilft, sich wieder aufzurichten. Ihn graust vor den Händen der Pathologin, aber wenn du mit dem Hintern im sandigen Flussbett steckst, klammerst du dich an alles, was dir zur Verfügung steht.

»Ich dachte immer, Leichen treiben an der Oberfläche. Aber diese scheint unbedingt untergehen zu wollen.«

Aguado lächelt. Sie ist um die vierzig, hat lange Wimpern, dezentes Make-up, Nasenpiercing und einen schelmischen Langmut im Blick. Jetzt einen Anflug von Fröhlichkeit. Böse Zungen behaupten, sie hätte eine Freundin.

»Der menschliche Körper besteht zu gut siebzig Prozent aus Wasser. Da Wasser nicht treibt, geht er erst mal unter. Bei bestimmten Wassertemperaturen lassen Bakterien den Körper in wenigen Stunden verwesen. Wir haben vier Grad und das Wasser ungefähr sechs, also … eher in Tagen. Magen und Eingeweide füllen sich mit Gasen und plopp, schwappt er wieder an die Oberfläche.«

Aguado kniet sich nieder, ergreift mit einer Hand die Leiche und tastet mit der anderen die Unterseite ab.

»Soll ich Ihnen helfen, Frau Doktor?«

»Nicht nötig. Ich will nur herausfinden, woran sie festhängt.«

Jon wirft einen Blick auf die aufgeschwemmte, formlose Masse. Sie treibt nackt mit dem Kopf nach unten im Wasser. Das Haar ist sehr kurz und von einer undefinierbaren Farbe. Jon fragt sich, woher zum Teufel sie weiß, dass es sich um eine Frau handelt.

»Woher zum Teufel wissen Sie, dass es eine Frau ist?«

»Aus mehreren Gründen, Inspector«, erwidert Aguado. »Wegen des Schlüsselbeinwinkels, wegen der fehlenden Ausbuchtung des Hinterkopfs und weil ich gerade, auch wenn Sie das nicht sehen können, mit ziemlicher Sicherheit die linke Brust des Opfers in der Hand habe.«

Die Pathologin richtet sich auf und reicht ihm die Taschenlampe. Eine kleine, aber starke. Jon leuchtet ihr, während Aguado eine Schere aus ihrer wasserdichten Tasche holt, die sie um den Hals hängen hat. Sie beugt sich vor und hantiert unter der Leiche. Die löst sich endlich und steigt an die Oberfläche.

»Der Mörder hat ihr einen Draht um den Oberschenkel gebunden«, sagt Aguado und zeigt dabei auf eine schmale Druckstelle am Bein. »Bestimmt mit einem Gewicht daran. Helfen Sie mir, sie umzudrehen.«

Im Wasser hat der Körper kein Gewicht. Ihn umzudrehen ist, als würde man eine Seite umschlagen, die letzte Seite. Augen gibt es keine mehr, die wurden von den Fischen gefressen. Das Gesicht wirkt wie eine Maske, doch anstelle des Karnevals erwartete diese Frau ein fatales Schicksal.

Bevor er nach Madrid kam – als er noch durch Bilbaos üble Straßen streifte –, glaubte Jon, hart im Nehmen zu sein. Im Stadtteil Otxarkoaga war alles Splittern von Glas, Nester voller fauliger Äpfel. Wenn er dort einen Toten sah, erfasste Jon keinerlei Mutlosigkeit, er musste auch nicht die Zähne zusammenbeißen oder gar denken: Was ist mit dir passiert, oder wer hat dir das angetan.

Dort war er Beamter.

Hier fühlt er sich verantwortlich.

Verfluchte Antonia.

Die Leiche im Schlepptau, bahnt sich Jon einen Weg durch das Schilfrohr und zerrt sie auf eine trockene Stelle der kleinen Insel.

»Noch keine Todesursache«, sagt Aguado wie zu sich selbst. Sie verstummt, sie scheint etwas zu hören. »Ziemlich hoher Grad an Adipocire. Mindestens eine Woche im Wasser, vielleicht länger.«

»Auf Deutsch, Frau Doktor.«

Die Pathologin zeigt auf die Knoten und Wülste unter der bläulichen Haut der Leiche. Der formlose und aufgequollene Magen hängt weit über das Schambein und verdeckt die Schambehaarung.

»Adipocire entsteht, wenn eine Leiche im Wasser liegt. Zum besseren Verständnis: Mikroorganismen verwandeln das Fett unter der Haut in Seife. Morgen kann ich Ihnen mehr sagen, Inspector. Jetzt muss ich mich an die Arbeit machen, bevor die Luft die Beweise zerstört«, sagt Aguado und zeigt zum Ufer.

Jon weiß, wann er zu gehen hat. Er winkt, und die Frischlinge waten mit einer Bahre und großen Plastiksäcken auf die kleine Insel zu. Für einen gewöhnlichen Leichensack ist der Körper zu stark verwest. Der Inspector überlässt ihnen die Schmutzarbeit – jetzt sind sie dran, das schaffen sie schon allein – und watet mit großen Schritten zurück zu der flachen Mauer, die den Fluss kanalisiert. Es gibt weder Stufen noch eine andere Ausstiegsmöglichkeit, aber die Kollegen haben eine Strickleiter angebracht, über die Jon seine hundertzehn Kilo ans Ufer hieven kann.

Auf der verwaisten Straße lehnt ein Mann an einem Streifenwagen. Dunkles Haar mit großen Geheimratsecken, dünner gestutzter Schnurrbart und Knopfaugen, die eher wie gemalt als echt wirken. Camelfarbener kurzer Mantel. Teuer.

»Es scheint kälter zu werden«, sagt Mentor und bläst Rauch aus.

Jons verletzter Stolz ist sogleich ein wenig besänftigt. Nichts lindert die eigene Schmach besser, als zu sehen, dass ein anderer noch größere erleidet. Mentor dampft jetzt.

»Was ist denn das?«, fragt Jon und zeigt auf die E-Zigarette.

Mentor steckt sie sich zwischen die nahezu unsichtbaren Strichlippen, zieht daran und bläst wieder aus. Der Wind weht Jon eine Wolke Mandarinenduft ins Gesicht.

»Zum Schluss war ich bei drei Schachteln täglich. Letzte Woche habe ich mir sogar unter der Dusche eine angezündet. Also dachte ich, warum es nicht mal ausprobieren.«

»Und, funktioniert es?«

»Was soll ich sagen. Ich nehme jetzt das Doppelte an Nikotin zu mir und habe dreimal so viel Verlangen zu rauchen. Konnte Aguado schon was sagen?«

»Dass das Opfer eine Frau ist. Ermordet. Eine Woche im Wasser oder länger. Und dass ich sie in Ruhe lassen soll.«

»Das ist für ihre Verhältnisse ja ziemlich redselig. Finden Sie sie in letzter Zeit nicht auch fröhlicher?«

»Ich glaube, sie hat eine Freundin«, sagt Jon (er ist die bösen Zungen).

Der Inspector schält sich aus dem Plastikanzug, verzichtet aber auf die Decke, die Mentor ihm hinhält.

»Ich hoffe, Sie sind nicht nass geworden, Inspector. Dieser Teil des Flusses ist der Gesundheit nicht sehr zuträglich.«

»Wieso?«

Mentor wartet, bis der Inspector seinen Mantel und seine Schuhe angezogen hat, und führt ihn zum Ufer.

»1970 ist in einem nahegelegenen geheimen Versuchszentrum ein Rohr gebrochen. Der Caudillo war besessen davon, eine Atombombe zu haben, und ließ mehrere Wissenschaftler Versuche mit Plutonium machen. Es kam erst 1994 heraus, aber seinerzeit liefen aus diesem Abfluss dort drüben über hundert Liter radioaktives Material in den Manzanares.« Mentor zeigt auf einen Punkt in der Dunkelheit. »Hier und da ein paar Hundert Krebskranke, nichts Ernstes. Aber ich würde an so einem Ort nicht baden gehen.«

Jon sagt nichts. Natürlich spürt er sogleich, dass es ihn am ganzen Körper juckt und das rote Barthaar auszufallen beginnt. Aber er denkt gar nicht daran, den Mund aufzumachen. Nicht dass ihm dann auch noch die Zähne ausfallen.

Bierernst schaut Mentor auf die Uhr.

»Wo ist Scott?«

»Ich habe sie vor über drei Stunden angerufen«, antwortet Jon.

»Nicht dass ihre Anwesenheit unentbehrlich wäre. Wegen ihr haben wir lediglich die zuständigen Kollegen abgezogen und mitten in der Nacht das Projekt Rote Königin aktiviert.«

»Das ist ungerecht«, protestiert Jon. »Das könnte …«

Seine heftige Reaktion ist jedoch nur vorgetäuscht. Im Innern keimen Zweifel in ihm auf.

Sieben Monate sind vergangen, seit Antonia und Jon Carla Ortiz gerettet haben. Der Fall ist um die Welt gegangen, ebenso wegen des mysteriösen Verschwindens der Erbin als auch wegen dem, was hinterher zwischen ihr und ihrem Vater geschah. Von Antonia Scott und dem Projekt Rote Königin fand sich kein Wort in den Medien. Von Jon nur wenig. Als er zusammen mit Carla aus der Kanalisation stieg, hat er sein Gesicht vor dem Blitzlichtgewitter der Fotografen geschützt. Ein verschwommenes Foto, eine geruchlose Blume.

Im Projekt Rote Königin gibt es keine Prämien, nur Anonymität. Ein Leben ohne Namen, jede Menge Blendwerk. Das war genug Prämie.

In den morgendlichen Klatschrunden wurde der Fall Ortiz ein paar Tage ordentlich ausgeschlachtet. Die Leiche eines Entführers war aufgetaucht, doch die andere lag angeblich noch unter den Trümmern des Goya-Bis-Tunnels. Man fragte sich, wer es wohl gewesen war. Dies und anderes. Und so weiter. Schlaumeier und Zwitscherlinge palaverten, ohne etwas vom Thema zu verstehen, bevor sie zu anderen Themen übergingen, von denen sie auch nichts verstanden. Das Leben ging weiter, wie viele sinnlose Dinge auch.

Die Welt schlug ein neues Kapitel auf.

Antonia nicht.

Antonia Scott schlägt nie ein neues Kapitel auf.

»Das könnte sie sein«, beendet Jon den Satz und zeigt auf die Leiche, die auf der kleinen Insel gerade auf Plastikfolie gelegt wird. Die Frischlinge haben die orangefarbenen Beine von sechs kräftigen Halogenstrahlern ins Gestrüpp gerammt. Die dunkle Privatsphäre des Todes ist der hässlichen Atmosphäre einer Anatomievorlesung gewichen.

Mentor schüttelt missmutig den Kopf.

»Das ist nur eine weitere, noch nicht identifizierte weibliche Leiche. Die sechste, wenn ich mich nicht verzählt habe. Wieder eine, die einem schlechten Trip oder einem Vergewaltiger zum Opfer gefallen ist. Das geht uns nichts an. Wir verschwenden nur unsere Zeit.«

Antonia...

Erscheint lt. Verlag 18.7.2022
Reihe/Serie Die rote Königin
Die rote Königin
Übersetzer Sybille Martin
Sprache deutsch
Original-Titel Loba Negra
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • eBooks • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinung • Neuerscheinung Krimi Thriller • Softcover • Spanien • spannende Bücher • Taschenbuch • Thriller
ISBN-10 3-641-28856-8 / 3641288568
ISBN-13 978-3-641-28856-3 / 9783641288563
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