Venedig (eBook)

Biographie einer einzigartigen Stadt - Mit zahlreichen Abbildungen
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2022 | 1. Auflage
592 Seiten
Pantheon (Verlag)
978-3-641-29178-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Venedig -  PETER ACKROYD
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Die großartig erzählte Biografie eines einmaligen Sehnsuchtsorts
Alles an Venedig ist einmalig: die Lage, die Geschichte, die Bedeutung. Peter Ackroyd, der vielfach ausgezeichnete britische Schriftsteller, greift in seiner großartigen Biografie die mit dieser Stadt verbundenen Bilder und Emotionen auf und unterlegt sie mit zahllosen Fakten und überraschenden Informationen. Dabei spannt er den Bogen über sechzehn Jahrhunderte, von den ersten Bewohnern, die in der Lagune Zuflucht suchten, bis zu den Touristenströmen, die heute die Stadt überfluten. Alle beschwört er herauf: die Händler im Rialto, die Glasbläser von Murano, die großen Malerfürsten, mächtige Dogen. Kenntnisreich, die großen Zusammenhänge im Blick und verliebt ins Detail - Ackroyds überwältigende Stadtbiografie ist ein Muss für jeden, der Venedig kennt oder neu kennenlernen will.

Peter Ackroyd wurde 1949 in London geboren, wo er bis heute lebt. Er studierte Literaturwissenschaft in Yale und Cambridge und arbeitete viele Jahre für den »Spectator« und die »Times«. Mit seinen Romanen, Theaterstücken und Biographien gehört er zu den wichtigsten britischen Gegenwartsautoren. Er erhielt unter anderem den Somerset Maugham Award und den Whitbread Award. Er gilt als brillanter Autor mit einem unverwechselbaren Stil.

1


Ursprünge


Sie stießen in diese entlegenen und abgeschiedenen Gewässer vor. Sie kamen in Booten mit flachem Kiel, die über die Untiefen hinwegglitten. Sie waren Verbannte, vertrieben aus ihren eigenen Städten oder von ihren eigenen Gehöften, auf der Flucht vor den plündernden Stämmen des Nordens und des Ostens. Und sie waren an diesen wilden Ort gelangt, eine breite und flache Lagune, in der Süßwasser aus den Flüssen des Festlands und Salzwasser aus dem Adriatischen Meer sich mischten. Bei Ebbe zeigten sich überall Schlammbänke, durchzogen von Prielen, Rinnsalen und schmalen Kanälen, auch bei Flut stiegen noch kleine Inseln von Schlick, bewachsen mit Büscheln von Sumpfgras, aus dem Wasser auf. Es gab Flächen, die nur eine Handbreit über die Wasseroberfläche aufragten, mit Schilf und Wildgräsern überwuchert, und andere, die meist von den Wellen überspült waren und nur hin und wieder bei besonders niedrigem Wasserstand sichtbar wurden. Anderswo erstreckten sich öde Marschen, die nur selten vom Wasser bedeckt waren. Aus der Ferne gesehen, schienen die Küste und diese Salzmarschen zu einer einzigen weiten Fläche zu verschmelzen, die mit Tümpeln mit Inselchen darin durchsetzt war. Es gab hier auch Sümpfe, so dunkel und abweisend wie das Wasser in jenen Regionen, in denen sich die Gezeiten nicht mehr bemerkbar machten. Eine Kette von Inseln, gebildet aus Sand und Treibgut aus den Flüssen, trug zum Schutz der Lagune vor dem Meer bei; diese waren mit Fichtenwäldchen bestanden.

Dies Geschlecht hat sich nicht zum Spaß auf diese Inseln geflüchtet, es war keine Willkür, welche die Folgenden trieb, sich mit ihnen zu vereinigen; die Not lehrte sie, ihre Sicherheit in der unvorteilhaftesten Lage suchen, die ihnen nachher so vorteilhaft ward und sie klug machte, als noch die ganze nördliche Welt im Düstern gefangen lag, ihre Vermehrung, ihr Reichtum war die Folge.

Johann Wolfgang von Goethe

Obwohl die Lagune nicht weit von den ehemaligen großen Zentren der römischen Zivilisation entfernt lag, war sie doch entlegen und abgeschieden. Es war ein einsames Gebiet; einzig die Schreie der Seevögel, das Rauschen der Meereswogen und das Pfeifen des Windes, der durch das Schilf fuhr, unterbrachen dort die Stille. Bei Nacht war alles in tiefste Dunkelheit gehüllt, außer dort, wo der Mond die ruhelosen Wellen aufleuchten ließ. Doch im Licht jenes Tages, an dem die Verbannten sich dem Ort näherten, dehnte sich die silbrig glänzende See bis zu einem fernen Saum aus Dunst aus, und der wolkenbedeckte Himmel schien das Silbergewoge des Wassers widerzuspiegeln. Sie wurden in einen Schoß aus Licht hineingesogen – und sie stießen auf eine Insel. Und eine Stimme, wie der Klang vieler Gewässer, wies sie an, auf dem festen Grund, den sie entdeckt hatten, eine Kirche zu bauen.

Das ist eine der Geschichten vom Ursprung ihrer Stadt, die Venezianer zu erzählen pflegten.

Wenn diese unmenschliche Wassereinöde den Menschen aufnimmt, ist sie wie ein Zufluchtsort, eben weil sie unzugänglich ist. Flüchtlinge werden kommen und sich, hinter dem Schilf versteckt, in diese Schlammklumpen, in diesen feuchten Sand eingraben, während die Langobarden das Land verwüsten. Rom ist tot, es herrscht Anarchie. Dieses Totenwasser wird wegen seiner Trennkraft gewählt: es ist Raum, ein Plätschern, das auseinandersprengt. Es ist Flucht, Angst.

Jean-Paul Sartre

Die Lagune selbst ist von ihrer Natur her uneindeutig, weder Land noch Wasser. Sie ist annähernd sechsundfünfzig Meter lang und elf Kilometer breit und ähnelt von ihrer Form her einem aus diesem Teil der norditalienischen Küste ausgeschnittenen Halbmond. Sie entstand vor rund sechstausend Jahren, baute sich aus dem Schlamm und Schlick und Treibgut auf, der von sieben Flüssen in die Adria gespült wurde. Die größten von ihnen – die Brenta, die Sile und die Piave – trugen Geröll aus den Alpen und den Apenninen heran: Eine Stadt aus Stein würde einst auf winzigen Partikelchen von Bergen aufragen. Die Sümpfe, Marschen und Schlammflächen werden durch eine lang gestreckte schmale Sandbank vor dem Meer geschützt, die durch mehrere Kanäle in Inseln unterteilt ist. Die längste dieser Inseln kennt man heute als Lido. Die Kanäle stellen Verbindungen her, als porti bekannte Zugänge, durch die sich das Meer in die Lagune ergießt. Heutzutage gibt es drei solcher porti, bei Lido, bei Malamocco und bei Chioggia. Die durch sie strömenden Fluten hauchen Venedig Leben ein.

Es ist eine sich ständig wandelnde, im Fluss befindliche Region, bestehend aus Schlamm, Sand und Lehm; sie wird von Ebbe und Flut verändert, ist stets in Umbildung begriffen und instabil. Es gibt eine Strömung, die vom Mittelmeer kommend die Adria hinauf- und wieder hinabfließt, und jeder der porti erzeugt sein für ihn charakteristisches Becken und lässt seine eigene Strömung entstehen. Aus diesem Grund hat sich die äußere Erscheinung der Lagune über die Jahrhunderte hinweg gewandelt. Einer Theorie zufolge war die Lagune noch im 6. Jahrhundert im Grunde nichts anderes als eine Marsch, die bei Flut unter Wasser stand. Wie John Ruskin berichtete, sah es im 19. Jahrhundert bei Ebbe manchmal so aus, als wäre Venedig vom zurückweichenden Wasser auf einer riesigen Fläche von dunkelgrünem Seegras zurückgelassen worden. Aus dem ganzen Lagunengebiet wäre in der Tat vor fünfhundert Jahren festes Land geworden, hätten nicht die Venezianer selbst eingegriffen. Heute ist sie einfach ein anderer Teil der Stadt, ein anderes Viertel, weder Land noch Meer. Doch sie entwickelt sich langsam zum Meer zurück. Das Wasser wird tiefer, und sein Salzgehalt steigt. Es ist ein unsicherer Ort. Der heilige Christophorus, der das Jesuskind auf dem Rücken trägt, war einst ein bei den Einwohnern der Stadt beliebter Schutzpatron.

Wie man die Luft der Lagunen oft mit der Luft der Gebirge verglichen hat, so hat auch die Sinnesweise der Bevölkerungen derselben etwas Verwandtes. Beide zeichnen sich durch Kraft, Gelehrigkeit und Kühnheit aus. Den Bewohnern der Lagunen im Adriatischen Meer stand nun eine große Zukunft bevor.

Leopold von Ranke

Das Lagunengebiet ist zu jeder Zeit bewohnt gewesen. Letzten Endes konnte die Wildnis auch fruchtbar sein. Von frühester Zeit an gab es kleine von Menschen besiedelte Nischen – von Fischern und Vogelfängern, die sich die Fülle an Wildvögeln und allerlei Meeresgetier wie auch den in jedem Herbst einsetzenden Zug der Fische aus den Flüssen in die See zunutze machten. Die Marschen sind auch ein Ort, der sich von Natur aus zur Gewinnung von Salz anbietet, und Salz stellte früher eine kostbare Ware dar. Die Venezianer waren seit jeher als Menschen mit Kaufmannsgeist bekannt, doch der Handel begann sich in diesem Gebiet schon zu regen, bevor ihre Vorfahren eingetroffen waren.

Die frühesten Stämme, die hier lebten, sind in vorgeschichtlicher Dunkelheit versunken. Doch die ersten, als solche auszumachenden Vorfahren der Venezianer siedelten in den die Lagune umgebenden Landstrichen vom 8. vorchristlichen Jahrhundert an. Sie gehörten zu einer ethnischen Gruppe, die nicht nur im nordöstlichen Italien zu Hause war, sondern auch an den Küsten des heutigen Sloweniens und Kroatiens. Diese Menschen waren als Veneti oder Venetkens bekannt. Homer nennt sie enetoi, denn im Altgriechischen gab es den Laut »v« nicht. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt in erster Linie als Kaufleute, wie später auch die Venezianer, und handelten mit Bernstein und Wachs, mit Honig und Käse. Sie richteten große Märkte ein, ähnlich denen, die die Venezianer schließlich begründen sollten. Sie machten Geschäfte mit Griechenland, so wie die Venezianer es eines Tages mit Byzanz und dem Osten tun würden. Ihre Spezialität war es, an den Küsten Salz aus dem Meer zu gewinnen, und auch darin waren sie Vorläufer der Venezianer, die später ein Monopol aus der Salzherstellung machten.

Sie kleideten sich schwarz, und das war auch die typische Farbe der Gewänder männlicher venezianischer Patrizier. Herkules, der Stammesheld der Veneti, wurde später zum legendären Beschützer Venedigs; er ist der Halbgott, der durch Arbeit das erwirbt, was andere als ihnen per Naturrecht zustehend in Anspruch nehmen. Die Veneti betrachteten sich als von Antenor abstammend; er habe sie aus dem zerstörten Troja in ihr neues Siedlungsgebiet geführt. Sie waren als geschickte Seeleute bekannt und im Wesentlichen ein Seefahrervolk. Was Ehe- und Familienangelegenheiten betraf, unterwarfen sie sich staatlicher Autorität. Zu den Veneti zählten auch die Menschen, die Städte wie Padua und Altino, Aquileia und Grado bewohnten, aus ihrer Heimat Vertriebene, die in den Wassern der Lagune Sicherheit suchten.

Vor der Zeit ihrer Flucht waren die Veneti nachhaltig romanisiert worden. Im 2. nachchristlichen Jahrhundert hatten sie einen Pakt mit den römischen Machthabern geschlossen. Unter Augustus bildete das Gebiet der Lagune einen Teil des Zehnten Distrikts Italiens, und im 4. Jahrhundert wurde es dann Teil des Oströmischen Reichs, des byzantinischen Imperiums. Die Lagune war damals schon stellenweise besiedelt. Auf einer der Inseln, San Francesco del Deserto, hat man die Überreste einer römischen Hafenanlage freigelegt. Tonscherben lassen sich auf das 1. Jahrhundert datieren, Wandverputz auf das 3.

Dieser Hafen wurde zweifelsohne von Schiffen benutzt, die zwischen Aquileia und Ravenna verkehrten und Getreide aus Pannonien transportierten sowie andere Waren und Vorräte aus entfernteren Regionen herbeibrachten. Man hat an diesem Ort auch Amphoren zum Transport von Wein und Olivenöl aus dem östlichen Mittelmeerraum...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2022
Übersetzer Michael Müller
Zusatzinfo mit farbigem Bildteil, s/w-Abb. im Text;mit Marginalspalte
Sprache deutsch
Original-Titel Venice: Pure City
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Schlagworte 2022 • Adria • Biografie • Biographien • Casanova • Der Kaufmann von Venedig • Dogenpalast • Donna Leon • eBooks • Geschichte • gondoliere • Italien • Italienische Kulturgeschichte • Karneval Venedig • Kreuzfahrt Venedig • Kulturgeschichte • Lagune • Lagune Venedig • Markusdom • Markusplatz • Neuerscheinung • Reiseführer Venedig • San Marco • Seemacht • Tizian • Urlaub Italien • venezianische Kunst • Weltkulturerbe
ISBN-10 3-641-29178-X / 364129178X
ISBN-13 978-3-641-29178-5 / 9783641291785
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