Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar (eBook)

Kriminalroman | »Pflichtlektüre für Miss-Marple-Fans« ORF

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2022 | 1. Auflage
432 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30367-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar -  Robert Thorogood
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Ein mörderisches Hobby: Judith Potts und der Marlow Murder Club ermitteln in einem rätselhaften Mordfall! Simply wonderful: Der gute alte englische Krimi ist zurück! Als die leicht exzentrische Judith Potts Zeugin eines Mordes auf dem Nachbargrundstück wird und die Polizei ihr nicht glaubt, nimmt die resolute Seniorin die Sache selbst in die Hand. Die siebenundsiebzigjährige Misses Potts lebt allein in einem verfallenen Herrenhaus im idyllischen Marlow und arbeitet als Kreuzworträtsel-Autorin. Ihr beschaulicher Alltag mit gelegentlichem Nacktschwimmen in der Themse und dem ein oder anderen Whisky wird jäh gestört, als sie Zeugin eines Verbrechens wird. Weil von der Leiche jede Spur fehlt, gründet Judith kurzerhand den »Marlow Murder Club« mit zwei Mitstreiterinnen. Als es zu einem weiteren Mord kommt, tauchen die Hobby-Detektivinnen tief in die Ermittlungen ein, um das Rätsel zu lösen. Ein humorvoller Cosy Crime voller Überraschungen! 

Robert Thorogood ist ein englischer Drehbuchautor und Romancier. Er ist vor allem als Schöpfer der international gefeierten BBC-Krimiserie »Death in Paradise« bekannt und hat eine Reihe von Spin-off-Romanen mit dem Detektiv DI Richard Poole geschrieben.

Robert Thorogood ist ein englischer Drehbuchautor und Romancier. Er ist vor allem als Schöpfer der international gefeierten BBC-Krimiserie »Death in Paradise« bekannt und hat eine Reihe von Spin-off-Romanen mit dem Detektiv DI Richard Poole geschrieben. Ingo Herzke, geboren 1966, lebt in Hamburg und übersetzt aus dem Englischen, u. a. Alan Bennett, A. M. Homes, Bret Easton Ellis, A. L. Kennedy und Gary Shteyngart.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3


Eine Stunde später saß Judith auf einer Bank in Stefans Garten und wurde von Detective Sergeant Tanika Malik befragt. Die Polizistin war Anfang vierzig, trug einen schicken Hosenanzug und hatte etwas Oberlehrerhaftes an sich, das Judith schon jetzt auf die Nerven ging.

»Das verstehe ich nicht ganz, Mrs Potts«, sagte DS Malik. »Sie sagen, Sie seien zum Haus von Mr Dunwoody zurückgekehrt?«

»Ja«, sagte Judith mit trotzig erhobenem Kinn. »Das habe ich Ihnen doch schon am Telefon gesagt. Ich wusste, dass ich gestern Abend einen Schrei und einen Schuss gehört hatte. Und da Ihr Polizist sich nicht die Mühe gemacht hat, richtig nachzuschauen, dachte ich, dann erledige ich das eben selbst.«

»Hatten Sie noch einen anderen Grund, zurückzukehren?«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«

»Haben Sie damit gerechnet, eine Leiche zu finden?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Und doch haben Sie eine gefunden, oder etwa nicht?«

»Was mehr ist, als Ihr Polizeibeamter zustande gebracht hat, wie ich leider feststellen muss. Aber jetzt sagen Sie mal, wussten Sie, dass Stefan vor ein paar Wochen in eine handgreifliche Auseinandersetzung mit einem Mann namens Elliot Howard verwickelt war?«

»Wie bitte?«

Judith erzählte DS Malik von dem Klatschartikel in der Lokalzeitung, in dem es um den Streit zwischen Stefan und dem Besitzer des Marlower Auktionshauses, Elliot Howard, bei der Henley Royal Regatta ging.

»Und das war vor sechs Wochen?«

»Ganz recht.«

»Ich verstehe.«

DS Malik dachte einen Moment lang nach.

»Was ist denn?«, fragte Judith.

»Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Als Nachbarin von Mr Dunwoody

»Selbstverständlich.«

»Personen, die in Zeugenaussagen namentlich genannt werden, gleichen wir standardmäßig mit der Datenbank der Polizei ab. Also suchte ich nach Mr Dunwoody. Er ist nicht vorbestraft. Ihm gehört die Kunstgalerie in Marlow, er lebt allein, alles wie erwartet. Aber vor fünf Wochen hat er uns einen Einbruch gemeldet.«

»Ach, wirklich? Was wurde denn gestohlen?«

»Das ist es ja! Er sagte, er sei mit Freunden im Restaurant gewesen, und als er nach Hause kam, habe er festgestellt, dass jemand eine Scheibe eingeschlagen hatte und in sein Haus eingebrochen war. Aber als ein Polizeibeamter bei ihm eintraf, um seine Aussage aufzunehmen, war laut Mr Dunwoody gar nichts gestohlen worden.«

»Nichts war gestohlen?«

»So hat er es zu Protokoll gegeben. Und doch war ganz sicher jemand eingebrochen. Aber sein Computer war noch da. Seine Kunstsammlung. Ich kann Ihnen sagen, Mr Dunwoody besitzt eine ganze Reihe von Ölgemälden, und keines davon wurde gestohlen.«

»Das war vor fünf Wochen? Eine Woche nach Mr Dunwoodys Streit in Henley?«

»Davon gehe ich aus. Aber hat Mr Dunwoody Ihnen denn gar nichts von dem Einbruch erzählt?«

»Ich habe leider schon seit Wochen nicht mehr mit Stefan gesprochen.«

»Oder haben Sie damals etwas Verdächtiges beobachtet? Vielleicht wie jemand in der Nähe seines Grundstücks auf der Lauer lag? Oder ein fremdes Auto, das bei seinem Haus parkte?«

»Nein, tut mir leid. Ganz ehrlich. Ich habe erst bemerkt, dass etwas nicht stimmte, als ich gestern Abend mitanhören musste, wie er ermordet wurde.«

»Jetzt muss ich Sie aber wirklich bremsen, Mrs Potts. Schauen Sie, wir wissen ja gar nicht, ob jemand auf Mr Dunwoody geschossen hat.«

»Bitte?«

»Wir wissen nicht, ob Mr Dunwoody ermordet wurde.«

»Meinen Sie, das Einschussloch ist von selbst in seiner Stirn aufgetaucht?«

»Das nicht, aber wir können nicht ausschließen, dass sein Tod ein schrecklicher Unfall war. Oder dass er sich das selbst angetan hat.«

»Sie meinen, er hat Selbstmord begangen?«

»Das ist durchaus eine Möglichkeit.«

»Papperlapapp!«

DS Malik blinzelte überrascht. Wer benutzte denn heutzutage noch Wörter wie »papperlapapp«?

»Wenn er sich das Leben genommen hätte, wäre doch die Pistole irgendwo hingefallen. Bevor er in den Fluss fiel. Und ich kann Ihnen versichern, als ich nachgesehen habe, lag da nirgends eine Waffe.«

»Ich kann nachvollziehen, wieso Sie das glauben, aber vielleicht ist die Waffe in den Fluss gefallen, nachdem er sich erschossen hatte. Ich habe Taucher angewiesen, das Flussbett abzusuchen. Bis dahin sollten Sie wirklich keine voreiligen Schlüsse ziehen, Mrs Potts. Wir müssen uns von den Fakten leiten lassen, nicht von unseren Annahmen.«

Judith taxierte DS Malik. Die Frau mochte eine effiziente und vielleicht sogar fähige Polizistin sein, aber es fehlte ihr ganz eindeutig an Fantasie. Sie war der Typ »Klassensprecherin«, beschloss Judith, was nicht allzu freundlich gemeint war. Judith war von einem ziemlich vornehmen Internat geflogen, auf das man sie als Teenager geschickt hatte. Ebenso war sie von dem nicht ganz so vornehmen Internat geflogen, das sie als Nächstes besucht hatte. Und von dem danach ebenso. Es genügt wohl zu sagen, dass sie und die dortigen Klassensprecherinnen selten einer Meinung gewesen waren.

Judith seufzte in sich hinein. Nun gut, wenn die Polizei nicht glaubte, dass Stefan umgebracht worden war, dann musste sie diesen Mord eben selbst aufklären.

 

Nachdem Judith ihre Aussage zu Protokoll gegeben hatte, bestieg sie wieder ihren Kahn und ließ sich von der Strömung zu ihrem Haus zurücktreiben, vorbei an den Mitarbeitern der Spurensicherung in ihren Papieranzügen, die sie mit einem majestätischen Winken bedachte. Zu Hause angekommen, stieg sie auf ihr altes Fahrrad. Denn wenn sie herausfinden wollte, wer ihren Nachbarn ermordet hatte, musste sie nicht zweimal überlegen, wo sie mit den Nachforschungen beginnen sollte.

Mit dem Fahrrad brauchte sie nur fünf Minuten über den Leinpfad bis in die nahe gelegene Kleinstadt Marlow, und ausnahmsweise nahm Judith das Nicken und Winken, mit denen vollkommen Fremde sie bedachten, gar nicht zur Kenntnis, als sie so dahinsauste. Andererseits wusste sie ohnehin nicht, warum ihr immer so viele Leute zuwinkten. Es kam ihr nie in den Sinn, dass sie im Städtchen fast so etwas wie eine Prominente war. Sie fand ihr Leben überhaupt nicht interessant, aber jedes Mal, wenn sie sich lautstark über das Interesse anderer Menschen wunderte, förderte das ihren Ruf als Exzentrikerin.

Als Judith vom Leinpfad aus in einen kleinen Park mit Schaukeln und Rutschen einbog, sah sie einen Schwarm Tauben, die faul vor sich hin pickten. Drecksbiester, dachte sie, trat stärker in die Pedale und hielt mit breitem Grinsen auf sie zu. Und dann radelte sie in vollem Tempo mitten in den Schwarm hinein, rief »HINFORT, Tauben!«, und schreiend stoben die Vögel auf.

Judith mochte Marlow sehr. Ihrer Meinung nach war es genau richtig, nicht zu groß und nicht zu klein. Die perfekte Stadt für eine alte Dame wie sie. An einem Ende der High Street befanden sich eine elegante georgianische Hängebrücke und eine alte Kirche am Flussufer, am anderen stand ein prunkvoller Obelisk, und dazwischen säumten historische Gebäude aus mehreren Jahrhunderten die Straße. Über der High Street waren auf ganzer Länge rot-blaue Wimpel angebracht, die alles zu einem ästhetischen Ganzen, zu einer kleinstadttypischen Postkartenidylle zusammenfügten – ein Bild, aus dem Puzzles gemacht wurden.

Aber am meisten mochte Judith an Marlow, dass es dort noch viel mehr gab als die malerische High Street. Da war zum Beispiel der Bahnhof, der zwar nur aus einer Hütte bestand, aber von dem aus man immerhin den Zug nach London nehmen konnte. Und am Rande der Stadt gab es ein florierendes Gewerbegebiet, wo Tausende Menschen arbeiteten. Vor allem aber mochte Judith die beiden Schulen, die einen nie versiegenden Strom gut ausgebildeter Teenager hervorbrachten, die in den Supermärkten die Kasse bedienten oder in den Cafés die Bestellungen entgegennahmen. All diese jungen Leute zu sehen, die stets höflich waren und durchweg hübsch anzuschauen, und zu beobachten, wie sie ihrem Tagwerk nachgingen, am Fluss picknickten oder sogar im Skatepark beim Cricket-Pavillon herumhingen, machte Judith richtig glücklich. Wenn so die nächste Generation aussah, musste sich die Welt nicht allzu viele Sorgen machen, fand sie.

Judith war von Natur aus Optimistin, das war vielleicht ihr wesentlicher Charakterzug, aber sie versuchte auch, so ehrlich zu sein, wie sie nur konnte, und sie musste zugeben, dass Marlow, auch wenn es nach wie vor ein flottes Städtchen war, wie alle Städte Großbritanniens in den vergangenen zehn, zwölf Jahren ein wenig gelitten hatte. Wenn man als Tagestourist hierherkam, bekam man sicherlich nichts davon mit. Es gab so viele schicke Restaurants und Boutiquen, dass man gar nicht bemerkte, dass ein rundes Dutzend Geschäfte leer stand, die Fassaden geschmackvoll abgehängt, damit man nicht sah, dass im Inneren...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2022
Reihe/Serie Mord ist Potts' Hobby
Mord ist Potts' Hobby
Übersetzer Ingo Herzke
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • buckinghamshire • Cosy Crime • Cozy Crime • Death in Paradise • England-Krimi • Hobby-Detektiv • Humor • Judith Potts • Krimi-Neuerscheinungen 2022 • marlow murder club • Miss Marple • Mord ist ihr Hobby • neue Krimireihe • Rentner • Senioren
ISBN-10 3-462-30367-8 / 3462303678
ISBN-13 978-3-462-30367-4 / 9783462303674
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