Die Champagnerfürstin (eBook)

Roman
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2022 | 1. Auflage
528 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27220-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Champagnerfürstin -  Annette Fabiani
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Als junges Mädchen hat Barbe-Nicole Clicquot die Französische Revolution überlebt. Aus allen Schicksalsschlägen ging sie gestärkt hervor. Und nach dem Tod ihres Mannes hat sie aus ein paar Weinbergen ein Weltimperium erschaffen. Kein Wunder also, dass Jeanne Pommery 1858 in Reims den Rat der alten Dame sucht, als sie überraschend Witwe wird und sich als Erbin eines Weinhandels in einer unerbittlichen Männerwelt behaupten muss. Die selbstbewusste Jeanne lernt viel von der erfahrenen Barbe-Nicole. Und schließlich gelingt es ihr, mit einem neuartigen Brut-Champagner den Markt zu erobern. Doch damit steht sie plötzlich in direkter Konkurrenz zu ihrer Mentorin ...

Annette Fabiani ist eine erfolgreiche deutsche Autorin, die unter ihrem Namen Sandra Lessmann mit zahlreichen historischen Kriminalromanen um den Pater Jeremy Blackshaw für literarische Hochspannung gesorgt hat. Sie lebte fünf Jahre in England, ehe sie - zurück in Deutschland - Geschichte, Anglistik und Kunstgeschichte studierte. Heute arbeitet sie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

2

Darauf konzentriert, nichts zu verschütten, balancierte Marie-Céleste mit beiden Händen die Schale mit warmem Wasser und stellte sie vor Jeanne auf den Toilettentisch. Dann eilte das Mädchen in die Küche, um die halbe Zitrone zu holen, die es vergessen hatte. Ihre Herrin musste lächeln, während sie Nagelschere und Feile aus dem Lederetui zog. Marie-Céleste war nicht der leuchtendste Stern am Abendhimmel, aber sie war stets gut gelaunt und beklagte sich nie. Ihr rosiges Gesicht war immer fröhlich, und ihre Schwatzhaftigkeit hatte etwas Erfrischendes. Jeanne hatte sie zu Lafortunes Nachfolgerin bestimmt, weil sie sie gerne um sich hatte. Ihre alte Freundin war ihr treu ergeben gewesen, und – was Jeanne besonders an ihr geschätzt hatte – sie hatte ihrer Herrin gegenüber nicht mit Kritik hinter dem Berg gehalten. Aber ihre strenge, freudlose Miene hatte Jeanne manchmal auch ein wenig eingeschüchtert. Wieder lächelte sie, als sie sich bewusst wurde, dass ihr das niemand glauben würde. Ihre Mitarbeiter und Freunde respektierten sie vor allem für ihre Durchsetzungskraft und ihren unbeugsamen Willen, mit dem sie während des Krieges sogar den preußischen Besatzern getrotzt hatte.

Gedankenverloren tauchte Jeanne die Fingerspitzen in das warme Wasser und ließ sie eine Weile einweichen, um die Nägel geschmeidiger zu machen. Den ganzen Tag hatte sie sich mit Henry Vasnier beraten, wie sie auf die Verleumdungen im Courrier de la Champagne reagieren sollten. Ein einfaches Dementi drucken zu lassen, das würde die Gerüchte nicht zum Schweigen bringen. Auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprachen, würde sich der Ruch der Pleite in den Köpfen der Menschen festsetzen. Sie würden sich immer wieder daran erinnern. Es musste etwas geschehen. Das Haus Pommery brauchte eine große Geste, ein beeindruckendes Schauspiel, das dafür sorgte, dass ihre Konkurrenten an den infamen Lügen erstickten. Noch wussten sie und Henry nicht, wie sie vorgehen sollten. Solche Dinge mussten ebenso gut geplant werden wie ein Feldzug. Sie brauchten eine Idee.

Auch nachdem sich Henry verabschiedet hatte, war Jeanne nicht zur Ruhe gekommen und hatte weiter gegrübelt, bis ihr schließlich der Kopf schmerzte. Sie war zu dem Schluss gelangt, dass sie sich ablenken musste, um ihre Gedanken zu ordnen, die ansonsten festzufahren drohten. Also hatte sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen und sich von Marie-Céleste entkleiden lassen. Im Schlafrock hatte sie sich vor ihren Toilettentisch gesetzt, um ein wenig Körperpflege zu betreiben. Nichts entspannte sie mehr. Wie schön war es, das Witwenhäubchen abzunehmen und die Nadeln aus dem eng zusammengewundenen Knoten zu ziehen. Mit einer jungmädchenhaften Bewegung schüttelte Jeanne den Kopf und fuhr mit den Fingern durch ihr dunkles Haar, das ihr weich über den Rücken fiel. Täuschte sie sich, oder fanden sich neue Silberfäden darin?

Kampflustig presste sie die Zähne aufeinander. Sie hatte ihr Imperium nicht unter so vielen Mühen und Opfern aufgebaut, der Einsamkeit der Witwenschaft, gierigen Konkurrenten und sogar der preußischen Armee getrotzt, um sich nun durch ein bösartiges Gerücht besiegen zu lassen. Was hätte Alexandre getan? Nicht einmal seine Krankheit hatte ihren Gemahl von seinen Pflichten abhalten können. Er hätte sich in die Kutsche gesetzt und jeden Einzelnen von ihren Winzern aufgesucht, um ihnen zu versichern, dass das Haus Pommery seine Verpflichtungen einhalten würde. Sie als Frau konnte das nicht, zumindest nicht in der Zeit, in der sie lebte. Noch fünfzig Jahre zuvor war die Witwe Clicquot, nur von einem Pferdeknecht begleitet, in ihrer Karriole durch die Weinberge gefahren. Aber damals hatten Frauen größere Freiheiten gehabt. Jeanne Pommery musste ihren männlichen Teilhaber schicken, um die Weinbauern zu beruhigen.

Alexandre … mein liebster Alexandre, dachte sie schwermütig. Nun muss ich schon so lange ohne dich leben. Ich hoffe, dass du gutheißt, was ich getan habe, dass ich mich entschloss, dein Geschäft weiterzuführen. Es war keine leichte Entscheidung. Ich fühlte mich so verloren ohne dich. Du warst mein Ein und Alles …

Das Auftauchen Marie-Célestes riss Jeanne aus ihren Gedanken. Das Mädchen stellte die Schale, in der eine aufgeschnittene Zitrone lag, vor ihre Herrin auf den Toilettentisch.

»Ich werde das Bett aufschlagen, wenn es Ihnen recht ist, Madame«, sagte Marie-Céleste und verschwand im anliegenden Schlafzimmer.

Geistesabwesend begann Jeanne, ihre Fingernägel mit der Zitrone abzureiben. Die in der Frucht enthaltene Säure sollte sie säubern und bleichen. Der Zitrusduft überlagerte die letzten Spuren des teuren Parfums, das Jeanne am Morgen aufgelegt hatte, verdrängte das Aroma von Moschus, Patchouli und Ambra, die von den Parfumherstellern nach geheimen Rezepten zusammengemischt wurden. Sie waren der letzte Schrei. Neue Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie machten es möglich, die exotischsten Düfte zu kreieren. Der schlichte Geruch der Zitrone führte Jeanne in die Vergangenheit zurück. Damals, vor vierzig Jahren, als es noch keine künstlichen Parfums gab, waren die natürlichen Aromen der Zitrusfrüchte in Mode gewesen. Jeder hatte sie benutzt. Die ganze Welt, arm und reich, hatte nach Bergamotte und Zitrone gerochen.

Jeanne schloss die Augen und atmete tief ein, um die Erinnerung zu beschwören, die der vertraute Duft in ihr wachrief. Sie sah sich selbst vor ihrem Toilettentisch – demselben, den sie immer noch besaß, nur damals war er neu gewesen, und sein Geruch nach frischem Holz und Lack hatte sich mit dem des Zitronenöls vermischt. Der Spiegel hatte das Bild einer nicht mehr ganz jungen, reifen Frau von siebenunddreißig Jahren zurückgeworfen, deren Gesicht im Licht der Morgensonne aber frischer als sonst wirkte. Man hätte fast sagen können, es glühte von innen heraus. Verwundert hatte Jeanne sich im Spiegel betrachtet, an jenem warmen Sommermorgen des Jahres 1856, und sich gefragt, ob es tatsächlich wahr sein könnte. Mit den Händen war sie sich über die empfindlichen Brüste gefahren, die das dünne Nachthemd unter dem Schlafrock kaum verhüllte. Ihre Brustwarzen schimmerten dunkel durch den hellen Seidenstoff und schmerzten, als sie sie berührte. Am Abend zuvor hatte der Geruch des Hühnerragouts sie auf einmal mit Ekel erfüllt, und nun bereitete ihr der Duft des Zitronenöls, das sie so gerne mochte, Übelkeit. Auch die gute Lafortune hatte ihre Herrin in den letzten Tagen mit wissendem Blick angesehen, aber natürlich kein Wort darüber verloren, was sie insgeheim dachte. Vermutlich hatte die Zofe seit Längerem geahnt, was Jeanne am vergangenen Abend erst klar geworden war: Nach sechzehn Jahren Ehe, nach einem Sohn, der schon seinen fünfzehnten Geburtstag gefeiert hatte, war sie ein weiteres Mal schwanger. Ein Lächeln des Glücks huschte über ihre schmalen Lippen, als Jeanne sich fasziniert im Spiegel betrachtete. Ja, man sah es ihr bereits an, obwohl sie erst in der dritten oder vierten Woche sein konnte. Ihr Gesicht, der Ausdruck ihrer Augen hatte sich verändert. Sie wirkte zehn Jahre jünger.

»Sie sehen wundervoll aus an diesem Morgen, Madame«, sagte Alexandre, der in der Tür stehen geblieben war, um sie zu betrachten.

Sie wandte ihm das Gesicht zu und lächelte ihn an. Neugierig trat er hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. Er war frisch rasiert. Die Haut seiner Wangen war ein wenig gereizt durch die scharfe Klinge, die sein Kammerdiener kurz zuvor darüber hatte gleiten lassen. Auch Alexandre haftete der Duft von Bergamotte und Zitrone an, mit dem sein Haaröl parfümiert war, vermischt mit dem Geruch nach Lorbeer und Gewürznelken des Rasierwassers. Seine Schleifenkrawatte war bereits über dem steifen Umlegekragen des feinen Hemdes gebunden und die Weste bis auf den untersten Knopf geschlossen. Ihr Blick begegnete dem seinen im Spiegel. Mit einem verlegenen Lächeln senkte sie die Augen.

»Was ist denn, Madame?«, fragte ihr Gatte verwundert. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«

»Nein«, erwiderte sie und errötete. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«

Verwirrt runzelte er die Stirn, doch dann ging ihm ein Licht auf, und er starrte sie fassungslos an.

»Nein, das kann nicht wahr sein! Sie bekommen ein Kind?«

Lächelnd nickte sie.

»Sind Sie sicher? Nach all der Zeit?«

»Fragen Sie Lafortune, wenn Sie mir nicht glauben«, spöttelte sie.

Die Zofe, die damit beschäftigt gewesen war, die Kleider ihrer Herrin herauszulegen, wandte sich zu ihnen um und sagte scheinbar ungerührt: »Alles spricht dafür, Monsieur. Der kleine Louis wird bald ein Geschwisterchen bekommen.«

»Wann wird es so weit sein?«, fragte Alexandre mit verklärter Miene.

»Oh, nicht vor dem Frühjahr, denke ich«, antwortete Jeanne.

Sie sah, wie sich die Gedanken hinter der Stirn ihres Gatten jagten. Dann fiel auf einmal ein Schatten über seine Züge. Jeanne wusste, was ihm durch den Kopf ging. Nachdem Alexandre von ihrem Haus in der Rue Vauthier-le-Noir aus seit fast zehn Jahren einen florierenden Handel mit Wolle geführt und ein kleines Vermögen gemacht hatte, war er vor ein paar Monaten dem Anraten seines Arztes gefolgt und hatte sich zur Ruhe gesetzt. Dr. Morel war der Meinung, dass es für das schwache Herz seines Patienten besser sei, wenn er sich der Aufregung eines anstrengenden Geschäftslebens enthielt. Doch nun, da die Aussicht auf ein weiteres Kind bestand, musste ihn dieser Entschluss mit Sorge erfüllen.

»Wir werden schon zurechtkommen«, sagte Jeanne aufmunternd.

»Ich wünsche mir für meine Familie mehr, als dass sie ›nur‹ zurechtkommt«, erwiderte Alexandre nachdenklich....

Erscheint lt. Verlag 1.6.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2022 • Bücher Roman • eBooks • Frankreich • Frauenromane • historisch • Historische Romane • Liebesromane • Neuerscheinung • Neuerscheinung Roman • Romane für Frauen • Softcover • Starke Frauen • Taschenbuch • Veuve Clicquot
ISBN-10 3-641-27220-3 / 3641272203
ISBN-13 978-3-641-27220-3 / 9783641272203
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