Die Phileasson-Saga - Elfenkönig (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022
736 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26700-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Phileasson-Saga - Elfenkönig - Bernhard Hennen, Robert Corvus
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Seit vielen Monden schon liefern sich die beiden Kapitäne Asleif Phileasson und Beorn der Blender eine erbitterte Wettfahrt um den Kontinent Aventurien. Nur wer das Rennen gewinnt und alle zwölf Aufgaben löst, darf sich mit dem Ehrentitel »König der Meere« schmücken. Zehn Abenteuer liegen bereits hinter den verfeindeten Helden und ihren Gefährten, doch was nun auf sie wartet, übersteigt all ihre Vorstellungskraft, denn manche Dinge sind größer als der glänzendste Ruhm, als der sagenumwobenste Recke. Mancher Frevel liegt länger zurück, manches Unrecht ist älter als die Sagas aus der Zeit, als die Hjaldinger ihren Fuß auf aventurischen Boden setzten. Wird es gelingen, den großen Weltenlauf ein Stück weit zu korrigieren, um verloren geglaubtes Licht zurückzuerlangen?

Bernhard Hennen, 1966 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Vorderasiatische Altertumskunde. Mit seiner »Elfen«-Saga stürmte er alle Bestsellerlisten und schrieb sich an die Spitze der deutschen Fantasy-Autoren. Bernhard Hennen lebt mit seiner Familie in Krefeld.

1  HEIMKEHR

Unbekannte Gewässer,

neunzehnter Tag im Eimond

Plötzlich war der Nebel verschwunden. Er verlor sich nicht in Schlieren oder wurde zu durchscheinendem Dunst. Zidaine Barazklah blickte über die Schulter. Fast zum Greifen nah erhob sich eine graue Wand, wie ein Festungswall, der die Taubralir ausgespien hatte.

Der Seegang war rauer als eben noch in der anderen Welt. Meer und Himmel kleideten sich in Grau. Hinter dichten Wolken zeichnete sich matt die Sonne ab.

Mittschiffs erklangen zweistimmige Rufe des Erstaunens. Zidaine verstand die Sprache der Elfen nicht mehr. Orimas Wunder hatte mit der Rückkehr nach Aventurien seine Wirkung verloren. Und doch war unübersehbar, was die Elfen so in Aufregung versetzte. Etliche deuteten mit ausgestrecktem Arm zum Himmel. Die meisten von ihnen hatten noch nie die Sonne gesehen, waren die Inseln im Nebel doch eine Welt, die keine Gestirne am Firmament kannte.

»Gleich fangen sie sicher wieder an zu singen«, bemerkte Olav Stirson. Der drahtige, aber breitschultrige Steuermann stand schräg hinter ihr und beäugte misstrauisch das Ruder der Taubralir. Das Zauberschiff hielt ganz allein Kurs. Darüber, wie es sein Ziel fand, spekulierte man in beiden Ottajaskos. Wahrscheinlich vermochte es in den Gedanken der Reisenden an Bord zu lesen und erkannte, wohin die Mehrzahl wollte. Vielleicht begriff es auch, wer in der Gruppe das Sagen hatte, und richtete sich allein nach dessen Wünschen. Aber wie gelangte es an Orte, an denen es nie zuvor gewesen war? Besaß es so etwas wie einen Verstand? Ein eigenes Bewusstsein gar?

Zidaine strich über die Reling des Achterkastells. So viel Wundersames hatten die Elfen erschaffen. Wie hatte es nur geschehen können, dass ihr Reich untergegangen war? Ja, sie kannte die Geschichte nach all den Abenteuern inzwischen … Der Namenlose hatte in einem langen Krieg Elfenstadt um Elfenstadt überrannt. Als Tie’Shianna gefallen war, hatten sich Tausende Überlebende in eine andere Welt gerettet. Ihr König, der Eine, der sie hätte einen können, war seit dem Ende der Schlacht verschwunden und die Elfen, die in Aventurien verblieben waren, hatten sich so weit von allem zurückgezogen, dass sie nahezu bedeutungslos geworden waren.

Die Elfen zwischen den beiden havenisch getakelten Masten der Galeasse fassten sich bei den Händen. Schon stimmten die Ersten ein melancholisches Lied an. Für einen Augenblick dachte Zidaine an ihre guten Tage. An die ferne Vergangenheit, als sie noch die Tochter eines reichen Kaufmanns gewesen war und nur die Sonnenseite des Lebens gekannt hatte. Bis der Tag gekommen war, als Schande und Armut das Haus ihres Vaters bedroht hatten. Was er für Havena getan hatte, war vergessen gewesen, als sich die Schuldeneintreiber auf der Schwelle des Handelskontors gedrängt hatten. Um ihretwillen hatte er die gefährliche Fahrt nach Thorwal gewagt, als das Wetter eigentlich schon viel zu schlecht gewesen war, um eine Reise in den Norden zu unternehmen. Havenisch getakelt … sie blickte zu den beiden großen, dreieckigen Segeln der Galeasse, die sich im Wind blähten. Eine stilisierte blaue Welle auf weißem Grund schmückte sie. Das Schiff lag gut am Wind, und dennoch tauchten die Riemen in vollendetem Gleichtakt in die graue See und zerwühlten sie zu weißer Gischt. Sie machten gute Fahrt. Die Galeasse war ein Wunderwerk der Schiffbaukunst. Einar Knutson, der Schiffbaumeister aus Leif Katlassons Ottajasko, hätte es geliebt, sie zu studieren, aber er war bei der Belagerung von Pwyll der Klinge einer Meuchlerin zum Opfer gefallen.

Die Taubralir war mehr als fünfzig Schritt lang. Eine schlanke Galeasse mit zwei Masten und einem Vorder- und einem Achterkastell, die je dreißig Bogenschützen Platz boten. Das Schiff veränderte seine Größe und passte sich an seine Besatzung an. Die Galeasse war nicht ganz so gewaltig wie auf ihrer Fahrt zur Verlorenen Insel, aber immer noch eindrucksvoll. Ein Drachenboot sah neben ihr wie ein bescheidener Nachen aus. Und dieses Zauberschiff war Phileassons Beute. Es war gewiss nicht weniger wert als der gewaltige Schatz, der in seinem Frachtraum lagerte. Es war einzigartig. Aber der Foggwulf würde es abgeben müssen. Es war undenkbar, dass er mit diesem Schiff die letzten Aufgaben im Wettstreit anging. Die Thorwaler würden Spottverse auf ihn singen, wenn sich Phileassons Recken und Schildmaiden von einem elfischen Zauberschiff übers Meer tragen ließen, statt ordentlich zu pullen, wie es sich gehörte.

Also besaß Phileasson einen Schatz, der nichts wert war. Beorn hatte mit ihr gewettet, dass der Foggwulf das Schiff am Ende den Elfen schenken würde. Für ganz so weltfremd hielt Zidaine den Kartentuscher dann doch nicht. Irgendeinen Preis würde Phileasson schon einfordern … Aber das Gold im Frachtraum war eine greifbarere Größe. Es würde ausreichen, eine ganze Flotte von Drachenbooten auszurüsten. Als Städtezerstörer hatte Beorn Erfahrungen gesammelt, die ihn zu einem unvergleichlichen Plünderfahrer machten. Pwyll, Djanilla und all die anderen Elfenstädte zu erstürmen war ungleich schwerer gewesen, als zum Beispiel Havena in Schutt und Asche zu legen.

Zidaine lächelte. In die Stadt, die ihren Vater gezwungen hatte, sich der winterlichen See anzuvertrauen, mit einer Flotte von fünfzig Drachenbooten zurückzukehren, wäre eine Genugtuung. Wenn Beorn erst einmal König der Meere wäre, würde er wahrscheinlich sogar noch mehr Ottajaskos finden, die seinem Ruf zu einer großen Plünderfahrt folgten. Ein goldenes Zeitalter würde für Thorwal anbrechen.

Inzwischen hatten alle Elfen in das Lied eingestimmt. Schwermütig, wie es klang, hörte es sich für Zidaine wie ein Totengesang für Havena an.

»Ich sagte doch, die werden singen«, murrte Olav. »Ich bin gespannt, wie die Nachtigallen der Nebelinseln in Thorwal aufgenommen werden.« Er lachte leise. »Die können nicht saufen, ihnen wächst kein Bart … Die werden aufpassen müssen, dass man sie nicht für Weibsbilder hält und dann …«

»Weibsbilder?«, unterbrach ihn Eilif Sigridsdottir scharf. »Mit dir wische ich gleich das Deck, alter Schwafelkopf. Ich verbitte mir, dass irgendeine thorwalsche Schildmaid mit diesen zu gut gewaschenen Schnöseln verglichen wird.«

»Du bist doch mehr Büffel als Weib …«

Zidaine trat zwischen die beiden, bevor es zu einer handfesten Rauferei kam.

»Du beschützt das alte Stinktier?« Eilif hatte beide Hände zu Fäusten geballt. Ihre Wangen glühten zornesrot, und die Rauflust funkelte in ihren blaugrauen Augen. Sie war gut einen Kopf größer als Zidaine.

»Dispute dieser Art stehen zurück, bis Beorn zum König der Meere ausgerufen wird. Wenn unsere Reise beendet ist, stelle ich mich gern zum Klingentanz sogar mit einem übellaunigen Halboger wie dir.«

Eilifs Augen verengten sich. Ihre Rechte sank auf die mächtige Axt, die in einem Eisenring von ihrem Gürtel hing. »Es wird mir eine Freude sein, dir den Kopf vor die Füße zu legen, Dämonenschlampe. Man wird in den Tempeln Loblieder auf mich singen, wenn das vollbracht ist. Ganz besonders in den Praiostempeln …«

»Was schert einen Thorwaler, was die Betbrüder in den Praiostempeln singen?« Beorn Asgrimmson kam die schmale Treppe zum Achterdeck empor. »Vielleicht solltest du dir eine andere Ottajasko suchen, wenn dir die Gesänge der Praioten mehr bedeuten als das Lied des Gottwals, Eilif Donnerfaust.«

»Du verbannst mich aus deiner Ottajasko?«, fuhr die Hünin Beorn an.

»Ich erinnere dich daran, wohin du gehörst und auf welchem Weg ich dich gerade sehe.«

Eilif schnaubte nur. Sie wandte sich ab, trat an die Reling und blickte schweigend auf das Meer. Auf dem Rücken trug sie einen langen, schmalen Ledersack. Seit dem Abschied von der Herborg nahe Djanilla schleppte sie diesen merkwürdigen Schlauch mit sich herum und ließ ihn niemals aus den Augen, als verberge sie darin ihr kostbarstes Beutestück von den Nebelinseln.

Zidaine hatte sich immer wieder gefragt, was das wohl sein mochte. Beorn hatte es jedem von ihnen freigestellt, sich ein Beutestück aus ihrem Hort zu nehmen. Alles andere würde in Thorwal nach den Regeln der Plünderfahrer verteilt werden. Eilif hatte sich nicht am Schatz bedient, soweit Zidaine wusste. Genauso wenig wie irgendjemand sonst. Trotz all des Gifts, das Eilif in der Ottajasko versprüht hatte, vertrauten sie am Ende Beorn und nicht ihr.

Die Fechterin hoffte, dass Beorn sich von Eilif trennen würde. Sie mochte eine herausragende Kriegerin sein, eine, die im Alleingang einen gegnerischen Schildwall aufbrach, aber für den Zusammenhalt in der Ottajasko war sie wie Zorganpocken. Immer wieder hatte sie auf den Inseln versucht, Beorn den Führungsanspruch streitig zu machen. Besonders in jenen langen Wochen, als der Drachenführer völlig in seiner Trauer um Arn versunken gewesen war.

Aber Beorn war keiner, der sich unterkriegen ließ. Schon gar nicht von der Hünin. Er war durch und durch ein Kämpfer, und sie hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er bald König der Meere sein würde.

Sie blickte flüchtig zum Vorderkastell, wo Phileasson seine Ottajasko um sich versammelt hatte. Tylstyr Hagridson hatte sich ein wenig abgesondert. Während alle anderen auf das Meer hinausschauten, sah der Magier in der grauen Lederrobe zu ihr. Er brütete. Ganz gewiss malte er sich aus, wie sie sterben würde. Oder wusste er es schon? Was genau auf den Inseln mit ihm geschehen war, wusste Zidaine nicht. Aber von dem Jüngelchen, mit dem sie einst, als sie als Spitzel in Phileassons Ottajasko...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2022
Reihe/Serie Die Phileasson-Reihe
Die Phileasson-Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2022 • Abenteuer • Aventurien • Das Schwarze Auge • eBooks • Elfen • epische Fantasy • epische Schlachten • Fantasy • Götter • High Fantasy • Magie • Neuerscheinung • SPIEGEL-Bestsellerautor • Wettfahrt
ISBN-10 3-641-26700-5 / 3641267005
ISBN-13 978-3-641-26700-1 / 9783641267001
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