Cinderella ist tot (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
384 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-28762-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Cinderella ist tot - Kalynn Bayron
Systemvoraussetzungen
13,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Jetzt für kurze Zeit zum Einführungspreis (eine befristete Preisaktion des Verlages)
Sophia lebt in Cinderellas Königreich, zweihundert Jahre nach jener Ballnacht, in der Cinderella ihren Traumprinzen fand. Doch Cinderellas Geschichte dient inzwischen nur noch dazu, die Frauen zu unterdrücken und sie möglichst schnell bei einem großen Festakt im Schloss unter die Haube zu bringen. Wer sich diesem Ritual verweigert, wird getötet, und wer am Ende der Ballnacht noch keinen Mann hat, wird ausgestoßen und verfolgt. Doch Sophia will keinen Mann. Sie flüchtet in den verwunschenen Wald - und trifft dort Constance, die ihr zeigt, dass sie die Kraft hat, ihr Schicksal und ihre Welt für immer zu verändern ...

Kalynn Bayron ist ausgebildete Sängerin, und wenn sie nicht gerade schreibt, hört sie sich die Songs von Ella Fitzgerald an, geht ins Theater, schaut gruselige Filme und verbringt Zeit mit ihren Kindern. Sie lebt derzeit mit ihrer Familie in San Antonio, Texas.

2

Auf dem Heimweg kann ich an nichts anderes als an Erin denken. Der Wald ist tief und gefährlich und, noch wichtiger, verboten. Ich weiß, dass sie sich nicht weiter verstecken wird. Sie wird nach Hause gehen, aber ich muss mich vergewissern, dass sie in Sicherheit ist.

Der Glockenturm auf dem Stadtplatz verkündet mit seinem Läuten die Uhrzeit. Fünf dröhnende Schläge. Eigentlich sollte ich mich mit meiner Mutter bei der Schneiderin zur Anprobe treffen, und sie hat mich extra angewiesen, gebadet, mit gewaschenem Haar und sauberem Gesicht zu kommen. Ich sehe an mir hinunter. Mein Kleid ist mit Dreck und Blut beschmiert, und meine nackten Füße sind schlammverkrustet. Ich bin den Männern des Königs entkommen, aber wenn meine Mutter mich so sieht, bringt sie mich vermutlich eigenhändig um. Wachen patrouillieren in den Straßen. Es sind viel mehr als sonst, jetzt, so kurz vor dem Ball. Ich gehe mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei. Sie interessieren sich nicht besonders für mich. Sie sind in höchster Alarmbereitschaft wegen etwas, das die Menschen in Lille den Vorfall nennen.

Es passierte vor zwei Wochen in Chione, einer Stadt im Norden. Es gab Gerüchte, dass eine Explosion den Koloss, ein sechs Meter hohes Abbild des Erlösers von Mersailles, dem Prinzen, beschädigt habe und dass man die Verantwortlichen im Schutz der Nacht auf einem Boot nach Lille gebracht hat, damit der König persönlich sie verhören konnte. Was auch immer passiert ist, die Einzelheiten, die er aus ihnen herauspressen konnte, haben ihn völlig in Panik versetzt. In der ersten Woche nach dem Vorfall ließ er die Auslieferung von Post stoppen, unsere Sperrstunde wurde um zwei Stunden vorverlegt und Flugschriften verteilt, die uns versicherten, dass es sich bei dem Vorfall um nichts als den Versuch einer bösartigen Bande Plünderer handelte, die berühmte Statue zu beschädigen. Außerdem hieß es, dass die Täter hingerichtet wurden.

Als ich nach Hause komme, ist das Haus leer und still. Mein Vater ist noch in der Arbeit, und meine Mutter wartet bei der Schneiderin auf mich. Einen Moment stehe ich in der Mitte des Raums und blicke hinauf zu den Bilderrahmen, die über der Tür hängen.

In einem davon befindet sich ein Porträt König Stephans, hager und ergraut; es zeigt ihn so, wie er kurz vor seinem Tod vor einigen Jahren war. In einem weiteren ist König Manford zu sehen, der aktuelle König von Mersailles, der keine Zeit verloren hat, sein eigenes königliches Porträt herauszugeben und zu verlangen, dass es in jedem Haus und an jedem öffentlichen Ort der Stadt aufgehängt werden solle. Unser neuer König ist jung, nur ein paar Jahre älter als ich, aber sein Hang zur Grausamkeit und seine Gier nach absoluter Kontrolle können es problemlos mit denen seines Vorgängers aufnehmen, wie das dritte Bild über der Tür eindrucksvoll beweist. Darauf geschrieben stehen die Dekrete Lilles.

1.Jeder Haushalt hat über mindestens ein makelloses Exemplar einer Ausgabe von Cinderella zu verfügen.

2.Der Besuch des jährlichen Balls ist verpflichtend. Es ist erlaubt, ihm bis zu drei Mal beizuwohnen, danach haben die Besucherinnen ihre Rechte verwirkt und gelten als aufgegeben.

3.Jeder, der sich auf eine ungesetzliche, unerlaubte Verbindung einlässt, hat seine Rechte verwirkt und gilt als aufgegeben.

4.Die Mitglieder jedes Haushalts in Mersailles sind verpflichtet, ein volljähriges männliches Mitglied des Hauses zu ihrem Oberhaupt zu ernennen und seinen Namen im Palast registrieren zu lassen. Jede Aktivität der Mitglieder eines Haushalts muss von ihrem Oberhaupt abgesegnet werden.

5.Zu ihrem Schutz müssen Frauen und Kinder sich abends ab dem achten Schlag der Uhr an ihrem festen Wohnsitz aufhalten.

6.Eine Kopie der geltenden Gesetze und Erlasse sowie ein genehmigtes Porträt seiner Majestät müssen in jedem Haushalt zu jeder Zeit offen ausgestellt sein.

Das sind die strengen und unverrückbaren Regeln, die unser König erlassen hat, und ich kenne sie auswendig.

Ich gehe in mein Zimmer und entfache ein Feuer in dem kleinen Kamin in der Ecke. Kurz überlege ich, ob ich bleiben soll, bis meine Mutter kommt, um nach mir zu sehen, aber ich befürchte, sie sorgt sich schon jetzt, dass etwas Schreckliches passiert sein könnte. Ich bin nicht, wo ich sein sollte. Ich verbinde mir das Knie mit einem sauberen Stoffstreifen und reinige mir das Gesicht in der Waschschüssel.

Meine Ausgabe der Geschichte von Cinderella, ein wunderschön illustrierter Band, den meine Großmutter mir geschenkt hat, liegt auf einem kleinen Holzpodest in der Ecke. Meine Mutter hat sie auf der Seite aufgeschlagen, auf der Cinderella sich auf den Ball vorbereitet und ihre Patin, die gute Fee, sie mit allem versorgt, was sie sich nur wünschen kann. Das traumhaft schöne Kleid, die Pferde, die Kutsche und die berühmten Glasschuhe. Alle, die den Ball besuchen, werden diesen Teil der Geschichte noch einmal lesen, um sich daran zu erinnern, was von ihnen erwartet wird.

Als ich noch klein war, habe ich die Geschichte immer und immer wieder gelesen und darauf gehofft, dass eine gute Fee auch mir alles bringen würde, was ich brauche, wenn ich einmal an der Reihe bin, den Ball zu besuchen. Aber als ich älter wurde, hörte ich immer weniger Gerüchte über Menschen, die von einer guten Fee besucht wurden, und ich vermutete zunehmend, dass die Geschichte nicht mehr als das war: eine Geschichte. Einmal habe ich das meiner Mutter gegenüber erwähnt, und sie war völlig außer sich und sagte mir, dass ich jetzt, da ich solche Zweifel geäußert hätte, ganz sicher nicht besucht werden würde. Ich habe nie wieder davon gesprochen. Ich habe seit Jahren keinen Blick mehr in das Buch geworfen, habe es nicht laut gelesen, wie meine Eltern es wollten.

Aber ich kenne immer noch jede Zeile auswendig.

Auf dem Kaminsims lehnt ein elfenbeinfarbener Umschlag, mein Name steht in wogender schwarzer Schrift darauf. Ich hole ihn herunter und ziehe den gefalteten Umschlag heraus. Das Papier ist dick und in tiefstem Onyx gefärbt. Ich lese den Brief darin, wie ich es schon eine Million Mal getan habe, seit er am Morgen meines sechzehnten Geburtstags ankam.

Sophia Grimmins

König Manford bittet um die Ehre Eurer Anwesenheit auf dem jährlichen Ball.

*   *   *

In diesem Jahr begehen wir den zweihundertsten Jahrestag des ersten Balls, auf dem unsere geliebte Cinderella durch den Prinzen erwählt wurde. Euch erwartet ein prunkvolles Fest, aufgewertet durch Eure Anwesenheit.

*   *   *

Der Ball beginnt um genau acht Uhr am dritten Tag des Oktobers.

*   *   *

Die Auswahlzeremonie beginnt um Schlag Mitternacht.

*   *   *

Bitte kommt pünktlich.

Wir sehen Eurer Ankunft erwartungsvoll entgegen.

Hochachtungsvoll,
Seine Königliche Hoheit König Manford

Auf den ersten Blick ist die Einladung wunderschön. Ich kenne Mädchen, die von dem Tag, an dem sie ihre Einladung erhalten, träumen und an kaum etwas anderes denken können. Doch ich drehe das Papier um und lese den Teil der Einladung, den so viele dieser erwartungsvollen jungen Frauen übersehen. Entlang des äußeren Randes zieht sich ein Muster, das mich an Efeu erinnert, der sich ein Gitter hinaufrankt, nur dass es Worte sind, die in weißer Schrift eine schreckliche Warnung verkünden.

Ihr seid verpflichtet, den jährlichen Ball zu besuchen. Sollte dieser Anordnung nicht nachgekommen werden, ist die Folge Gefängnis und die Beschlagnahmung aller Besitztümer Eurer nahen Familie.

Es ist der erste Oktober. In zwei Tagen entscheidet sich mein Schicksal. So schrecklich die Konsequenzen auch sein mögen, wenn ich nicht auserwählt werde – was mir droht, wenn ich es werde, ist möglicherweise schlimmer. Ich verdränge diese Gedanken und schiebe den Brief zurück in den Umschlag.

Ich verlasse das Haus und mache mich auf den Weg zur Schneiderin, wobei ich mich für den langen Weg entscheide, weil ich hoffe, zufällig Erin zu begegnen. Ich sorge mich zu Tode um sie, aber ich weiß, dass meine Mutter sich auch um mich sorgt.

Die Läden an der Market Street sind hell erleuchtet, und es wimmelt von Leuten, die noch allerletzte Vorbereitungen für den Ball treffen. Vor dem Laden des Perückenmachers hat sich eine Schlange gebildet. Ich spähe durch das Schaufenster. Dieses Jahr hat er sich wirklich selbst übertroffen. In seinen Regalen drängen sich kunstvoll frisierte Perücken. Sie erinnern mich an Hochzeitstorten, Schichten über Schichten kunstvollen Haars in allen Schattierungen, und die ganz oben im Regal sind verziert mit Dingen wie Vogelnestern mit Nachbildungen von Eiern darin.

Ein junges Mädchen sitzt im Stuhl des Perückenmachers, und er setzt ihr gerade ein Gebilde mit vier Schichten auf den Kopf. Es ist über und über mit frischen rosafarbenen Pfingstrosen verziert, und ganz oben sitzt ein kleines Modell von Aschenputtels verzauberter Kutsche. Sie schwankt gefährlich, während die Mutter des Mädchens freudig strahlt.

Ich eile weiter, bahne mir einen Weg durch die Menschenmassen und ducke mich dann in eine Seitengasse. In die Läden hier haben meine Familie und ich noch nie einen Fuß gesetzt. Sie sind für Leute, die genug Geld haben, um den absurdesten und unnötigsten Tand zu kaufen. Ich bin nicht wirklich in der Stimmung, mir trübe Gedanken über Dinge zu...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2022
Übersetzer Antonia Zauner
Sprache deutsch
Original-Titel Cinderella is Dead
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2022 • Aschenbrödel • Aschenputtel • Christina Henry • Cinderella • Cinderella is Dead • düstere Märchen • eBooks • Fantasy • Feminismus • gay romance • Neuerscheinung • Neuinterpretation • People of Color • Queer
ISBN-10 3-641-28762-6 / 3641287626
ISBN-13 978-3-641-28762-7 / 9783641287627
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich