Der Evangelist (eBook)

Die Autobiografie des Lukas
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2022 | 1. Auflage
352 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-28776-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Evangelist -  Dietrich Rusam
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Auf den Spuren des Evangelisten Lukas - ein packender Roman spannend wie ein Krimi
Laubhüttenfest in Jerusalem im Jahr 41 n.Chr. In der pulsierenden Stadt hört der junge Arzt Lukas zum ersten Mal den Namen, der sein Leben radikal verändern wird: Jesus von Nazareth. Er lässt sich von den Aposteln taufen und wird ein Nachfolger Jesu. Was er noch nicht weiß: Wie wenige andere wird er durch sein Schreiben und Denken das entstehende Christentum prägen.

Dietrich Rusam erzählt in dieser fiktiven Autobiografie die Geschichte des Lukas, der als Begleiter des Paulus zum Chronisten des frühen Christentums und seiner theologischen wie menschlichen Konflikte wird. Ein Buch auf der Höhe der Bibelwissenschaft, aber spannend wie ein Krimi.

  • Die Geschichte des Lukas, wie sie noch nie erzählt wurde
  • Ein packender Roman auf der Höhe der aktuellen Forschung
  • Für alle Leser*innen von Gerd Theißen, Klaus Wengst, Alois Prinz und Emmanuel Carrère


Dietrich Rusam, PD Dr. theol., geboren 1964, Studium der Evangelischen Theologie in Erlangen, Heidelberg und Neuendettelsau, Promotion und Habilitation im Fach Neues Testament; Tätigkeit als Pfarrer in und um Bayreuth; seit 2002 Lehrbeauftragter für Biblische Theologie an der Universität Bamberg, seit 2004 Lehrkraft für Evangelische Religionslehre am Richard-Wagner-Gymnasium, Bayreuth. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Kapitel I

»Nennt mich Lukas!« (* 13. Juni 22 n. Chr.)

»Aufstehen!« Ich spüre einen kräftigen Stoß auf meinem Brustbein und blinzele in die Fackel, die über mich gehalten wird. »Los! Beweg dich!«, brüllt der der römische Soldat, der über mir steht und seinen Speer auf meine Brust gesetzt hat. Heftig tritt er mir dabei in die Seite. Schlaftrunken versuche ich, mich wegzurollen. »Was? Was habe ich getan?«, presse ich hervor. »Maul halten! Mitkommen!«, faucht ein anderer Soldat, während er mein Gepäck durchsucht. Als ich langsam aufstehe, merke ich, wie meine Knie zittern. Ich schlucke und spüre, wie mir der Schweiß ausbricht. Was ist hier los? Dann wird mir der Schaft eines Speeres in den Rücken gestoßen. »Los! Beweg dich!«

Zusammen mit anderen werde ich einen steilen Berg hinaufgetrieben. Ich hebe meinen Blick und erkenne die Jerusalemer Burg Antonia über mir. Dorthin soll ich verbracht werden? Da spüre ich schon wieder den Speer im Rücken und stolpere weiter. Es dauert nicht lange, da haben wir die Burg erreicht. Nachdem wir den Haupteingang passiert haben, werde ich wie ein Stück Vieh eine Treppe hinuntergetrieben. Die ausgetretenen Steinstufen werden nur spärlich vom Licht der Fackeln erhellt, die in Metallhalterungen an den Wänden hängen. Die Soldaten stoßen mich in einen dämmrigen Keller. Ich stürze zu Boden. Wo bin ich hier? Ich höre, wie hinter mir eine vergitterte Tür verschlossen wird. Ich rapple mich auf und schaue mich um. Der Angstschweiß steht auf meiner Stirn. Dann traue ich mich erneut zu fragen: »Was habe ich denn falsch gemacht!« Der Soldat an der Tür lacht dreckig und spuckt mir ins Gesicht. »Widerstand gegen Rom ist Hochverrat!«, ruft er mir zu, dreht sich um und steigt die Treppe wieder nach oben.

Ich bin völlig aufgelöst: Man wirft mir vor, ein Widerstandskämpfer zu sein? Darauf steht die Todesstrafe! Mein Herz schlägt bis zum Hals. Dann blicke ich mich um. In dem dunklen Verlies erkenne ich schemenhaft mehrere zerlumpte Gestalten. Wie lange mögen sie wohl schon hier sein? Erst jetzt fällt mir auf, dass es hier bestialisch stinkt! Ich bin unschuldig! Ich will hier raus! »Raus! Raus! Raus!« – Eine der Gestalten lacht hämisch und röchelt mir zu: »Hochverrat! Die werden dich kreuzigen! Glückwunsch! Du hast dir den Zorn Roms zugezogen.« – Ich schreie ihn an: »Aber ich habe nichts Böses getan. Hörst du? Nichts! Ich bin unschuldig!« In meiner Verzweiflung schlage ich um mich, schreie vor Wut und Hilflosigkeit.

Weil ich mich überhaupt nicht mehr beruhigen kann, packt er mich an den Schultern und grinst mir spöttisch ins Gesicht. »Ich habe nichts Böses getan!«, schreie ich immer wieder, während ich spüre, wie ich von dem Kerl gerüttelt werde.

»Beruhigt euch, Herr! Ihr habt geträumt!« Ich bin schweißgebadet und blinzle mehrmals. Noch richtig benommen öffne ich schließlich langsam die Augen. »Hippolytos! Gott sei Dank!«, stoße ich erleichtert hervor. Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken runter. In meinem Mund ist es staubtrocken. Mein Sklave lächelt mich an: »Ihr habt schon wieder geträumt!«, sagt er und fügt hinzu: »Alles ist gut!« Ich bin so aufgewühlt, dass mir die Tränen über das Gesicht laufen. Hippolytos sitzt ruhig da und sagt erneut: »Alles ist gut!« Als ich mich wieder gefasst habe, blicke ich ihm ernst ins Gesicht, denn ich weiß: Nichts ist wirklich gut.

Seit Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.) an der Macht ist, werden Christen immer wieder verhaftet, angeklagt als gottlose Hochverräter und hingerichtet. Ja, in der Regel bedeutet die Gefangennahme bereits das Todesurteil. Ich schüttle den Kopf, als wollte ich die Geister des Traumes verscheuchen. In Zeiten wie diesen müssen viele Christen um ihr Leben fürchten. Wohl deshalb holt mich die Erinnerung meiner Verhaftung, damals in Jerusalem, immer wieder im Traum ein. Eigentlich dachte ich, dass ich diese Erfahrung längst überwunden hätte. Manchmal erlebe ich im Traum aber auch den tristen und gnadenlosen Gefängnisalltag, eine grausame und schmerzhafte Züchtigung mit der Peitsche durch einen römischen Soldaten, eine Prügelei im widerlichen Gefängnis … und manchmal stehe ich selbst auch vor einem Statthalter, der im Begriff ist, mich dem Henker zu übergeben, weil ich Christ bin. Manchmal träume ich sogar von meiner eigenen Hinrichtung … Gott allein weiß, welches Schicksal mich selbst auf meine alten Tage noch ereilen wird. Es ist wirklich eine schwierige Zeit für uns Christen unter dem Kaiser, der von sich sagt, er wäre der »neue Nero«.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir noch bleibt. Und immer wieder verfolgen mich meine Erlebnisse in Träumen. Mir wird langsam klar: Wenn ich sterbe, stirbt auch die ganze Geschichte – alles, was ich in Jerusalem und mit Paulus erlebt habe, alles, was mir persönlich so besonders wichtig geworden ist. Es ist meine Geschichte, wie ich sie erlebt habe – mit Menschen und mit Gott. Ihm möchte ich die Ehre geben und daher meine Erlebnisse zu Pergament bringen. Diese teilweise dramatische Geschichte meines Lebens, die ich nun erzählen will, beginnt jedoch mit einem Appell:

»Nennt mich Lukas!«

Dies ist mein Wunsch an die Nachwelt. »Lukas« – das war der griechische Name, den mir meine Eltern gaben. Sie nannten mich nach dem Land ihrer Träume: Lukanien! Dorthin wollten sie auswandern!

Aber der Reihe nach: Geboren wurde ich im Juni im 8. Jahr der Regierungszeit des Kaisers Tiberius in Alexandria Troas, einer Stadt im Nordwesten Kleinasiens. Eigentlich stammten meine Eltern aus Jerusalem, der stolzen Hauptstadt Davids, im Bezirk des Stammes Juda. Meine Eltern haben sehr großen Wert auf die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk gelegt. »Neben deinem griechischen Namen ›Lukas‹ haben wir dich auch ›Judas‹ genannt«, hat mir mein Vater einmal gesagt, »so, wie der vierte Sohn unseres Vaters Jakob. ›Judas‹ erinnert an unsere Herkunft, an das Land unserer Väter.« Ja, meine Eltern waren sehr traditionsbewusst, und sie sagten immer wieder, dass sie eigentlich niemals aus Jerusalem wegziehen wollten. Dreimal im Jahr opferten sie als gläubige Juden eine Ziege oder ein Schaf am Tempel des Herrn. Oft schwärmte mir mein Vater von der Schönheit Jerusalems und des Tempels vor: »Es ist die prächtigste Stadt der ganzen Welt!« Als ich größer war, wäre mir beinahe einmal die Entgegnung herausgerutscht: »Andere Städte kennst du ja auch nicht wirklich.« Aber ich schluckte sie hinunter. Ich liebte meinen Vater. Er war so gütig, und ich wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Erst als ich erwachsen war und das erste Mal in meinem Leben nach Jerusalem kam, konnte ich den Enthusiasmus meines Vaters verstehen. Und tatsächlich sollte dieser Jerusalembesuch ein ganz wichtiger Wendepunkt in meinem Leben werden.

»Vergiss nie deine Herkunft!«, hat mir mein Vater immer eingeschärft. Und ich habe mir vorgenommen, trotz aller inneren und äußeren Umbrüche, die ich in meinem langen Leben erfahren habe, diesen Rat stets zu beherzigen. Ja, ich bin auch »Judas«, »Judas Ben Sacharja«, und meine Eltern stammen aus Jerusalem; trotzdem höre ich ihn nicht mehr gerne, meinen hebräischen Namen. Ich werde noch darauf zu sprechen kommen, warum ich den Namen »Lukas« so schätzen und lieben gelernt habe und weshalb ich mit meinem jüdischen Namen – besonders in seiner griechischen Ausdrucksweise – meine Schwierigkeiten habe.

Mein Vater war ein traditionsbewusster jüdischer Schriftgelehrter. Wenn ich an ihn denke, erinnere ich mich vor allem an sein umfangreiches Wissen und seine große Güte. Er war ein Jude, dessen Gottesfurcht mich immer wieder neu zutiefst beeindruckt hat. Bei aller Überzeugung und allem Glauben war er aber nie verbissen. Nein, er ließ sich durchaus auch etwas sagen und erkannte schnell, dass die Juden in der Diaspora nicht so nach der Thora leben konnten wie die Juden in Jerusalem.

Ich weiß, dass er sehr darunter gelitten hat, dass meine Mutter Elischeba ihm über viele Jahre keinen Sohn schenkte. »Kinder sind ein Segen Gottes!«, hatte er immer wieder gesagt. Aber die Ehe meiner Eltern war lange kinderlos geblieben. Oft erzählte er mir von seinen Sorgen, die ihn damals umtrieben. Er hatte sich geradezu davor gefürchtet, ohne Nachkommen sterben zu müssen. »Ja, Gott hatte viele Jahre lang unsere Ehe nicht gesegnet.« Es sah für ihn so aus, als habe er vergeblich zu jedem Wallfahrtsfest in Jerusalem ein Vermögen für Opfertiere ausgegeben.

Abgesehen von diesem Kummer, seien sie – so erzählte mir mein Vater immer wieder – in Jerusalem sehr zufrieden gewesen, aber die römische Statthalterschaft über das Land, das die Römer »Judäa« nannten, wurde immer rücksichtsloser. Der im ersten Jahr der Regierungszeit des Tiberius eingesetzte Valerius Gratus (15 n. Chr.) setzte nach eigenem Gutdünken drei Hohepriester ab, die ihm nicht genehm waren. (Josephus, Antiquitates Judaicae 18,35) Meine Eltern spürten, dass die Verhältnisse in Jerusalem sich verschlimmern würden. Die Römer verstanden unsere Lebens- und Glaubensart einfach nicht.

Schweren Herzens fassten sie schließlich den Entschluss, in ein Land auszuwandern, in dem sie ihren Glauben besser leben könnten und keine Angst vor Unterdrückung haben müssten. Zwar sprachen sie die griechische Sprache nicht flüssig, aber sie konnten sich durchaus auf Griechisch verständlich machen. Dass zehn Jahre später unter der Statthalterschaft eines gewissen Pontius Pilatus, der im 12. Jahr der Regierungszeit des Tiberius eingesetzt wurde (26 n. Chr.), tatsächlich ihre Befürchtungen eintraten und die Lebensverhältnisse in Jerusalem für die dort lebenden Juden viel...

Erscheint lt. Verlag 21.2.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 2022 • Apostel • Apostelgeschichte • Bibel • Bibelwissenschaft • Die Bibel • Die Geschichte der Bibel • eBooks • Emmausjünger • Entstehung Christentum • Entstehung der Bibel • erste Christen • Evangelium • Exegese • Gerd Theißen • Geschichte • Jesus Christus • Jesus eine Weltgeschichte • Lukasevangelium • Neuerscheinung • Neues Testament • Paulus • Petrus • Roman • siebzig Jünger
ISBN-10 3-641-28776-6 / 3641287766
ISBN-13 978-3-641-28776-4 / 9783641287764
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