Das Bild der Toten (eBook)

Thriller
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
432 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-26908-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Bild der Toten -  David Lagercrantz
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Der Nr.-1-Bestseller aus Schweden und zweite Band der Rekke-Vargas-Reihe
Der brillante Psychologe Hans Rekke und die junge, clevere Polizistin Micaela Vargas haben soeben ihren ersten gemeinsamen Fall gelöst. Da steht plötzlich ein Mann vor Rekkes Tür und zeigt ihm ein Foto seiner Frau, das ihm kürzlich zufällig in die Hände gefallen ist. Im Hintergrund ist der Markusdom in Venedig zu sehen. Das Problem: Die Frau ist vor Jahren nicht von einem Abendspaziergang zurückgekehrt und schon lange für tot erklärt worden. Die Ermittlungen stürzen Rekke und Vargas auch in private Abgründe ...?

David Lagercrantz, 1962 geboren, debütierte als Autor mit dem internationalen Bestseller »Allein auf dem Everest«. Seitdem hat er zahlreiche Romane und Sachbücher veröffentlicht. 2013 wurde er vom Originalverlag und Stieg Larssons Familie ausgewählt, die Millennium-Trilogie fortzusetzen. 2021 hat er eine neue Reihe mit einem genialen Ermittler-Duo begonnen: Rekke und Vargas. Die Krimis waren in Schweden Nr.1-Bestseller. David Lagercrantz lebt in Stockholm.

Vier


Ich hätte nicht herkommen sollen, dachte Micaela, die noch immer bei Lindroos saß. Am besten hätte ich mich überhaupt nicht in diese Geschichte reinziehen lassen sollen.

Sie wusste genau, wann das passiert war, ziemlich exakt um halb neun Uhr am Abend des zehnten Mai, als Samuel Lidman bei Rekke und ihr im Wohnzimmer saß und ein Urlaubsfoto auf den Couchtisch legte. Der Witwer atmete schwer und war schweißüberströmt. Er hatte einen braunen Cordanzug und frisch geputzte Cowboystiefel an, und trotz seiner Größe und imponierenden Gestalt war er ein Bild des Jammers mit seinem roten, verschwitzten Gesicht und dem traurigen Blick.

»Sie müssen genau hinsehen«, flehte er. »Ich habe noch andere Bilder. Sehen Sie sich das Ohr an, die Nase und die Lippen, es ist verblüffend.«

Was er da beweisen wollte, war ungeheuerlich. Seine Frau war seit dreizehneinhalb Jahren tot, und zwar nicht lediglich für tot erklärt, sondern mit Zahnkarte identifiziert und begraben auf dem katholischen Friedhof in Solna. So jemanden zum Leben erwecken zu wollen, war, wie Rekke sich ausdrückte, ein ehrgeiziges Projekt. Aber Samuel zeigte beharrlich auf eine schöne Frau in rotem Mantel, die auf dem Urlaubsbild aus Venedig zu sehen war.

»Sehen Sie nur hin, sehen Sie«, drängte er.

Rekke nahm das Foto in die Hand. Micaela vermutete, dass er so schonend wie möglich ablehnen würde. Er war ein dezenter Mann, der niemanden gern verletzte, und wie Samuel Lidman da auf der Couch saß, sah er aus, als ginge es hier um sein Leben.

Er war bis über beide Ohren verliebt und frisch verheiratet gewesen, als Claire ihn im Herbst 1990 ohne Vorwarnung und ohne ein Wort des Abschieds verließ. Das war lange her, doch nun war die Wunde erneut aufgerissen worden. Es war offensichtlich, dass irgendetwas passiert sein musste. Claire war ausgesprochen schön und talentiert gewesen und hatte eine kometenhafte Karriere hingelegt. Sie war Chefanalystin einer der größten Banken Schwedens, der Nordbank, und direkt dem Vorstandsvorsitzenden William Fors unterstellt. Zur damaligen Zeit, in der beginnenden Finanzkrise, trieb sie Anleihen ein und sicherte Kredite von ins Wanken geratenen Großunternehmen und Finanzleuten. Der Druck, der auf ihr lastete, war enorm, aber genau das liebte sie an dem Job, erzählte Samuel. Sie war eine Kämpferin und eine Zockerin, und sie waren in ihrer Ehe glücklich. Ineinander verschlungen, so drückte er es aus.

Doch eines Abends hatte Claire das Haus verlassen, um einen Brief nach London an ihre Schwester einzuwerfen, und war nicht zurückgekehrt. Schon tags darauf begannen die Ermittlungen der Polizei. Schreckliche Wochen folgten. Dennoch sehnte er sich nach diesen Tagen zurück, denn da hatte er zumindest noch die schönen Erinnerungen an die gemeinsame Zeit gehabt. Schließlich wurden auch die ihm genommen. Als der Polizeieinsatz in vollem Gange war, kam ein Gruß von ihr, kein langer Brief, so wie der, den sie ihrer Schwester geschrieben hatte, sondern nur eine Ansichtskarte mit einem Gemälde von Cézanne – ein Gardanne-Motiv –, auf der stand, dass sie ihn verlassen habe.

Kurz darauf unternahm er in seinem Schmerz eine mehrwöchige Pilgerreise, wie er es nannte. Als er aus Bombay einmal zu Hause anrief, erfuhr er, dass Claire bei der Explosion eines Tanklasters in San Sebastian ums Leben gekommen war. Er hätte nach seiner Rückkehr darum bitten können, ihre Leiche zu sehen, und es mit Sicherheit auch zur Beerdigung in Solna geschafft. Aber er wollte nicht.

»Für mich war sie längst gestorben«, sagte er. Als er hörte, dass der Leichnam schlimm verbrannt war, bestätigte ihn das nur in seiner Entscheidung, seine Reise fortzusetzen.

»Das war ein Fehler«, sagte er. »So konnten die mich reinlegen.«

Obwohl Claires Schwester, ihre Mutter und ebenjener Kriminalinspektor Kaj Lindroos die Leiche identifiziert hatten, war Samuel, wahrscheinlich auch, weil er nicht hatte Abschied nehmen können, von der fixen Idee besessen, dass Claire vielleicht noch lebte. Tatsächlich stand fest, dass sie Hilfe gehabt haben musste, um Schweden zu verlassen. Sonst hätte sie mehr Spuren hinterlassen und sich nicht einfach in Luft aufgelöst. Das war alles sehr verworren, und Micaela erinnerte sich, wie unruhig Samuel gewesen war und noch mehr schwitzte, während Rekke das Foto betrachtete, das als Beweis für eine Auferstehung kaum taugte. Aus Höflichkeit, wie Micaela dachte, ließ sich Rekke viel Zeit, studierte das Foto lange – nicht nur das eine, sondern auch die alten Bilder von Claire, die Samuel mitgebracht hatte. Eins nach dem anderen nahm er in die Hand.

»Faszinierend«, sagte er.

»Sie erkennen sie auch, nicht wahr? Das ist Claire, oder etwa nicht?«

»Ich weiß nicht recht«, sagte Rekke. »Besonders scharf ist das Foto nicht. Aber immerhin kann ich sehen, dass Claire und diese Frau dieselbe Ausstrahlung haben. Aber ich frage mich … warten Sie …«

Und als nun Samuel Lidman aufgeregt weiter die Ähnlichkeiten zwischen Claire und dieser Frau heraufbeschwor, hörte Rekke nicht mehr zu, sondern war wie so oft in einem tranceähnlichen Zustand versunken.

»Sie wirkt ein wenig ängstlich, nicht wahr?«, sagte er schließlich. »Sieht aus, als würde sie sich nach jemandem umschauen.« Samuel Lidman betrachtete Rekke angespannt.

»Ja, vielleicht. Aber vor allem …«

»Ja?«

»… ist da etwas Besonderes an ihrer Art zu gehen. Sie hält sich ein wenig schief. Hatte Claire eine Verletzung am rechten Knie?«

Samuel war fassungslos. »Ja, allerdings«, sagte er. »Sie hat sich mal beim Skifahren die Bänder gerissen.«

»Das linke Bein und die Hüfte, sehen Sie … neigen sich leicht und übernehmen das Gewicht. Das kann natürlich Zufall sein, ein plötzliches Schwanken oder so etwas. Schmerzen hat sie jedenfalls nicht, das würde man sehen.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Dass diese Schonhaltung, den Körper leicht zu drehen, wahrscheinlich über die Jahre antrainiert wurde und kaum zu erkennen ist. Vielleicht brauchten wir die Bewegung eingefroren in diesem Bild, um es so deutlich zu sehen. Schuld kann eine alte Fraktur der Wade oder im Oberschenkel sein. Doch solche Verletzungen heilen schnell. Ich denke eher, es hat etwas mit dem Meniskus zu tun, der niemals richtig verheilt ist.«

Samuel Lidman fuhr aus seinem Sessel hoch, marschierte im Zimmer auf und ab und erzeugte eine fiebrige Stimmung, als wären sie wirklich auf einer Spur. Micaela war dann ungefähr eine halbe Stunde lang damit beschäftigt gewesen, den armen Mann wieder auf den Teppich zu holen, während sich Rekke, der angeblich nachdenken musste, zurückgezogen hatte.

Am Tag darauf konnte sie sehen, dass Rekke angefangen hatte, an seiner Schlussfolgerung zu zweifeln.

Das war typisch für ihn. Sein Gehirn notierte blitzschnell jede Menge Details und setzte sie zu einem Bild zusammen. Doch hinterher verbrachte er mehr Zeit damit, seine Schlussfolgerungen wieder infrage zu stellen, als es gedauert hatte, sie zu ziehen, und diesmal war er besonders verunsichert. Er hatte einem unglücklichen Mann Flausen in den Kopf gesetzt. »Ich bin ein Idiot«, sagte er, und vielleicht war das der Anfang seiner aktuellen Krise, sein Absturz ins Dunkel.

Doch Samuel Lidman hatte Feuer gefangen und scherte sich nicht darum, dass Rekke seine Meinung geändert hatte, ganz gleich, wie sehr Micaela ihn zu beschwichtigen versuchte. Am Ende versprach sie, der Sache auf den Grund zu gehen, und so war sie mit dem Foto bei Inspektor Kaj Lindroos aufgeschlagen. Vermutlich wirkte sie nicht besonders überzeugend, und als sie jetzt das Foto auf den unaufgeräumten Schreibtisch des Inspektors legte, kam ihr die Sache selbst albern vor.

»So, da ist es also«, sagte Kaj Lindroos und nahm das Foto in die Hand, betrachtete es jedoch nicht lange, sondern wandte den Blick zum Fenster, als würde er hoffen, wieder die Abiturienten zu hören.

»Du musst schon ein bisschen genauer hinsehen«, forderte sie.

Er wandte sich ihr zu. »Du hast nicht zufällig Lust, nachher ein Bier trinken zu gehen? Vielleicht irgendwo unten am Wasser?«

Er sah sie mit neuer Aufmerksamkeit an und fummelte seinen obersten Hemdknopf auf.

»Was? Nein, sorry«, erwiderte sie genervt. »Muss nach Hause.«

»Bist du sicher? Es ist Freitag, die Sonne scheint.«

»Ich bin mit meiner Mutter verabredet.«

»Aha, echt? Na gut.« Er zeigte mit seiner Körpersprache, dass er jetzt noch weniger vorhatte, irgendwelche Energie auf dieses lächerliche Foto zu verschwenden. Sollte sie vielleicht noch was Nettes sagen, was im Stil von »vielleicht ein andermal«? Aber das wäre doch nur blöd und feige.

»Sieh mal hier«, forderte sie ihn auf, »vor allem das Ohr und die Nase sind signifikant ähnlich.«

»Ach wirklich?«, versetzte er und fummelte den Hemdknopf wieder zu. »Und das Foto hat Samuel Lidman also bei seinem Nachbarn gefunden?«

Micaela hatte ihm die Laune verdorben, das war deutlich.

»Ein Freund von Samuel Lidman hat es bei seinem Nachbarn gefunden«, korrigierte sie.

»Ist das allein nicht schon ein wenig sonderbar?«, entgegnete er, und das war es natürlich. Es hätte sich besser angefühlt, wenn das Foto nach ausgiebiger Recherche entdeckt worden wäre, anstatt einfach nur plötzlich in einem Urlaubsalbum im Bekanntenkreis aufzutauchen. Aber so war es nun mal, und bald würde sie hoffentlich hier weggehen und den Mist vergessen können.

»Spielt es eine Rolle, woher das Bild kommt? Entweder ist sie das oder...

Erscheint lt. Verlag 11.1.2024
Reihe/Serie Die Rekke-Vargas-Reihe
Die Rekke-Vargas-Reihe
Lagercrantz, David
Übersetzer Susanne Dahmann
Sprache deutsch
Original-Titel Rekke 2
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2024 • außergewöhnlicher Ermittler • Bipolare Störung • eBooks • Ermittlerteam • Jens Henrik Jensen • Jussi Adler-Olsen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Millenium-Trilogie • Millennium-Trilogie • Neuerscheinung • Politthriller • Professor Moriarty • scandi crime • Schweden • Sherlock Holmes • Stieg Larsson • Stockholm • Thriller • Venedig • Verschwörung
ISBN-10 3-641-26908-3 / 3641269083
ISBN-13 978-3-641-26908-1 / 9783641269081
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