Das verborgene Ufer (eBook)

Ein ergreifendes Familiengeheimnis

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
381 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2112-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das verborgene Ufer -  Ella Carey
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Die Vergangenheit birgt manchmal mehr Geheimnisse, als wir uns je vorstellen können ...

 

1946. Die junge Künstlerin Rebecca hat den verheerenden Krieg überlebt, der so viele Leben gekostet hat. Der Krieg ist nun vorbei, doch Rebecca muss zu Hause weiterkämpfen. Ihre Mutter setzt alles daran, Rebecca davon abzuhalten Malerin zu werden und so ihren Traum zu verwirklichen. Doch dann lernt Rebecca den charmanten jungen Piloten Edward kennen, der ihre Rettung zu sein scheint. Edward gibt ihr nicht nur das Gefühl, geliebt zu werden und wieder lebendig zu sein, er begeistert sich auch für ihre Kunst und plant eine gemeinsame Zukunft.

Als Edward mit Rebecca aufbricht, um das Haus seiner Kindheit an der Küste zu besuchen, endet die Reise in einer Tragödie und Edward steht vor einer schrecklichen Entscheidung: Liebe oder Familie?

Völlig verzweifelt geht Rebecca eines Nachts bei Mondschein an die Küste, um zu malen. Am nächsten Morgen ist sie spurlos verschwunden. Gefunden wird nur einen Bleistift im Sand.

Die Suche nach der Wahrheit wird für die Zurückbleibenden alles verändern ...



Ella Carey wurde in Adelaide, Australien, geboren und studierte Kunst, Geschichte und Literatur. Heute lebt und schreibt sie in Melbourne mit ihrer Familie und zwei Hunden. Schon immer haben sie die mutigen Frauenfiguren der Geschichte fasziniert, weswegen sie es liebt, ihre Romane nach wahren Begebenheiten zu erzählen. Ihre Bücher sind internationale Bestseller und erscheinen in zahlreichen Sprachen.

Im Aufbau Taschenbuch liegen bereits die ersten beiden Bände ihrer Serie über 'Die Frauen von New York' vor: 'Glanz der Freiheit' und 'Worte der Hoffnung'.

2. Kapitel


Rom, 1987

Edward streckte den Arm zur anderen Bettseite aus und tastete über die Stelle an seiner Seite, an der Edith über fünfunddreißig Jahre geschlafen hatte. Und dachte an Rebecca.

Vergangene Nacht hatte sie ihm wieder im Traum zugeflüstert. Manchmal will man sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, aber die Vergangenheit sich mit uns. War das eine kranke neue Form der Trauer? Eine Methode seines Unterbewusstseins, den Schmerz um Ediths Tod zu verdrängen, indem es ihn ins Jahr 1946 zurückkatapultierte und mit Erinnerungen quälte?

Es war, als seien all die Jahre seitdem zu einem einzigen wirren, bedeutungslosen Strudel verschmolzen – Oxford, seine Ehe, die Kinder, seine Laufbahn an der Universität. Nicht einmal die Tatsache, dass er hier in Rom umgeben von den Relikten der alten Welt war, schien etwas gegen den Sog der Vergangenheit ausrichten zu können.

Edward setzte sich im Bett auf. Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes Haar, durch dessen Grau an manchen Stellen noch das ehemalige Dunkelblond schimmerte. Er stand auf, ging zu den Lamellentüren, öffnete sie und trat auf den Balkon hinaus, ohne sich darum zu kümmern, dass er noch seine Schlafanzughose und das alte graue T-Shirt trug. In Gedanken blickte er auf die belebte Straße unterhalb der Wohnung hinab, die Edith und er vor zehn Jahren gekauft hatten, nachdem Haslemere, sein Familienbesitz, veräußert worden war.

Bei der Versteigerung hatten sich Nachbarn wie Gelegenheitskäufer um alles gerauft, was Edwards Familie seit 1839 lieb und teuer gewesen war. Das gravierte Silber vom Dampfschiff, mit dem seine Großeltern in den Urlaub nach England gefahren waren, die edlen Ballkleider seiner Mutter, das Silberbesteck, das der Butler jeden Abend in seiner mit Zedernholz getäfelten Kammer zählte, wo Edward, damals noch ein Kind, so gern auf der Bank unterm Fenster hockte und dem alten Mann zusah, wie er den Wein dekantierte.

In Edward stieg das altvertraute schlechte Gewissen über seine damalige Haltung zum Vermögen seiner Familie auf. Hatte er sich als Kind noch wenig Gedanken gemacht, war ihm als Erwachsener immer deutlicher geworden, dass der opulente Lebensstil der berühmten Russells nicht nur verschwenderisch und unnötig, sondern auch ungerecht war. Dennoch war es ihm am Ende schwergefallen, das Erbe seiner Familie und die Geister seiner Vorfahren, die angeblich in den Fluren Haslemeres umgingen, loszulassen. Und nun schien es, als weigere sich ein bestimmter Geist seiner Vergangenheit, ihn loszulassen.

Er lehnte sich an die Balkonbrüstung, als er mit der Erinnerung rang, wie er vor zehn Jahren das letzte Mal die gekieste Auffahrt hinaufgegangen und an der Glocke am Tor zu den Ställen vorbeigekommen war, die jeden Morgen zum Arbeitsbeginn der Angestellten – Scherer, Farmer, Vorarbeiter und Dienstboten – geläutet hatte. Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte die weltberühmte Schaffarm siebzig Festangestellte gehabt. Hunderte von Wanderarbeitern hatten in den riesigen Wollschuppen Schafe geschoren, als Haslemere unter Edwards Großvater zur vollen Blüte gelangte.

Als Edward verkauft hatte, waren bloß noch drei Angestellte übrig geblieben: ein Gärtner, eine Putzfrau und ein Landarbeiter. Edith, die Gute, hatte sich mit weit mehr Begeisterung als er selbst auf die traditionelle Bewirtschaftung gestürzt. Als er mit dem Gedanken gespielt hatte, die Koppeln genossenschaftlich zu nutzen, wollte sie nichts davon wissen. Sie hatte unbedingt alles beim Alten lassen wollen und war ganz in ihrer Rolle als traditionelle Landfrau aufgegangen. Tatsächlich gelang es ihr, aus dem alten Anwesen ein wunderschönes Zuhause für ihre drei Kinder Mary, Jonathon und Peter zu schaffen, die in den zunehmend überwucherten Gärten eine unbeschwerte Kindheit verbrachten.

Edward gab die meiste Zeit Vorlesungen in Melbourne, um sein Erbe zu finanzieren. Doch obwohl er zusätzlich Biografien schrieb und veröffentlichte, reichte sein Einkommen nicht, um ein total abgelegenes Herrenhaus zu unterhalten, und irgendwann wurde ihnen klar, dass es ihnen nicht einmal mit Ediths Familienvermögen gelingen würde, das riesige Unternehmen, das seine Vorfahren aufgebaut hatten, in Betrieb zu halten. Seit sie vor zehn Jahren die Koffer gepackt hatten, war er kein einziges Mal zurückgekehrt.

Dennoch vermisste er, wenn er ehrlich war, das, was dieses Land stets ausgemacht hatte: die alten wispernden Eukalyptusbäume auf den endlosen Weiden links und rechts der Auffahrt, die wiederum von Eichen gesäumt war, die sein Großvater als Reminiszenz an die alte Heimat gepflanzt hatte. Er vermisste die grünen Wiesen, auf denen die gepflegten Schafe grasten. Wann immer er konnte, hatte er im Garten gearbeitet. Und ja, er hatte an dem mächtigen Herrenhaus mit seinem Ballsaal, den Veranden, den vierzehn Schlafzimmern und der großen, rustikalen Bauernküche gehangen. Mit liebevoller Wehmut dachte er an den eigenwilligen Holzofen zurück, der das ganze Haus ausräucherte, wenn er im Herbst zum ersten Mal in Betrieb genommen wurde, sodass jeder, der konnte, nach draußen floh. Das alte Ding schien einen ganz eigenen Charakter zu haben, und wenn man ihn nicht den ganzen Winter über regelmäßig mit Eukalyptusholz füllte, drohte er zu verlöschen.

Das war das Umfeld gewesen, das für ihn selbstverständlich gewesen war, und doch hatte es auf einer totalen Ungleichheit basiert. Er hatte es nie geschafft, sich damit zu arrangieren, am wenigsten nach den Schrecken des Krieges, dem Holocaust. Wie konnte er in all dem Luxus leben, während so viele Menschen grundlos hatten sterben müssen?

Edwards Flucht nach Rom hatte die Lösung sein sollen. Er hatte Edith die Wunder Italiens in den schillerndsten Farben beschrieben, um sie davon zu überzeugen, dass die Alte Welt ihre Rettung sei; regelrecht vorgeschwärmt hatte er ihr von der italienischen Leidenschaft für alles, was im Leben zählte – gutes Essen, Familie, Liebe. Doch nun in seiner hoffnungslosen Trauer um alles, was er verloren hatte, war ihm klar, dass der Umzug nach Rom ihn nur erneut mit seiner Sehnsucht nach jener Zeit im Jahr 1946 verband. In dieser klassischen Umgebung kehrten seine Gedanken immer wieder zurück zu jenem bestimmten Begriff, der ihn direkt nach dem Krieg so unwiderstehlich angezogen hatte: »Modernismus«, die Abkehr von all jenen Grundsätzen, die die Gesellschaft zusammengehalten hatten, bis der Krieg jede Idee von Klassendenken, Stand und Status ad absurdum geführt hatte – Grundsätze, nach denen seine Familie über viele Generationen hinweg gelebt hatte, ohne sie je infrage zu stellen.

Rom hatte ihm nicht helfen können. Rom hatte alles noch schlimmer gemacht. Sich zwischen den Ruinen der Alten Welt zu bewegen ließen die hundertfünfzig Jahre, die seine Familie auf Haslemere geherrscht und an dem ländlichen Systemzwang festgehalten hatte, so belanglos erscheinen wie ein einzelner Regentropfen in einem Gewittersturm. Edward hatte Rom als eine Art gelobtes Land sehen wollen, wo er sich gleichzeitig verlieren und finden konnte. Doch nichts davon war geschehen.

Die hartnäckig wiederkehrenden Gedanken an Rebecca erinnerten ihn an die routinemäßigen Versorgungsflüge, die er während des Krieges hatte unternehmen müssen. Jeden Tag ging es an der Ostküste entlang, immer dieselbe Strecke, ohne Abwechslung. Edward flog mit einer Hand, während er in dem ins Cockpit geklemmte Buch las, das er sich für diesen Tag aus der Bibliothek von Haslemere genommen hatte: Dickens, Milton, Shakespeare, die Romantiker. Damals hatte er sich auf diese Art in eine Fantasiewelt zurückgezogen, um vor der Wirklichkeit, dem Krieg, vor allem zu flüchten. Versuchte sein Verstand das nun auch wieder?

Er zupfte an der Kordel seiner Pyjamahose um seine nach wie vor schlanke Taille. Er würde wie üblich hinausgehen, die Zeitung kaufen, im Caffè Grecco einen Kaffee trinken und die Leute beobachten und dann einen Spaziergang über die Via Condotti mit den hübschen Designerboutiquen zur Spanischen Treppe machen, um anschließend die wunderschöne Parkanlage der Villa Borghese zu genießen. Er würde wie der typische Zugewanderte wirken, und das war ihm recht. Es wusste ja niemand, was ihm im Kopf umherging.

Seit Ediths Beerdigung war Edward immer deutlicher zu Bewusstsein gekommen, dass ihm nur zwei Möglichkeiten blieben. Er konnte so weitermachen und die Vergangenheit in ihm schwelen lassen, bis sie ihn in den Wahnsinn trieb, oder er konnte etwas dagegen unternehmen. Und es gab nur eins, was ihm helfen würde. Bloß hatte er schon jahrzehntelang nicht mehr geschrieben. Er hatte keinerlei Bedürfnis, sich selbst wieder an jene verborgenen Ufer zu versetzen, an die nie zurückzukehren er sich geschworen hatte. Diese Phase seines Lebens war zu schwierig, zu beängstigend und zu … empfindlich, um sich ihr zu stellen. Und doch würde die Erinnerung daran ihn nicht in Ruhe lassen.

Edward durchquerte das Schlafzimmer, betrat das hübsche Bad, das Edith und er renoviert hatten, drehte die Dusche auf, stellte sich vor den Spiegel und blickte in seine grünen Augen. Er hatte bei Edith sein Bestes gegeben; er hatte getan, was er für das Richtige hielt. Aber dadurch hatte er sich seine ganze Ehe über vor seinen wahren Gefühlen verschlossen.

Nach der Dusche nahm er seinen Schlüssel und genügend Geld für Kaffee und ein kleines Frühstück, verließ die Wohnung und ging die Treppe hinunter. Doch seine Gedanken kehrten erneut zu Rebecca zurück.

Hatte jemand sie so gekannt wie er?

Edward trat hinaus in den römischen Sonnenschein. Als er die Via Condotti schließlich erreicht hatte, wurde...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2021
Reihe/Serie Schatten der Vergangenheit
Übersetzer Kerstin Winter
Sprache deutsch
Original-Titel Secret Shores
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Australien • Familiengeheimnis • Familienroman • Familienschicksal • Flucht • Frauenschicksal • Geheimnis • Kate Morton • Künstlerin • Liebe • Lucinda Riley • Meer • Roman • Saga • unglückliche Liebe • Zeitebene
ISBN-10 3-8412-2112-2 / 3841221122
ISBN-13 978-3-8412-2112-4 / 9783841221124
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99