Und dann bist du tot (eBook)

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
414 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2520-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Und dann bist du tot - Hilary Norman
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In mehreren Städten der Vereinigten Staaten sterben Menschen, denen erst vor kurzem ein lebensrettender Herzschrittmacher implantiert wurde, einen plötzlichen und grausamen Tod. Joe Duval, ein Kriminalbeamter aus Chicago, wird damit betraut, den offenbar wahnsinnigen Täter zu stellen.

Der Fall wird für Joe bald schwieriger als erwartet, denn Lally Duval, seine Schwester, verbirgt vor ihrem Bruder ein Geheimnis: Auch ihr wurde ein Herzschrittmacher implantiert, der sich jederzeit in eine tödliche Waffe verwandeln kann. Die Suche nach dem Wahnsinnigen wird für Joe Duval zu einem grausamen Spiel um das Leben seiner Schwester ...



Hilary Norman, geboren und aufgewachsen in London, war nach einer Karriere als Schauspielerin zunächst in der Mode- und Fernsehbranche tätig. Ihr erster Roman erschien 1986; seitdem hat sie zehn weitere Bücher geschrieben, die in siebzehn Sprachen übersetzt wurden.

1. Kapitel
Montag, 4. Januar


Er war Polizist und sie Ballettlehrerin. Joseph Duval war achtunddreißig Jahre alt und lebte mit seiner Frau Jess und ihrer neunjährigen Tochter Sal aus erster Ehe in Chicago, Illinois. Hélène Duval, seine Schwester, die alle nur Lally nannten, war dreiundzwanzig Jahre alt. Sie lebte mit Hugo Barzinsky, ihrem Untermieter, besten Freund und Geschäftspartner von Hugos Café und ihrer Katze in West Stockbridge, Massachusetts. Joe wusste schon im Alter von zehn Jahren, dass er später von zu Hause fortgehen würde. Lally hingegen hatte nie daran gezweifelt, dass sie bis zu ihrem Tod in Neuengland leben würde. Dies war der bedeutendste Unterschied zwischen Joe und Lally Duval. In jeder anderen Beziehung, besonders in denen, die am meisten zählen – in ihrem Fühlen und Denken –, waren sie sich so ähnlich und so eng verbunden, wie Bruder und Schwester nur sein konnten.

Als Joe kurz vor Viertel vor fünf an diesem Montagnachmittag anrief, saß er an seinem Schreibtisch im Logan Square Distrikt in Chicago. Lally war ungefähr neunhundert Meilen entfernt in ihrem Schlafzimmer und bürstete ihr dunkelbraunes, fast taillenlanges Haar, das sie zu einem hübschen Knoten zusammensteckte, der in der Welt des Balletts Pflicht war.

»Na, was machst du gerade, Schwesterherz?«

Lally lächelte, als sie den vertrauten Klang der tiefen, warmen Stimme ihres Bruders hörte. »Das Übliche. Ich habe gerade frische Croissants im Café abgeliefert, und jetzt mache ich mich für den Unterricht fertig.« Nijinskij, ihre drei Jahre alte Siamkatze, die neben der Tür stand, betrachtete sie aus freundlichen, schmalen Augen.

»Bist du im Büro?«

»Ja, heute Nachmittag muss ich mich um den Papierkram kümmern.« Joe hielt kurz inne. »Wie geht es dir, Lally?«

»Ausgezeichnet«, erwiderte sie. »Letzte Nacht hat es hier geschneit, aber heute ist es wunderschön. Und wie geht es euch?«

Normalerweise telefonierten Joe und Lally mindestens einmal im Monat miteinander. Lally hätte es glücklich gemacht, jeden Tag mit ihrem Bruder zu sprechen. Doch Joe war Lieutenant bei der Chicagoer Mordkommission, was bedeutete, dass er ein verrücktes, ausgefülltes Leben führte, und Lally wusste, dass sein mitunter langes Schweigen nicht bedeutete, dass er seltener an sie dachte.

»Uns geht es allen gut«, sagte Joe. »Klopf auf Holz.« Er klopfte leise auf seinen Schreibtisch.

»Und wie geht es Jess?« Ihre Schwägerin war seit kurzem schwanger, und Lally wusste, dass sie und Joe und die reizende Sal alle wie auf einem Pulverfass saßen, weil Jess’ vorangegangene Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt endeten.

»So weit, so gut.« Joe war ein gefühlvoller, aber wortkarger Mann.

»Nimmt sie es diesmal leichter?« Lally konnte seine Angst durch die Leitung spüren.

»Ein wenig. Du weißt ja, wie eigenwillig Jess ist, aber ich glaube, sie würde fast alles tun, um das Baby diesmal nicht zu verlieren. Sie sieht sogar ein, dass es besser ist, wenn Sal und ich die Einkäufe machen und wir uns um den Garten kümmern.«

»Es ist bestimmt nicht leicht für sie.«

»Das kann man wohl sagen.«

Lally schaute auf den Wecker und steckte die letzte Nadel in ihren Knoten. Sie sah die geliebten Gesichtszüge ihres Bruders, seine lange, spitze Nase und seine zärtlichen, grauen Augen, die ihren sehr ähnelten. Sie sah alles so deutlich vor sich, als würde er ihr gegenübersitzen.

»Was macht die Arbeit?«, fragte sie, als sie nach ihrem geliebten schwarzen Trikot griff und es überstreifte. Sie wusste, dass es eine sinnlose Frage war, denn trotz der Offenheit zwischen ihnen in den meisten Dingen hätten die Belange der Chicagoer Mordkommission in einem Hochsicherheitstresor nicht besser aufbewahrt werden können.

»Immer dasselbe«, sagte Joe leichthin. »Du weißt ja, wie das ist.«

Sie wusste nicht, wie es war, aber vielleicht war sie sogar froh darüber. Im Grunde sorgte sie sich ständig um Joe, und vielleicht war ihre Fantasie schlimmer als die Wirklichkeit, doch irgendwie zweifelte sie daran. Sie hatte die brutale Wirklichkeit, die blutige Realität an dem Tag kennen gelernt, als ihre Eltern wenige Tage nach ihrem neunzehnten Geburtstag bei einem Autounfall vor vier Jahren ums Leben kamen. Da Joe in Chicago lebte, musste Lally sie im Leichenschauhaus in Pittsfield identifizieren. Selbst in diesem schrecklichsten Augenblick ihres Lebens sah sie es als einen Akt der Gnade an, dass sie zusammen starben, denn sie konnte sich nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn einer von beiden überlebt und um den anderen getrauert hätte. Doch das hatte Lally weder an dem Tag noch an den Tagen, die folgten, geholfen, um sich mit dem schrecklichen Ende auszusöhnen. Seitdem Joe zur Polizei gegangen war, sorgte sie sich um ihn, und sie ahnte, dass sie es immer tun würde.

»Geht es dir gut, Schwesterherz?«, fragte Joe. »Du hörst dich so abgehetzt an.«

»Ich habe mich nur umgezogen. In zehn Minuten beginnt der Unterricht.«

»Möchtest du mich später zurückrufen?«

»Du bist doch nie da. Bist du nachher da?« Sie klemmte den Hörer unters Kinn, schlüpfte in den rosaroten Ballettrock und zog ihre Wadenstrümpfe an.

»Wahrscheinlich nicht.«

Lally lächelte wieder. »Okay. Ich gebe dir einen Kurzbericht. Mir geht es gut, und ich bin glücklich. Hugo war erkältet, aber nun ist er wieder gesund. Das Dach muss vom Schnee befreit werden, der Weg muss gefegt und noch einmal gestreut werden, aber sonst ist mit dem Haus alles in Ordnung.« Die Siamkatze kam zu ihr und rieb sich an ihren Knöcheln. »Nijinskij schickt dir liebe Grüße. Sie ist großartig.« Lally griff nach ihren Spitzenschuhen. »Einer meiner Schülerinnen geht es nicht so großartig, und ich mache mir Sorgen, aber alles andere ist wunderbar, und ich liebe dich und vermisse dich, und ich wünschte, dass ihr alle zurückkommen und wieder hier leben würdet.«

Joe grinste. »Ich vermisse dich auch, Lally, und ich soll dich von allen grüßen. Sal hat noch heute Morgen von dir gesprochen. Sie sagte, dass du sie eines Tages nach dem Aufwachen auf deiner Schwelle finden wirst, wenn du sie nicht bald einmal zu dir nimmst.«

»Sag ihr, dass sie jederzeit willkommen ist.«

»Ich liebe dich, Schwesterherz.«

»Joe?«

»Ja?«

»Pass auf dich auf!«

»Du auch.«

Lally hatte immer gespürt, dass die Natur in den Berkshires in einem fast perfekten Gleichgewicht stand. Keiner der Berge oder der Täler oder Seen war zu groß oder einschüchternd. Es war eine wunderbare Mischung, ein fast perfektes, harmonisches Zusammenspiel von natürlichen und von Menschenhand geschaffenen Elementen, den Dörfern, den kleinen Städten und Landstraßen, den großen und kleinen Farmen, hübschen Kirchen und alten Friedhöfen aus der Kolonialzeit. Es gab die Jahreszeiten: den neu erwachenden Frühling, den prächtig blühenden, unvergesslichen Sommer, den glühenden, herrlichen Herbst und einen strengen Winter. Besucher kamen von nah und fern in die Region. Sie wurden von der Schönheit und den kulturellen Möglichkeiten angezogen, denn die Berkshires waren berühmt für ihre sommerlichen Tanz-, Theater- und Musikfestivals. Aber in den Augen von Lally Duval, die so tief in West-Massachusetts verwurzelt war, barg dieses Fleckchen Erde eine Zuverlässigkeit, ein Gefühl von Beständigkeit und Verbundenheit, was mit diesen Dingen wenig zu tun hatte.

Ihre Mutter, Ellen Carpenter Duval, war in Lee – nur ein paar Meilen entfernt – in einer Familie, die dort seit fünf Generationen lebte, geboren und aufgewachsen. Auch Jean-Pierre Duval, von französisch-kanadischer Abstammung, lebte schon in der zweiten Generation in West Stockbridge. Es musste im Laufe der Jahrzehnte zumindest einen weiteren Duval gegeben haben, den das Reisefieber packte, aber Joe war der Einzige, der je fortgegangen war, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

»Bist du sicher, dass du in der Stadt bleiben willst?«, hatte er Lally gefragt, als sie wenige Monate nach dem Tod ihrer Eltern ein neues Zuhause gefunden hatte. Es war ein weißes, mit Schindeln gedecktes Haus mit blauen Fensterläden, einer Veranda und einem Wintergarten samt Erkerfenster und Blick auf die fernen Berkshire Berge. Es stand an der Lenox Road, nicht mehr als eine Meile von ihrem Elternhaus in der Main Street entfernt.

»Natürlich bin ich sicher«, hatte Lally beteuert. »Es ist mein Zuhause, und ich liebe es nicht nur aufgrund der Vergangenheit, sondern aufgrund der Gegenwart und der Zukunft. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben.«

Eigentlich hatte sie nicht den Wunsch verspürt, viel an ihrem Leben zu ändern, und das war auch nicht der Grund, warum sie ihr Elternhaus verkauft hatte. Sie war immer unabhängig gewesen, und Jean-Pierre und Ellen hatten das Bedürfnis ihrer Tochter nach Eigenständigkeit und Freiraum respektiert. Lally wünschte sich ein Haus mit einem kleinen Grundstück, das sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten und in dem sie sich richtig entfalten konnte. Außerdem braucht eine Tänzerin Platz und das Vertrauen, dass das Poltern ihrer Entrechats und das Widerhallen ihrer geliebten Musik nicht die Nachbarn stört, besonders wenn sie das Bedürfnis zu tanzen mitten in der Nacht überkam, was sehr oft geschah.

Lally wusste schon im Alter von vierzehn Jahren, dass sie niemals eine große Ballerina werden würde. Erstens war...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2021
Reihe/Serie Hilary Norman Thriller
Hilary Norman Thriller
Übersetzer Karin Meddekis
Sprache deutsch
Original-Titel IF I SHOULD DIE
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Adam Fawley • Cara Hunter • Catherine Sheperd • Domestic Crime • Entführung • Familiendrama • Karen Rose • Spannung • Vermisstenfall
ISBN-10 3-8412-2520-9 / 3841225209
ISBN-13 978-3-8412-2520-7 / 9783841225207
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