Das Erbe des Weißen Wolfs (eBook)

Magische Geschichten aus der Welt des Hexers
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2022 | 1. Auflage
416 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44016-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Erbe des Weißen Wolfs -  Marcin Zwierzchowski
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Eine Hommage an den Hexer Hexer Geralt hat nicht nur ein weltbekanntes Computerspiel und eine Netflix-Serie inspiriert, sondern auch 11 polnische Autorinnen und Autoren zu eigenen Geschichten. Sie haben den Hexer-Kosmos weitergedacht und weitererzählt. »Es gibt nur einen Hexer. Sein Schöpfer ist Andrzej Sapkowski. Wir wollen ihn nicht ersetzen, sondern ihm huldigen. Am besten tun wir das durch eigenes Schöpfertum. Im vorliegenden Buch werden Sie Geralts, Rittersporne, Lamberts, Coëns und die Yennefer von der Anthologie finden. Sie alle sind, wenn auch keine Kinder Andrzej Sapkowkis, so doch mit seinem Werk im Sinn erschaffen.« (Aus dem Vorwort)

III


Sie wurden eingeschlossen – das hatten sie erwartet. Aber sie hatten nicht geglaubt, dass als Ort der Absonderung ein kleines Hinterzimmer der Schenke dienen würde, derselben, auf deren Vorbau sie vor dem ganzen Krawall ihr Bier getrunken hatten.

Die Wache verhielt sich reserviert. Sie nahmen Geralts Waffen weg, gaben nichtssagende Antworten, hießen sie warten. Auf wen, worauf, blieb ungesagt. Rittersporn ließ seiner blühenden Fantasie die Zügel schießen und hob an, vor dem Gefährten eine Vision der Gerechtigkeit auszubreiten, wie sie von den Hütern der Grenzen der Zivilisation vollzogen wurde. Man hatte dem Dichter die Laute nicht weggenommen, und er begann sogleich, dem Wortkunstwerk, welches das erbauliche Bild malte, schwungvolle Noten anzupassen.

Draußen spannte sich der von der Sommersonne durchglühte Himmel. Ein Wächter namens Kasmir, derselbe, der ihre Verhaftung veranlasst hatte, kam kurz vor Sonnenuntergang.

Rittersporn attackierte ihn gleich auf der Schwelle in wahrlich gräflicher Manier: »Fürwahr, hier herrscht ein Sittenverfall! Gehört es sich, Gäste eures Wunderau zur Haft zu verurteilen, einfach so ohne ein Wort der Erklärung, mit Ungewissheit in den Köpfen und vor allem mit einem leeren Magen?«

Kasmir gab jemandem mit der Hand einen Wink. Es wurde ein durchaus ansehnliches Abendessen hereingebracht. Rittersporn blies sich weit über den Stand eines Grafen auf.

»Was ist Euch?«, fragte der Wächter beunruhigt. »Wegbringen? Ihr werdet nicht essen?«

Rittersporn ließ Luft ab. »Gewiss doch werde ich essen.«

Geralt machte nicht sofort von der Bewirtung Gebrauch. Vor allem freute ihn, dass das Futtern dem Dichter die Gelegenheit zu verderblicher Schönrednerei nahm.

»Es wird sich ausgehen«, teilte der Wächter mit, um einer Frage zuvorzukommen. »Den Göttern sei Dank, dass niemand größeren Schaden genommen hat. Was ist? Was verzieht Ihr das Gesicht?«

»Wegen der Erwähnung der Götter«, erklärte Geralt.

»Ha, das hätt’ ich mir denken können! Ihr sollt wissen, dass dem heiligmäßigen Karausch seine Aufwiegelung auch nicht durchgehen wird. Hier ist neutraler Boden und, äh, weltlicher. Wir hatten mit ihm schon früher ein Hühnchen zu rupfen.«

»Das hört man gern.«

»Trotzdem muss ich sagen, dass Ihr übertrieben habt.«

»Ich habe übertrieben«, gestand Geralt. »Wir alle haben übertrieben. Meine Schuld, Herr Wächter. Ich reagiere empfindlich.«

»Worauf denn?«

»Auf Dummheit.«

»Verstehe, verstehe, ich verstehe vollkommen.« Der Wächter lächelte schelmisch. »Und ich sehe, dass Ihr ihr gefallen werdet.«

»Wem gefallen?«

»Ihr seid Hexer, sehe ich das richtig?«

»Richtig. Was hat mich verraten – das Schwert, das Medaillon oder die Unflätigkeit?«

»Ach was, Herr Hexer, nehmt Euch die Worte des heiligmäßigen Karausch nicht zu Herzen. Erst gestern hat er das Spiegelkabinett unflätig genannt, weil es angeblich das von den Göttern geschaffene Bild des Menschen verzerrt und verunstaltet. Aber in Wahrheit hat er dieses Urteil gefällt, nachdem er sich ausgerechnet in einem Spiegel betrachtet hat, der nicht verzerrt …«

»Genug von dem Priester, wenn ich bitten darf. Wem sollen wir gefallen?«

»Der Großen Jägerin. Sie kommt in Kürze zurück und wird sich zweifellos mit Euch unterhalten wollen, Herr Hexer.«

»Worüber denn? Über den Zwischenfall auf dem Markt?«

»Woher denn. Obwohl … Obwohl doch. Es geht ja um die Vögel. Wenn Ihr Euch gestärkt habt, folgt mir bitte nach draußen und haltet Euch bitte zurück. Es gibt etwas, was Ihr sehen müsst.«

 

»Die Große Jägerin …«, murmelte der Dichter, als der Wächter sie mit etlichen Kollegen in Richtung des Sees führte. »Die Große Jägerin. Mir ist etwas zu Ohren gekommen, ich erinnere mich bloß nicht … Ein Gerücht, eine Ballade oder eine wahre Nachricht.«

Wunderau hatte sich beruhigt, zumindest dem Anschein nach. Die Dämmerung hatte dem Handel ein Ende gemacht, aber allen möglichen Festlichkeiten und Ausschweifungen das Feld bereitet. Auf ihre kleine Schar achtete niemand; gleich einer ansteckenden Krankheit unterwarf sich die Trunkenheit rasch das Dorf und die angrenzenden Lagerplätze.

»Die Große Jägerin …«, wiederholte Rittersporn. »Vielleicht ist das irgendeine Zauberin? Das käme uns aber zupass …«

»Ich sehe nicht, was uns daran zupasskäme.«

»Wieso? Ich breche die Herzen der Frauen, und du bist geradezu ein Eisbrecher, du dringst sogar zum klirrend kalten Herzen einer Zauberin vor …«

»Rittersporn. Sei so gut und halt den Mund.«

»Hier ist es«, ließ sich der Wächter vernehmen.

Sie standen auf einer Böschung über dem wogenden Wald von Binsen.

»Worauf warten wir?«

»Ihr werdet es sehen. Jeden Augenblick.«

»Ich sehe den See«, erklärte Rittersporn, nachdem sie eine Viertelstunde gewartet hatten. »Und Binsen. Und einen Felshang. Ich bin Dichter, nicht irgendein Verseschmied, aber in dieser romantischen Landschaft kann ich nichts Außergewöhnliches bemerken …«

»Oh! Da ist es!«

»Was? Wo?«

»Das Feuer! Schaut, ihr Herren. Dort, auf dem Gipfel.«

»Bei der göttlichen Gnade und dem teuflischen Neid, hast du uns hierhergeschleppt, Mann, um uns irgendwelche Feuer zu zeigen? Geralt! Steh mir bei! Wir lassen uns nicht mit Missachtung behandeln!«

»Was ist dort?«, fragte Geralt ruhig. »Ist das nicht euer Kastell?«

»Ist es«, murmelte der Wächter, unberührt von Rittersporns Ausbruch. »Gleich seht Ihr, was da schon die dritte Nacht vor sich geht.«

»Ich« – der Barde warf sich in die Brust – »will mich der Lösung eures Problems widmen. Dieser Hexer hier wird bestätigen, dass sich schwerlich eine bessere Stimme der Vernunft findet. Es ist also sicherlich jemand zu den Ruinen jenes Kastells gegangen. Mit Reisig. Mit Feuerstein und Schwamm. Und hat dort ein Feuer entfacht. Ende des Liedes.«

»O nein!« Der Wächter ließ sich nicht in die Defensive drängen. »Kein Ende, weil, ’s ist grad der Anfang. Der Brandherd, sozusagen.«

Und da überzeugten sie sich, dass Kasmir keine leeren Worte machte.

Das einsame Flämmchen, das kleine Fünkchen, das an der Grenze der dunklen Erde und des monderhellten Himmels flackerte, schoss plötzlich wie ein Geysir zum Firmament, verwandelte sich in eine Feuersäule, die ihre Gestalt veränderte, auseinanderfloss und das Himmelsgewölbe entzündete. Der Feuerschein entfaltete sich am ganzen Horizont, und in Wunderau wurde es für einen Moment taghell. Es ertönten ein paar Schreie, eher freudige – man freute sich wie bei der Vorführung magischen Feuerwerks.

»Dass sie mir die Zunge rausreißen und die Finger abschneiden!«, schnaufte Rittersporn, mit der Hand am Hütchen erstarrt. »Was war das?«

»Das«, erwiderte der Wächter, »wollte die Große Jägerin herausfinden. Sie ist gestern dort hingegangen, aber erfolglos. Heute wieder. Sie muss bald zurückkommen. Und bestimmt wird sie den Rat eines Hexers haben wollen.«

Geralt schwieg und blickte, ohne zu blinzeln, in das infernalische Schauspiel.

 

»Jaa …« Die Große Jägerin neigte sich zu dem Hexer hin und bedachte ihn mit einem verständnisinnigen Lächeln. »Genau so habe ich mir den berühmten Weißen Wolf vorgestellt.«

Nicht meinerseits, dachte Geralt.

Merrinda Hewroth, Ehrenmitglied der Jägerliga, Bändigerin der Goblins vom Falkengebirge und Gewinnerin der Sieben Trophäen, auch bekannt als die Große Jägerin des Nordens, besaß noch viele weitere Titel. Dennoch war sie der Allgemeinheit unbekannt, und sie selbst kümmerte sich nicht um Ruhm. Geralt hatte nicht gewusst, wen er zu erwarten hatte.

Er hatte nicht geglaubt, dass die Jägerin sich als Zauberin erweisen würde. Und recht behalten. Denn Merrinda Hewroth unterschied sich in fast jeder Hinsicht von den Zauberinnen, zumindest was das Aussehen anging. Sie war ein Pfundsweib, breitschultrig, in einen Lederpanzer verpackt, mit kurzgeschnittenem Haar, braungebrannt und von Narben gezeichnet. Ihre Augen, nicht nur klein, sondern auch mit ständig halb zusammengekniffenen Lidern, gingen irgendwo in der allgemeinen Physiognomie unter. Aber gerade diese Augen erinnerten Geralt als Einziges an der ganzen Jägerin an eine Zauberin. Prüfende, seelenlose, boshafte Augen. Böse Augen. Und sehr intelligente.

Obwohl eine rechtliche Grundlage fehlte, genoss die Große Jägerin in Wunderau Ansehen. Gehorsam erzwangen ihre Untergebenen, die schon von weitem wie ein Sammelsurium von Schergen aussahen. Wie Kasmir erklärt hatte, verstanden sie sich gar nicht schlecht mit der Wache von Wunderau, und das, weil die Jägerin schon ein paarmal das Dorf bedrohende Ungeheuer bekämpft hatte. Sie war freilich kein Hexer. Die Jagd war ihre Leidenschaft, kein erlernter Beruf. Die Marotte einer Frau aus einem heruntergekommenen Geschlecht, die sich neu erfunden hatte.

Eigens für sie war die Gastwirtschaft von Gästen geleert worden. Die sich widersetzt hatten, waren gewaltsam verjagt worden. In Gesellschaft von Geralt und Rittersporn befand sich nur Kasmir. Vor der Ankunft der Jägerin hatten sie sich kurz mit ihm unterhalten können.

»Erzähl von diesem Kastell«, hatte der Hexer gebeten.

»Was hat’s da zu reden? Da ist nichts. Kahle Wände, leere Kammern, Brandreste, alles zugewachsen. Ich bin übrigens lange nicht dort gewesen. Es verirrt sich kaum jemand dorthin.«

»Und warum das? Gilt es als...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2022
Übersetzer Erik Simon
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Andrzej Sapkowski • Anthologie • Barde Rittersporn • Der Hexer • Elfen • Erzählungen • Erzählwettbewerb • Fanfiction • Fantastik • Fantasy • Fantasy Epos • Geralt von Riva • Geschenk Fantasy Fan • Geschenk Witcher Fan • Hexer Geralt • Hexer-Saga • Hexer-Welt • High Fantasy • magische Erzählungen • netflix-serie • Nilfgaard • Nowa Fantastyka • Sammelband • The Witcher • Weißer Wolf • Yennefer
ISBN-10 3-423-44016-3 / 3423440163
ISBN-13 978-3-423-44016-5 / 9783423440165
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