Die unhöfliche Tote (eBook)
368 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46123-5 (ISBN)
SJ Bennett lebt in London und hatte schon immer ein intensives Interesse am britischen Königshaus. Dennoch schrieb sie zunächst mehrere preisgekrönte Jugendbücher, bevor sie ihre Erfolgsserie um die ermittelnde Queen Elizabeth startete. Betonen möchte sie jedoch, dass es sich bei den 'Fällen Ihrer Majestät' um fiktive Geschichten handelt - nach ihren Informationen hat die Queen noch nie heimlich ein Verbrechen aufgedeckt ...
SJ Bennett lebt in London und hatte schon immer ein intensives Interesse am britischen Königshaus. Dennoch schrieb sie zunächst mehrere preisgekrönte Jugendbücher, bevor sie ihre Erfolgsserie um die ermittelnde Queen Elizabeth startete. Betonen möchte sie jedoch, dass es sich bei den "Fällen Ihrer Majestät" um fiktive Geschichten handelt - nach ihren Informationen hat die Queen noch nie heimlich ein Verbrechen aufgedeckt ...
Kapitel 2
Der Palast ist eine Todesfalle.«
»Ach, kommen Sie, James. Sie übertreiben.«
»Keineswegs.« Der Kämmerer blickte den Privatsekretär finster über dessen alten Schreibtisch hinweg an. »Wissen Sie, wie viel vulkanisiertes Gummi man hier gefunden hat?«
»Ich weiß nicht einmal, was das ist.« Sir Simon hob die linke Braue und signalisierte sowohl Neugier als auch Belustigung. Als Privatsekretär war er dafür verantwortlich, die offiziellen Besuche der Queen und den Austausch mit der Regierung zu organisieren, tatsächlich aber interessierte er sich für alles, was sie betreffen mochte. Und sollte Buckingham Palace eine Todesfalle oder dergleichen sein, gehörte das zweifellos mit in diese Kategorie.
Sein Besucher, Sir James Ellington, war für die königlichen Finanzen verantwortlich. Er arbeitete seit Jahren mit Sir Simon zusammen, und es war nicht ungewöhnlich, dass er forschen Schritts die zehn Minuten von seinem Schreibtisch oben im Südflügel zu Sir Simons großzügigem Büro mit den hohen Decken im Erdgeschoss des Nordflügels eilte, um sich über das neueste Fiasko zu beklagen. Hinter der unerschütterlichen Miene eines jeden englischen Gentleman lauert ein Mensch, der darauf brennt, hinter vorgehaltener Hand mit spitzer Zunge seiner Verärgerung über etwas Ausdruck zu verleihen. Sir Simon entging jedoch nicht, dass sein Gegenüber ernsthaft besorgt war, was das vulkanisierte Gummi anging. Warum auch immer.
»Gummi wird mit Schwefel behandelt, um es zu härten«, erklärte Sir James, »und man produziert damit Kabelummantelungen. Wenigstens war das vor fünfzig Jahren noch so. Und sie erfüllen ihren Zweck, zersetzen sich aber mit der Zeit, durch Luft, Licht und so weiter. Sie werden spröde, morsch.«
»Ein bisschen so wie Sie heute Morgen«, sagte Sir Simon.
»Hören Sie auf. Sie haben ja keine Ahnung.«
»Und … Was ist das Problem mit unserem spröden, vulkanisierten Gummi?«
»Es zerfällt. Die Stromleitungen hätten schon vor Jahrzehnten erneuert werden müssen. Das wissen wir seit Langem, aber als wir im letzten Monat das Leck oben unter dem Dach hatten, sind wir gleich auf ein ganzes Bündel gestoßen, das sich durch einfache Berührung praktisch auflöste. Was bedeutet, dass die Verkabelungen im Schloss nur mehr zufällig zusammenhalten. Zweihundert Kilometer davon. Ein falscher Kontakt und … pfffft!« Sir James vollführte mit seiner rechten Hand eine elegante Geste, um eine Rauchwolke oder eine kleinere Explosion anzudeuten.
Sir Simon schloss kurz die Augen. Es war nicht so, dass sie nicht von der Feuergefahr wussten. Die Katastrophe in Windsor Castle 1992 – fünf Jahre hatte es gedauert und mehrere Millionen Pfund verschlungen, die Schäden zu beseitigen. Jeden Sommer hatten sie seither Buckingham Palace für Besucher geöffnet, um wenigstens einen Teil der Kosten wieder hereinzubekommen. Als sie anschließend, der Sicherheit halber, auch im Buckingham Palace die Elektroinstallationen überprüften, stellte sich heraus, dass die Situation hier noch gefährlicher war. Die Pläne zur Sanierung wurden vorangetrieben, stießen aber immer wieder auf neue Komplikationen.
»Was machen wir also?«, fragte er. »Siedeln wir sie um?«
Es war nicht nötig zu sagen, wer da womöglich umziehen musste.
»Das sollten wir wahrscheinlich, und zwar pronto. Sie wird natürlich nicht wollen.«
»Natürlich nicht.«
»Wir haben den Gedanken im letzten Jahr schon einmal vorgebracht, und ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen«, sinnierte Sir James düster. »Ich kann es ihr nachfühlen. Wenn sie umzöge, müsste es nach Windsor sein, damit sie ihren Terminen nachkommen kann. Die Autobahn hinaus aus der Stadt würde mit Botschaftern, Ministern und Gästen der Gartenpartys verstopft sein, und das Schloss selbst müsste völlig umorganisiert werden. Nein, nein, sie wird hier brav weitermachen. Solange der Buckingham Palace nicht unbewohnbar ist …«
»Aber das ist er, sagen Sie«, warf Sir Simon ein.
Sir James seufzte. »Richtig.« Er hob den Blick gen Himmel. »Der Palast sollte nicht mehr bewohnt werden. Wäre er ein Reihenhaus in Birmingham, würden die Behörden eine amtliche Mitteilung an die Haustür kleben und der Familie jeden Zutritt verbieten, bis alles in Ordnung gebracht wäre. Aber dies ist ein Palast, der gebraucht wird, also geht es nicht. Der Sanierungsplan, der ihr erlaubt, während der Arbeiten hierzubleiben, ist so gut wie fertig, was die Sache allerdings ein, zwei Millionen teurer werden lässt. Oh, übrigens, fast hätte ich es vergessen. Sie kennen doch Mary, meine Sekretärin? Die äußerst tüchtige, die alle E-Mails rechtzeitig beantwortet, das Sanierungsprogramm bis ins Detail kennt und fast schon was Geniales hat?«
»Ja?«
»Sie hat gekündigt. Ich habe es im Einzelnen nicht mitbekommen, aber sie war heute Morgen völlig in Tränen aufgelöst. Also …«
Er wurde von Rozie unterbrochen, die mit den Schachteln hereinkam und sie auf die Marmorplatte des Konsolentischs neben der Tür legte, damit das Kabinettsbüro sie später abholen konnte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sir Simon.
»Weitgehend. Wie finde ich heraus, ob wir in den Neunzigern dem Verteidigungsministerium eines der Gemälde der Queen ausgeliehen haben?«
Angesichts dieser wenig interessanten Frage stand Sir James auf und verabschiedete sich.
Rozie sah ihm neugierig hinterher. Sir Simon beugte sich vor, legte die Fingerspitzen gegeneinander und konzentrierte sich auf das neue Thema. Er war gut darin, von einem Problem zum anderen zu wechseln – wie eine Turnerin am Stufenbarren, hatte Rozie oft schon gedacht, oder ein Eichhörnchen beim Hindernislauf.
»Hmm. Sprechen Sie mit dem Royal Collection Trust«, schlug er vor. »Die kümmern sich um ihre private Sammlung und andere Dinge der Krone, glaube ich. Warum wollen wir das wissen?«
»Die Chefin hat das besagte Bild in Portsmouth gesehen«, erklärte Rozie. »Das Verteidigungsministerium behauptet, es gehört ihnen. Aber sie sagt, es war ein persönliches Geschenk des Malers an sie. Man sollte doch annehmen, dass sie weiß, wovon sie spricht.«
»Das sollte man. Wie lautet die Entschuldigung des Ministeriums?«
»Sie behaupten, es gibt zwei davon.«
Sir Simon ließ einen leisen Pfiff hören. »Mutiger Schachzug. Können wir den Künstler befragen?«
»Nein, daran habe ich schon gedacht, aber er ist tot. Er hieß Vernon Hooker. Starb 1997.«
»Hat er viele Schiffe gemalt?«
»Hunderte. Wenn Sie ihn googeln, sehen Sie es.«
Rozie wartete, während Sir Simon den Namen in seinen Computer eingab und instinktiv zurückzuckte.
»Großer Gott. Hat er je einen Fuß auf ein Schiff gesetzt?«
Rozie war keine Expertin für maritime Malerei, doch Sir Simons Reaktion überraschte sie nicht. Vernon Hooker gefiel es, seine Objekte in leuchtende Farben zu kleiden, unter grandioser Missachtung von Licht und Schatten. Die Bilder schwelgten in weit mehr Smaragdgrün, Stahlblau und Lila, als man es von Szenerien erwarten würde, die hauptsächlich aus Meer und Himmel bestanden. Aber nun, ein anderer Lieblingsmaler der Queen war Terence Cuneo, dessen Bilder von Zügen und Schlachtszenen auch kaum einfarbig zu nennen waren. Und zu ihrer Überraschung hatte Rozie feststellen müssen, dass für Hookers Arbeiten allgemein hübsche Summen bezahlt wurden. Es waren echte Sammlerobjekte.
»Die haben wahrscheinlich recht, oder?«, schloss Sir Simon mit einem weiteren Blick auf seinen Bildschirm. »Das Ministerium, meine ich. Es gibt Dutzende von den verdammten Dingern. Ich wette, dieser Hooker hat mehr für eine seiner königlichen Yachten im Neon-Stil eingestrichen, als er für eine stinknormale Meereslandschaft bekommen hätte. Er scheint Unmengen davon produziert zu haben.«
»Sie ist unerschütterlich. Und tatsächlich habe ich keine andere Britannia finden können.«
»Wie gesagt, reden Sie mit Neil Hudson beim Trust. Fragen Sie, ob wir das Bild womöglich ausgeliehen haben. Zwanzig Jahre sind lange genug, da kann das Ministerium es allmählich wieder zurückgeben.«
»Okay.« Rozie wechselte das Thema. »Warum sah Sir James so geknickt aus? Ich hoffe, ich habe nichts Wichtiges unterbrochen.«
»Nein, nein, nur die gewohnte Klage über seine existenzielle Verzweiflung. Es ist die verflixte Sanierungsgeschichte, zudem hat seine Sekretärin gekündigt, und man hat eine Vulkanisierung oder so was entdeckt. Die Verkabelung ist marode und der Palast offenbar eine Todesfalle.«
»Gut zu wissen«, sagte Rozie aufgeräumt und ging zur Tür. »Klingt teuer.«
»Das wird es. Der Voranschlag liegt längst über dreihundertfünfzig Millionen. Das Parlament muss ihn im November absegnen, und sie haben nicht mal genug, um sich die eigenen Bezüge zu erhöhen.«
Sie blieb auf der Schwelle noch einmal stehen. »Tja, aber das hier ist das zweitbekannteste Gebäude der Welt.«
»Aber … dreihundertfünfzig Millionen.« Sir Simon verschränkte die Arme vor der Brust und sah verzagt auf seinen Computer. »Irgendwie klang dreihundert noch nicht ganz so schlimm.«
»Auf zehn Jahre verteilt«, erinnerte sie ihn. »Und es kommt schon wieder herein, es steht im Budget, wie bei Windsor. Die Rechnung für die Renovierung des Parlamentsgebäudes belief sich auf vier Milliarden, wie ich...
Erscheint lt. Verlag | 2.11.2021 |
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Reihe/Serie | Die Fälle Ihrer Majestät | Die Fälle Ihrer Majestät |
Übersetzer | Werner Löcher-Lawrence |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Brexit • britische Krimis • Britisches Königshaus • british royals • Buckingham Palace • Cosy Crime • cosy crime deutsch • cosy crime england • Cosy Krimi • cosy krimi deutsch • cosy Krimi England • Cozy Crime • cozy crime deutsch • cozy krimis • Drohbriefe • englische Krimis • Geheimgänge • Haushälterin • humorvolle Krimis • humorvoller Krimi • Königin Elisabeth • Königin Elisabeth 2 • Königin Elisabeth II • Krimi britischer Witz • Krimi Großbritannien • Krimi Humor • Krimi humorvoll • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimis aus England • Krimis mit Detektivinnen • Krimis mit Humor • Krimis von Frauen • Kunstbetrug • London • lustige Krimis • Queen Elizabeth • Royal Navy • Royals • Rozie Oshodi • The Queen • Wohlfühlkrimi • Yacht BRITANNIA |
ISBN-10 | 3-426-46123-4 / 3426461234 |
ISBN-13 | 978-3-426-46123-5 / 9783426461235 |
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