Die Melodie der Bienen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60140-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Melodie der Bienen -  Eileen Garvin
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Das Leben summt in Gis-Dur Alice ist Imkerin und hat durch den unerwarteten Tod ihres Mannes den Boden unter den Füßen verloren. Jake sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl und findet nur noch Freude an der Musik, denn er hat das absolute Gehör. Harry ist äußerst schüchtern und hat Schwierigkeiten, soziale Bindungen einzugehen und einen Job zu finden. Die drei könnten unterschiedlicher nicht sein, doch die Bienen bringen sie zusammen und machen sie zu einer Familie. Die beiden jungen Männer helfen der Imkerin, ihre mehr als hunderttausend Bienen zu versorgen, bis Jake ein Problem erkennt: In einigen Bienenstöcken kann er das Summen der Königin nicht mehr heraushören. Als die Melodie der Bienen zu verstummen droht, können die drei sie nur mit vereinten Kräften retten.

Eileen Garvin ist im Nordwesten der USA geboren und aufgewachsen. Seit mehr als fünfzehn Jahren schreibt sie als freiberufliche Autorin für verschiedene Print- und Onlinepublikationen u.a. über Reisen, Outdoor-Freizeitgestaltung und andere Themen. Vor ein paar Jahren begann sie in ihrem Garten mit der Imkerei. Sie lebt mit ihrem Mann, einer furchtlosen Katze, einem neugierigen Hund und etwa sechzigtausend Honigbienen in Hood River, Oregon. »Die Melodie der Bienen« ist ihr Debütroman.

Eileen Garvin ist im Nordwesten der USA geboren und aufgewachsen. Seit mehr als fünfzehn Jahren schreibt sie als freiberufliche Autorin für verschiedene Print- und Onlinepublikationen u.a. über Reisen, Outdoor-Freizeitgestaltung und andere Themen. Vor ein paar Jahren begann sie in ihrem Garten mit der Imkerei. Sie lebt mit ihrem Mann, einer furchtlosen Katze, einem neugierigen Hund und etwa sechzigtausend Honigbienen in Hood River, Oregon. »Die Melodie der Bienen« ist ihr Debütroman.

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ORIENTIERUNGSFLUG


Wer annimmt, dass neue Kolonien ausschließlich aus jungen Bienen bestehen, die von den älteren zum Auszug gezwungen wurden, wird bei näherer Betrachtung eines neuen Schwarms feststellen, dass manche Bienen zwar die ausgefransten Flügel des Alters aufweisen, andere hingegen noch so jung sind, dass sie kaum zu fliegen vermögen.

EINE PRAKTISCHE ABHANDLUNG
ÜBER DEN BIENENSTOCK UND DIE HONIGBIENE,
L. L. LANGSTROTH, 1878

 

Jacob Stevenson hatte den höchsten Irokesen in der Geschichte der Hood River Valley Highschool. Davon war er bereits überzeugt, noch bevor der Rekord offiziell ins Jahrbuch der Schule aufgenommen wurde. Auf seinem Abschlussfoto war ein blau-schwarzes, zu einer Höhe von vierzig Zentimetern aufgetürmtes Kunstwerk zu sehen. Okay, nicht ganz. Es waren eher achtunddreißig Zentimeter, auf jeden Fall aber genug, um etwaige Kritiker verstummen zu lassen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis Jacob der Schopf gewachsen war, den er in vier Spikes unterteilte und der seine optimale Höhe kurz vor den Frühjahrsprüfungen des Vorjahres erreicht hatte.

An diesem Morgen betrachtete er sein Kunstwerk aus Haaren im Spiegel und empfand eine gewisse Genugtuung, weil es ihm allen unvorhergesehenen Herausforderungen zum Trotz bereits seit über einem Jahr gelang, diese Pracht zu pflegen und zu bewahren. Die nicht zu leugnende Wahrheit eines Irokesen war, dass man sich ständig im Kampf mit der Schwerkraft befand und diesen Kampf an einem gewissen Punkt immer verlor. Man musste realistisch sein. Der Plan bestand darin, das maximale Volumen anzustreben, das einen ganzen Tag lang halten würde. Ein umgefallener Irokese wäre furchtbar peinlich, vor allem für einen Achtzehnjährigen. Jacob hatte verschiedene Produkte ausprobiert, um sein Dachgeschoss instand zu halten. Er hatte es mit Eiweiß versucht, mit Bartwachs und Haarspray und sogar mit einem Kleber aus der Holzwerkstatt. Eine äußerst unangenehme Erfahrung. Am Ende seiner ausgedehnten Experimente kam er zu dem Ergebnis, dass eine Mischung aus einem extra starken Haarwachs und Haarspray in Profi-Qualität die beste Wahl war, um diesen beinahe vierzig Zentimeter hohen Gipfel des Erfolgs aufrecht zu erhalten.

Noah Katz hatte den Irokesen am Abend vor dem Frühjahrskonzert der Jazzband offiziell vermessen. Sowohl Jacob als auch Noah waren mit dem traditionellen schwarzen Smoking bekleidet gewesen, den die Mitglieder der Jazzband der Hood River Valley Highschool bereits seit zwanzig Jahren trugen. Jacob war der Ansicht, dass seine Haare einen netten Kontrast zu dem taubenblauen Kummerbund und der Fliege bildeten. Er posierte mit seiner Trompete, während Noah leise lachend ein Foto schoss. In seiner riesigen Pranke wirkte das Handy zwergenhaft klein, beim Lachen zitterten seine Wangen.

»Cool, Stevenson!«

Katz sah aus wie ein gutmütiger Holzfäller. Die zwei waren seit der May Street Elementary befreundet, als sie beide in der Band der Fünftklässler spielten – Jacob die Trompete und Noah die Posaune. Noah trug keinen Irokesenschnitt. Seine Haare waren wild gelockt, und wenn er über sie sprach, nannte er sie »den Zustand«. Im Gegensatz zu Jacob brauchte Noah keinerlei Stylingprodukte, damit seine Haare der Schwerkraft trotzten. Er ließ sie einfach munter wachsen, hauptsächlich, um seine Mutter zu ärgern.

»Aufgepasst, Mädels!«, rief er mit geblähter Brust und zupfte an seinen Locken herum, bis er einem menschlichen Löwenzahn im Pusteblumen-Stadium ähnelte. Er machte ein Selfie. Dann stiegen sie rasch in Noahs Pick-up und rasten quer durch die Stadt zur Highschool, wo sie, wie üblich, zu spät ankamen. Mr Schaffer war sauer, aber ihr Musiklehrer schien sowieso immer auf der Suche nach einem Grund zu sein, die beiden Jungs anzubrüllen. Es war also keine große Sache.

Bei der Erinnerung an diesen Abend musste Jacob lächeln. Er drehte den Kopf erst nach rechts, dann nach links. Auf beiden Seiten seiner Haarpracht sah er ein paar Stoppeln aus dem ansonsten glatt rasierten Schädel sprießen. Er drehte den Wasserhahn auf, hielt einen Waschlappen in den lauwarmen Strahl und befeuchtete sich den Kopf. Dann drückte er sich einen Klecks weiche Rasiercreme in die Hand und tupfte sie auf die Stoppeln. Der zitronige Geruch des weißen Schaums erinnerte ihn ans Krankenhaus, und ihm wurde ein bisschen übel. Er atmete durch den Mund und griff nach seinem Rasiermesser.

Ein Irokese erforderte Disziplin. Er musste sich stets erst die Haare waschen oder sie zumindest nass machen und sie anschließend auskämmen, dann das Wachs in den nassen Schopf kneten, ihn in mehrere Teile scheiteln und mit dem Hochleistungsföhn trocknen, ehe er ihn mit Haarspray einsprühte und zum Schluss die seitlichen Stoppeln abrasierte. An einem warmen Tag wie diesem kam er bei der Prozedur ins Schwitzen. Der Zeitaufwand war wirklich enorm. Aber das war okay. Zeit war das Einzige, was er in diesen Tagen im Überfluss hatte. Zwei Stunden zum Frisieren waren überhaupt kein Problem.

Wie so oft, wenn er morgens vor dem Spiegel im Badezimmer saß, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Die dunklen Härchen auf seiner Kopfhaut stachen aus dem weißen Schaum hervor und blieben unbeirrt stehen, etwas, wozu Jacob Stevenson – oder Jake, wie ihn jeder außer seinen Eltern nannte – nicht in der Lage war. Er schluckte schwer. Es kam ihm alles so albern vor, der Haarschnitt selbst und der Rekord, wenn er daran dachte, dass er nicht nur den höchsten Irokesen in der Geschichte der Hood River Valley Highschool hatte, sondern in diesem Bauerndorf, das viel von Rodeos und wenig von Punks hielt, wahrscheinlich der einzige Jugendliche war, der jemals einen Irokesen gehabt hatte. Es war auch deshalb albern, weil er nicht mehr zur Schule ging, nachdem er im letzten Frühling sozusagen seinen Abschluss gemacht hatte. Aber vor allem fand er es albern, weil es an jedem beliebigen Tag so ziemlich das Einzige war, was er zu tun hatte: seine verdammten Haare frisieren. Die Arzttermine wurden immer seltener, und die Physiotherapie fand nur noch einmal im Monat statt. Er hatte alle Zeit der Welt, um der Tatsache ins Gesicht zu sehen, dass er den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen würde.

Jake stieß sich vom Waschbecken ab, rollte etwas nach hinten und betrachtete im Spiegel seinen Körper, der am Rumpf und an den Armen schlank und muskulös war. Seine Beine sahen nicht viel anders aus als vorher, doch es kam ihm manchmal so vor, als gehörten sie einem anderen.

Der Rollstuhl war der Grund, warum er »sozusagen« seinen Abschluss gemacht hatte. Die Schulverwaltung hatte seinen Eltern das Abschlusszeugnis per Post geschickt, während Jake im Krankenhaus lag, hundert Kilometer entfernt in Portland. Die Lehrer hatten ihn bestehen lassen, obwohl sie dafür in manchen Fächern mehr als ein Auge zudrücken mussten, zum Beispiel im Sportunterricht. Er hatte es sich angewöhnt, zu schwänzen und nach der zweiten Stunde zu Noah nach Hause zu gehen, um noch vor dem Mittagessen high zu werden. Bereits vor den Weihnachtsferien war sein Schatten nicht mehr in der Tür zur Sporthalle aufgetaucht. Aber nicht einmal Mr McKenna war Arschloch genug, um einen Schüler durchfallen zu lassen, der den Rest seines Lebens als Querschnittgelähmter verbringen würde. Hallo, Ironie!

Dass Jake seinen Abschluss bekommen würde, hatte ihm seine Mutter an einem der ersten Tage im Krankenhaus mitgeteilt, als er noch mit Medikamenten vollgepumpt war. Sie saß an seinem Bett, die Augen hinter dem rosa gerahmten Brillengestell waren verquollen. Sie versuchte, in seiner Anwesenheit nicht zu weinen, obwohl sie den Stuhl neben seinem Bett so gut wie nie verließ. Stundenlang saß sie da, hielt seine Hand und versicherte ihm flüsternd, dass Gott ihn behüte. Sie hatte ihm die Liste von Leuten vorgelesen, die angerufen oder ihre Gedanken und Gebete per E-Mail geschickt hatten: seine Lehrer, die Nachbarn, der Postbote, Leute aus der Kirchengemeinde. Menschen, von denen er noch nie gehört hatte, aber das sagte er seiner Mutter nicht, denn es hätte sie verletzt. Sie strahlte, als sie auf die Abschlussfeier zu sprechen...

Erscheint lt. Verlag 26.5.2022
Übersetzer Anja Mehrmann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bienen • Bienensterben • Bienenstock • Bienenzüchter • Buchempfehlung • das absolute Gehör • Freundschaft • Gemeinschaft • Geschenk für die beste Freundin • Geschichte der Bienen • Imkerei • Imkerin • Landleben • Maja Lunde • Musik • Nachhaltigkeit Roman • Naturschutz • Neuanfang • Neuerscheinung 2022 • Summen • Tierschutz • Tiersterben
ISBN-10 3-492-60140-5 / 3492601405
ISBN-13 978-3-492-60140-5 / 9783492601405
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