Töchter der Speicherstadt - Der Duft von Kaffeeblüten (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
464 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60083-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Töchter der Speicherstadt - Der Duft von Kaffeeblüten -  Anja Marschall
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Der Duft von frisch gemahlenem Kaffee und der Traum von Freiheit Drei starke Frauen in bewegten Zeiten: Band 1 der großen Familiensaga rund um den Aufstieg einer Hamburger Kaffeedynastie vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zwischen 1889 und 1989. Hamburg 1889: Als die junge Brasilianerin Maria den Kaffeehändler Johann Behmer heiratet, fühlt sie sich fremd in Hamburg und einsam in Johanns zerstrittener Familie. Doch Maria ist eine Kämpferin, und als Tochter eines Kaffeeplantagenbesitzers liegt ihr das »schwarze Gold« im Blut. Begierig lernt sie in der neu eröffneten Speicherstadt alles, was man über den Handel mit dem Luxusgut wissen muss. Schon bald erweist sie sich als kluge Geschäftsfrau. Aber dann beginnt der Erste Weltkrieg, der Kaffeehandel kommt fast zum Erliegen, und Maria merkt, dass jemand in der Familie ihren Mann aus der Firma drängen möchte ... Die Hamburger Speicherstadt: weltweit größter historischer Lagerhauskomplex, Architektur-Juwel, UNESCO-Welterbe, Touristen-Magnet - und Herz des Hamburger Kaffeehandels Mit dem »schwarzen Gold« wird an der Waterkant schon lange gehandelt. 1887 eröffnete in der Speicherstadt die Hamburger Kaffeebörse und wurde zum wichtigen Handelsplatz für das begehrte und lukrative Genussmittel. 24 Millionen Jutesäcke Kaffee aus Brasilien und Zentralamerika sollen dort in den ersten eineinhalb Jahren gehandelt worden sein. Bis zum Ersten Weltkrieg blieb Hamburg führend für diesen besonderen Markt, und noch heute ist die Hansestadt für den Kaffeehandel von großer Bedeutung. Für LeserInnen der neuen historischen Sagas von Fenja Lüders und Anne Jacobs.

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt als Autorin und Journalistin mit ihrer Familie in Schleswig-Holstein. Vor ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete sie als Erzieherin, Pressereferentin, Lokaljournalistin, EU-Projektleitung in der Sozialforschung, war Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel und Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken. Sie ist Mitglied der »Mörderischen Schwestern eV« und des »Syndikats« sowie der Mary-E-Braddon-Gesellschaft. 

Die gebürtige Hamburgerin Anja Marschall lebt als Autorin und Journalistin mit ihrer Familie in Schleswig-Holstein. Vor ihrer schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete sie als Erzieherin, Pressereferentin, Lokaljournalistin, EU-Projektleitung in der Sozialforschung, war Apfelpflückerin in Israel, Zimmermädchen in einem Londoner Luxushotel und Kioskverkäuferin an den Hamburger Landungsbrücken. Sie ist Mitglied der "Mörderischen Schwestern eV" und des "Syndikats" sowie der Mary-E-Braddon-Gesellschaft.

1


Brasilien, Fazenda Santo Antônio, 1889

Sie beugte sich über den Hals ihres Pferdes. Mit der Gerte in der Hand trieb Maria das Tier hart an. Sie galoppierten die kaum befestigte Straße zum Fluss hinunter, vorbei an mannshohen Kaffeesträuchern, deren rote Beeren in der heißen Sonne leuchteten. Erstaunt schauten die Sklaven der Tochter des Coronel nach, als sie an ihnen vorbeipreschte. Mit einer Hand wischte Maria die Tränen aus ihrem Gesicht. Ihr Atem ging schnell. Schweiß trat auf ihren Rücken, als sie auch schon das Glitzern des Rio Paraíba do Sul zwischen den Bäumen sah.

Wie hatte Vater das nur tun können? Sie trieb das Pferd zu einer Furt, stürmte in den Fluss und folgte seinem Lauf. Das Wasser spritzte, als sie dahinjagte.

Sie spürte, dass das Pferd erschöpft war. Marias Herz aber raste weiter, pumpte das Blut wie Trommeln durch ihren Körper. Nur ungern ließ sie den Rappen in den Schritt fallen.

Die Fazenda war ihr Zuhause! Wie konnte Vater die Plantage nur verkaufen! Maria sog die schwüle Luft so tief in ihre Lungen, als könne sie damit die wilden Teufel in ihrem Inneren beruhigen. Wütend sprang sie ab und setzte sich ans Ufer. Ihr Pferd kühlte sich ganz in ihrer Nähe im Wasser des Flusses ab. Maria zwang sich zur Ruhe, während einige Papageien über den hohen Bäumen schreiend ihre Kreise zogen. Das Keifen von Affen drang aus dem nahen Wald zu ihr, und ein Tapir schob sich aus dem Dickicht, um im Flusswasser zu trinken.

Maria war sicher, dass ihre Mutter den Verkauf verhindert hätte, wenn sie noch leben würde. Die Plantage, das Haus, die Stallungen … all das war schon lange im Besitz der Familie, und jetzt sollte es ein Ausländer bekommen?

Maria Pereira da Silva erhob sich. Stolz warf sie den Kopf zurück, trat ins Wasser zu ihrem Pferd, griff nach den Zügeln und stieg wieder auf. Es war dumm gewesen, ohne Waffen und Begleitung in den Wald zu reiten. Aber noch dümmer war es, sich den Problemen nicht zu stellen, sondern wie ein Kind fortzulaufen. Sie würde tun, was getan werden musste, um die Fazenda vor dem Fremden zu schützen. Sie musste es nur klug genug anstellen.

*

Die bodentiefen Fenster des Salons standen offen. Der kühle Wind von den Hügeln ließ die Gardinen vor und zurück schweben. Von draußen wisperten die Geräusche eines endenden Tages zu den beiden Männern, die sich gegenüber saßen. Der eine, leicht gebeugt in einem hohen Lehnstuhl sitzend, schaute schweigend in die kleine Tasse in seiner Hand, die er auf einem feinen Unterteller aus Porzellan balancierte. Coronel Arturo Pereira da Silva war nur zehn Jahre älter als sein Besucher, und doch wirkte er wie ein greiser Mann. »Wir sollten den Vertrag unterschreiben.«

Johann Behmer schmeckte dem Aroma des Brasils nach, der seine Kehle hinunterlief. Nussig, mit einem leichten Hauch von Honig im Gaumen. Er nickte. »Wenn Sie es wünschen, Coronel, dann werden wir es genau so machen. Ich möchte mich zuvor nur noch auf Ihrem Anwesen umsehen.«

»Warum? Sie haben doch bereits alle Unterlagen. Ihr Agent hat sie schon vor Wochen nach Hamburg geschickt.« Der Hausherr unterdrückte ein Husten. »Die Erträge der Fazenda steigen von Jahr zu Jahr. Der Preis ist gut. Warum warten?«

Johann Behmer stellte die Tasse zurück auf den Tisch. Vor Monaten hatte er von da Silvas Leiden gehört. Pinheiro, der Agent der hiesigen Hamburger Exportfirma Wille, die alle Lieferungen für Behmer & Söhne abwickelte, hielt ihn über da Silvas Zustand auf dem Laufenden. Der Coronel war seit einigen Jahren Witwer. Pinheiro meinte, nach dem Tod seiner Gattin hätte auch der Coronel aufgehört zu leben. Doch Johann sah die Dinge weniger romantisch. Da Silva musste verkaufen, weil er schwer krank war und keinen Sohn hatte. Zudem hatte sich für die zwanzigjährige Tochter Maria kein geeigneter Ehemann finden lassen, der die Plantage hätte weiterhin leiten können. All das drückte den Preis für die Fazenda Santo Antônio. Johann wusste, dass die Zeit drängte, denn der Preis für die Plantage war zu günstig, als dass nicht auch einer der anderen Hamburger Kaffeehändler interessiert sein würde, sollte er von da Silvas Absichten erfahren. Bisher aber liefen die Verhandlungen mit da Silva so diskret, dass nicht einmal Johanns Zwillingsbruder Alfons in seinem Kontor in Hamburg Genaueres wusste.

In diesem Moment wurden die Salontüren geöffnet, und eine junge Frau in einem weißen Seidenkleid trat ein. Ihr dunkles Haar hatte sie kunstvoll hochgesteckt und mit Orchideen geschmückt. Sie lächelte, als sie auf Johann zuschritt und ihm die Hand reichte. Er sprang auf und deutete den geforderten Handkuss mit einem charmanten Lächeln an. In einem makellosen Deutsch hieß Maria da Silva, die Tochter des Hauses, ihn willkommen und entschuldigte sich, dass sie bei seiner Ankunft nicht auf der Fazenda gewesen sei. »Sie bleiben doch sicherlich für ein paar Tage, lieber Herr Behmer«, säuselte sie.

»Es ist mir eine Ehre, Senhorita«, sagte Johann und meinte es so. Er war jetzt fast achtundvierzig Jahre alt, und viele schöne Frauen hatten seinen Weg gekreuzt. Von keiner hatte er sich bezirzen lassen. Sein Leben gehörte der Firma. Sollten sein Bruder Alfons und Schwägerin Gertrud sich um die kommende Generation kümmern. Er würde niemals eine Frau heiraten, die so war wie alle anderen: hübsch, leidlich gebildet, eine Zierde ihres Geschlechts, ausstaffiert mit Rüschen und Volants, langweilig und fordernd. Dass Alfons bereits Andeutungen hinsichtlich Johanns Desinteresse an Frauen gemacht hatte, war wenig schmeichelhaft gewesen, kümmerte Johann aber nicht. Jetzt jedoch stand Johann Behmer mitten im brasilianischen Urwald einer Schönheit gegenüber, die ihn sprachlos machte.

 

Man hatte Johann ein Zimmer im Seitenflügel des Gebäudes zugewiesen, welches ebenso luxuriös eingerichtet war wie der Rest des Hauses. Kristallvasen, edles Mobiliar im Stile Louis Philippes, silberne Obstschalen und chinesisches Porzellan. Johann aber sah all das nicht. Unruhig hoffte er auf den Moment, an dem er die Tochter des Hauses beim Diner wiedersehen würde.

Schlag acht Uhr ging er hinunter.

Im Salon hatte sich bereits eine kleine Gesellschaft eingefunden. Agent Pinheiro ließ Johann ein Glas Champagner bringen und stellte ihm gerade einige Herren aus Vassouras vor, als Maria in den Salon trat. Sie trug ein Chiffonkleid, dessen Stoff mit Perlen bestickt war. Sofort fiel Johann auf, dass sie ansonsten auf jeglichen Schmuck und Zierrat verzichtet hatte. Sie trug nicht einmal einen Ring am Finger. Maria begrüßte die Gäste. Dann schwebte sie auf Johann zu. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke.

»Ich denke, Herr Behmer, Sie und ich sollten die Tafel eröffnen.« Lächelnd reichte sie ihm ihren Arm. Johann beschränkte sich auf ein Nicken, denn ihm fehlten die Worte. »Sie scheinen überrascht zu sein, dass ich Deutsch spreche.« Wieder nickte er. »Die Familie meiner Mutter kommt aus Bremen. Ein Onkel besaß dort eine Handelsfirma. Mutter reiste mit ihren Eltern nach Joinville, eine von Deutschen südlich von São Paulo gegründete Stadt. Sie lernte meinen Vater auf einem Ball kennen. Ich selbst wuchs mit zwei Sprachen und zwei Kulturen auf. Das Land meiner Mutter kenne ich bedauerlicherweise nur von einem Sommer, den ich vor einigen Jahren in einer Höheren Mädchenschule verbrachte. Als meine Mutter starb, musste ich zurückkehren.«

Johann wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte. Ihre Offenheit überraschte ihn. Und so beschränkte er sich auf ein Lächeln.

Gemeinsam schritten sie in den Festsaal, wo eine üppig gedeckte Tafel stand. Sklaven in goldbetresster Livree warteten, um das Essen zu servieren. »Mein Vater lässt sich entschuldigen. Er ist unpässlich.« Ein besorgter Blick huschte über ihr Gesicht.

»Nun, das bringt mich in den Genuss Ihrer Gesellschaft für den ganzen Abend, wie ich hoffe.« Johann war froh, seine Stimme wiedergefunden zu haben.

Das Menü im Hause da Silva war köstlich und hätte ebenso in einem der besten Pariser Restaurants serviert werden können. Kalbsfilet mit Spargelspitzen, vielerlei Pasteten, Truthahn mit Trüffeln, Schinken und Filets, Gemüse und Obst, Kuchen und Sorbets, begleitet von Champagner sowie Weine der fernen Güter Château d’Yquem, Laffite und Margaux.

Pinheiro beugte sich zu Johann. »Sie...

Erscheint lt. Verlag 24.2.2022
Reihe/Serie Die Kaffee-Saga
Die Kaffee-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Deutsche Geschichte • Familiensaga • Generationenroman • Hamburg • Händlerinnen • historischer Roman 20. Jahrhundert • Historischer Roman für Frauen • Kaffee • Mütter und Töchter • Speicherstadt • Verfeindete Familien
ISBN-10 3-492-60083-2 / 3492600832
ISBN-13 978-3-492-60083-5 / 9783492600835
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