Azorenhoch (eBook)

Roman | »Für dich kommt auch noch der Richtige!«
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2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2648-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Azorenhoch -  Bettina Haskamp
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Lena ist vernünftig, Lena ist bodenständig, Lena ist allein. Bis die Trauerrednerin den ersten Flirt ihrer Karriere am offenen Grab erlebt. Marco ist frech, sieht gut aus, und Marco weiß, was er will. Nach nur einer gemeinsamen Nacht ist Lena wider Willen verliebt in den Mann, der auf einer Azoreninsel den Wiederaufbau eines alten Dorfes plant. Wenige Monate später findet sie sich zwischen Orangenblüten und Bananenstauden wieder. In der atemberaubenden Landschaft scheint alles möglich: Mein Haus, mein Mann, mein Esel, mein Kind. Aber was Lena tatsächlich von ihrem neuen Leben erwartet, kann sie sich nicht einmal in ihren künsten Träumen vorstellen - zum Glück. »Der Mann ist nicht dein Ernst!« Dabei hat Lenas Mutter immer gedrängt, dass sie sich endlich verliebt. Wie man es macht ...

Die gelernte Journalistin Bettina Haskamp, Jahrgang 1960, entschied sich nach einer dreijährigen Segelreise endgültig für ein Leben außerhalb eines festen Korsetts. Seit 2007 schreibt sie erfolgreich Romane. Sie lebt mit Mann, Hunden und Katzen in Portugal und Hamburg.

Die gelernte Journalistin Bettina Haskamp, Jahrgang 1960, entschied sich nach einer dreijährigen Segelreise endgültig für ein Leben außerhalb eines festen Korsetts. Seit 2007 schreibt sie erfolgreich Romane. Sie lebt mit Mann, Hunden und Katzen in Portugal und Hamburg.

2


DIE UNVERMEIDLICHE FRAGE kam nach dem Bio-Saibling und noch vor dem Rinderfilet. Ich saß mit Marco Müller an einem Zweiertisch im Restaurant Zauberlehrling. »Wie wird eine Frau wie Sie ausgerechnet Trauerrednerin?«

Gab es denn nichts Interessanteres an mir? Ich konnte nicht sagen, wie oft mir diese Frage schon gestellt worden war. Aber nun … »Das war ein Zufall. Ich habe immer schon gern geredet und dachte eigentlich, Radio wäre mein Ding. Das habe ich auch eine Zeitlang versucht. Aber vor einem Mikro verhaspele ich mich dauernd.« Wie ich die Erinnerung an die kleine rote Lampe im Studio hasste! »Irgendwann hab ich begriffen, dass ich die Menschen sehen muss, zu denen ich spreche. Tja, und dann ist der Vater meiner besten Freundin gestorben und die Familie hat einen Trauerredner engagiert. Der hat mich total beeindruckt. So fing das an.«

Meine Standardantwort. Die musste reichen. Schließlich kannte ich den Mann so gut wie gar nicht, der mir im warmen gelben Licht gegenübersaß. Er selbst hatte bisher herzlich wenig gesagt. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. »Schönes Restaurant.« Das fand ich tatsächlich. Es war nicht sehr groß und bis auf den letzten Platz besetzt. Viel Glas, Leder, roter Klinker und ein Kamin. Ich wollte in dieser Atmosphäre über alles andere lieber sprechen als über meinen Beruf. Zur Not sogar über das Wetter. Gegen die großen Fensterscheiben prasselten dicke Regentropfen.

»Kann man denn einfach so Trauerredner werden?«

Ich schaffte es, nicht zu seufzen. »Im Prinzip ja. Ich habe verschiedene Seminare besucht. Und früher mal ein paar Semester Psychologie studiert. Unter anderem.«

»Unter anderem?«

»Mit Germanistik und Sozialpädagogik hab ich auch angefangen. Ich bin wohl nicht der Typ für die Uni.«

»Eigentlich schade, dass es mit dem Radio nicht geklappt hat, Sie haben eine Stimme wie geschmolzene Zartbitterschokolade.« Er lächelte und schoss einen seiner Blicke auf mich ab.

Apropos schmelzen. Ich war ziemlich froh, dass gerade jetzt ein Kellner das Essen brachte und mir Rotwein nachschenkte. Marco trank Mineralwasser. »Trinken Sie nie Alkohol?«

»Selten.« Er zog den rechten Mundwinkel hoch. Falls das ein Lächeln sein sollte, war das Ergebnis reichlich schief.

»Hat meine Mutter Ihnen erzählt, woran mein Vater gestorben ist?«

»An Herzversagen.«

»Versagen stimmt, aber es war nicht das Herz, sondern die Leber. Meine Mutter ist Weltmeisterin im Verdrängen.«

Damit war die Frage beantwortet, ob er heute noch über seine Eltern sprechen würde. »Waren Sie deshalb so wütend, als ich bei ihr war?«

»Auch. Mein Filet ist butterzart. Wie ist Ihres?« Er sah mich nicht mehr an, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf das für meinen Geschmack reichlich blutige Stück Fleisch auf seinem Teller.

»Ganz hervorragend.«

Mein Steak war gut durch, so wie ich es mochte. Eine Weile aßen wir schweigend. Ich war unsicher. Sollte ich nachhaken oder nicht? Ich sah auf seinen gesenkten Kopf, betrachtete seine geschwungenen Augenbrauen, die langen Wimpern, die gerunzelte Stirn. Auf seinen Wangen zeichnete sich der Schatten eines Bartes ab.

»Möchten Sie über …«, setzte ich an.

Er sah auf. »Nein, ich möchte nicht.«

Oh. Okay. Mutter Müller war wohl nicht die einzige Verdrängerin in der Familie. Aber dafür hatte ich Verständnis, im Verdrängen war ich selbst ziemlich gut, das meinte jedenfalls Andrea.

»Wie ich schon am Telefon meinte, es tut mir wirklich leid, dass ich so unhöflich war, aber mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Außer, dass ich Sie lieber unter anderen Umständen kennengelernt hätte.«

Wie redete der denn? Bisher war der Abend zwar nicht unbedingt ein Feuerwerk der spritzigen Unterhaltung gewesen, aber zumindest hatte Marco bis jetzt nicht geklungen wie ein Politiker nach einer verlorenen Wahl. Die Stimmung am Tisch war im Augenblick ungefähr so entspannt wie – na ja, wen wundert’s: Ich musste an eine Beerdigung denken. Ich wollte Marco aufmuntern, wusste aber nicht, wie. Ausnahmsweise fehlten mir die Worte. Zum zweiten Mal war ich froh, dass der Kellner kam. Diesmal mit der Dessertkarte.

Wir nahmen beide die Mousse au Chocolat von weißer Schokolade. Und schwiegen wieder. Marco drehte an einem breiten Ring, den er am linken Mittelfinger trug. Also gut, dann eben Smalltalk. Alles war besser als dieses Geschweige. »Ein schönes Schmuckstück haben Sie da.« Der Ring war aus geplättetem Silber mit einem dunklen Inlay aus irgendwelchen Fäden. »Gefällt er Ihnen? Den habe ich von meiner letzten Afrikareise mitgebracht. Das Schwarze in der Mitte ist Giraffenhaar.«

Und als hätte ich mit der Frage nach dem Ring einen Schalter umgelegt, wich alle Bedrücktheit aus Marcos Blick. »Ich hab ihn von einem Kameltreiber in der Westsahara.«

Giraffen in der Sahara?

»Wollen Sie die Geschichte hören?«

Da war es wieder, das Lächeln in seinen Augen. So schön, so blau. Von mir aus konnte er auch behaupten, auf meinem Balkon in der Annenstraße wüchsen Dattelpalmen. Hauptsache, ich durfte das Strahlen in diesen Augen sehen.

Der Mann kannte die halbe Welt. Afrika, China, Thailand, Australien, Brasilien. Der gestelzt redende Politiker mit Kummer im Blick war wie weggeblasen. Marco erzählte, und ich kam mir vor wie im Kino, wenn der Film einen so packt, dass man die Zeit und alles um sich herum vergisst. Ich lauschte, ich lachte, ich versank. In seinen Geschichten, in seinem Lachen, in seinem leuchtenden Blick. Irgendwann stand für mich völlig überraschend der letzte verbliebene Kellner neben unserem Tisch und sah demonstrativ auf die Uhr. Na so was, wo waren die anderen Gäste? Marco beglich die Rechnung und gab ein üppiges Trinkgeld. »Was meinst du, ziehen wir noch weiter?« Seit wann duzten wir uns? Seit Australien oder seit Thailand, ich wusste es nicht mehr.

Das Erste, was mir am nächsten Morgen ins Auge fiel, war eine Ecke meines königsblauen Wollkleides. Es lag zuunterst in einem Haufen Kleidungsstücke auf dem Fußboden vor meinem Bett. Ich lag auf der Seite und guckte genau darauf. Wieso hing das Kleid nicht wie sonst ordentlich im Schrank? Auch unter normalen Umständen dauerte es morgens immer eine Weile, bis mein Hirn in Gang kam. Selbst dann, wenn ich abends keinen Wein getrunken hatte. Selbst dann, wenn ich, wie an dreihundertfünfundsechzig Tagen im Jahr, allein aufwachte. Heute hätte meine Schaltzentrale vielleicht noch etwas länger gebraucht, um ein paar dringend notwendige Verknüpfungen herzustellen, hätte sich jetzt nicht ein Arm um meinen Körper gelegt und mich auf den Rücken gedreht. Ein Gesicht erschien über meinem, ein Mund öffnete sich und sagte: »Guten Morgen, du Schöne.« Eine Sekunde lang dachte ich: So dürfte jeder Morgen anfangen. Und gleich darauf: Nun werd bloß nicht gefühlsduselig. Dann war erst einmal Schluss mit Denken.

Unter der Dusche spürte ich noch immer Marcos Hände auf meinem Körper. Und meine eigene Hitze. Dabei duschte ich kalt. Mein Gott, ich hatte auf Marco reagiert wie eine ausgehungerte Löwin auf ein Stück Antilope. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich ging doch sonst nicht mit Männern ins Bett, die ich gerade einen Abend lang kannte. Genau genommen ging ich seit geraumer Zeit mit überhaupt niemandem ins Bett. Was mochte Marco von mir denken? Womöglich hielt er mich für sexuell notleidend. Oder noch schlimmer, er glaubte, ich sei an ihm interessiert. Was ich selbstverständlich nicht war. Er war unterhaltsam, ja. Ein ziemlich guter Liebhaber, okay. Na gut, mehr als das. Aber insgesamt nicht mein Typ. Weder blond noch mindestens eins neunzig groß. Außerdem: ein Reisender, tendenziell unzuverlässig. Ein paar hübsche Augen waren nicht alles. Ich ging Kaffee kochen.

In der Küche drehten sich meine Gedanken weiter. Ich war Lena. Die Frau ohne Liebesleben. Ohne Liebe gab es auch keinen Schmerz. Und so sollte es bleiben. Die Nacht war ein Ausrutscher, sonst nichts. Na gut, zwei Ausrutscher, wenn ich das Aufwachen noch mitzählte. So was konnte ja mal passieren. Sogar mir. Aber eine Wiederholung würde es nicht geben.

»Hm, riecht das gut. Aber nicht annähernd so gut wie du.« Er nahm mir den Kaffeebecher aus den Händen, trank einen Schluck und stellte den Becher auf den Nachttisch. »Komm her.« Ich hatte mich aus strategischen Gründen in meinen dicken weißen Frotteebademantel gehüllt und hockte auf der Bettkante. Voll der guten Vorsätze. Bereit für ein klärendes Gespräch mit Marco Müller, der – mein Typ oder nich – sehr ansehnlich aus meiner roten Bettwäsche ragte, mit seinem schwarzen Haar und dem nackten, glatten Oberkörper. Von diesen verfluchten Augen gar nicht zu reden.

»Wie wär’s, wenn du dich aus dem dicken Ding rausschälst und wieder ins Bett kommst?« Ein tiefer Blick, ein Lächeln. Ausgestreckte Arme.

Ich wollte es ihm sagen. Ehrlich.

Er ging am frühen Abend.

»Alle mal zuhören! Eben hat Marco angerufen. Es klappt! Er kann das Dorf kaufen und hat schon mit Florinda...

Erscheint lt. Verlag 4.10.2021
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Azoren • Frauen • Frauenhumor • Freundschaft • Glück über 50 • Humor • Liebe • lustig • Männer und Frauen • Roman • Sao Miguel • Trauerredner • Ü50 • Unterhaltung • witzig
ISBN-10 3-8437-2648-5 / 3843726485
ISBN-13 978-3-8437-2648-1 / 9783843726481
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