Dorian Hunter 81 (eBook)

Befehle aus dem Jenseits

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2194-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 81 - Derek Chess
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Der alte Steinmetz setzte den Meißel an. Sorgfältig kerbte er einen kyrillischen Buchstaben nach dem anderen in den schweren Gruftdecke, pustete den Staub weg und wischte mit den runzeligen, sehnigen Händen über die Schrift.
»Das Urteil steht jetzt für alle Zeiten hier.«
Sie hatten den Hexenmeister lebendig eingemauert. Doch noch während sie den Rückzug antraten, vernahmen sie das Scharren und Knistern, das aus der Tiefe drang ... als würde ein Millionenheer von Ameisen, Würmern oder Maulwürfen durch den Untergrund krabbeln.
Ein unmenschliches Stöhnen folgte.
Da rannten die Menschen halb verrückt vor Angst davon. Draußen wurden sie von eisigen Böen empfangen. Schneetreiben hatte eingesetzt. Die Kosaken schwangen sich auf ihre scheuenden Pferde und galoppierten davon - erfüllt von der Ahnung, dass das Böse keineswegs endgültig besiegt war ...


1. Kapitel


Er wollte den Tod erforschen. Doch was nützte ihm das jetzt? Sie hatten ihn in seinem Versteck erwischt und vor den Richter geschleppt. Das Ganze war eine lächerliche Farce gewesen. Der Richter hatte vor Angst geschlottert. Er war heilfroh gewesen, dass er seinen Urteilsspruch rasch herunterleiern konnte.

Draußen schrie ein Käuzchen. Der Wind heulte schaurig durch die Mauerritzen der Bojarenruine. Es war eiskalt. Düstere Schneewolken ballten sich am Himmel zusammen. Der Winter stand vor der Tür.

Irgendwo raschelte etwas.

Der Gefangene richtete sich auf. Seine Bewegungen wirkten ungeschickt. Er besaß einen grobschlächtigen, schlaffen Körper. Seine Arme hingen wie nasse Taue an ihm herunter. Auf seiner weißen, speckigen Haut schimmerten blutige Striemen. Sie hatten ihn ausgepeitscht, bevor er im Kerker eingeschlossen worden war.

Jetzt raschelte es in mehreren Ecken des finsteren Kerkers. Das Pfeifen mehrerer Ratten wurde hörbar. Sie waren hungrig. Und wenn Ratten hungrig waren, vergaßen sie ihre Angst vor dem Menschen. Doch der Gefangene hatte nichts gegen die kleinen Nager. Er tastete sich durch die Dunkelheit und bekam einen feuchten, zottigen Pelz zu spüren. Das Tier quiekte entsetzt auf. Der Gefangene wollte ihm nichts tun, im Gegenteil, er hob die Ratte vorsichtig vom Boden auf. In einer Ecke balgten sich mehrere Ratten um die kargen Brotrinden, die man ihm durch das kleine Fenster zugeworfen hatte.

»Ihr seid zu eurem Meister gekommen«, keuchte der Gefangene. »Ich wusste, dass ihr kommen würdet.«

Seine geschwollenen Finger kraulten den Pelz der Ratte. Das Tier verhielt sich ruhig. Die rosige Schnauze glänzte feucht.

»Ihr werdet mir gehorchen.«

Von irgendwoher trug der Wind einen Glockenschlag heran. Es schlug elfmal hintereinander.

Noch eine Stunde, schoss es dem Gefangenen durch den Kopf. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Hunde werden mir keine Minute länger zugestehen.

Plötzlich kroch die Angst vor dem Tod erneut durch seine Glieder. Er wusste, dass es nicht so sehr die Angst vor dem Tod war, sondern vielmehr die Angst vor der Art des Todes. Er wusste nicht, wie sie ihn hinrichten würden, das hatten sie ihm wohlweislich verschwiegen, denn jeder wusste, dass er magische Kräfte besaß. Die Gefahr, dass er seinen Henker verhexte, war viel zu groß.

»Ganz ruhig, meine kleinen Bestien«, flüsterte der Gefangene.

Die Ratten zerrten an seinen Hosenbeinen. Er spürte ihre winzigen Krallen. Einige sprangen an ihm hoch. Er roch ihre süßlichen Körperausdünstungen, empfand fast körperlich, wie stark die Gier der Nager war. Sie würden bedenkenlos jeden Menschen zerfleischen. Einige Hundert Ratten könnten seine Rache an den Dorfbewohnern vollziehen.

Er grinste unwillkürlich. »Ja, ihr werdet es der Bande schon zeigen. Sie werden genauso hilflos wie ich auf den Tod warten – und dann kommt ihr.« Sein Lachen klang hässlich. Er krümmte sich zusammen und lachte, bis ihm die Augen tränten. Die Ratten sprangen wie toll durch den Kerker.

»Ihr nehmt euch einen nach dem andern vor. Aber hübsch langsam! Ihr müsst auch noch etwas für mich übrig lassen. Keiner darf zu schnell sterben. Ihre Qual muss unbeschreiblich sein. Hört ihr? Sie sollen leiden. Sie sollen vor ihrem Ende durch ein Fegefeuer gehen, das kein Mensch mit Worten beschreiben kann.«

Inzwischen waren mehr als fünfzig Ratten durch die Mauerritzen in den finsteren Kerker eingedrungen. Die beschwörenden Worte des Gefangenen versetzten sie in Raserei.

Einige Tiere lagen, ineinander verbissen, auf dem Boden, andere wiederum schnappten nach den Beinen des Mannes. Das schien ihm nichts auszumachen, im Gegenteil, er hoffte, dass sein Blut seine dämonische Kraft auf die Ratten übertrug.

Im Zustand völliger Raserei wälzte auch er sich auf dem Boden. Die Ratten krochen ihm übers Gesicht. Ihre winzigen Krallen zerzausten seine Haare und pressten sich in seine Augäpfel. Dennoch zerfleischten sie sein Gesicht nicht. Ihre Schwänze wanden sich um seinen Hals, als wollten sie ihn in einer ekstatischen Umarmung festhalten.

Der Gefangene stöhnte bestialisch auf. Seine Lippen berührten die verschmierten Rattenpelze. Er schmeckte die Erde, die daran klebte, und wusste, dass sie vom Friedhof kamen.

Ein teuflisches Grinsen verzerrte sein Gesicht. Die tierischen Ausdünstungen umnebelten sein Gehirn. Er zuckte konvulsivisch. Die Ratten bedeckten ihn. Es sah aus, als hätte er sich vor der Grabeskälte, die im Kerker herrschte, unter ein schwarz-braunes Fell verkrochen.

Die Stunde bis Mitternacht verging wie im Fluge.

Eisiger Ostwind pfiff durch die Gänge der Bojarenruine.

»Aufschließen!«, ertönte die kehlige Stimme des Kosakenanführers.

Im Fackelschein drehte sich der rostige Schlüssel. Ein kleiner Russe, dessen Fellmantel viel zu groß für seinen schmächtigen Körper war, stieß die Tür mit einem Fußtritt auf.

Erschrocken wichen die Kosaken zurück. Zahlreiche Ratten sprangen aus dem finsteren Loch heraus. Sie flüchteten vor dem Licht der Fackeln in den Gang hinaus. Ein bestialischer Geruch schlug den Kosaken entgegen.

»Die verdammten Biester werden den Lumpen hoffentlich nicht aufgefressen haben«, schrie der Anführer.

»Nein. Er liegt dort in der Ecke!«

Der Anführer schwang seine Lederpeitsche. Sie pfiff mehrmals durch die Luft. Er traf ein paar Ratten mitten im Sprung.

»Teuflische Brut! Passt zu ihm. Er kann nicht nur Menschen verhexen, er zwingt auch Tieren seinen bösen Willen auf.«

Die Kosaken trugen knöchellange Leinenmäntel, die innen mit Schafsfell gefüttert waren. Auf den Köpfen trugen sie die charakteristischen Fellmützen, die ihnen etwas Mongolisches verliehen. Einige hielten Gewehre in den Händen, andere bedrohten den Gefangenen mit Krummsäbeln.

»Komm raus, Schamane! Jetzt bist du dran! Hahaha!«

Der Gefangene kam langsam auf die Beine. Als der Fackelschein sein Gesicht beleuchtete, stöhnten die Kosaken unterdrückt auf. Er war über und über blutverschmiert. Aus den winzigen Bisswunden quoll ein kaum zu versiegender Blutstrom hervor.

»Was starrt ihr mich so an?«

Seine Linke baumelte herunter. Seit sie ihm das magische Amulett vom Handgelenk gerissen hatten, konnte er den Arm kaum noch bewegen. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf. Sein länglicher Schädel wurde von großen, abstehenden Ohren beherrscht. Die Oberlippe stand etwas vor. Speichel tropfte ihm übers Kinn.

Er erinnerte an eine riesige, Mensch gewordene Ratte.

»Vorwärts, Kerl! Setz dich schon in Bewegung!«

Der Kosak schwang seine Peitsche. Ihr Ende streifte den Gefangenen am Hals. Er stieß einen gellenden Schrei aus und griff ungeschickt nach der Peitsche. Das reizte den Kosaken noch mehr. Er schlug mehrmals kräftig zu. Die Peitsche sauste immer wieder auf den gewölbten Rücken des Delinquenten herunter. Der Stoff seiner ärmellosen Weste platzte auf.

»Genug!«, mischte sich ein anderer ein. »Er soll nicht schon vorher sterben.«

Der Anführer der wilden Meute atmete tief durch.

»Gut. Wir schaffen ihn ins Gewölbe.«

»Was habt ihr mit mir vor?«, kreischte der Gefangene entsetzt.

»Wirst du gleich erfahren. Aber dann ist es zu spät für deine höllischen Hexereien. Diesmal wirst du uns nicht entwischen. Du kannst auch keinen von uns angreifen, denn diesmal wird es keinen Henker geben.«

Sekundenlang herrschte Schweigen. Vor den Gesichtern der Kosaken standen kleine, weiße Atemwölkchen. Es war grimmig kalt in der Ruine.

»Keinen – Henker«, stammelte der Gefangene fassungslos.

Seine hervortretenden Augen schimmerten wie geschmolzenes Blei.

Ein junger Kosak versetzte ihm einen wuchtigen Tritt. »Vorwärts! Tempo!«

Sie stießen ihn in den Gang. Er kam an eine Stelle, an der das Gewölbe eingestürzt war. Hoch am Himmel stand der Vollmond. Die schweren Schneewolken waren aufgerissen und gaben den Blick auf das Nachtgestirn frei. Man hörte das hungrige Krächzen einer Krähenschar. Der Wind heulte durch die dicht stehenden Tannen, die zwischen der Bojarenruine und dem Friedhof wuchsen.

»Weiter! Nicht stehen bleiben!«

Die Kosaken fürchteten, dass ihnen der Gefangene im letzten Moment doch noch entwischen könnte.

Es ging jetzt über eine steinerne Wendeltreppe in die Tiefe.

Von unten tönten Hammerschläge herauf. Das Echo der Stimmen einiger Handwerker brach sich an den Gewölbewänden. Das Glöckchen eines Popen bimmelte. Ein Spaten fiel klirrend zu Boden.

»Was treibt ihr dort unten?«, heulte der Gefangene.

Die Kosaken antworteten ihm nicht. Mit brutalen Kolbenstößen trieben sie ihn vor sich her.

Panische Angst ergriff den Mann. Obwohl er wusste, dass der körperliche Tod nicht die letzte Phase seiner geheimnisvollen Existenz darstellte, wurde er von Panik und Entsetzen beherrscht. Er versuchte sich einzureden, dass es höchst unsinnig war, sich vor dem Tod zu fürchten, wusste aber auch genau, dass es nur die Ungewissheit war, die ihn...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2021
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2194-0 / 3751721940
ISBN-13 978-3-7517-2194-3 / 9783751721943
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