Das Kaufhaus am Ende der Bond Street (eBook)

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2021 | 1. Auflage
710 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2470-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Kaufhaus am Ende der Bond Street -  Norman Collins
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Der Glanz längst vergangener Zeiten.  

Das Kaufhaus in der Bond Street ist nicht einfach nur ein Kaufhaus. Es ist eine Welt des Glamours, des Luxus und der schönen Waren. Und es ist eine Welt der Romantik, Ängste, Hoffnungen und Träume der vielen Angestellten des Kaufhauses.

Irene, die launische Verkäuferin, sehnt sich nach einem Leben im hellen Scheinwerferlicht. Der leitende Verkäufer Mr. Bloot führt eine schreckliche zweite Ehe. Marcia, das langjährige Vorführmodel, merkt, dass ihre Schönheit schwindet. Und Eric Rammell, der gestresste Geschäftsführer, versucht dem gesellschaftlichen Leben zu entkommen, das seine Frau so unermüdlich für ihn organisiert.

All diese Geschichten über ihre Arbeit, Beziehungen und die kleinen Eifersüchteleien, sind in diesem Roman über das Rammels Kaufhaus geschickt miteinander verwoben.

'Das Kaufhaus am Ende der Bond Street' wurde erstmals 1958 in England veröffentlicht, nun komplett neu übersetzt und erzählt mit einem charmanten und nostalgischen Blick vom London der Nachkriegszeit und dem Glanz vergangener Zeiten.



Norman Richard Collins (1907 - 1982) war ein britischer Schriftsteller und späterer Rundfunk- und Fernsehmoderator, der zu einer der Hauptfiguren bei der Gründung des Independent Television (ITV) Network im Vereinigten Königreich wurde. Er war mit einer englischen Schauspielerin verheiratet und hatte mit ihr zwei Töchter und einen Sohn

Kapitel Eins


1


An diesem besonderen Morgen war es erst 8:30 Uhr. Und der hochgewachsene Mann mit dem schwarzen Mantel und dem Krawattenschal hätte eigentlich nicht vor 9:15 Uhr in der Öffentlichkeit auftauchen dürfen. Allerfrühestens. Er gehörte auch gar nicht hierher. Dafür sah er viel zu edel aus. Wie jemand, der sonst von einem Chauffeur gefahren wird. Nicht wie jemand, der in der U-Bahn steht. Er passte überhaupt nicht in die Gemeinde der U-Bahn-Fahrenden. Mit seiner Aura aus unnahbarer Stattlichkeit hätte er gut das Oberhaupt einer ausländischen Missionsgesellschaft sein können; der Gründer einer international tätigen Sonntagsschule.

Heute war er allerdings nicht gerade in Bestform zu sehen. Tatsächlich konnte man ihn fast gar nicht sehen. Denn es herrschte Rushhour. Ein Andrang der Massen und Verkehrsstaus. Würde, Bescheidenheit, Körperpflege, Freundlichkeit, all das war bei dem rüden Versuch, sich in die volle Bahn zu quetschen, auf dem Bahnsteig zurückgelassen worden. Hätte es sich bei der Fracht um Rindviecher anstelle von Menschen gehandelt, hätte irgendeine Tierschutzorganisation die Bahngesellschaft mit Strafanzeigen bombardiert.

So aber musste sich der große, vornehm aussehende Mann damit abfinden, dass sich der Busen einer Unbekannten gegen seinen linken Ellbogen presste, die Hüfte von irgendjemand anderem gegen seinen rechten Oberschenkel drückte, und sich direkt unter seiner Nase eine Masse aus goldenem Haar befand, das aussah, als hätte deren Besitzerin es auf amateurhafte Weise, jedoch voller Begeisterung gewaschen und dann keine Zeit mehr gehabt, es in Form zu bringen. Genau genommen hatte er es allein seiner Größe zu verdanken, dass er nicht schon seit mehreren Stationen mit dem Gesicht in der blonden Mähne steckte und von dem lebendigen Dschungel aus Shampoo und Peroxid erstickt wurde. Leider reichte ihm eine besonders vorwitzige Strähne genau bis zum Kinn. Aber was sollte er dagegen unternehmen? Seine rechte Hand war an seiner Seite eingeklemmt, und die andere wurde von diesem unwillkommenen und unerwünschten Busen in Gewahrsam genommen. Abgesehen davon, dass er in die Locke einfach hätte hineinbeißen können, war er vollkommen wehrlos.

Doch an dieser Station musste er ohnehin aussteigen. An der Bond Street. Zumindest hieß die Haltestelle so. Tatsächlich befand er sich hier lediglich an der Oxford Street. Dennoch war diese Station unbestreitbar eine der besseren. Passend für einen Mann von einem Meter achtundachtzig mit Krawattenschal um den Hals. Und sein Verhalten passte ebenfalls genau zu seiner Erscheinung. Er kämpfte und drängelte sich nicht durch die Menge, so wie die Fahrgäste an anderen Haltestellen. Er neigte sich nur ein Stückchen nach vorn und sagte: »Verzeihung.« Dann, als er endlich seinen Fuß auf den Bahnsteig gesetzt hatte, schritt er langsam und bedächtig weiter, und warum sollte er auch nicht? Im Reich der oberen Zehntausend schien es niemanden zu geben, der auf ihn wartete und es beanstanden würde, wenn er ein paar Minuten später käme. Er konnte es sich also erlauben, gemächlich wie ein Eisbär dahin zu trotten.

Er änderte seine Gangart auch nicht, als er an die frische Luft trat: Er schlenderte die Oxford Street entlang. Bog in die New Bond Street ein. Flanierte an der Bruton Street vorbei. Passierte die Davis Street. Die Conduit Street. Betrat die eigentliche Bond Street. Und gelangte schließlich zur Downe Street und zu dem Häuserblock, den das Rammell’s einnahm – und zwar vollständig.

Auf der ganzen Welt gab es kein ehrwürdigeres Warenhaus als das Rammell’s. Und auch keines mit so viel Auswahl und Verkaufsfläche. Das Rammell’s war kein einzelnes Geschäft. Es war ein ganzer Straßenzug voller Geschäfte. Mit Nebenarkaden. Und einem Restaurant. Zwei Snackbars. Und einem Schnäppchenbasar dazwischen. All dies erstreckte sich über mehrere Etagen, erreichbar durch eine besonders opulente Eingangstür, die aussah wie das Tor zu einem Rathaus oder Hauptgebäude einer bedeutenden Bank. Das Rammell’s war wie eine eigene Stadt. Wie ein eigenes Reich.

Die Firmenflagge – schlicht weiß mit einem grünen R darauf – war schon von Weitem sichtbar, hoch über dem Eingang an der Bond Street. Und – natürlich nur Samstagsnachmittags – über dem Pavillon am Sportzentrum draußen in Neasden. Von noch viel größerer Bedeutung war allerdings die Tatsache, dass die telegrafische Adresse – Rammellex, London – bei Telegrafisten rund um den Erdball bekannt war. Eigentlich brauchte man noch nicht einmal den Zusatz »London«. Telegramme und Briefe mit der einfachen Anschrift »Rammell’s, England« fanden problemlos ihren Weg in die Bond Street.

Kurz gesagt: Das Rammell’s war berühmt. Es gab dort auch einfach alles. Nehmen wir zum Beispiel den Pelzsalon: Hier erhielt man nicht nur die dekorativen Schmuckstücke dessen, was vermutlich äußerst blutig irgendwo in Biberach oder Bärenhausen seinen Anfang genommen hatte. Man hätte auf der ganzen Welt kein Geschäft für Nerze und Zobel gefunden, das es mit diesem hätte aufnehmen können. Oder die Abteilung für Bücher und Zeitschriften. Ohne die wäre fast ganz Mayfair einfach nur zu Hause vor dem Fernseher gesessen. Oder die Abteilung für Geschirr im zweiten Stock: eine Fläche von beinahe zweitausend Quadratmetern voll mit handbemaltem Porzellan und Kristall für den gut gefüllten Geldbeutel. Oder die Sportabteilung: Sie vereinte Wimbledon, Lord’s Cricket Ground und St. Andrews zu einem funkelnden Meer aus bunten Katgutsaiten, elfenbeinfarbenen Weidenhölzern und silbernen Edelstahlschlägern, die das ganze Jahr über dort in künstlichem Sonnenlicht bei gleichmäßigen Temperaturen ihr Dasein genossen. Und nicht zu vergessen die Lebensmitteletage (mit dem separaten Eingang in der Downe Street), wo die eingelegten Garnelen genauso schmeckten, als hätte man sie gerade frisch aus der Nordsee gezogen. Doch es würde keinen Sinn ergeben, sämtliche Abteilungen aufzuzählen. Dafür waren es einfach zu viele. Vereinfacht gesagt hätte man sich bei Rammell’s vollständig einkleiden, mit Essen versorgen, seine Einrichtung kaufen, sich vergnügen und letztlich auch die eigene Beerdigung ausrichten lassen können. Immer vorausgesetzt, man befand sich in der richtigen Gehaltsklasse, versteht sich.

Der hochgewachsene Mann mit dem Krawattenschal war gerade so langsam und majestätisch aus der Downe Street um die Ecke gebogen, als hätte er stillgestanden und ruhig darauf gewartet, dass die Downe Street an ihm vorbeiglitt. Nichtsdestotrotz veränderte sich die Szenerie abrupt, nachdem er die Abzweigung genommen hatte. Die Schaufenster vom Rammell’s endeten exakt dort, wo der Hurst Place begann. Polierte Bronze- und Spiegelglasfassaden machten schmutzigem Mauerwerk Platz, und die Drehtüren auf der Bond-Street-Seite wurden von einfachen Schwingtüren mit metallenem Trittschutz abgelöst.

Doch auch am Hurst Place lag die Lieferwagenflotte des Rammell’s mit ihren unverkennbaren weißen Karosserien an der Laderampe vor Anker wie eine Reihe gestrandeter Eisberge.

Mittlerweile war es Viertel vor neun und vor dem Personaleingang drängten sich die Leute. Die gesamte Rammell-Familie war hier versammelt. Eine zugegebenermaßen recht ungleichgewichtige Familie: Auf jedes männliche Mitglied kamen ungefähr zwei Dutzend junger Frauen. Aber so war das nun mal in Warenhäusern dieser Größenordnung. Allein das Rammell’s beschäftigte über fünfhundertfünfzig weibliche Angestellte. Und die strömten nun alle ins Gebäude wie eine Gruppe von Novizinnen durch die Tore eines weitläufigen, gewerblich betriebenen Klosters. Vorbei an den Stechuhren, marschierten sie hinauf in die Personalgarderoben. Und nach einem schnellen Blick in den Spiegel, einem Zupfen hier und einem Tupfen da, eilten sie wieder nach unten in die Verkaufsräume, wo der Staubschutz darauf wartete, von den Theken entfernt zu werden, und in der Hutabteilung die Ständer auf einem der Beistelltischchen zusammengedrängt waren, während weit und breit noch kein Hut zu sehen war.

Der Mann mit dem Krawattenschal hatte sich unter die anderen gemischt. Doch es war mehr als deutlich, dass er über ihnen stand. Er wünschte niemandem einen guten Morgen, nickte nur leicht. Und er ging auch nicht mit ihnen durch die langen Reihen aus Kleiderbügeln. Nein, er hatte seinen eigenen Spind im Flur außerhalb der Garderoben. Und den öffnete er auf eine Art, dass man meinen konnte, es handelte sich um ein Bankschließfach. Zuerst hängte er seinen schwarzen Hut und Regenschirm auf, dann zog er den Mantel aus. Als Nächstes entledigte er sich auch seines Jacketts und stand für einen Moment nur im Hemd da. Allerdings nicht lange. Er musste einen schnellen Ausziehzaubertrick vollzogen haben, denn als er einen kurzen Augenblick später den Personalbereich verließ, sah er noch hoheitsvoller aus als zuvor. Er trug nämlich einen Frack und machte damit einem Colonel, der sein Regiment bei einer royalen Beerdigung vertrat, alle Ehre.

Mit dem gleichen ruhigen, mammutartigen Schritt wie auf dem Weg hierher rückte er durch die Regalreihen mit Schleifen und Schnüren vor, passierte die Schleier und Hutdekorationen, stolzierte an den Handschuhen und Abendtäschchen vorbei und betrat schließlich das Foyer, das direkt auf die Bond Street hinausführte. Dort angekommen straffte er die Schultern und wippte ein-, zweimal auf den Füßen auf und ab wie ein Athlet, der seine Muskeln lockert. Dann verschränkte er die Hände hinter dem Rücken und stand einfach nur da; vollkommen bewegungslos, als hätte er auch das Atmen eingestellt.

Es war erst 8:55 Uhr, und Mr Bloot, einer der dienstältesten Mitarbeiter des Rammell’s,...

Erscheint lt. Verlag 19.10.2021
Übersetzer Sonja Fehling
Sprache deutsch
Original-Titel Bond Street Story
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Das Haus der schönen Dinge • Harrods • Heidi Rehn • Kaufhaus • London • Ulrike Renk
ISBN-10 3-8412-2470-9 / 3841224709
ISBN-13 978-3-8412-2470-5 / 9783841224705
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