Der geheime Brief (eBook)

Ein ergreifendes Familiengeheimnis

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
283 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2109-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der geheime Brief -  Ella Carey
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Die kleine grüne Truhe stand im Kleiderschrank ihres Vaters. Ihre Scharniere waren aus Messing, das einst wunderschön geglänzt haben musste. Als sie das Schloss öffnete, befand sich nur ein Gegenstand darin: ein Brief, abgestempelt 1895 in Paris.

England, 1895. Louisa West, eine junge Schönheit aus Boston, scheint alles erreicht zu haben: einen gutaussehenden Ehemann, sie ist Herrin von Ashworth Manor und eines Tages wird sie Herzogin sein. Doch tatsächlich gerät ihr Leben immer mehr aus den Fugen. Kaum sind Louisas Flitterwochen vorbei, als ihr Mann sie verlässt und sie allein zurücklässt. Sie flieht nach Paris, um ihrem Kummer zu entgehen, aber statt des erhofften Glücks wartet dort eine weitere Tragödie auf sie ...

Boston, 2015. Das Leben hat es nicht gut mit Sarah West gemeint. Innerhalb eines Jahres hat sie ihre Eltern verloren und ihre Ehe ist gescheitert. Als Sarah nach dem Tod des Vaters seine Sachen sortiert, findet sie einen Brief über ihre geheimnisvolle Vorfahrin Louisa West. In der Familie wurde schon immer hinter vorgehaltener Hand über Louisas Selbstmord getuschelt. Sie soll sich in Paris von einem Balkon gestürzt haben. Doch als Sarah den Brief liest, beginnt sie alles in Frage zu stellen, was ihr darüber je erzählt wurde. Kurzerhand bucht sie einen Flug nach Paris, um dem Geheimnis um Louisas Tod auf die Spur zu kommen ...

Dieser Roman ist vormals unter dem Titel 'Louisas Vermächtnis' erschienen.



Ella Carey wurde in Adelaide, Australien, geboren und studierte Kunst, Geschichte und Literatur. Heute lebt und schreibt sie in Melbourne mit ihrer Familie und zwei Hunden. Schon immer haben sie die mutigen Frauenfiguren der Geschichte fasziniert, weswegen sie es liebt, ihre Romane nach wahren Begebenheiten zu erzählen. Ihre Bücher sind internationale Bestseller und erscheinen in zahlreichen Sprachen.

Im Aufbau Taschenbuch liegen bereits die ersten beiden Bände ihrer Serie über 'Die Frauen von New York' vor: 'Glanz der Freiheit' und 'Worte der Hoffnung'.

Kapitel 3


Hampshire, England, 1893

Willowdale unterschied sich von allen anderen Häusern, die Louisa in England besucht hatte. Hier fühlte sie sich weit weg von dem geschäftigen Treiben, das für London so typisch war – die endlosen Bälle, dieselben langweiligen jungen Männer auf jeder Gesellschaft. Der unablässige Druck, eine gute Partie zu machen. Es war Sommer, nicht Winter und somit nicht offiziell Saison, doch es schien unerheblich zu sein. Alle Mütter und Töchter waren auf das Gleiche aus.

Willowdale lag nicht weit von London entfernt, aber hier bekam Louisa einen Eindruck von dem England, wie sie es sich vorgestellt hatte, bevor sie Boston verlassen hatte. Kletterrosen schmückten die Mauern des alten Herrenhauses und umrahmten die Fenster, die auf den beschaulichen Park hinausgingen.

Auf der Terrasse war ein Tisch für Tee gedeckt. Alle Anwesenden trugen Weiß, als hätten sie gemeinsam beschlossen, dass es die einzig passende Farbe wäre, dachte Louisa. Die Gesichter der jungen Damen wurden von Sonnenschirmen beschattet, während das Gästegrüppchen halb dösend in der Nachmittagssonne saß. Die beiden Männer ihr gegenüber streckten die Beine vor sich aus, rauchten Zigaretten und blickten zum Tal in der Ferne, in dem zwei Dörfer lagen. Kirchturmspitzen ragten über die Baumwipfel, und jenseits des Parks erstreckten sich hügelige Felder.

Louisa könnte ihre Sorgen fast vergessen.

Fast.

Die Wahrheit war jedoch, dass Willowdale ihr gleichermaßen große Freude und großen Kummer bescheren würde. Freude wegen Meg, ihrer Freundin aus Kindertagen, die gerade Guy Hamilton, den Erben von Willowdale, geheiratet hatte. Gleichzeitig auch Kummer, denn hier würde sie von jemandem Abschied nehmen, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte. Dies war der Ort, an dem sie sich von Samuel verabschieden musste.

Louisa betrachtete ihren Bruder mit den Augen einer großen Schwester, die zugleich ein wenig besitzergreifend, ein wenig stolz und ein wenig ängstlich war. Es war fast unmöglich, den erwachsenen Mann neben ihr mit dem Spielgefährten aus ihrer Kindheit gleichzusetzen, in den sie ihr ganzes Leben lang vernarrt gewesen war. Noch immer musste sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass Samuel erwachsen geworden war, obwohl sie ihn auf jedem Schritt des Weges begleitet und mit ihm zusammen im Laufe der Jahre alle möglichen Arten von Schabernack ausgeheckt hatte.

Louisas Familie hatte das Maß an Bildung, Zurückhaltung und Würde beibehalten, das man von den Nachfahren der englischen Kolonisten erwartete, die auf der Arbella oder der Mayflower in die Neue Welt gelangt waren. Louisa wusste jedoch, dass sie und ihr Bruder für ihre gesellschaftliche Klasse unübliche Freiheiten genossen hatten, da ihr Vater als Kaufmann ständig in Hongkong weilte.

Ihre Mutter war so sehr mit ihren eigenen gesellschaftlichen Ambitionen beschäftigt gewesen, dass sie die Kinder kaum wahrgenommen hatte. Charlotte Wests einziger Lebenssinn hatte immer darin bestanden, den alten vornehmen Lebensstil zu wahren, um ihr gesellschaftliches Ansehen zu festigen.

Nun erkannte Louisa, dass ihre Mutter ihr Leben dem einzigen Ziel gewidmet hatte, in Amerika ein Abbild des englischen Lebens zu erschaffen. Louisa begriff, dass sie vor ihrer Ankunft in England weder die Gründe für das Verhalten ihrer Mutter noch die Wurzeln der gesellschaftlichen Ordnung verstanden hatte.

Pflichtgefühl, Zurückhaltung, Diskretion – an diesen Idealen hielt Louisas Mutter höflich lächelnd, aber unerbittlich fest. Charlotte West hatte es zur Kunstform erhoben, korrekte Kleidung, Manieren, Benehmen, Charakterzüge und persönliche Tugenden zu kultivieren, die man von den Angehörigen ihrer Klasse erwartete. Sie widmete sich den Künsten, der Wohlfahrt – Hospitälern und Internaten – und den guten Werken der Episkopalkirche.

Louisa jedoch war mit einer Gouvernante gesegnet gewesen, die sie dafür sensibilisiert hatte, dass Frauen mehr Rechte haben sollten – die gleichen wie Männer. Louisa war von der Idee, dass Frauen es verdient hatten, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, so fasziniert gewesen, dass sie im Laufe der letzten Jahre viel über dieses Thema gelesen hatte. Ihre Gouvernante hatte ihr Mrs Pankhursts Flugblätter gezeigt, auf denen sie im Namen ihrer Women’s Franchise League für das Frauenwahlrecht eintrat. Louisa fand es ermutigend, dass Mrs Pankhurst im Alter von vierzehn Jahren begonnen hatte, sich für Frauenrechte zu interessieren, und fühlte sich zu den Ideen dieser Frau hingezogen.

Mrs Pankhurst war einerseits eine europäische Frau, die in derselben Gesellschaft lebte wie inzwischen Louisa, wies andererseits aber auch den Frauen in der Neuen Welt die Richtung. Die Suffragetten repräsentierten eine Alternative zum Lebensentwurf ihrer Mutter, und das sprach Louisa an.

Doch dann hatte ihre Mutter die Flugblätter gefunden und war über die neuartigen Ideen mehr als erbost gewesen. Sie hatte ihre Tochter darüber aufgeklärt, dass man sie niemals als geeignete Ehefrau ansehen würde, sobald man sie als Blaustrumpf abgestempelt hätte. Jegliche Form des Aktivismus würde einfach nicht toleriert werden, und Louisa würde schneller aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, als sie eines ihrer albernen Flugblätter lesen könne.

Sie hatte die Gouvernante entlassen und ihre Tochter nach England verfrachtet. Hier befand sie sich unter dem wachsamen Auge der guten Gesellschaft. Ein randvoller gesellschaftlicher Terminkalender sollte sie ablenken und davon abhalten, über unangemessene revolutionäre Ideen nachzudenken. Charlotte stellte klar, dass Louisa erst wieder in Begleitung eines englischen Ehemannes in Boston willkommen wäre, und falls sie den Kontakt zu Mrs Pankhurst in London suchte, wäre sie nicht länger ein Mitglied der Familie West.

Samuel, der nach Hongkong reisen sollte, war angewiesen worden, Louisa nach England zu begleiten, und nun war sie hier, und es wurde Zeit, sich von ihm zu verabschieden. Bisher war der Plan ihrer Mutter nicht aufgegangen – Louisa hatte keinen passenden Ehekandidaten getroffen, und ihr einziger Wunsch war es, ebenfalls in Hongkong zu arbeiten.

Sie stand auf. Samuel tat es ihr nach. Louisa hob ihren Sonnenschirm und genoss den kühlen Schatten auf dem weißen Baumwollkleid mit dem hohen Kragen und den langen Ärmeln.

»Ich gehe spazieren«, erklärte sie in die Runde auf der Terrasse.

Guy Hamiltons Schwester Alice und ihre junge Freundin lächelten und winkten ihr zu, während Louisas beste Freundin Meg in einer nonchalanten Geste die Hand hob. Louisa war aufgefallen, dass Meg hier sehr glücklich geworden war – zweifellos bezog sie Selbstbewusstsein aus dem Wissen, dass sie noch Hunderte solcher Nachmittage mit ihrem frisch angetrauten Gatten Guy verbringen würde, der für seine gute Laune und seine attraktiven Gesichtszüge bekannt war. Er war noch nie zuvor verliebt gewesen – bis er Meg begegnet war.

In den Kreisen der Debütantinnen kursierte geheuchelte Freude über diese Verlobung, während die unschuldige Meg nicht ahnte, dass man sie dafür in halb England sowohl beneidete als auch hasste. Louisa jedoch bemerkte es – die Anspannung, die sich hinter der Höflichkeit der anderen Mädchen und ihrer Mütter verbarg – und verspürte das eigenartige Bedürfnis, Meg zu beschützen.

Sie wandte sich von der Terrasse ab. Wie immer ging ihr zu vieles durch den Kopf. Zumindest behauptete ihre Mutter immer, sie denke zu viel.

»Ich begleite dich.« Samuel zog sein weißes Jackett aus, krempelte die Hemdsärmel hoch und strich sich das maisgelbe Haar zurück. Sein Gesicht war leicht gebräunt. Der englische Sommer stand ihm gut zu Gesicht, fand Louisa.

»Du bist aufgewühlt«, bemerkte er und bot ihr den Arm.

Sie verließen die Terrasse und betraten den Pfad, der durch den Rosengarten führte. »Nicht mehr als gewöhnlich.« Sie war sich bewusst, dass ihre Worte ausweichend klangen, doch sie passten zu dem trägen Tag heute.

Samuel lächelte und setzte seinen Weg in Richtung Park fort. »Ich hasse den Gedanken, bald so weit weg von dir zu sein. Ich will dein Glück nicht versäumen. Du musst mich auf dem Laufenden darüber halten, wenn du die wichtigste Entscheidung deines Lebens triffst. Du wirst Unterstützung brauchen. Und du weißt, dass ich immer für dich da bin.«

Louisa sah mit ihren blauen Augen auf und begegnete dem Blick ihres Bruders. Ihr welliges, goldenes Haar war auf ihrem Kopf hochgesteckt, doch der schwüle englische Sommer setzte ihren Locken zu und brachte die Frisur durcheinander. Einzelne Strähnen lösten sich, und sie hatte sich an Schweißtröpfchen auf der Stirn gewöhnt.

»Es ist unwahrscheinlich, dass ich jemals heirate.« Sie lachte beinahe.

»Möchtest du darüber reden?« Samuels Stimme war sanft. Er tätschelte Louisas Hand, die in seiner Armbeuge ruhte.

Sie entzog sie ihm und band den Sonnenschirm ordentlich und gleichmäßig zusammen.

»Sag schon.« Er blieb stehen.

»Alles hier ist ein Spiel«, erwiderte sie. Sie hatten den Park durchquert und blieben im Schatten einer großen Eiche stehen – eine der ältesten im ganzen Land, wenn man den Hamiltons glaubte. »Du weißt, dass ich nicht spielen will.«

»Louisa. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem keinem von uns beiden eine Wahl bleibt. Die Zwänge sind zu groß. Bestimmt kannst selbst du das erkennen.«

Sie spürte, wie Frustration in ihr aufstieg, und konnte nichts dagegen tun. »Du hast die Wahl, Samuel.«

...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2021
Reihe/Serie Schatten der Vergangenheit
Übersetzer Christina Rodriguez
Sprache deutsch
Original-Titel A Paris Balcony
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Boston • Familiengeheimnis • Familienroman • Familienschicksal • Flucht • Frauenschicksal • Geheimnis • Kate Morton • Liebe • Lucinda Riley • Paris • Roman • Saga • Zeitebene
ISBN-10 3-8412-2109-2 / 3841221092
ISBN-13 978-3-8412-2109-4 / 9783841221094
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