Die Bergwerke zu Falun. Der Artushof. Erzählungen (eBook)

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2021 | 1. Auflage
102 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961918-7 (ISBN)

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Die Bergwerke zu Falun. Der Artushof. Erzählungen -  E. T. A. Hoffmann
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Beide Erzählungen haben die Künstlerexistenz zum Thema, sind aber gegenbildlich erzählt: Während Elis, dem schöpferisch Denkenden, dem 'Künstler ohne Werk', in den Bergwerken zu Falun der Weg in ein bürgerliches Leben versperrt ist, kann der Maler Traugott im Artushof am Ende Kunst und Leben glücklich verbinden. Hoffmann hat die Erzählungen in den ersten, 1819 erschienenen Band seines Zyklus 'Die Serapions-Brüder' aufgenommen, Die Bergwerke zu Falun hat er eigens dafür verfasst. Mit einem neuen Kommentar und Nachwort. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

E. T. A. (Ernst Theodor Amadeus) Hoffmann (24.1.1776 Königsberg - 25.6.1822 Berlin) war ein deutscher Schriftsteller der Romantik, der seinen dritten Vornamen Wilhelm aus Bewunderung für Mozart durch Amadeus ersetzte. Erst nach der Vollendung seiner großen Oper 'Undine' 1814 widmete sich der Jurist, Komponist, Kapellmeister und Maler ganz der Literatur. Er beschränkte sich fast ausschließlich auf Prosagattungen, schrieb Geschichten, Novellen, Märchen und die zwei großen Romane 'Elixiere des Teufels' und 'Kater Murr'. Hoffmanns romantischer Enthusiasmus und seine Hinwendung zu der Nachtseite der menschlichen Existenz lassen die Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit verschwimmen.

E. T. A. (Ernst Theodor Amadeus) Hoffmann (24.1.1776 Königsberg – 25.6.1822 Berlin) war ein deutscher Schriftsteller der Romantik, der seinen dritten Vornamen Wilhelm aus Bewunderung für Mozart durch Amadeus ersetzte. Erst nach der Vollendung seiner großen Oper "Undine" 1814 widmete sich der Jurist, Komponist, Kapellmeister und Maler ganz der Literatur. Er beschränkte sich fast ausschließlich auf Prosagattungen, schrieb Geschichten, Novellen, Märchen und die zwei großen Romane "Elixiere des Teufels" und "Kater Murr". Hoffmanns romantischer Enthusiasmus und seine Hinwendung zu der Nachtseite der menschlichen Existenz lassen die Grenze zwischen Schein und Wirklichkeit verschwimmen.

Die Bergwerke zu Falun
Der Artushof

Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort

[5]Die Bergwerke zu Falun


An einem heitern sonnenhellen Juliustage hatte sich alles Volk zu Göthaborg auf der Reede versammelt. Ein reicher Ostindienfahrer glücklich heimgekehrt aus dem fernen Lande lag im Klippa-Hafen vor Anker und ließ die langen Wimpel, die schwedischen Flaggen lustig hinauswehen in die azurblaue Luft, während Hunderte von Fahrzeugen, Böten, Kähnen, vollgepfropft mit jubelnden Seeleuten auf den spiegelblanken Wellen der Göthaelf hin und her schwammen und die Kanonen von Masthuggetorg ihre weithallenden Grüße hinüberdonnerten in das weite Meer. Die Herren von der ostindischen Kompanie wandelten am Hafen auf und ab, und berechneten mit lächelnden Gesichtern den reichen Gewinn, der ihnen geworden, und hatten ihre Herzensfreude daran, wie ihr gewagtes Unternehmen nun mit jedem Jahr mehr und mehr gedeihe und das gute Göthaborg im schönsten Handelsflor immer frischer und herrlicher emporblühe. Jeder sah auch deshalb die wackern Herrn mit Lust und Vergnügen an und freute sich mit ihnen, denn mit ihrem Gewinn kam ja Saft und Kraft in das rege Leben der ganzen Stadt.

Die Besatzung des Ostindienfahrers, wohl an die hundertundfunfzig Mann stark, landete in vielen Böten, die dazu ausgerüstet, und schickte sich an ihren Hönsning zu halten. So ist nämlich das Fest geheißen, das bei derlei Gelegenheit von der Schiffsmannschaft gefeiert wird, und das oft mehrere Tage dauert. Spielleute in wunderlicher bunter Tracht zogen vorauf mit Geigen, Pfeifen, Oboen und Trommeln, die sie wacker rührten, während andere allerlei lustige Lieder dazu absangen. Ihnen folgten die Matrosen zu [6]Paar und Paar. Einige mit buntbebänderten Jacken und Hüten schwangen flatternde Wimpel, andere tanzten und sprangen und alle jauchzten und jubelten, dass das helle Getöse weit in den Lüften erhallte.

So ging der fröhliche Zug fort über die Werfte – durch die Vorstädte bis nach der Haga-Vorstadt, wo in einem Gästgifvaregard tapfer geschmaust und gezecht werden sollte.

Da floss nun das schönste Öl in Strömen und Bumper auf Bumper wurde geleert. Wie es denn nun bei Seeleuten, die heimkehren von weiter Reise, nicht anders der Fall ist, allerlei schmucke Dirnen gesellten sich alsbald zu ihnen, der Tanz begann und wilder und wilder wurde die Lust und lauter und toller der Jubel.

Nur ein einziger Seemann, ein schlanker hübscher Mensch, kaum mocht’ er zwanzig Jahr alt sein, hatte sich fortgeschlichen aus dem Getümmel, und draußen einsam hingesetzt auf die Bank, die neben der Tür des Schenkhauses stand.

Ein paar Matrosen traten zu ihm, und einer von ihnen rief laut auflachend: »Elis Fröbom! – Elis Fröbom! – Bist du mal wieder ein recht trauriger Narr worden, und vertrödelst die schöne Zeit mit dummen Gedanken? – Hör Elis, wenn du von unserm Hönsning wegbleibst, so bleib lieber auch ganz weg vom Schiff! – Ein ordentlicher tüchtiger Seemann wird doch so aus dir niemals werden. Mut hast du zwar genug, und tapfer bist du auch in der Gefahr, aber saufen kannst du gar nicht, und behältst lieber die Dukaten in der Tasche, als sie hier gastlich den Landratzen zuzuwerfen. – Trink, Bursche! oder der Seeteufel Näcken – der ganze Troll soll dir über den Hals kommen!«

[7]Elis Fröbom sprang hastig von der Bank auf, schaute den Matrosen an mit glühendem Blick, nahm den mit Branntwein bis an den Rand gefüllten Becher und leerte ihn mit einem Zuge. Dann sprach er: »Du siehst, Joens, dass ich saufen kann wie einer von euch, und ob ich ein tüchtiger Seemann bin mag der Kapitän entscheiden. Aber nun halt dein Lästermaul, und schier dich fort! – Mir ist eure wilde Tollheit zuwider. – Was ich hier draußen treibe, geht dich nichts an!« »Nun, nun«, erwiderte Joens, »ich weiß es ja, du bist ein Neriker von Geburt, und die sind alle trübe und traurig, und haben keine rechte Lust am wackern Seemannsleben! – Wart nur, Elis, ich werde dir jemand herausschicken, du sollst bald weggebracht werden von der verhexten Bank, an die dich der Näcken genagelt hat.«

Nicht lange dauerte es, so trat ein gar feines schmuckes Mädchen aus der Tür des Gästgifvaregard und setzte sich hin neben dem trübsinnigen Elis, der sich wieder verstummt und in sich gekehrt auf die Bank niedergelassen hatte. Man sah es dem Putz, dem ganzen Wesen der Dirne wohl an, dass sie sich leider böser Lust geopfert, aber noch hatte das wilde Leben nicht seine zerstörende Macht geübt an den wunderlieblichen sanften Zügen ihres holden Antlitzes. Keine Spur von zurückstoßender Frechheit, nein, eine stille sehnsüchtige Trauer lag in dem Blick der dunkeln Augen.

»Elis! – wollt Ihr denn gar keinen Teil nehmen an der Freude Eurer Kameraden? – Regt sich denn gar keine Lust in Euch, da Ihr wieder heimgekommen und der bedrohlichen Gefahr der trügerischen Meereswellen entronnen nun wieder auf vaterländischem Boden steht?«

So sprach die Dirne mit leiser, sanfter Stimme, indem sie [8]den Arm um den Jüngling schlang. Elis Fröbom, wie aus tiefem Traum erwachend, schaute dem Mädchen ins Auge, er fasste ihre Hand, er drückte sie an seine Brust, man merkte wohl, dass der Dirne süß Gelispel recht in sein Inneres hineingeklungen.

»Ach«, begann er endlich, wie sich besinnend, »ach, mit meiner Freude, mit meiner Lust ist es nun einmal gar nichts. Wenigstens kann ich durchaus nicht einstimmen in die Toberei meiner Kameraden. Geh nur hinein, mein gutes Kind, juble und jauchze mit den andern, wenn du es vermagst, aber lass den trüben, traurigen Elis hier draußen allein; er würde dir nur alle Lust verderben. – Doch wart! – Du gefällst mir gar wohl und sollst an mich fein denken, wenn ich wieder auf dem Meere bin.«

Damit nahm er zwei blanke Dukaten aus der Tasche, zog ein schönes ostindisches Tuch aus dem Busen, und gab beides der Dirne. Der traten aber die hellen Tränen in die Augen, sie stand auf, sie legte die Dukaten auf die Bank, sie sprach: »Ach, behaltet doch nur Eure Dukaten, die machen mich nur traurig, aber das schöne Tuch, das will ich tragen Euch zum teuern Andenken, und Ihr werdet mich wohl übers Jahr nicht mehr finden, wenn Ihr Hönsning haltet hier in der Haga.« –

Damit schlich die Dirne, nicht mehr zurückkehrend in das Schenkhaus, beide Hände vors Gesicht gedrückt, fort über die Straße.

Aufs Neue versank Elis Fröbom in seine düstre Träumerei, und rief endlich, als der Jubel in der Schenke recht laut und toll wurde: »Ach, läg ich doch nur begraben in dem tiefsten Meeresgrunde! – denn im Leben gibt’s keinen Menschen mehr, mit dem ich mich freuen sollte!«

[9]Da sprach eine tiefe raue Stimme dicht hinter ihm: »Ihr müsst gar großes Unglück erfahren haben, junger Mensch, dass Ihr Euch schon jetzt, da das Leben Euch erst recht aufgehen sollte, den Tod wünschet.«

Elis schaute sich um, und gewahrte einen alten Bergmann, der mit übereinandergeschlagenen Armen an die Plankenwand des Schenkhauses angelehnt stand, und mit ernstem durchdringenden Blick auf ihn herabschaute.

Sowie Elis den Alten länger ansah, wurde es ihm, als trete in tiefer wilder Einsamkeit, in die er sich verloren geglaubt, eine bekannte Gestalt ihm freundlich tröstend entgegen. Er sammelte sich, und erzählte, wie sein Vater ein tüchtiger Steuermann gewesen, aber in demselben Sturme umgekommen, aus dem er gerettet worden auf wunderbare Weise. Seine beiden Brüder wären als Soldaten geblieben in der Schlacht, und er allein habe seine arme verlassene Mutter erhalten mit dem reichen Solde, den er nach jeder Ostindienfahrt empfangen. Denn Seemann habe er doch nun einmal, von Kindesbeinen an dazu bestimmt, bleiben müssen, und da habe es ihm ein großes Glück gedünkt, in den Dienst der ostindischen Kompanie treten zu können. Reicher als jemals sei diesmal der Gewinn ausgefallen, und jeder Matrose habe noch außer dem Sold ein gut Stück Geld erhalten, so dass er, die Tasche voll Dukaten, in heller Freude hingelaufen sei nach dem kleinen Häuschen, wo seine Mutter gewohnt. Aber fremde Gesichter hätten ihn aus dem Fenster angekuckt, und eine junge Frau, die ihm endlich die Tür geöffnet, und der er sich zu erkennen gegeben, habe ihm mit kaltem rauem Ton berichtet, dass seine Mutter schon vor drei Monaten gestorben, und dass er die paar Lumpen, die, nachdem die Begräbniskosten berichtigt, [10]noch übrig geblieben, auf dem Rathause in Empfang nehmen könne. Der Tod seiner Mutter zerreiße ihm das Herz, er fühle sich von aller Welt verlassen, einsam wie auf ein ödes Riff verschlagen, hülflos, elend. Sein ganzes Leben auf der See erscheine ihm wie ein irres zweckloses Treiben, ja, wenn er daran denke, dass seine Mutter, vielleicht schlecht gepflegt von fremden Leuten, so ohne Trost sterben müssen, komme es ihm ruchlos und abscheulich vor, dass er überhaupt zur See gegangen, und nicht lieber daheim geblieben, seine arme Mutter nährend und pflegend. Die Kameraden hätten ihn mit Gewalt fortgerissen zum Hönsning, und er selbst habe geglaubt, dass der Jubel um ihn her, ja auch wohl das starke Getränk, seinen Schmerz betäuben werde, aber stattdessen sei es ihm bald geworden, als sprängen alle Adern in seiner Brust, und er müsse sich verbluten.

»Ei«, sprach der alte Bergmann, »ei, du wirst bald wieder in See stechen, Elis, und dann wird dein Schmerz vorüber sein in weniger Zeit. Alte Leute sterben, das...

Erscheint lt. Verlag 27.8.2021
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Nachwort Claudia Liebrand
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte E. T. A. Hoffmann Schauerroman • E. T. A. Hoffmann Schwarze Romantik • Literatur Epoche Romantik • Schauerromane • Schwarze Romantik • Schwarze Romantik Roman • Serapionsbrüder • Serapions-Brüder
ISBN-10 3-15-961918-4 / 3159619184
ISBN-13 978-3-15-961918-7 / 9783159619187
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