Das Haus Zamis 24 (eBook)

Sturm auf das Kastell

(Autor)

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2021 | 1. Aufl. 2021
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1984-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 24 - Uwe Voehl
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Ich betrachtete das schmale, in braunes Packpapier gewickelte Päckchen. Die krakelige Schrift auf dem Umschlag trug meinen Namen und meine Adresse: Coco Zamis, Ratmannsdorfgasse 241, Wien.
Es war in den Regen gekommen, und ausgerechnet der Absender war nicht mehr zu entziffern. Zufall oder Absicht?
Ich riss das Päckchen auf. Es enthielt eine Videokassette, die nicht beschriftet war. Ich schaltete den Fernseher ein und schob die Kassette in den Recorder. Zunächst tat sich nichts. Nur weißes Flimmern war auf dem Schirm zu sehen. Doch unvermittelt erschien ein gestochen scharfes Bild. Mir stockte das Blut in den Adern, als ich erkannte, wen es darstellte.


1. Kapitel


Insofern betrachtete man auch die Vorsortierung meiner spärlichen Post als reine Erziehungsmaßnahme.

Umso erstaunlicher war es, dass gerade dieses Päckchen mich erreicht hatte. Ich riss es auf und entdeckte zu meiner Verwunderung eine Videocassette. Weder ein Brief noch sonst eine Erklärung lag dabei. Die Cassette war nicht beschriftet.

Ich war enttäuscht. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.

Was sollte der Unsinn? Doch gleichzeitig kam mir der Gedanke, dass die Cassette ja vielleicht eine Botschaft enthielt.

Ich horchte nach draußen, ob sich jemand vor meinem Zimmer herumtrieb und mir hinterher spionierte. Doch die Luft war rein. Leise schlich ich nach unten. Der Videorecorder wurde so gut wie nie benutzt, simple Zerstreuung galt als verpönt in meiner Familie. Leise schloss ich die Tür hinter mir und schaltete den Fernseher ein. Dann schob ich die Cassette in den Recorder und wartete ab. Zunächst tat sich nichts. Nur weißes Flimmern war auf dem Schirm zu sehen. Doch unvermittelt erschien ein gestochen scharfes Bild. Mir stockte das Blut in den Adern, als ich erkannte, wen es darstellte.

Auf dem nichtssagenden Plakat direkt vor dem alten Fachwerkhaus, das sie soeben mit der Reisegruppe besichtigt hatte, stand: »GEWALT manifestationen – Entstehen einer Ausstellung«. Doch sie hatte den Namen des Künstlers bereits vergessen, als sie den Eingang betrat und vor der menschenleeren Kasse stehen blieb. Freier Eintritt. Auch gut, sie hatte sowieso keine Lust, lange hier drinnen zu verweilen. Irgendetwas hatte ihr Interesse geweckt. Etwas Fremdes, das zu wenig fassbar war, als dass sie es hätte in Worte fassen können.

Sie steckte das Modemagazin, mit dem sie sich draußen Luft in der flimmernden Sommerhitze zugewedelt hatte, zurück in ihre Tasche. Hier drinnen herrschte eine angenehme Kühle, wie sie sie seit Stunden nicht erfahren hatte. Es war eine blöde Idee gewesen, sich der Reisegruppe anzuschließen, anstatt auf ihren Bruder zu warten, bis der seinen Termin erledigt hatte.

Zögernd machte sie ein paar Schritte vorwärts. Vielleicht war die Ausstellung noch gar nicht eröffnet. Jedenfalls war kein Mensch zu sehen. Aber dann hörte sie von irgendwoher Stimmen. Sie ging ihnen nach, wobei sie das Gefühl hatte, etwas Verbotenes zu tun.

Ein Streit schien entbrannt zu sein. Sie hörte eine sehr laute, männliche Stimme heraus, und eine zweite, die von einer Frau zu stammen schien. Vielleicht der Künstler, der sich mit irgendjemandem stritt. Die Frau schrie auf, doch der Schrei ging augenblicklich in ein fast lustvolles Stöhnen unter. Sie spürte, wie ihre Erregung wuchs.

Die Erregung fiel in sich zusammen, als sie in einen Raum trat und den Ursprung der Stimmen erkannte.

Auf der Betonwand lief ein flimmernder Schwarzweißfilm. Er zeigte eine auf einem Bett gefesselte Frau, die von zwei maskierten Männern in die Mangel genommen wurde. Der Ton dazu kam aus versteckten Lautsprechern.

Doch ebenso wie die verwackelten Bilder, auf denen kaum etwas Konkretes zu erkennen war, waren auch die Stimmen zu verzerrt, um sie zu verstehen. Allein die Schreie waren unmissverständlich.

Kunst oder nicht, derartige Widerwärtigkeiten wollte sie sich nicht anschauen. Sie drehte sich um und suchte den Ausgang, als eine Stimme sie aufhielt: »Sie wollen doch nicht schon wieder gehen?«

»Wenn Sie nichts dagegen haben.« Ihr forscher Ton war einstudiert. In Wahrheit war sie irritiert. Sie konnte den Mann, der sie angesprochen hatte, in dem diffusen Dunkel kaum ausmachen.

Er stand im Schatten, doch im nächsten Moment trat er vor, so dass der Film teilweise auf seinen Körper projiziert wurde. Die schwarzweißen Filmbilder vermischten sich mit seinen Konturen.

»Bedauerlich«, sagte der Mann, »ich hätte sie gern durch meine Ausstellung geführt.«

»Ihre Ausstellung?«

Er machte eine weitausholende Geste. »Alles noch im Aufbau. Sie wird erst in ein paar Tagen eröffnet.«

Na prima, dann hatte sie ja wenigstens einen Grund, gleich wieder zu verschwinden.

»Ich interessiere mich nicht für so etwas«, sagte sie. Das Wort Kunst wollte ihr nicht über die Lippen kommen. Sollte er sie meinetwegen für eine dumme Gans halten, aber sie setzte hinzu: »Mein Kunstverständnis hört bei den Impressionisten oder so auf.«

»Tja, dann kann man wohl nichts machen. Schade.«

Sie konnte es kaum glauben, dass er sie so einfach aus seinen Fängen entließ. Und sie hatte schon befürchtet, sich auf irgendeine langatmige Diskussion mit ihm einlassen zu müssen. Andererseits: So einfach entlassen zu werden, gefiel ihr auch nicht. Ihr fiel etwas an ihm auf, und sie sagte es: »Wie ein Künstler sehen Sie gar nicht aus.«

»Wie sehen denn Künstler – Ihrer geschätzten Meinung nach – aus?«

Nahm er sie auf den Arm? Ihr fiel ihr eigener Widerspruch auf: Wenn sie behauptete, nichts von Kunst zu verstehen, wie sollte sie dann wissen, wie ein Künstler aussah? Jedenfalls nicht wie er: Sein Anzug war mindestens von Boss. Seine Krawatte war eindeutig Hermès und seine wildledernen leichten Schuhe ein italienisches Fabrikat.

Künstler hatte sie sich immer in ölfarbenverschmierten Overalls vorgestellt. Mit langen Haaren oder kahlgeschorenem Schädel, während ihr Gegenüber einen modischen Kurzhaarschnitt bevorzugte. Er erinnerte sie an einen bekannten Filmschauspieler.

Das sagte sie ihm natürlich nicht. Sie fühlte sich nicht wohl. Vielleicht war es die Kälte. Sie spürte, wie sie fast ein wenig taumelte. Nicht auch das noch!

»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte er besorgt.

»Doch, es geht schon. Bloß die Hitze, wissen Sie!« Sie würde doch hier keinen Schwächeanfall kriegen. Das hätte ihr gerade noch gefehlt. »Und hier drinnen ist es so kühl.« Wie in einem Leichenschauhaus, setzte sie in Gedanken hinzu.

Die Schreie der Frau in dem Film waren inzwischen verstummt. Gott sei Dank. Aber dann begann der Film von Neuem. Widerwärtig.

»Ich gehe jetzt«, sagte sie.

»Ich denke, Sie haben recht. Gehen Sie!«, sagte ihr Gegenüber und lächelte freundlich.

Sie drehte sich um und suchte den Ausgang.

Der Ausgang war verschwunden.

Tjalf fluchte. Seit Stunden war er dabei, die magischen Fallen zu überprüfen, die das Castello della Malizia umgaben. Einerseits dienten die Fallen seit jeher als Schutz vor ungewünschten Eindringlingen – andererseits aber hinderte es auch jeden daran, das Kastell ohne Weiteres zu verlassen.

Das Castello lag mitten in den Bergen auf einer steilen Anhöhe. Seine uralten Mauern hatten fast die Farbe der umliegenden Felsen angenommen. Einige der magischen Fallen, die es umgaben, waren genauso uralt wie das Castello, andere waren erst vor Kurzem von Michael Zamis und seinem Bruder Ingvar aufgestellt worden.

Nicht, dass es viel genutzt hätte. Asmodi, der Fürst der Finsternis, hatte sämtliche Fallen als Beweis seiner Macht zerstört. Tjalf wusste nicht genau, was eigentlich vorgefallen war, jedenfalls war in dem Fallensystem der Wurm drin. Mal funktionierten sie, dann fielen wieder einige aus. Es war ein undankbarer Auftrag, den er sich da eingehandelt hatte. Die anderen Familienmitglieder saßen beisammen und beratschlagten, während er hier draußen mit einigen Hilfsdämonen die Drecksarbeit verrichten musste. Ein Blick zum Himmel verriet ihm, dass sich dort oben etwas zusammenbraute. Gewaltige dunkle Wolkentürme schoben sich vor die zerklüfteten Gipfel. Nicht mehr lange, und es würde wie aus Kübeln regnen.

Tjalf kannte diese Unwetter nur zu gut – und er genoss sie. Allerdings nicht hier draußen, sondern behaglich hinter der Fensterscheibe sitzend, während er überlegte, wer sein nächstes Opfer sein könnte.

Vielleicht schaffte er es ja noch, vor dem ersten Schauer zurück zu sein.

Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als die ersten schweren Regentropfen bereits niedergingen.

»Mist, verdammter!«

Konnte der Regen nicht noch warten? Er war gerade dabei, eine besonders komplizierte magische Falle wiederherzustellen. Er nahm einen Stein an sich und sprach eine Beschwörungsformel: »... verbiete ich dir mein Haus und mein Hof, ich verbiete dir meine Bettstatt, dass du nicht über mich tröstest, tröste in ein ander Haus, bis du alle Berge steigest, und alle Zaunstrecken zählest, und über alle Wasser steigest!«

Der Stein in seiner Hand erwärmte sich und wurde so heiß, dass Tjalf ihn fallen ließ. Die Hitze war ein sicheres Zeichen dafür, dass die Magie gewirkt hatte. Er war zufrieden mit sich. Ein Blick in die weite Runde verriet ihm, dass das halbe Dutzend Hilfsdämonen, die sein Vater ihm bewilligt hatte, mit der Arbeit ebenfalls schon weit vorangekommen waren. Natürlich konnten sie nur die einfachen Fallen überprüfen – für die komplizierteren war er zuständig. Dennoch war er froh über die Hilfe. Er hätte keine Lust gehabt, noch ein paar Stunden länger hier draußen zu bleiben.

Er winkte zwei der am nächsten arbeitenden Lakaien herbei. Es waren...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2021
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-1984-9 / 3751719849
ISBN-13 978-3-7517-1984-1 / 9783751719841
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