Majulah! Gestrandet in Singapur (eBook)

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2021 | 1. Auflage
189 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7546-0793-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Majulah! Gestrandet in Singapur -  Silke Tobeler
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»Du kennst diesen Finn doch überhaupt nicht!«, hatte Franzis Freundin Mimi gesagt. Dennoch bricht Franzi wenig später mit Finn auf, um am anderen Ende der Welt ihr Glück zu suchen. Mimi scheint recht zu behalten. Finn verschwindet, und Franzi irrt auf der Suche nach Zuflucht durch das pulsierende Singapur. Sie trifft auf Sara, eine geheimnisvolle alte Dame, die zurück an den Ort ihrer Kindheit will. Damit beginnt ein Roadtrip, der ins Herz Malaysias und auf Finns Spur führt. Majulah! Gestrandet in Singapur ist ein moderner Abenteuerroman. Die Geschichte spielt im Jahr 2020, als im Schatten der kolonialen Vergangenheit alte Wunden aufreißen. Franzi und Finn stehen unversehens im Zentrum der Konflikte, die Südostasiens Gesellschaft herausfordern.

Silke Tobeler, geboren in Hamburg, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Singapur. Mit ihrer Familie pendelt sie zwischen Hamburg, Brandenburg und Berlin. Silke Tobeler verfasst neben Romanen, Kurzgeschichten und Essays. Zudem ist sie Hebamme für Texte aller Art und arbeitet als Speakerin für den Female Gaze. 2018 gewann Silke Tobeler den Bonner Literaturpreis fu?r die Kurzgeschichte »Der Teppich«. Im Dezember 2019 erschien ihr Debu?t »Collage - Ein Art brut-Krimi« im Salsa-Verlag.

Silke Tobeler, geboren in Hamburg, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Singapur. Mit ihrer Familie pendelt sie zwischen Hamburg, Brandenburg und Berlin. Silke Tobeler verfasst neben Romanen, Kurzgeschichten und Essays. Zudem ist sie Hebamme für Texte aller Art und arbeitet als Speakerin für den Female Gaze. 2018 gewann Silke Tobeler den Bonner Literaturpreis für die Kurzgeschichte »Der Teppich«. Im Dezember 2019 erschien ihr Debüt »Collage – Ein Art brut-Krimi« im Salsa-Verlag.


8. Januar 2020





FRANZI



Der Concierge starrte auf das Smartphone, als Franzi versuchte, sich unauffällig am Tresen vorbeizustehlen. Wie abwesend pfiff er die Hindimelodie mit, die dünn aus dem Telefon klang. Franzi schob vorsichtig die Glastür zur Straße auf. Die Türklingel schepperte durch den Raum. Der Concierge schaute noch nicht einmal auf. Erleichtert schlüpfte Franzi hinaus und schulterte den Rucksack. Sollte Finn doch die Rechnung begleichen, wenn er mit dem neuseeländischen Doppelpack zurückkehrte. Obwohl, auch doof. Es war ja ihre Kreditkarte. Und sie hatte ihren Reisepass beim Hotelmanager hinterlegen müssen. Als ihr Telefon klingelte, war Franzi dankbar für den Moment der Ablenkung. 

»Na? Ausgeschlafen?«

Vom Regen in die Traufe. Der neugierige Unterton in der Stimme ihrer Mutter verwandelte Franzis Erleichterung in eine aufwallende Wut. Sie fühlte sich gestört. Belästigt. Alles zusammen.

Mühsam presste sie ein »Mhm« hervor.

»Also, geht’s auch ein bisschen ausführlicher? Jetzt bist du schon fast eine Woche weg, und dann kommt nur ein Foto? Was machst du denn die ganze Zeit?«

»Musstest du das bei Twitter posten?«

Franzi hockte sich mit dem Hörer am Ohr neben einen Gewürzsack, der vor einem Laden stand, aus dem es verführerisch duftete. Schmerzhaft knurrend meldete sich ihr Magen zu Wort. Die labbrigen Kayabrote waren längst in alle Nahrungsteile aufgespalten und auf ihre Organe verteilt worden.

»Ich will dich nur unterstützen! Man sagt doch immer, dass Social Media das Wichtigste sei, um bekannt zu werden. Tante Fee und Jan haben es auch schon geteilt. Was meinst du, was für eine globale Reichweite das haben wird. Aber gut …«

Bevor die Mutter »… wenn du nicht willst« oder »… ich habe mein Bestes gegeben« in den Hörer jammern konnte, wechselte Franzi das Thema.

»Schon in Ordnung. Bin gerade auf dem Weg in den botanischen Garten.«

Franzi hoffte, dass die geheuchelten Worte ihre Mutter beruhigen und das Gespräch beenden würden. Statt auf ihre Faust zu beißen, stieß sie sie in den Gewürzsack.

»Ach, wunderbar, Engelchen. Das ist meine Tochter!«

Mission gelungen. Franzi wollte gerade entspannt aufatmen, als ihr ein spitzer Schrei entfuhr. Über ihre geballte Hand krabbelte oder schlängelte etwas den Arm hoch, wand sich über die Schulter unter ihr T-Shirt und entfloh über Franzis Kreuz aus dem Shirt auf die Straße. Entsetzt ließ sie das Telefon auf den Bordstein fallen.

»Hallo? Was ist los? Franzi! Rede mit mir! Wolfgang – Franzi ist was passiert! Wolfgang«, drang es schrill von unten zu ihr hoch.

Franzi wollte antworten. Es wäre besser, wenn sie jetzt sprechen würde. Entwarnung geben. Aber die Worte saßen in ihr fest, und sie schnappte nach Luft.

»Excuse me, Miss …« Eine Frau im roten Sari schob den Gewürzsack mit dem Fuß beiseite und reichte Franzi ein Glas mit Wasser. »Drink.«

Dankbar stürzte Franzi die eiskalte Flüssigkeit hinunter.

»Ich muss auflegen, Mama. Mach dir keine Sorgen.«

 

Das Wasser gluckerte in ihrem leeren Magen, während Franzi an den Methodistenkirchen vorbeiging, an Glasbauten, die wie Diamanten in der Sonne funkelten und die sie erst gestern mit Finn an ihrer Seite gesehen hatte.

Sie lief weiter, immer Googles Anweisungen folgend. Sie hatte den botanischen Garten als Zielort angegeben, damit sie ihre Mutter nicht belügen musste. So ein Unsinn. Alles was Franzi tat, seit sie Finn kannte, beruhte auf reiner Täuschung.

Finn war so ein Arsch. Erst ihr ganzes Geld verjubeln und sie dann sitzen lassen. Mitten im Nirgendwo. Obwohl das Nirgendwo eher einem Ameisenhaufen glich. Tausende Menschen schlurften, joggten und stöckelten an ihr vorbei.

»Yes, Miss«, riefen die Restaurantbetreiber und versuchten, ihr eine Speisekarte in die Hand zu drücken. »Authentische singapurische Küche!«

Ein dürrer Chinese in Polyesterhosen, über denen ein Guccishirt schlabberte, hielt ihr sein Handgelenk unter die Nase. »Rolex, Tissot, Ebel … Schweizer Uhrwerk. Besser als das Original!«

Sie schüttelte den Kopf.

»I make you best price – forty Dollar!«

Franzi versuchte, eine Miene aufzusetzen, an der alles abprallen würde. Hart. Unnachgiebig. Blickte stur geradeaus. Vielleicht sollte sie auch eine dieser Masken aufsetzen, die manche Fußgänger vor Mund und Nase trugen, als müssten sie gleich eine Operation durchführen. Franzi spürte schon beim bloßen Gedanken daran den Schweiß ihr Kinn hinunterrinnen.

Und plötzlich stand sie vor einem weiß lackierten schmiedeeisernen Tor.

»Sie haben das Ziel erreicht«, plärrte die künstliche Intelligenz. 

Franzi steckte das Handy weg.

Vor ihr tat sich eine riesige Grünfläche auf. Zikaden zirpten, und Franzi sog die schwere feuchte Luft ein, die sich vom lehmigen Boden der Singapore Botanic Gardens abhob. Bei dem Klima war es kein Kunststück, dass alles wuchs und gedieh. Die ganze Stadt war das reinste Gewächshaus.

»Der meistbesuchte botanische Garten der Welt. 1822 von Stamford Raffles gegründet, um Kakao und Muskat anzubauen«, las sie halblaut auf der Tafel. 

Singapur, die britische Kronkolonie. Das Areal hätte eine tropische Version von Downton Abbey sein können. Franzi wünschte sich in dieser Affenhitze fast den britischen Regen herbei.

Weiter durch den Park. Mochten noch so unfassbar duftende Bäume aus den Wiesen in den Himmel ragen, majestätische Palmen ihre Fächer ausbreiten - Franzis Verstand und ihre lärmenden Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Finn. Das verpatzte Interview und all die Lügen, die sie ihren Eltern aufgetischt hatte, flatterten durch ihren Kopf wie ungezogene Spatzen, die sich nicht vom Esstisch im Garten vertreiben ließen. Man wischt die Krumen weg, die Spatzen hüpfen hoch, und schon im nächsten Moment picken sie wieder auf dem Tisch. Franzi klatschte sich leicht auf die Wange, um zumindest für eine Sekunde zur Besinnung zu kommen.

Als sie vor dem Schild »National Orchid Garden« stand, zahlte sie zähneknirschend sieben Dollar Eintritt. Auch wegen ihrer Mutter, die Orchideen liebte. Ihre Mutter, der sie unbedingt ein Foto zuschicken musste. Aber hauptsächlich wegen Mr Norris.

Sie wurde nicht enttäuscht.

So musste das Paradies aussehen. Blüten in Knallfarben, lasziv geformte Kelche, die ihre Zungen wie Schamlippen aus der veganen Vulva hängen ließen. Wäre Franzi ein Insekt, sie würde reinspringen.

Bulbophyllum biflorum. Dünne Blütenbeine, wie die eines Flamingos, spreizten sich vom tiefrosa Leib ab, der an gelbgrünen Kapseln hing. Auf dem Bildschirm ihres Smartphones leuchteten die Farben wie auf einem Werbeplakat. Klick.

Dendrobium chapaense. Zarte weiße Blüten, deren untere Blätter wie schwere Lippen mit orangen Streifen auf den an ihnen hängenden Rispen ruhten. Auslöser. Klick.

Eine Tafel zeigte Fotos berühmter Persönlichkeiten, die den Orchideengarten besucht hatten. Prince William und seine Kate lächelten neben einer purpur gesprenkelten üppigen Schönheit im Topf in die Kamera. Jackie Chan, Jane Goodall und Margaret Thatcher, die Franzi aus dem Film mit Meryl Streep kannte. Diese verkniffene Engländerin, die den Arbeitern das Leben schwer gemacht hatte. Auslöser. Klick und gleich an die Mutter geschickt.

Ihr Smartphone bimmelte. Daumen-hoch-Emoji von ihrer Mutter.

Franzi schickte einen Kuss-Smiley zurück.

 

Ihre Mutter war nicht der Grund für Franzis journalistische Idee gewesen.

»Wie aus einem Hillbilly ein Orchideenzüchter wurde«, so lautete der eigentliche Titel, der brandheiße Scheiß, den sie Heidi Meschnik damals präsentieren wollte. Und der ihr partout nicht einfiel, als sie sich in der HafenCity um Kopf und Kragen redete.

Für ihre Mutter waren Orchideen nichts anderes als hübsche Blumen. Niemals würde Franzi sich von ihrer Mutter zu Karriereambitionen inspirieren lassen. Denn was Franzi am meisten nervte, war die Gewissheit, dass jedes »Go for it« oder »Das ist meine Tochter« und vor allem das schreckliche »Engelchen« nicht ihr, Franziska Jürgenssen, galt, sondern dem Narzissmus ihrer Mutter entsprang. Alles, was Franzi tat, ob gut oder schlecht, wurde vereinnahmt. Als wären Tochter und Mutter ein Organismus. Franzi blieb nichts anderes übrig, als sich permanent dagegen zu wehren. Was ihr mehr schlecht als recht gelang. Sie hätte nicht ihrer Mutter, sondern Mr Norris die Fotos schicken sollen.

Franzi wollte gerade ihr Smartphone in die Hosentasche stecken, als unter dem Daumen-hoch-Emoji aus dem Chat mit ihrer Mutter eine weitere Nachricht aufpoppte.

»Irgendwie erinnern die Blumen mich an den Tod. Aber du warst ja schon immer morbid …« Und daneben ein Schlangen- plus ein Totenkopf-Emoji.

Franzi fühlte, wie sie schrumpfte. Die Ein-Meter-sechsundsiebzig-Franziska stauchte sich um fünf Zentimeter. Sie streckte sich. Was hatte sie denn erwartet? Am liebsten hätte sie das Smartphone in den Teich zu den Kois geschmissen. Stattdessen setzte Franzi sich auf den Boden und scrollte die Fotos durch. Die waren gar nicht schlecht. Mr Norris würde sich freuen.

Ihr Nachbar. Der Ideengeber zu »Wie aus einem Hillbilly ein Orchideenzüchter wurde. Die Geschichte des Edward Norris – ein Porträt«. Mr Norris war mindestens sechzig Jahre alt.

»Franzi«, fing...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • British Empire • Gesellschaftsroman • Globetrotter • Journalismus • Justizskandal • Kolonialismus • Krimi • Malaysia • Pandemie • Reiseroman • Roman • Singapur • Spannung • Third Culture Kids • Thriller
ISBN-10 3-7546-0793-6 / 3754607936
ISBN-13 978-3-7546-0793-0 / 9783754607930
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