Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin (eBook)

Der neue inspirierende Roman des internationalen Bestsellerautors − das perfekte Geschenk für alle Musikliebhaber!
eBook Download: EPUB
2021
96 Seiten
C. Bertelsmann Verlag
978-3-641-25609-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin - Eric-Emmanuel Schmitt
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Das neue Buch von Bestsellerautor E.-E. Schmitt - humorvoll und inspirierend
Seit Eric als Kind das erste Mal ein Klavierstück von Chopin gehört hat, lässt ihn dessen Musik nicht mehr los. Doch auch nach Jahren des Klavierunterrichts vermag er dem Instrument nicht jene überirdischen Klänge zu entlocken, die ihn damals verzaubert hatten. Schließlich bittet Eric die exzentrische Lehrerin Madame Pylinska um Hilfe. Doch anstatt ihn Klavier spielen zu lassen, mischt sie sich mit ihren kuriosen Unterrichtsmethoden mehr und mehr in seinen Alltag ein, um den etwas linkischen Eric aus der Reserve zu locken. Eric ist alles recht - solang sie ihm hilft, hinter Chopins Geheimnis zu kommen. Doch insgeheim fragt er sich: Lehrt Madame Pylinska ihn wirklich nur das Klavierspiel? Oder nicht vielmehr das Wesentliche des Lebens?

Wunderschön illustriert, edel ausgestattet - das ideale Geschenk für alle Sinnsuchenden und Musikliebhaber*innen

Eric-Emmanuel Schmitt, französischer Schriftsteller, Bühnenautor und Filmemacher, wurde 1960 in St.-Foy-les-Lyon geboren. Mit seinem Roman »Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran« (2001) wurde er zum Bestsellerautor mit großer Fangemeinde, auch in Deutschland. Seine Bücher wurden seither in 48 Sprachen übersetzt, 2007 lief sein Regiedebüt »Odette Toulemonde« im Kino. Seit 2016 ist er Mitglied der Académie Goncourt.

Im Haus meiner Kindheit lebte ein Eindringling. Von außen glaubten alle, die Familie Schmitt zähle vier Mitglieder – zwei Eltern, zwei Sprösslinge –, obwohl fünf Personen unser Zuhause bewohnten. Der Eindringling hielt sich dauerhaft im Wohnzimmer auf, schlafend, wach, meckernd, reglos, lästig.

Ganz und gar in Anspruch genommen von ihren Aufgaben, ignorierten die Erwachsenen ihn, mit Ausnahme meiner Mutter, die manchmal verärgert dafür sorgte, dass er sauber blieb. Nur meine Schwester unterhielt eine Beziehung zu dem Störenfried, indem sie ihn jeden Tag gegen Mittag weckte, worauf er geräuschvoll reagierte. Ich hasste ihn; sein Grollen, sein finsteres Aussehen, seine strenge Gestalt, seine Verschlossenheit stießen mich ab; wenn ich abends im Bett lag, betete ich oft, er möge uns verlassen.

Seit wann wohnte er bei uns? Für mich hatte er immer zum Inventar gehört. Braun, gedrungen, fett, voller Flecken, das Elfenbein der Zähne vergilbt, wechselte er von hinterhältigem Schweigen zu aufdringlichem Lärm. Wenn meine ältere Schwester ihm ihre Zeit widmete, zog ich mich schleunigst in mein Zimmer zurück, wo ich vor mich hin trällerte und mir die Ohren zuhielt, um ihren Dialog nicht hören zu müssen.

Sobald ich das Wohnzimmer betrat und argwöhnisch um ihn herumschlich, warf ich ihm einschüchternde Blicke zu, damit er an seinem Platz blieb und begriff, dass es niemals Freundschaft zwischen uns geben würde; und er tat so, als bemerkte er mich nicht. Wir mieden uns mit einer solchen Hartnäckigkeit, dass unsere Fehde die Atmosphäre vergiftete. Abends hörte er sich unsere Unterhaltungen kommentarlos an, was nur mich auf die Palme brachte, so sehr waren meine Eltern seine stumpfsinnige Gegenwart gewohnt.

Der Eindringling hieß Schiedmayer und war ein Klavier. Unsere Familie duldete diesen Parasiten seit drei Generationen.

Unter dem Vorwand des Musikunterrichts quälte meine Schwester ihn täglich. Oder umgekehrt … Keine Melodie drang aus diesem Büfett aus Nussholz, sondern Hammerschläge, falsche Töne, Geklirre, zahnlose Tonleitern, lahme Rhythmen, dissonante Akkorde; zwischen Le dernier soupir und dem Türkischen Marsch fürchtete ich besonders eine Tortur, die meine Schwester Für Elise nannte, komponiert von einem Folterer namens Beethoven, die meine Ohren quälte wie der Bohrer des Zahnarztes.

Eines Sonntags, es war mein neunter Geburtstag, deutete Tante Aimée, blond, weiblich, seidig, gepudert, nach Iris und Maiglöckchen duftend, auf das schlafende Ungeheuer.

»Dein Klavier, Eric?«

»Ganz und gar nicht!«, entgegnete ich.

»Wer spielt darauf? Florence?«

»Sieht so aus«, brummte ich und verzog das Gesicht.

»Florence! Komm, spiel uns etwas.«

»Ich kann nichts«, maulte meine Schwester, und zum ersten Mal schätzte ich ihre Hellsicht.

Aimée rieb sich das Kinn, das ein hübsches Grübchen schmückte, und betrachtete den Unerwünschten.

»Mal sehen …«

Ich lachte, da der Ausdruck »Mal sehen« mich immer amüsiert hatte, zumal meine Mutter ihn in der Formulierung »Mal sehen, sagte der Blinde« benutzte.

Unbeeindruckt von meiner Heiterkeit, hob Aimée vorsichtig den Holzdeckel hoch, als öffnete sie den Käfig eines Raubtiers, ließ den Blick über die Tasten gleiten, berührte sie leicht mit ihren schlanken Fingern und zog sie plötzlich zurück, als ein Fauchen durch den Raum drang: Die Raubkatze sträubte sich, widerspenstig, bedrohlich.

Daraufhin wiederholte Tante Aimée geduldig ihre vorsichtigen Annäherungsversuche. Mit der linken Hand streichelte sie die Tastatur. Das Tier gab einen gedämpften Ton von sich; unglaublich, es muckte nicht auf, zeigte sich fast liebenswürdig. Aimée spielte ein Arpeggio; der Grobian schnurrte wohlwollend; er gab nach, sie zähmte ihn.

Aimée unterbrach befriedigt ihre Geste, musterte den Tiger, den sie in ein Kätzchen verwandelt hatte, setzte sich auf den Hocker und begann, selbstsicher und dem Tier vertrauend, zu spielen.

In dem sonnendurchfluteten Wohnzimmer war eine neue Welt aufgetaucht, ein leuchtendes Anderswo, das in Schwaden durch den Raum schwebte, friedlich, geheim, wogend, das uns erstarren ließ und aufmerksam machte. Worauf? Ich wusste es nicht. Ein außerordentliches Ereignis spielte sich da ab, das Erblühen eines Paralleluniversums, die Epiphanie einer anderen Art zu existieren, dicht und ätherisch, reich und flüchtig, zart und stark, die sich hingab und doch die Tiefe eines Geheimnisses bewahrte.

In der von unserer Hingerissenheit gesättigten Stille betrachtete Tante Aimée die Tastatur, lächelte ihr dankbar zu, und als sie zu uns aufblickte, konnten ihre Lider kaum die Tränen zurückhalten.

Meine Schwester starrte niedergeschlagen mit scheelem Blick den Schiedmayer an, der ihr niemals die Ehre erwiesen hatte, so zu klingen. Meine Eltern sahen sich an, fassungslos, dass diese dunkle und dickbäuchige Anrichte, mit der sie ein Jahrhundert gelebt hatten, so sehr zu bezaubern vermochte.

Und ich rieb mir die Unterarme, deren Haare sich aufgerichtet hatten, und fragte Tante Aimée: »Was war das?«

»Natürlich Chopin.«

Noch am selben Abend verlangte ich, Unterricht zu bekommen, und eine Woche später begann ich, das Klavierspiel zu erlernen.

Da er bemerkte, wie sehr seine Komplizenschaft mit Tante Aimée mich erschüttert hatte, kostete der Schiedmayer seinen Triumph nachsichtig aus: Er vergaß meine frühere Feindseligkeit und fügte sich meinen Tonleitern, Arpeggios, Oktaven und Etüden von Czerny. Sobald ich diese Anfangsgründe mühsam erworben hatte, machte Madame Vo Than Loc, meine Lehrerin, mich mit Couperin, Bach, Hummel, Mozart, Schumann, Debussy vertraut … Entgegenkommend beugte die Anrichte sich meinen Ansprüchen und erfüllte bereitwillig meine Wünsche. Wir waren auf dem besten Weg, uns zu schätzen.

Kurz bevor ich sechzehn wurde, wollte ich unbedingt endlich Chopin spielen. Hatte ich nicht das Klavier gewählt, um sein Geheimnis zu ergründen? Meine Lehrerin entschied sich für einen Walzer, ein Prélude und ein Nocturne, und ich erbebte bei dem Gedanken, die höchsten Weihen zu erlangen.

Doch so sehr ich mich auch anstrengte, die schwierigen Partituren zu meistern, mir die Stücke einzuprägen, die Tempi zu respektieren, ich empfand nie mehr das Erschauern des ersten Mals, dieses wollüstige Anderswo, das die Samtigkeit der Töne, die Liebkosungen der Akkorde, die kristalline Klarheit der Melodie gewebt hatten. Das Klavier gehorchte zwar den Impulsen meiner Finger, klang aber nicht wie in meinen Träumen und meinen Erinnerungen. Das Wunder fand nicht statt. Das Instrument, das unter den Fingern von Tante Aimée sanft, klar und zart geklungen hatte, tönte männlich und eindeutig unter den meinen. Lag es an ihm? An mir? An meiner Lehrerin? Irgendetwas entzog sich mir. Chopin floh mich.

Meine literarischen Studien beanspruchten meine Energie, und dann zwang mich mein zwanzigster Geburtstag, Lyon, meine Familie und den Schiedmayer zu verlassen, um nach Paris zu gehen und mich in die École normale supérieure einzuschreiben, deren Aufnahmeprüfung ich bestanden hatte. Dort, dem Kloster der Schule entkommen, endlich frei, auszugehen, zu tanzen, zu trinken, zu flirten, mit Mädchen zu schlafen, stürzte ich mich glücklich ins Leben und verausgabte meine Kräfte, indem ich mich amüsierte und arbeitete. Da ich jetzt freier über meinen Tagesablauf verfügen konnte, suchte ich einen Lehrer, der mir helfen sollte, den Fall Chopin zu lösen. Er ließ mir keine Ruhe. Sein Licht, sein Frieden, seine Zärtlichkeit fehlten mir. Die Spur, die er eines Frühlingsnachmittags an meinem neunten Geburtstag in mir hinterlassen hatte, schwankte zwischen Abdruck und Verletzung. Obwohl ich jung war, empfand ich so etwas wie Sehnsucht; ich musste ihm sein Geheimnis entreißen.

Nach einer Umfrage unter meinen Pariser Kommilitonen schien eine Person geeignet zu sein, eine gewisse Madame Pylinska, die sich eines ausgezeichneten Rufs erfreute, eine nach Paris emigrierte Polin, die im 13. Arrondissement unterrichtete.

»Hallo?«

»Guten Tag, ich würde gern mit Madame Pylinska sprechen.«

»Am Apparat.«

»Also:...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2021
Illustrationen Daphne Patellis
Übersetzer Michael Killisch-Horn
Zusatzinfo 5 zweifarbige Illustrationen
Sprache deutsch
Original-Titel Madame Pylinska et le secret de Chopin
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Antoine de Saint Exupéry • Beethoven • Das Café am Rande der Welt • eBooks • Felix und die Quelle des Lebens • François Lelord • Frankreich • Franz Liszt • Frederic Chopin • Jardin du Luxembourg • Johann Sebastian Bach • John Strelecky • Jorge Bucay • Klavierlehrerin • kleine eheverbrechen • Kunst • Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran • Mozart • Musik • Musikgeschichte • Neuheiten 2021 • Oskar und die Dame in Rosa • Paolo Coelho • Paris • Schule des Lebens • Sinnsuche • Weihnachten Buch • Weihnachtsgeschenke
ISBN-10 3-641-25609-7 / 3641256097
ISBN-13 978-3-641-25609-8 / 9783641256098
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,3 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
20,99