Gespenster-Krimi 75 (eBook)

Der Schrecken von Crannock Hall

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1929-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gespenster-Krimi 75 - Simon Borner
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Erinnerungen fluteten seinen erwachenden Geist wie Blut. Er sah die mysteriöse Einladung wieder, das verlassene Anwesen und seine Gefährten. Er sah die perversen Fallen, die einen von ihnen nach dem anderen in den Tod rissen - das bizarre Spiel eines unsichtbaren Genies. Und er sah das Gas, das ihm vorhin die Sinne geraubt hatte.
Das Gas hatte ihn nicht getötet.
'Mein perverser Gastgeber möchte offenbar, dass ich auch das nächste Element dieser Nacht des Grauens miterlebe', folgerte er.
Einen Herzschlag später kehrte die Welt vor seinen Augen endgültig zurück, und Sherlock Holmes sah jenes Element aus nächster Nähe.
Denn die tickende Zeitbombe stand direkt vor ihm ...


Kapitel 2


Die Macht der Presse

Die Bucht lag in grauem Nebel. Kalter Wind wehte vom Meer herüber, und ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. K.F. Pritchard schlug den Kragen ihres Mantels höher und sah sich um. Warum hatte sie diesem abendlichen Date noch gleich zugestimmt?

»Was für ein Mistwetter, hm?«, fragte ihr Begleiter.

Colin MacDugall war Anfang dreißig und ausgesprochen attraktiv. Ein feuerroter Bart zierte sein kerniges Gesicht, und seine breiten Schultern drohten beinahe die Nähte seines Anzugs zu sprengen.

Ach ja, dachte Pritchard. Deswegen.

Einmal mehr besah sie sich den Mann an ihrer Seite. MacDugall arbeitete erst seit wenigen Wochen bei der Edinburgh Gazette, ihrem gemeinsamen Arbeitgeber. Er war Pritchard allerdings schon am ersten Tag aufgefallen – und hatte bedauernswert lange gebraucht, um sie anzusprechen.

Was ist das eigentlich mit mir und den Männern?, seufzte sie innerlich. Mache ich denen irgendwie Angst? Falls ja, ist das keine Absicht.

Wirkte sie wirklich so einschüchternd? Ihre letzte nennenswerte Beziehung lag gefühlte Ewigkeiten zurück. Oder war sie zu wählerisch? Jedenfalls passte MacDugall rein optisch voll und ganz zu ihrem Beuteschema. Ob er auch charakterlich infrage kam, sollte der heutige Abend klären.

Der Pub im Stadtviertel Granton war seine Idee gewesen. Pritchard bevorzugte Läden, die deutlich näher an ihrer Wohnstatt im Zentrum lagen – im Schatten der Burg und der Kathedrale, sozusagen. Doch MacDugall schwor auf das The Sailor's Mum, ein Lokal direkt am Hafen. Pritchard hatte zwar noch nie davon gehört, ihm zuliebe aber eingewilligt, ihn dorthin zu begleiten.

»Dann können wir uns ungestört beschnuppern, Katie«, hatte er es am Nachmittag in der Redaktion formuliert.

Je länger sie durch den Nebel und die Kälte stolzierte, desto weniger wusste K.F. Pritchard, ob sie das überhaupt noch wollte.

»Ist es noch weit?«, fragte sie ungehalten.

MacDugall deutete voraus. »Keine fünf Schritte mehr. Schau!«

Tatsächlich: Da war ein Licht in den grauen Schwaden. Der Pub lag an einer Straßenecke, direkt am Pier. Pritchard sah eine schmutzig-schiefe Fassade, ein silbernes Schild über der Tür und zwei Fenster, durch die warmer Kerzenschein fiel. Die Gegend mochte schäbig und verlassen wirken, doch das Licht war einladend.

»Im Sturm ist jeder Hafen willkommen«, murmelte Pritchard und trat an seiner Seite über die Schwelle.

Er hatte nicht zu viel versprochen. Das Sailor's Mum war erstaunlich gemütlich. Das Klientel bestand nahezu ausschließlich aus Hafenarbeitern und Seeleuten, und sie alle wirkten gut gelaunt. Hinter dem Tresen stand ein stämmiger Mann mit Walrossschnäuzer, der ohne Unterlass Bierkrüge füllte. An den Wänden hing allerlei maritimer Schnickschnack, von Fischernetzen bis hin zu alten Seekarten. Die Luft roch nach Tabak und Wachs.

»Na?«, fragte MacDugall, als sie einen freien Tisch in der Ecke bezogen hatten. »Zufrieden? Hat sich doch gelohnt, so weit rauszukommen, oder? Hier fühlt man sich, als wäre man nicht länger in der großen Stadt – nicht einmal länger in Schottland.«

Es stimmte. Und es tat gut. Pritchard stammte aus einem Dorf in den Highlands und war nach Edinburgh gezogen, weil sie sich Anonymität erhofft hatte. Ein Untertauchen in der Masse. Noch anonymer als hier in diesem Pub ging es kaum.

Die Getränke taten gut, und die Unterhaltung auch. Während der nächsten zwei Stunden, umgeben von vollkommen Fremden, unterhielten sich die Endzwanzigerin und der neue Kollege, als wären sie die dicksten Freunde. Pritchard fand Gefallen an dem Mann mit dem roten Bart, und je länger sie in seiner Gegenwart war, desto sicherer fühlte sie sich bei ihm. Vielleicht war er tatsächlich ein Grund, endlich mal wieder die Deckung sinken zu lassen. Vielleicht konnte sie bei ihm normal sein – und sei es nur auf Zeit.

MacDugall – Mac, wie er inzwischen betonte – zahlte die komplette Zeche. Dann brachen sie auf. Der Weg zurück in die Innenstadt würde nicht minder ungemütlich werden als der Hinweg, doch Pritchard war dankbar für den gemeinsamen Abend und beschwerte sich nicht.

Noch nicht.

»Bist du sicher, dass das die richtige Gasse ist, Mac? Kommt mir ausgesprochen fremd vor.«

Er brummte ungehalten. »Verflixt, da könntest du recht haben. In diesem Nebel sieht doch alles gleich aus ...«

Sie irrten seit etwa fünfzehn Minuten durch die Hafengegend von Granton. Noch immer hatten sie den Rückweg nicht gefunden. Die Nacht und der Nebel – und, okay, auch der Alkohol – machten es ihnen schwer.

Pritchard fröstelte ganz schön. Zudem kamen ihr einige Zeitungsmeldungen der vergangenen Wochen in den Sinn. In der Gegend rund um die Docks ging es des Nachts mitunter heiß her, wusste sie. Da waren Überfälle – und Schlimmeres – keine Seltenheit. Wer da nicht aufpasste, bog schnell mal um die falsche Straßenecke und begegnete den falschen Menschen.

»Moment«, sagte Mac. »Hier irgendwo muss doch die Galway Road sein. Die führt direkt nach Süden, und nach zehn Minuten kommen wir dann auf die ...«

Pritchard spürte den Gegner, bevor sie ihn sah. Mit einem Mal zog ein unangenehmes Kribbeln über ihren Körper, und ihre Muskeln spannten sich an.

»Psst!«, unterbrach sie ihren Begleiter und griff warnend nach Macs Arm.

Doch es war zu spät. Ein langer Stock sirrte durch das Dunkel, und einen halben Herzschlag später stöhnte Mac unter Schmerzen.

Es waren zwei Männer, und sie traten nun aus den Schatten. Einer hatte ein unrasiertes Kinn und eitrige Pickel auf der Stirn, der zweite trug eine hässliche Narbe auf der rechten Wange. Stoppelbart hielt ein langes Messer in der erhobenen Hand, und Narbenbacke holte schon zum zweiten Schlag mit dem Knüppel aus.

»Wen haben wir denn da?«, fragte Stoppelbart. Er nuschelte und grinste dabei. »Gleich zwei Trottel auf einmal? Heute ist unser Glückstag, Liam.«

»Worauf du dich verlassen kannst«, stimmte Narbenbacke ihm zu.

Noch bevor Mac abwehrend die Hände heben konnte, verpasste Liam ihm einen Schlag in die Magengrube. Mac krümmte sich keuchend.

»Geld her, Trottel«, knurrte Stoppelbart. »Aber schnell, sonst bleibt's nicht nur bei dem Knüppel.«

»Bitte«, keuchte Mac. »Ihr könnt alles haben, aber ... Lasst uns in Ruhe. Tut uns nichts, ja? Wir können über alles reden und ...«

Zack! Der nächste Hieb traf ihn im Nacken. Mac sank ruckartig auf die Knie. Er schwankte stark.

»Ganz ruhig«, bat Pritchard. Fieberhaft sah sie sich um. War da irgendjemand, der ihnen helfen konnte? Sie fand nur Nacht und Nebel. »Wir wollen keinen Ärger.«

»Pech für euch«, knurrte Stoppelbart. Seine Blicke wanderten über ihren Körper, als könne er durch die Kleidung hindurch sehen. Es gefiel ihm, was er da sah. »Wir nämlich schon.«

Als wolle er die Worte unterstreichen, ließ Liam abermals den Knüppel sprechen. Dieses Mal wehrte sich Mac zwar, konnte aber nichts gegen die Wucht des Hiebes tun. Der Stock traf ihn an der Schläfe. Blut trat aus und lief in dunklen Strömen über sein Gesicht.

Pritchard wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen eine Wand stieß. Langsam öffnete sie ihre Handtasche. Vorsichtig entnahm sie die Geldbörse. »Hier. Nehmt sie und verschwindet. Es ist alles gut.«

»Ich weiß ja nicht«, meinte Stoppelbart. »Geld allein macht nicht glücklich. Oder, Liam?«

»Genau, Duncan«, stimmte Narbenbacke ihm zu. Auch in seinem Blick lag nun ein lüsternes Funkeln. »Es wäre Verschwendung, jetzt schon aufzuhören.«

»Und Verschwendung ist eine Sünde.« Liam trat näher. Seine Klinge war direkt vor Pritchards Brust. »Möchtest du sündigen, Püppchen?«

»Lass das«, keuchte sie. Sie konnte nicht weiter zurückweichen, hob langsam die Arme. »Du willst das nicht tun.«

»Ach ja?« Die Klinge strich über ihren Mantel. »Findest du?«

»Lass Sie in Ruhe!«, stöhnte Mac – und fing sich prompt die nächsten Prügel ein.

»Du machst einen Fehler«, keuchte Pritchard. »Ich warne dich, Duncan. Mach das nicht.«

»Oder was?«, knurrte er grinsend. »Was kannst du mir schon tun, du dummes Ding. Ich bin der mit dem Messer.«

Und ich bin die mit dem Fluch, stöhnte Pritchard innerlich.

Dann ließ sie es zu. Sie streckte ruckartig beide Arme nach vorn und erlaubte der Kraft, durch ihren Körper zu fließen!

Das Gefühl war warm und vertraut. Die Kraft, die sie seit vielen Jahren gekonnt unterdrückt hatte, kehrte zu ihr zurück, als sei sie nie fort gewesen.

Duncan wusste...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2021
Reihe/Serie Gespenster-Krimi
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-1929-6 / 3751719296
ISBN-13 978-3-7517-1929-2 / 9783751719292
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