Solaris (eBook)

Mit einem Nachwort von Harald Lesch und Harald Zaun
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
336 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2644-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Solaris -  Stanislaw Lem
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Der Planet Solaris ist von einem Ozean bedeckt, der eigenen physikalischen Gesetzen zu gehorchen scheint. Der Psychologe Kris Kelvin wird geschickt, um die Wissenschaftler, die den Ozean von einer Raumstation aus untersuchen, zu unterstützen. Doch nichts hätte ihn auf die merkwürdigen Ereignisse vorbereiten können, die ihn dort erwarten: Schon bald steht er seiner verstorbenen Geliebten gegenüber, an deren Selbstmord er sich schuldig fühlt. Auch die anderen Besatzungsmitglieder sehen sich mit schmerzhaften unterdrückten Erinnerungen konfrontiert. Kann es sein, dass der Ozean ein eigentümlich intelligentes Wesen ist, das die Vergangenheit heraufbeschwört - aus Gründen, die niemand versteht?

Stanislaw Lem wurde 1921 in Lwow, Polen, geboren. Neben zahlreichen belletristischen Werken verfasste er theoretische Schriften über Science Fiction und über Gebiete der angewandten Philosophie und der Kybernetik.Sein Schaffen umfasst inzwischen 28 Werke, deren Gesamtauflage fast 8 Millionen Exemplare erreichte. Übersetzungen erschienen in 27 Sprachen, unter anderem in Japan, England, Russland, Amerika, Schweden, Italien, Holland und Frankreich. Sein Hauptinteresse galt der Science Fiction als literarische Gattung. Er starb im Jahre 2006 in Krakau.

Stanislaw Lem wurde 1921 in Lwow, Polen, geboren. Neben zahlreichen belletristischen Werken verfasste er theoretische Schriften über Science Fiction und über Gebiete der angewandten Philosophie und der Kybernetik.Sein Schaffen umfasst inzwischen 28 Werke, deren Gesamtauflage fast 8 Millionen Exemplare erreichte. Übersetzungen erschienen in 27 Sprachen, unter anderem in Japan, England, Russland, Amerika, Schweden, Italien, Holland und Frankreich. Sein Hauptinteresse galt der Science Fiction als literarische Gattung. Er starb im Jahre 2006 in Krakau.

Der Neue


Um neunzehn Uhr Bordzeit stieg ich, vorbei an den Leuten, die den Schacht umstanden, über die Metallsprossen ins Innere der Kapsel hinab. Drinnen war gerade genug Platz, um die Ellbogen wegzuspreizen. Sobald ich das Ende in die Leitung geschraubt hatte, die aus der Wand hervorstand, blähte sich der Raumanzug auf, und von nun an konnte ich nicht die kleinste Bewegung mehr ausführen. Ich stand – oder hing vielmehr – im Luftbett, mit der Metallhülle in eins verfugt.

Als ich den Blick hob, sah ich durch die vorgewölbte Scheibe die Wände des Schachtes und weiter oben Moddards darübergeneigtes Gesicht. Es verschwand sofort, und Finsternis brach herein, denn von oben wurde der schwere Schutzkegel aufgesetzt. Ich hörte den achtmal wiederholten Pfiff der Elektromotoren, die die Schrauben festzogen. Dann – das Zischen der Luft, die in die Amortisatoren eingelassen wurde. Das Auge gewöhnte sich an die Finsternis. Schon sah ich den blassgrünen Umriss des einzigen Kontrollanzeigers.

»Fertig, Kelvin?«, ertönte es in den Kopfhörern.

»Fertig, Moddard«, antwortete ich.

»Sorg dich um nichts. Die Station empfängt dich dann«, sagte er. »Glückliche Reise!«

Ehe ich zum Antworten kam, knirschte etwas über mir, und die Kapsel erbebte. Instinktiv spannte ich die Muskeln an, aber es geschah weiter nichts.

»Wann geht es los?«, fragte ich und hörte etwas rascheln, so als rieselten Körnchen von feinstem Sand auf eine Membran.

»Du fliegst schon, Kelvin. Alles Gute!«, antwortete Moddards nahe Stimme. Bevor ich noch daran glaubte, tat sich gerade vor meinem Gesicht ein breiter Spalt auf, durch den ich die Sterne erblickte. Vergebens bemühte ich mich, Alpha des Wassermanns aufzufinden, zu dem der Prometheus entflog. Der Himmel in dieser Gegend der Galaxis sagte mir nichts, ich kannte auch nicht eine Konstellation, im schmalen Fenster war andauernd funkenblitzender Staub. Ich wartete, wann sich der erste Stern eintrüben sollte. Ich gewahrte es nicht. Sie wurden nur schwächer und schwanden, verschwammen im immer röteren Grund. Ich begriff, dass ich schon in den äußersten Schichten der Lufthülle war. Steif, in die pneumatischen Polster eingemummt, konnte ich nur geradeaus schauen. Noch immer war kein Horizont da. Ich flog und flog und spürte es gar nicht, nur dass meinen Körper langsam, schleichend, Gluthitze überflutete. Draußen regte sich leises, durchdringendes Zwitschern wie von Metall über nasses Glas. Ohne die Ziffern, die im Fensterchen des Kontrollanzeigers sprangen, hätte ich mir gar nicht klargemacht, wie jäh ich fiel. Sterne waren nicht mehr da. Rostrote Helle füllte das Sichtfenster aus. Ich hörte den eigenen Puls schwer gehen, das Gesicht brannte, im Nacken spürte ich den kalten Luftzug von der Klimaanlage; ich bedauerte, dass es mir nicht geglückt war, den Prometheus noch zu sehen – er muss schon außer Sichtweite gewesen sein, als die automatische Vorrichtung das Sichtfenster öffnete.

Die Kapsel zuckte einmal und noch einmal, vibrierte unerträglich, dieses Zittern ging durch alle Isolierhüllen, durch die Luftpolster, und drang tief in meinen Körper – der blassgrüne Umriss des Kontrollanzeigers verwischte sich. Ich betrachtete das ohne Angst. Nicht um am Ziel zugrunde zu gehen kam ich von so weit hergeflogen.

»Station Solaris«, sagte ich. »Station Solaris, Station Solaris! Tut irgendwas. Mir scheint, ich verliere die Stabilität. Station Solaris, hier ein Anflieger. Empfang.«

Und wieder verpasste ich einen wichtigen Moment, das Auftauchen des Planeten. Riesig, flach breitete er sich aus; den Ausmaßen der Streifen auf seiner Oberfläche konnte ich entnehmen, dass ich noch weit war. Oder eigentlich – hoch, denn ich hatte schon diese nicht festsetzbare Grenze hinter mir, wo aus dem Abstand von einem Himmelskörper Höhe wird. Ich fiel. Fortwährend fiel ich. Jetzt spürte ich das, sogar als ich die Augen schloss. Ich öffnete sie gleich wieder, denn ich wollte so viel wie möglich sehen.

Ich wartete einige Male zehn Sekunden Stille ab, dann rief ich neuerlich. Auch diesmal erhielt ich keine Antwort. In den Kopfhörern wiederholte sich salvenweise das Geknatter atmosphärischer Entladungen. Seinen Hintergrund bildete ein Rauschen, so dumpf und tief, als wäre das die eigene Stimme des Planeten. Den orangefarbenen Himmel im Sichtfenster überzog eine Trübung. Sein Glas wurde dunkel; instinktiv krampfte ich mich zusammen, so gut es meine pneumatischen Bandagen zuließen, bis ich in der nächsten Sekunde begriff: Das waren Wolken. Wie hochgeblasen, sauste die Wolkenbank nach oben davon. Ich sank weiter, bald in der Sonne, bald im Schatten, die Kapsel drehte sich um eine senkrechte Achse, und die riesige, wie aufgeschwollene Sonnenscheibe trieb rhythmisch vor meinem Gesicht vorbei, von links erscheinend und rechts untergehend. Auf einmal, durch all das Rauschen und Geknatter, begann mir direkt ins Ohr eine ferne Stimme zu plappern:

»Station Solaris an Anflieger, Station Solaris an Anflieger. Alles in Ordnung. Anflieger unter Kontrolle der Station. Station Solaris an Anflieger, vorbereiten zur Landung zum Zeitpunkt null, ich wiederhole, vorbereiten zur Landung zum Zeitpunkt null, Achtung, Anfang. Zweihundertfünfzig, zweihundertneunundvierzig, zweihundertachtundvierzig …«

Die einzelnen Wörter waren getrennt durch Bruchteile von Miau-Tönen, Anzeichen, dass es kein Mensch war, der sprach. Das war zumindest seltsam. Normalerweise rennt alles, was lebt, auf den Flughafen, wenn jemand Neues ankommt, noch dazu direkt von der Erde. Ich konnte jedoch nicht länger darüber nachdenken, denn der gewaltige Kreis, den die Sonne rund um mich zog, bäumte sich hoch mitsamt der Ebene, auf die ich zuflog; dieser Neigung folgte eine zweite, in die Gegenrichtung; ich schwankte wie das Gewicht eines riesigen Pendels, und gegen den Schwindel ankämpfend, erblickte ich auf dem wie eine Wand hochstehenden, von schmutzig lila und schwärzlichen Streifen gebänderten Planetengefilde ein winziges Schachbrett aus weißen und grünen Pünktchen – die Markierung der Station. Zugleich riss sich etwas mit Geknatter von der Außenseite der Kapsel los: das lange Geschirr des Ringfallschirms, der heftig knisterte; in diesem Geräusch lag etwas unaussprechlich Irdisches – erstmals, nach so vielen Monaten, das Rauschen von wirklichem Wind.

Alles begann nun sehr schnell zu gehen. Bisher hatte ich nur gewusst, dass ich fiel. Jetzt sah ich es. Das weiß-grüne Schachbrett wuchs überstürzt, schon sah ich, es war aufgemalt auf einem länglichen, walfischhaften, silbrig glänzenden Rumpf mit seitlich wegstehenden Nadeln von Funkmessgeräten, mit Spalieren dunklerer Fensteröffnungen, und dieser metallene Koloss ruhte nicht auf der Oberfläche des Planeten, sondern hing über ihr und zog über tintig schwarzen Grund den eigenen Schatten mit, einen elliptischen Fleck noch tieferer Schwärze. Gleichzeitig gewahrte ich die violett angelaufenen Furchen des Ozeans, die schwache Bewegung zeigten, zugleich stiegen die Wolken nach oben fort, am Saum von blendendem Scharlach umfasst, der Himmel zwischen ihnen wurde fern und flach, bräunlich orangefarben, und alles verwischte sich: Ich geriet ins Schlingern. Bevor ich zum Rufen kam, brachte ein kurzer Schlag die Kapsel in senkrechte Lage zurück; im Sichtfenster funkelte in quecksilbrigem Licht, gewellt bis an den rauchigen Horizont, der Ozean; die knarrenden Leinen und Ringe des Fallschirms hakten sich plötzlich los und flogen über den Wellen dahin, vom Wind getragen, und die Kapsel schaukelte weich, mit dieser eigentümlichen verlangsamten Bewegung, wie gewöhnlich in einem künstlichen Kraftfeld, und senkte sich hinunter. Das Letzte, was ich noch sehen konnte, waren die gegitterten Fliegerkatapulte und zwei wohl etliche Stock hoch aufragende Spiegel fein durchbrochener Radioteleskope. Etwas stoppte die Kapsel mit dem durchdringenden Laut von Stahl, der elastisch gegen Stahl schlägt, etwas öffnete sich unter mir, und mit einem gedehnten, schnaufenden Seufzer beendete die metallene Nussschale, in der ich aufrecht feststeckte, ihre hundertachtzig Kilometer lange Reise.

»Station Solaris. Null und null. Landung beendet. Ende«, vernahm ich die tote Stimme der Kontrollvorrichtung. Mit beiden Händen (ich spürte einen unbestimmten Druck auf der Brust, und die Eingeweide wurden als unangenehme Last spürbar) fasste ich den Griff hinter meinen Schultern und trennte die Kontakte. Die grüne Aufschrift ERDE leuchtete auf, und die Wand der Kapsel öffnete sich; das pneumatische Bett stieß mich leicht in den Rücken, sodass ich, um nicht zu fallen, einen Schritt vorwärts machen musste.

Mit leisem Zischen, fast wie mit einem resignierten Seufzer, verließ die Luft die Windungen des Raumanzugs. Ich war frei.

Ich stand unter einem silbrigen, wie ein Kirchenschiff hohen Trichter. Die Wände herab liefen Bündel farbiger Rohre und verschwanden in kleinen runden Schächten. Ich wandte mich um. Die Ventilationskanäle röhrten und sogen die Restchen giftiger Planetenatmosphäre ein, die während der Landung hier eingedrungen waren. Leer, wie ein geplatzter Kokon, stand die zigarrenförmige Kapsel auf einem Becken, das in eine...

Erscheint lt. Verlag 30.8.2021
Übersetzer Irmtraud Zimmermann-Göllheim
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte AI • Ausnahmezustand • Außerirdisch • Extremsituation • Intelligenz • Jubiläum • KI • Klassiker • Künstliche • Ozean • Psychologe • Raumstation • Roman • Science Fiction • Solaris • Weltraum • Wissenschaftler
ISBN-10 3-8437-2644-2 / 3843726442
ISBN-13 978-3-8437-2644-3 / 9783843726443
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