Dorian Hunter 77 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1895-0 (ISBN)
Junge und alte Männer und Frauen tanzten. Viele waren mit weißen Symbolen bemalt. Ein bildhübsches schwarzes Mädchen wand sich vor Boumba. »Azaka-Tonnerre! Ich spüre dich, großer Gott des Donners und des Blitzes, Schutzherr der Felder und der keimenden Saat. Du hast deine unwürdige Dienerin Ambaka erwählt.«
Daraufhin fiel eine hässliche alte Vettel mit verdrehten Augen zu Boden und blieb zuckend liegen. Niemand kümmerte sich um sie ...
1. Kapitel
Doch diese Wachtposten wären eigentlich gar nicht nötig gewesen. Papaloa Boumbas Ruf und Einfluss genügten, um die Menschen abzuschrecken. Selbst die berüchtigte Geheimpolizei zitterte vor Papaloa Boumba, der mit seinem Geburtsnamen Guulf de Sylvain hieß.
Der schlanke, sehnige Mischling mit dem weißen Gewand nahm nun den Krug mit dem weißen Zuckerrohrschnaps von dem wackeligen Tisch am Feuer. Er war ein Könner seines Metiers. Er verstand es, seine Anhänger anzustacheln und in Ekstase zu versetzen.
Nun war es Zeit für den nächsten Schritt.
Papaloa Boumba füllte seinen Mund mit dem scharfen, mit Pfeffer versetzten Schnaps und spie ihn über die Tanzenden. Er schritt durch den Reigen der halb nackten Männer und Frauen mit den verzückten Gesichtern, sprach seine Beschwörungen und füllte dabei immer wieder den Mund mit Schnaps, den er ausspie.
Junge und alte Männer und Frauen tanzten. Viele waren mit weißen Symbolen bemalt. Ein bildhübsches schwarzes Mädchen, nur mit einem kurzen bedruckten Rock bekleidet, wand sich stehend vor Boumba. Er bemerkte ihre Schönheit in diesem Augenblick ebenso wenig wie den unförmigen Bauch eines Mannes oder die Hängebrüste einer hässlichen alten Vettel.
»Azaka-Tonnerre!«, schrie sie mit schriller Stimme. »Ich spüre dich, großer Gott des Donners und des Blitzes, Schutzherr der Felder und der keimenden Saat. Du hast deine unwürdige Dienerin Ambaka erwählt.«
Mit verdrehten Augen fiel die Alte zu Boden und blieb zuckend liegen. Niemand kümmerte sich um sie.
Papaloa Boumba bespie die Mambos, die fast auf ihren langen, schmalen Trommeln ritten, weiter mit Schnaps. Gesänge hallten zum Sternenhimmel empor, an dem das Kreuz des Südens prangte. Nackte Füße stampften auf den festgetretenen Boden. Es roch scharf nach dem verdunstenden Alkohol, und eine leichte Brise wehte von den versumpften Zuckerrohrfeldern herüber.
»Schlachtet die Opfertiere!«, rief Papaloa Boumba.
Ein paar seiner Anhänger, die am Rande des Feuerscheins warteten, führten den schwarzen Stier herbei und brachten die Körbe mit den weißen Hühnern und Tauben. Der Stier wurde an dem Strick, der durch seinen Nasenring gezogen war, zum Feuer geführt. Er war unruhig. Zwei Männer mussten all ihre Kraft aufbieten, um ihn festzuhalten.
Papaloa Boumba warf den leeren Schnapskrug in die hoch lodernden Flammen. Seine Augen schienen zu glühen, sein Mund war zu einem grausamen, fanatischen Lächeln erstarrt.
Er war der König des Voodoo, der Oberste aller Magier und größte Hexer der Welt. Nichts waren sie alle gegen ihn, die Herrscher und Mächtigen der Staaten dieser Erde und der Schwarzen Familie der Dämonen. Und weniger als nichts waren jene anderen armen Narren, die sich anmaßten, wie er Papaloi des Voodoo zu sein.
Viele Zweige des Kultes gab es, doch die Zeit war gekommen, dass sie alle geeint wurden, durch ihn, Papaloa Boumba. Das würde eine seiner ersten großen Taten sein.
Ein Hungan hielt dem Stier ein paar Krautblätter hin. Wenn das Tier sie fraß, war es mit seiner Opferung einverstanden – so sagte es die Regel. Wenn es sie verschmähte, musste ein anderes Opfer gesucht werden.
Aber der Stier, der seit Langem gehungert hatte, fraß trotz seiner Nervosität das Kraut. Die Tanzenden und die unteren Priester, die Hungans und Mambos, schrien erfreut auf. Über zweihundert Menschen waren im Innenhof der alten Pflanzung versammelt.
Viel Blut hatte der Boden der Pflanzung getrunken, seit sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts von einem Franzosen gegründet worden war. Aufständische Sklaven hatten Großgrundbesitzer Jacques du Luc mit einer Lanze ans Tor eines Zuckerrohrsilos festgenagelt. Er starb unter Qualen, während sie über seine Frau und seine Töchter herfielen und sie anschließend abschlachteten.
Die du Lucs waren nur die ersten einer langen, langen Reihe von Opfern gewesen. Jetzt war die Plantage seit drei Jahrzehnten verwaist. Sie galt als verflucht. Zombies und die Geister der Toten sollten hier umgehen.
Aus diesem Grund hielt Papaloa Boumba die Zeremonie hier ab. Er wollte seinen Ruf noch mehr festigen, sein Ansehen bei seinen verschworenen Anhängern noch mehr stärken. Er, Papaloa Boumba, bot den Mächten der verfluchten Plantage die Stirn.
Er nahm nun das lange Opfermesser aus der Hand seines Hungan entgegen und stieß es dem Stier in die Halsschlagader. Blut spritzte hervor. Wieder und wieder stieß Papaloa mit dem Messer zu, und sein weißer Umhang wurde besudelt.
Die Tänzer schrien und heulten ekstatisch, sie zuckten, als bohre sich die Messerklinge in ihre Körper. Der Stier brüllte. Er wollte sich losreißen. Acht Männer hielten ihn jetzt am Strick, und er schleifte sie über den Boden.
Dann ließ seine Kraft nach. Seine Knie knickten ein. Eine Weile kauerte er. Seine Blase versagte. Er nässte den Sand, und Blut kam aus seinem Maul. Papaloa Boumba stützte die linke Hand auf das eine Horn des Stiers und reckte das blutige Messer hoch empor.
»Papa Legba!«, schrie er. »Mittler zwischen Göttern und Menschen, nimm dieses erste Opfer! Schicke sie alle! Damballa, Agwe, Azaka-Tonnerre, Ogun Ferraile, Ogun Badagri und Ezili, die Göttin der Liebe. Lass sie in die Körper ihrer Diener fahren! Lass uns ihre Pferde sein, ihre Chevals, lass sie uns reiten!«
»Lass sie uns reiten, Papa Legba!«, schrien die Tänzer. »Lass sie uns reiten, Papa Legba!«
Immer wieder riefen sie die Worte im Takt der Trommeln, untermalten die Anrufung mit schrillen oder dumpfen Lauten.
Das Blut des Stiers wurde von einem Hungan mit einer Schale aufgefangen. Weitere Hungans waren hinzugekommen. Sie schlachteten nun rasch die weißen Hühner und Tauben. Federn wirbelten auf, und Blut tropfte zu Boden.
Ein Hungan und eine Mambo hielten Papaloa Boumba die große, mit Ziselierungen verzierte Kupferschale mit dem Blut hin. Er ergriff einen Palmwedel, tauchte ihn in die Flüssigkeit ein und besprengte damit die Tanzenden. »Voodoo Legba!«
Ein rasender Trommelwirbel folgte. Die Kürbisrasseln wurden wie toll geschüttelt. Die Tänzer schrien sich die Kehlen heiser, stampften mit den Füßen auf und verdrehten die Augen. Die wilde exotische Zeremonie erreichte ihren Höhepunkt.
»Voodoo Loa!«, schrie Papaloa Boumba noch einmal.
Er schnitt die Augen des toten Stieres heraus und warf sie ins Feuer. Seine Anhänger heulten verzückt auf, und das Kreuz mit dem waagerechten Querbalken im Hintergrund, das Symbol Papa Legbas, wurde in Brand gesteckt. Manche der Voodoo-Tänzer wurden nun von ihren Göttern geritten. Sie waren besessen, waren davon überzeugt, dass ein Gott in sie gefahren war. Mit Bewegungen und Gesten versuchten sie, Eigenart und Rang dieses Gottes darzustellen.
Die anderen Tänzer betrachteten sie neidvoll, denn es galt als hohe Ehre, von einer Gottheit geritten zu werden. Sie umtanzten die Chevals, die Pferde. Manche stellten ihnen Fragen.
Papaloa Boumba betrachtete das Treiben mit verschränkten Armen. Viele Loas – Gottheiten – hatten ihm die Ehre gegeben.
Ein kräftiger Mann saß auf dem Boden und machte Ruderbewegungen. Er hatte die Augen geschlossen, und Schaum stand in seinen Mundwinkeln. Er sang ein Seefahrerlied in einem afrikanischen Stammesdialekt, den er nie gehört hatte. Agwe, der Herr der Meere, war in ihn gefahren.
Eine dicke Frau kroch mit schlangengleichen Windungen über den Boden. Ihre Brüste schleiften im Staub, ihre Augen waren geschlossen, ihre Zunge stieß blitzschnell vor und zurück.
»Damballa ist in ihr!«, kreischte ein dürres altes Weib. »Der Gott der Fruchtbarkeit reitet sie!«
Und eine hübsche Mulattin mittleren Alters warf sich vor der kriechenden Dicken nieder und umklammerte sie.
»Damballa!«, heulte sie. »Ich will ein Kind haben. Mein Mann wird mich verstoßen, wenn ich weiter unfruchtbar bleibe. Was soll ich tun, um Mutter zu werden?«
Die Dicke schaute sie mit starren Augen an und sprach zusammenhangslose Silben und Worte, die niemand verstand.
»Sag es mir, Damballa!«, flehte die Mulattin. »Drei Stiere und hundert Hähne will ich dir opfern.«
»Bade in den Vollmondnächten in einem Sud aus gekochten Kröten und Alraunenwurzeln!«, sagte die dicke Frau in haitianischem Französisch. »Gib das Blut eines schwarzen Hahnes, der um Mitternacht an einem Kreuzweg geschlachtet worden ist, hinzu! Nach den Vollmondnächten wirst du empfangen.«
Die Mulattin warf sich aufs Gesicht und verkrallte die Finger im Boden.
»Ich danke dir, Damballa!«, heulte sie. »Oh, ich danke dir, großer Loa!«
Ein herkulischer Farbiger lief zu Papaloa Boumba hin. Er riss das Opfermesser vom Tisch und fuchtelte damit herum.
»Wer von euch verfluchten Hurensöhnen kämpft mit mir?«, brüllte er. »Zeigt mir einen Feind, den ich töten kann!«
Westliche Wissenschaftler sprachen in solchen Fällen von Psychosen und Selbsthypnose. Papaloa Boumba und seine Anhänger konnten über solche Erklärungen nur verächtlich...
Erscheint lt. Verlag | 10.8.2021 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-1895-8 / 3751718958 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1895-0 / 9783751718950 |
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