Skröna -  Henriette Salis

Skröna (eBook)

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2021 | 1. Auflage
324 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-7494-6 (ISBN)
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Als sich die Leute von Skröna (dt.: Lügenmärchen) dieses Jahr um den Titel SCHWEDENS SCHÖNSTES DORF bewerben, kommt ihnen die Leiche des Dorfältesten und der Diebstahl des von ihm verwahrten Geldes für die Fertigstellung des wichtigsten Wettbewerbsprojektes (ein Mini-Ferienhaus) drei Wochen vor der Anreise der Jury gänzlich ungelegen. Als zeitgleich völlig unerwartet ein bekannter Krimi-Schauspieler anreist, um vor der deutschen Presse abzutauchen, spannt die Dorfelite ihn für die Mordaufklärung ein. Dabei ahnen weder sie noch er, dass er bei seiner tölpelhaften Suche nach dem Täter und dem gestohlenen Geld Schritt für Schritt die gut versteckten Leichen aus ihren Kellern holt. Sommerliches Urlaubsgefühl, drei Liebesgeschichten, eine Legende vom Wesen des Krieges und Happy End inklusive.

Ein Pseudonym ist nun mal ein Pseudonym, was zählt ist die Geschichte.

4

Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?! Pfarrer Melker schritt aufgeregt vom einen Ende seiner kleinen Kirche bis zum andern und zurück, bis er wieder am Altar stand, wo die Anderen betreten schweigend darauf warteten, dass er sich einigermaßen beruhigt hatte.

Geister, das war ja klar. Jetzt fang doch nicht schon wieder mit deinen religiösen Vorhaltungen an, Melker.

Axel traute sich als Einziger etwas zu sagen, schließlich scherte er sich als Bürgermeister wenig um das, was die Leute dachten. Immerhin war er der Herr der Gemeinde, denn in die Kirche gingen längst nur noch eine Handvoll Leute, vor allem die Alten und Kranken. Melker hatte bisher keinen von denen wieder gesund gemacht, was Anders einmal spöttisch anmerkte. Seitdem redeten sie noch seltener miteinander. Melker war vor zwanzig Jahren auf die Insel gekommen, was ihn zwar nicht mehr als Gast gelten ließ, doch es machte einfach einen Unterschied, ob man hier einen Stammbaum bis ins 16. Jahrhundert nachweisen konnte oder eben nicht.

Natürlich beerdigen wir Carlsson. Was glaubst du denn, Axel? Der Seelenfrieden eines jeden ist gottgegebenes Menschenrecht. Aber doch nicht Holterdiepolter heute Nachmittag ohne jede Zeremonie und alles. Ist das wieder einer von deinen merkwürdigen Plänen? Oder gehört das hier zur Probe für deine Theateraufführung, Lars?

Lars antwortete darauf vorsichtshalber nichts. Als Sprachenlehrer wusste er um die Bedeutung einer rhetorischen Frage und Melker hatte obendrein mindestens zwei Gründe, um sauer auf ihn zu sein.

Was hast du überhaupt damit zu schaffen, Göran? Von dir hätte ich so etwas nicht erwartet!

Göran hatte bereits alles zu dieser Sache gesagt, was es zu sagen gab. Die Fahrt hierher vom Hof von Carlsson, den sie auf der Ladefläche des Geländewagens mit einer Plane abgedeckt und mit Seilen gesichert hatten, war für die drei Rädelsführer dieser Angelegenheit zu einer echten Offenbarung geworden. Göran hatte ihnen unmissverständlich mitgeteilt, dass er ihren Plan für völlig absurd hielt und für komplett herzlos. Im Dorf galt er als besonders zurückhaltend und eigenbrötlerisch. Er war offensichtlich gerne allein, werkelte den ganzen Tag in seiner Autowerkstatt an Fahrrädern, Kaffeemaschinen, Radios, Computern und ab und an einem Auto. Zwar hatte praktisch jeder auf der Insel eines, doch da man aufs Festland nur mit Herkes klappriger Fähre kam, blieben die Autos meist ungenutzt neben den Häusern stehen. Natürlich wünsche sich deshalb auch er, dass ihre Gemeinde den Wettbewerb in drei Wochen gewinnen wird, hatte er eingeräumt, doch alles habe seine Grenzen.

Ich habe Carlsson hergebracht, damit du ihn hier auf dem Friedhof beerdigst. Wenn er in seinem Haus liegenbleibt, wird das bloß eine Sauerei.

Was ihr hier vorhabt, das wird eine Sauerei, das sage ich euch, Axel!, schoss es aus Melker heraus.

Ein Toter gehört unter die Erde, wenn sich die Hinterbliebenen von ihm verabschiedet haben und damit basta.

Darin sah der Bürgermeister eine neue Chance für ein Argument zugunsten seiner Idee.

Hör mal, Melker. Was denkst du denn von uns?, begann er mit einer Stimme, die sich zum Vorlesen von Gute-Nacht-Geschichten-für-Kinder eignete. Beflissentlich ignorierte er das Stirnrunzeln des Pfarrers.

Carlsson war einer von uns. Und wir sind doch alle hier, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Melker unterbrach seinen Versuch.

Glaubst du etwa, du findest seinen Mörder ohne eine pathologische Untersuchung?

Der Bürgermeister fühlte seine Felle davon schwimmen. In diesem konkreten Fall sah er die langersehnte Autobrücke zum Festland vor seinem inneren Auge zerbersten und ins Meer stürzen. Anders sprang für ihn ein.

Melker, das kann ich wirklich nicht leisten. Damit habe ich überhaupt keine Erfahrung. Lass uns ihn doch einfach heute beerdigen. Dann erhält er seine Totenruhe. Das ist doch wichtig. In der Religion und so, oder? Außerdem hat Carlsson doch gar keine Verwandten mehr.

Wir alle, Anders, wir alle sind seine Verwandten. Er war bei allen beliebt. Glaubst du, dich würde hier noch irgendeiner ernst nehmen, wenn herauskäme, dass du so etwas veranlasst hast, Axel? Und den Pathologen holen wir vom Festland.

Axels Mundwinkel zuckten und seine Augen wurden schmale Schlitze. Das konnte er einfach nicht zulassen.

Du willst also allen Ernstes den Plan der Gemeinde sabotieren? Willst du das? Glaubst du, wenn ein Pathologe aus der Stadt in unserer Gemeinde einen Mord untersucht, bleibt das der JURY verborgen? Die werden erst gar nicht anreisen um zu prüfen, ob wir „Schwedens Schönstes Dorf“ sind. Und dann bekommen wir keine Finanzierung vom Staat für die Autobrücke, die sich hier alle wünschen. Und ich meine alle! Glaubst du, dass noch irgendeiner deine Kirche betritt, wenn herauskäme, dass du unseren Sieg verhindert hast?

Melker fühlte sich jetzt nicht mehr ganz so sicher. Lars, der wegen der Sache mit dem Chor jedes Mal ein schlechtes Gewissen bekam, wenn er Melkers Kirche betrat, ergriff das Wort.

Nun lass es doch mal gut sein, Axel. Es hat sicher nicht an ihm gelegen, dass wir damals vor drei Jahren nur den fünften Platz belegt haben.

Die Skrönaer beteiligten sich in diesem Jahr das zweite Mal am landesweiten Wettbewerb „Schwedens Schönstes Dorf“. Sie waren keine eingebildeten oder besonders stolzen Menschen, sondern recht bodenständig, zufrieden mit dem, was sie hatten und im Grunde sehr liebenswert. Die Entscheidung des Bürgermeisters, sich an diesem traditionsreichen Wettbewerb zu beteiligen, wurde damals von allen begrüßt. Man bewarb sich, indem man ein Projekt präsentierte, das dem Gemeinwohl diente und das man mit der Siegerprämie realisieren wollte. Die Skrönaer lieben ihre Heimat, ohne Frage, doch oft erwies es sich als hinderlich, dass es keine Autobrücke gab, die sie mit dem Festland verband. Die Kinder gehen auf die Schule in der Stadt und die meisten haben dort ihre Arbeit. Während viele der Schweden sich nach einer anstrengenden Woche in der Stadt in ihren weltabgeschiedenen Wochenendhäuschen erholten, wünschten sich die Bewohner der Schäreninsel etwas mehr Flexibilität und logistische Weltoffenheit. Vor drei Jahren war DIE JURY schon einmal hier gewesen und hatte besonders lobende Worte für die hölzerne Stabkirche gehabt, die heute eine Rarität in Schweden ist, nachdem fast alle während der Pestepidemie im 17. Jahrhundert verbrannt worden sind. Die Kirche hatte mit der Zeit dem Wetter immer weniger Widerstand geleistet und war in eine leichte Schieflage geraten. Axel hatte Melker immer mal wieder unter die Nase gerieben, dass sie eben nicht schief genug war für den Titelgewinn. In Italien war so ein schiefer Turm immerhin zum Wahrzeichen einer ganzen Stadt geworden und zog jedes Jahr Heerscharen von Touristen an. Jeder wusste, dass Lars genau darauf ansprach.

Wir hätten uns einfach alle mehr anstrengen müssen.

Für einen Moment kehrte die Stille ein, die Melker in seiner Kirche selbst sonntags gewöhnt war. Und da lenkte er plötzlich ein. Sein Mund kräuselte sich, als würde er noch überlegen und sein Blick schweifte skeptisch über die versammelten Anwesenden. Genau auf diese Weise würde er nicht derjenige sein, an dem es lag, falls sie den Wettbewerb „Schwedens Schönstes Dorf“ erneut nicht gewannen und er würde endlich für mehr Besucher in seiner Kirche sorgen können.

Gut Axel, lass es uns so machen. Passt auf. Wir lassen für die nächsten Wochen Gras über die Sache wachsen, aber wenn DIE JURY wieder fort ist, holen wir den Pathologen. Und bis dahin bahren wir Carlsson in der Kirche auf. Dann hat jeder Gelegenheit, sich von ihm zu verabschieden.

Du willst ihn drei Wochen lang hier auf einen Tisch in der Kirche legen?, fragte Göran ungläubig.

Soweit hatte Melker in diesem Moment gar nicht gedacht. Sondern daran, dass sich die Kirchenbänke füllen würden, wenn die Leute dem guten Carlsson die letzte Ehre erwiesen. Oder manche nur neugierig waren, einen echten Toten zu SEHEN. Und wenn sie einmal hier wären, dann würde er sie nicht einfach wieder gehen lassen. Das war fürs Erste seine Idee. Selbst Anders verzog angewidert das Gesicht bei der Vorstellung, dass ein Leichnam hier über Wochen offen verweste. Lars warf Axel einen kurzen Blick zu. Der Plan drohte zu kippen und er hatte eine Idee, ihn zu retten.

Naja, ich weiß nicht, wir könnten uns ja eine große Eistruhe besorgen. So eine mit Glasdeckel wie im Supermarkt. Die Leute könnten ihn sehen und er wäre noch frisch, wenn dann der Pathologe kommt.

Und wo willst du so eine Truhe herbekommen?, fragte Melker, der Sache zustimmend.

Vergiss nicht, dass wir jetzt nicht mal mehr das Geld haben, die Pension fertigzustellen, die uns den Sieg sichern soll, gab Anders zu bedenken.

Na Gustaf. Der hat DOCH so eine Truhe. Für das Fleisch und das Eis, vollendete Göran den Vorschlag von Lars.

Alle...

Erscheint lt. Verlag 5.7.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-7534-7494-0 / 3753474940
ISBN-13 978-3-7534-7494-6 / 9783753474946
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