Ein Haus in Neubau erzählt -  Michael Jerabek

Ein Haus in Neubau erzählt (eBook)

Geschichten aus Wien und Umgebung
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2021 | 1. Auflage
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99129-104-6 (ISBN)
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Eine Familie lebt in der Zeit um 1912 mit Ihren 4 Kindern in einem alten Haus. Doch dieses Haus ist etwas Besonderes. Es kann zuhören, wenn Geschichten erzählt werden. Diese gibt es gerne an euch weiter. Sobald ihr die erste Seite des Buches öffnet, beginnt eine spannende Reise.

Michael Jerabek, geboren 1968 in Wien, arbeitete als Feinmechaniker, Jugendbetreuer, Hausverwalter und Restaurator. Das Schreiben begleitet ihn schon sein ganzes Leben lang. Dies ist seine erste Veröffentlichung.

März 1912


Es war Montag, als die Kinder um sechs Uhr Früh aus dem Bett geklopft wurden. Der Vater ging zur Türe und öffnete sie. Draußen stand ein kleinerer Mann mit einem an den Enden säuberlich aufgedrehten Schnurrbart. Er stellte sich als Baumeister Stamperl vor und kündigte den Beginn der Bauarbeiten mit heutigem Tage an. Sofort waren alle vier Kinder aus den Betten und sausten die Treppe hinunter.

„Na, das sind aber entzückende Kinder“, meinte Herr Stamperl.

„Nett sind sie sicherlich, aber alle noch sehr zerzaust mit dem Kissenabdruck im Gesicht. Sicher haben sie noch nicht mal Zähne geputzt, oder?“, schaute sich der Vater fragend in der Kinderrunde um.

Sofort liefen sie ins Bad, um sich zu waschen und so schnell wie möglich wieder bei dem Besuch zu sein. Dieser wurde vom Vater zu einem Kaffee eingeladen.

„Wie lange wird die Bauphase denn dauern?“, wollte der Vater wissen, um auch seine Kunden, die in die Fleischerei kamen, informieren zu können. „Ich muss meinen Kunden auch sagen, wie sie, ohne schmutzig zu werden, in mein Geschäft kommen können.“

„Da brauchen Sie keine Angst zu haben, Herr Wimmer“, entgegnete der Baumeister. „Wir werden unsere Arbeiter anhalten, besonders vorsichtig mit der Umgebung umzugehen, damit den Bewohnern und Besuchern kein Schaden zugefügt wird. Sollte es doch einmal zu größerem Lärm oder einer größeren Schmutzentwicklung kommen, lassen Sie bitte nach mir schicken.“

Früher hatten nicht alle Leute ein Telefon zu Hause. Dieses konnten sich nur reichere Leute leisten. Es gab aber das Postamt. Man musste nach den Leuten schicken, sie durch Boten bzw. per Post verständigen oder persönlich vorbeischauen, um sein Anliegen mitzuteilen oder etwas auszurichten.

„Um auf die Frage zurückzukommen, wie lange gebaut wird: Die Bauarbeiten werden sicherlich zwei Jahre dauern. Ich möchte Ihnen und natürlich auch Ihren Kunden jedoch versichern, dass nach dem Aushub des Kellers sicher keine große Verunreinigung oder Lärmbelästigung auf Sie zukommen werden. Weiters werden meine Arbeiter bei Ihnen ihre Jause einkaufen, da wir von vielen zufriedenen Kunden von Ihrer ausgezeichneten Qualität der Fleischprodukte gehört haben“, sprach der Baumeister weiter.

„Das freut mich aber besonders, dass Ihnen schon mein Bemühen um den besten Preis und die beste Qualität zu Ohren gekommen ist. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit und werde Ihre Leute gerne bedienen. Dass gebaut wird, hat meine Kinder zuerst sehr verschreckt, da die Spielwiese jetzt verschwindet. Jedoch freuen sie sich jetzt schon auf neue Nachbarn“, gab der Vater Herrn Stamperl zu verstehen.

„Nun, ich muss gehen, um den Arbeitern den Bauanfang zu erklären. Ich bedanke mich sehr bei Ihnen für den Kaffee. Lassen Sie mir Ihre Familie lieb grüßen. Wenn ich wieder einmal hier bin, können Ihre Kinder gerne zu mir auf die Baustelle kommen. Ich erkläre ihnen, wie ein Haus aus Ziegeln gebaut wird.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich werde es ausrichten. Sie werden sicher begeistert sein. Ich werde ihnen aber auch sagen, dass sie nicht ohne Ihr Beisein auf der Baustelle herumlaufen dürfen. Das ist viel zu gefährlich“, rief der Vater dem Baumeister nach.

Hanni war die Erste, die noch mit Zahnpastaschaum um den Mund die Treppe herunterpolterte.

„Ist er schon weg?“, fragte sie.

„Ja, Herr Stamperl muss zu seinen Arbeitern, damit diese beginnen können. Aber sei nicht traurig. Wenn er wiederkommt, dürft ihr mit ihm in sein Baubüro. Dort erklärt er euch, wie ein Haus entsteht. Was sagst du dazu?“, meinte der Vater lächelnd zu seiner Kleinsten.

„Juhuuu“, rief Hanni „ich hoffe, dass er bald wie- derkommt.“

„Wer kommt bald wieder?“, fragte Karl, der durch die Türe schaute.

„Der Herr Baumeister. Und er wird uns erklären, wie ein Haus entsteht. Was sagst du dazu?“, antwortete Hanni.

„Das würde mich sehr freuen. Ich will ja auch Baumeister werden“, sagte Karl schmunzelnd.

„Was willst du denn nicht noch alles werden, Karl? Vorgestern wolltest du Gärtner werden und vor zwei Wochen noch Pfarrer“, sagte der Vater, während er Karl an sich drückte.

„Ja, und vor einem Monat noch wollte er Forscher in einem fernen Land werden“, entgegnete Sisi, die sich mit Harry jetzt zum Frühstückstisch setzte.

„Und was ist mit dem Wunsch, Schiffsbauer in einer Werft zu werden, geworden?“, fügte die Mutter hinzu.

Karl kratzte sich am Kopf und erwiderte:

„Ihr habt ja recht, aber diesmal bleibe ich dabei. Ich will Baumeister werden. Schluss und Punkt!“

„Jetzt lassen wir uns das Frühstück schmecken“, sagte der Vater, denn Harry, Karl und Sisi mussten bald in die Schule.

„Wann darf ich denn endlich in die Schule gehen?“, schmatzte Hanni mit vollem Mund.

„Wir schlucken zuerst hinunter, dann reden wir“, gab der Vater von sich und sah Hanni mürrisch an.

Die anderen grinsten.

„Jaaaa“, sagte Hanni, noch immer mit vollem Mund.

Nachdem Harry, Karl und Sisi sich für die Schule fertig gemacht, ihre Jausenbrote, die die Mutter zubereitet hatte, verstaut hatten, verließen sie das Haus und es wurde ruhig. Der Vater ging in sein Geschäft und die Mutter hatte noch in der Küche zu tun. Sie bereitete das Mittagessen vor. Köstlichkeiten vom Markt, den die Mutter schon vor dem Frühstück besucht hatte, lagen noch im Korb. Da gab es Gemüse, frische Teigwaren und Brot. Und alles duftete so herrlich frisch, dass Hanni von dem Geruch aus ihrem Zimmer gelockt wurde. Sie hatte gerade das Tretauto von Karl geputzt, da ihr dieser versprochen hatte, wenn sie dies tue, werde er ihr heute einen Schlecker von der Zuckerecke mitnehmen. Darauf freute sich Hanni ganz besonders. Diese Schlecker waren wirklich eine Köstlichkeit. Eine große rote Zuckerkugel, die nach frischen Kirschen schmeckte, und die Holzstangerl hob sie immer auf. Dafür hatte sie eine eigene Geheimdose. Diese hatte sie unter ihrem Bett an einer Schnur und einem Haken aufgehängt. Wenn man also unters Bett schaute oder zusammenkehrte, baumelte sie schön versteckt im Bettkasten und keiner konnte sie sehen. Darin hob sie alle Sachen auf, die ihr wichtig waren. Wie ihre Zeichenstifte, die sich immer ihre große Schwester unter den Nagel reißen wollte. Ihre Glaskugeln mit den schönsten Mustern, durch die sie immer durchsah, wenn sie traurig war und in eine andere Welt tauchen wollte. Und natürlich die Stäbchen, abgebunden zu fünf Stück. Sie wurden mit einer roten Schleife zusammengehalten, die sie von ihrer Oma, der Mutter ihrer Mutter, zu ihrem fünften Geburtstag bekommen hatte. Das alles waren für sie kleine Schätze.

Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, bei den Marktköstlichkeiten der Mutter. Hanni schaute also in die Küche und fragte, was die Mutter heute mit diesen so frisch duftenden Sachen vorhabe. Die Mutter setzte Hanni auf die Bank und sagte zu ihr:

„Heute werden wir eine Quiche zubereiten.“ „Eine Kirsche!“, rief Hanni.

„Nein, nein, Hanni, keine Kirsche. Kirschen gibt es jetzt bei uns noch gar nicht. Eine Quiche ist ein französisches Gericht.“

„Müssen wir dafür heute einen Franzosen einladen?“, fragte Hanni.

Ihre Mutter antwortete lachend:

„Aber Hanni, du und deine lebhafte Phantasie. Natürlich können wir einen Franzosen einladen. Ich meinte aber, dass das Gericht aus Frankreich kommt. Das ist damit vergleichbar, wenn wir nach Italien fahren und dort in einem Kaffeehaus eine Sacher-Torte essen. Das ist die berühmte österreichische Torte, die bei uns im Hotel Sacher im ersten Bezirk erfunden wurde.“

„Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, was eine Quiche ist“, rief Hanni.

„Heute willst du es aber ganz genau wissen. Es ist auch eine Art Torte, jedoch mit Lauch, anderem Gemüse, Käse und mit verschiedenen Kräutern gewürzt, aber nicht süß, so wie du eine Torte kennst. Sie wird in einer sehr flachen Form gebacken und sieht dadurch wie eine Torte aus. Ich bin sicher, dass sie dir schmecken wird.“

„Als ich dir jetzt zugehört habe, Mutti, ist mir schon das Wasser im Mund zusammengelaufen“, grinste Hanni.

„Ich habe es dir angesehen, meine Liebe. Aber noch musst du etwas warten. Ich muss noch einige Sachen vorbereiten und dabei kannst du mir gerne helfen. Ich kann dir in der Zwischenzeit auch eine Geschichte über den Naschmarkt erzählen.“

Auf der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_ Naschmarkt könnt ihr euch auch ein Bild über den Naschmarkt machen.

„Oh, ja!“, jauchzte Hanni und begann sofort, das Gemüse zu waschen.

Ihr müsst euch vorstellen, dass um 1900 viele Leute fließendes Wasser nur außerhalb ihrer Wohnung hatten, sowie auch die Toiletten. Im Winter war es dort besonders kalt, denn es gab keine Heizung. Unsere liebe Familie Wimmer hatte das Glück, in mir zu wohnen, einem Haus, wo alles schon in der Wohnung eingebaut war, so wie es wahrscheinlich auch bei dir sein wird. Sie mussten also nicht aus der Wohnung gehen, wenn sie auf die Toilette mussten oder Wasser benötigten.

Hanni schwenkte das Gemüse im Wasser hin und her, bis es sauber war. Anschließend trocknete sie es mit einem Tuch ab und legte es auf den Tisch. Dann sah sie ihre Mutter fragend an:

„Warum heißt der Naschmarkt eigentlich Naschmarkt? Gibt es dort etwas zu naschen?“

„Ja, zum Naschen wird einiges verkauft. Es gibt dort aber auch viel Obst und Gemüse, getrocknete Früchte und auch Fleisch von Hühnern, Gänsen und Schweinen. Es stehen viele Verkaufsstände am Naschmarkt, wo Verkäufer ihre Waren anbieten. Der Naschmarkt hat aber nicht...

Erscheint lt. Verlag 16.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
ISBN-10 3-99129-104-5 / 3991291045
ISBN-13 978-3-99129-104-6 / 9783991291046
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