Der Samurai und der Fuchs -  Julia Kathrin Knoll

Der Samurai und der Fuchs (eBook)

Historischer Roman - Teil 1
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
423 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-1281-0 (ISBN)
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"Darfst du ein Leben nehmen, um ein anderes zu retten?" Japan Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Ära der Samurai steht kurz vor dem Untergang. Getrieben von den Dämonen seiner eigenen Vergangenheit begibt sich der junge Okita Soji in die Kaiserstadt Kyoto, um dort Teil einer der berüchtigtsten Samurai-Truppen der Geschichte zu werden: der Shinsengumi. Schon bald gerät er in einen bedrohlichen Strudel aus Machtkämpfen und politischen Intrigen, der alles infrage stellt, woran er bisher geglaubt hat. Doch es sind seine eigenen Gefühle, die ihn endgültig in einen tiefen Gewissenskonflikt stürzen. Denn seine verbotene Liebe zur geheimnisvollen Amerikanerin Claire Hemsworth bringt nicht nur ihn selbst in tödliche Gefahr, sondern auch all seine Freunde ... "Der Samurai und der Fuchs" erzählt die bewegende Lebensgeschichte des historischen Schwertkämpfers Okita Soji, der in einer unbarmherzigen Welt voller tödlicher Gesetze verzweifelt darum ringt, seine eigene Menschlichkeit zu bewahren. Genre: Historisch, Drama, Romantik

Julia Kathrin Knoll stammt aus München und hat in Regensburg Germanistik, Italianistik und Pädagogik studiert. Heute arbeitet sie in der Erwachsenenbildung. Sie schreibt hauptsächlich in den Genres Romantik, Fantasy und Historischer Roman.

Kapitel 1


Edo, Februar 1853


Die Küsse seiner nächtlichen Geliebten brannten noch auf Hijikata Toshizōs Lippen, während ihr Name bereits seinem Gedächtnis entwich wie die Nebelschwaden über den Hügeln von Tama, wenn die ersten Strahlen der frühen Morgensonne sie zärtlich berührten.

Obwohl ihm die Müdigkeit der durchwachten Nacht tief in den Knochen steckte und seine Muskeln beschwerte, schritt er schnell voran, hielt das Gesicht dem kühlen Wind entgegen, genoss den Geruch nach Tau, feuchtem Straßenstaub und Regen, der schwer in der Luft hing und seine Sinne allmählich belebte.

Im Grunde war er nächtlicher Abenteuer wie diesem längst überdrüssig. Genauso überdrüssig wie seiner Arbeit als wandernder Arzneihändler oder des Daseins als Farmer. Was er suchte, war nicht in den Armen einer Frau zu finden, war vielleicht nirgendwo zu finden, und so ließ sich Hijikata vom Wind treiben wie die verwehten Kirschblüten im Frühjahr, lebte in den Tag hinein, in die Nacht hinein.
Der einzige feste Punkt in seinem Dasein, sein Leuchtfeuer in der Dunkelheit, war das Dōjō, das sein bester Freund Kat-chan einst erben würde.

Das Shieikan lag ein Stück weit nordwestlich der Burg von Edo, in Ichigaya, und war keine der großen, berühmten Schwertkampfschulen Edos. Die meisten seiner Schüler entstammten einfachen Bauernfamilien aus dem Hügelland von Tama, genau wie Hijikata und der Freund selbst. Schon immer waren die Bauern von Tama ein besonderes Volk gewesen, dem Shōgun loyal ergeben und an Tapferkeit und Mut so manchem Samurai ebenbürtig. Viele von ihnen ließen ihre Söhne in der Schwertkunst unterrichten und sie waren stolz darauf, ihre Dörfer und ihr Zuhause selbst verteidigen zu können.

So zog Kondō Shūsai, der Meister des Shieikan-Dōjōs, von Dorf zu Dorf und unterrichtete die Kinder reicher Bauern im Fechten. Auch in Kat-chans und Hijikatas Heimatdörfern hatte er Stunden gegeben, und auf diese Weise hatten sie beide den Meister – und später auch einander – kennengelernt.

Von Kat-chans Fähigkeiten und seinem Charakter war der Meister sofort tief beeindruckt gewesen. Und dann, vor einigen Jahren, war Kat-chans Haus von einer finsteren Diebesbande überfallen worden. Kat-chan, damals erst fünfzehn Jahre alt, hatte das Gesindel gemeinsam mit seinen Brüdern in die Flucht geschlagen und sich dabei derart heldenhaft hervorgetan, dass sich die Geschichte in der ganzen Gegend so rasch verbreitete wie eine Feuersbrunst an trockenen Sommertagen. Auch dem Meister kam sie zu Ohren, und so geschah, was sich Jungen von Kat-chans Stand bisher nur in ihren kühnsten Träumen hätten ausmalen können: Der alternde Samurai, der selbst keinen Sohn hatte, adoptierte Kat-chan und machte ihn zum Erben seines Dōjōs. Aus Miyagawa Katsugorō, genannt Kat-chan, wurde Kondō Isami, künftiges Oberhaupt der Tennen Rishin-ryū Schwertschule und Meister des dazugehörigen Shieikan-Dōjōs.

Knapp vier Jahre war dies nun schon her.

Für Kat-chan war damals ein Traum in Erfüllung gegangen, der auch tief in Hijikatas Herzen brannte, für ihn jedoch so unerreichbar war wie der kalte, bleiche Mond, der in der langsam aufkeimenden Dämmerung allmählich verblasste.

Kat-chan war nur ein Jahr älter als er selbst und hatte bereits so viel mehr erreicht. Und dennoch liebte Hijikata den Freund zu sehr, um Eifersucht oder gar Neid zu empfinden.

Kat-chan – er sollte sich angewöhnen, ihn Kondō oder wenigstens Isami zu nennen – war der klügste, feinsinnigste und warmherzigste Mann, den Hijikata kannte, und er war sicher, irgendwann würde einer der größten und edelsten Samurai aus ihm werden, die dieses Land je gesehen hatte. Und wenn er, Hijikata Toshizō, Sohn eines Bauern aus Tama, in diesem Moment an der Seite seines Freundes stehen durfte, so wäre es für ihn das höchste Glück, das er sich je erträumen konnte.

Von solch hochtrabenden Gedanken erfüllt, erreichte er das Dōjō, und ein Lächeln schlich sich über seine Züge, als die vertrauten Konturen des Gebäudes vor ihm in der Morgendämmerung aufragten.

Es war kein besonders nobles Anwesen. Das Tor war schlicht und schmucklos, auf dem Dach des Haupthauses saßen einige Schindeln locker, und das Reispapier der Wände war an unzähligen Stellen geflickt und aus Kostengründen nicht erneuert worden.

Und doch … In Hijikata Toshizōs Augen war dieser Ort so vollkommen, als wäre er der Palast des Shōguns, und während er durch das Tor schritt und den Hof überquerte, fühlte es sich an, als betrete er eine fremde Welt und ließe all die Sorgen und Unzulänglichkeiten seines täglichen Lebens einfach draußen zurück.

Das Gefühl löste sich allerdings in Rauch auf, als sein Blick auf den Jungen fiel, der gerade dabei war, vor der Veranda des Wohnhauses einen Korb Wäsche aufzuhängen. Okita Sōjirō!

Hijikata seufzte innerlich. Die kleine Kröte hatte ihm gerade noch gefehlt! Im Gegensatz zu Kondō und Hijikata entstammte Sōjirō einer Samurai-Familie. Wie Kondō und Hijikata hatte er seine Eltern früh verloren. Bis vor kurzem hatte er daher bei seiner älteren Schwester Mitsu und deren Ehemann gelebt, doch Mitsu war nun selbst schwanger und konnte – oder wollte – sich nicht mehr um den Kleinen kümmern. Einer der Schüler hier im Shieikan war ein entfernter Verwandter ihres Mannes, und so hatte sich Kondō Shūsai dazu bereiterklärt, den neunjährigen Waisenjungen in seinem Haus aufzunehmen.

Angeblich war er einer der talentiertesten Schüler des Shieikan, Hijikata jedoch hatte ihn noch nie ein Schwert schwingen, geschweige denn an Kondōs Unterricht teilnehmen sehen. Alles, was der Junge tat, war Tee servieren, den Boden wischen und Wäsche waschen.

Hijikata schüttelte sich vor Verachtung. Kondō hatte einen Narren an dem Kleinen gefressen und verhätschelte ihn wie ein Mädchen seine Lieblingspuppe, Hijikata jedoch sträubten sich die Nackenhaare, wenn er den Jungen nur ansah. Er wusste noch nicht einmal genau, woran es lag, doch der Kleine hatte etwas an sich, das Hijikata schaudern ließ.

Vielleicht war es die Tatsache, dass er niemals lachte, niemals weinte und kaum je ein Wort von sich gab. Das schmale Gesicht des Jungen war leer wie das einer Statue, die großen, pechschwarzen Augen so unergründlich wie der Ozean. Viel zu tief und viel zu dunkel für die Augen eines Kindes.

»Hey, du kleiner Putzteufel!«, rief Hijikata übellaunig und noch während er die Worte aussprach, fühlte er, wie erbärmlich es war, ein Kind zu beleidigen, das neun Jahre jünger war als er selbst und offenbar kaum in der Lage, sich zu wehren.

Immerhin schien er mit der Beleidigung ins Schwarze zu treffen, denn der Kleine zuckte heftig zusammen und blickte von seiner Arbeit auf. Kein Muskel rührte sich in dem maskenhaften Gesicht, in den Augen jedoch blitzte einen Herzschlag lang ein Funke auf, Abglanz einer lodernden Glut, die sofort wieder hinter einem Ausdruck dunkler Leere verschwand.

Über Hijikatas Gesicht glitt ein Lächeln. Wenigstens war es ihm gelungen, den Hauch einer Reaktion in Sōjirō hervorzurufen. Der Junge war also nicht so kaltblütig, wie er tat, und beinahe erleichterte dies Hijikata.

»Toshi!«

Abrupt drehte Hijikata sich um, als er Kondōs vertraute Stimme hinter sich hörte. Der Freund begrüßte ihn mit einem herzlichen Lächeln, und sofort vergaß Hijikata den Jungen, der sich mittlerweile wieder seiner Arbeit widmete, und das mit einer Hingabe und Konzentration, als gelte es, ein Kunstwerk zu vollenden.

»Du solltest Sōjirō-chan nicht immer so ärgern«, bemerkte Kondō sanft, während sie sich gemeinsam ein paar Schritte entfernten. »Er hatte es schwer. Seine Familie ist so arm, dass sie ihn kaum ernähren konnte. Seine Schwester kann nicht mehr für ihn sorgen. Er hat niemanden außer mich. Und für mich ist er wie der kleine Bruder, den ich mir immer gewünscht habe.« Ein sonderbar weicher Ausdruck glitt über Kondōs Gesicht. »Und du, Toshi, du bist mein bester Freund. Es schmerzt mich zu sehen, dass zwei Menschen, die mir so viel bedeuten, einander nicht leiden können. Bitte versuche, freundlicher zu ihm zu sein.«

Der sanfte Tadel in diesen Worten gab Hijikata einen Stich, machte ihm noch deutlicher bewusst, wie albern er sich benahm.

»Verzeih mir«, entgegnete er aufrichtig und senkte ein wenig den Kopf dabei. »Es ist nur … Der Junge hat etwas an sich, das …« Er ließ die Worte in der Luft schweben und zu Boden fallen. »Ist er nicht das Kind eines Samurai?«, fragte er stattdessen. »Warum benimmt er sich dann nicht so? Warum tut er nichts außer putzen und waschen, als wäre er ein Dienstbote?«

Ein bekümmerter Ausdruck verfinsterte Kondōs Gesicht. »Weil er genau das ist«, entgegnete er traurig. »Seine Familie kann das Schulgeld nicht bezahlen. Mein Vater hat ihn aus Gutmütigkeit in seinem Haus aufgenommen, aber Mutter ist der Meinung, er müsse, wenn er hier umsonst wohnen und essen will, wenigstens dafür arbeiten. Also lässt sie ihn arbeiten, hart arbeiten.« Voll Mitgefühl und Schuldbewusstsein senkte er den Blick.

»Warum trainierst du ihn nicht in der Schwertkunst?«, fragte Hijikata, denn er hatte Sōjirō noch nie mit den anderen Schülern in der Halle gesehen. »Sollte ein Samurai-Kind nicht fechten lernen, wenn es schon in einem Dōjō wohnt?«

Ein mildes Lächeln glitt über Kondōs Lippen. »Oh, er trainiert durchaus. Nur eben nicht mit den anderen. Aber ich weiß, er sieht genau zu, wenn ich unterrichte. Nachts, wenn er glaubt, niemand würde es bemerken, schleicht er sich dann heimlich ins Dōjō und übt für sich allein. Und durch die harte Arbeit ist er schon viel kräftiger geworden...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
ISBN-10 3-7543-1281-2 / 3754312812
ISBN-13 978-3-7543-1281-0 / 9783754312810
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