Julia Durant. Die junge Jägerin (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
496 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45823-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Julia Durant. Die junge Jägerin -  Andreas Franz,  Daniel Holbe
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Der 21. Band in der Bestseller-Serie von Andreas Franz und Daniel Holbe um die Kommissarin Julia Durant und ihr allererster Fall - in München München, Anfang der 90er Jahre. Eine tote Frau wird gefunden - eine Prostituierte, wie es zunächst scheint. Doch eine genauere Untersuchung hält eine Überraschung für die ermittelnden Beamten bereit.  Zudem handelt es sich bei dem Opfer um eine bekannte Persönlichkeit der Stadt. Eine heikle Situation für die Mordkommission, denn in den Fall ist offenbar jede Menge lokale Prominenz verwickelt. Hatte man die Ermittlung zuerst auf Julia Durant abgewälzt, die Neue in einer von Männern beherrschten Abteilung, möchte man ihr den Fall nun wieder wegnehmen. Doch das lässt sie sich nicht gefallen, denn sie hat Blut geleckt. Als eine zweite Leiche auftaucht und sich in der Szene Angst ausbreitet, wird nicht nur der Polizei klar: Es geht ein Serienmörder um in der Stadt. Und er wird wieder und wieder zuschlagen. Wie war das eigentlich damals, als Julia Durants Karriere begann? In diesem spannenden Krimi lernt der Leser die Kommissarin in ihren Anfängen in München kennen: schon damals hartnäckig, klug und voller origineller Ermittlungsideen. Ein Muss für alle, die die Kommissarin Julia Durant lieben!

Andreas Franz' große Leidenschaft war von jeher das Schreiben. Bereits mit seinem ersten Erfolgsroman JUNG, BLOND, TOT gelang es ihm, unzählige Krimileser in seinen Bann zu ziehen. Seitdem folgte Bestseller auf Bestseller, die ihn zu Deutschlands erfolgreichstem Krimiautor machten. Seinen ausgezeichneten Kontakten zu Polizei und anderen Dienststellen ist die große Authentizität seiner Kriminalromane zu verdanken. Andreas Franz starb im März 2011.

Andreas Franz' große Leidenschaft war von jeher das Schreiben. Bereits mit seinem ersten Erfolgsroman JUNG, BLOND, TOT gelang es ihm, unzählige Krimileser in seinen Bann zu ziehen. Seitdem folgte Bestseller auf Bestseller, die ihn zu Deutschlands erfolgreichstem Krimiautor machten. Seinen ausgezeichneten Kontakten zu Polizei und anderen Dienststellen ist die große Authentizität seiner Kriminalromane zu verdanken. Andreas Franz starb im März 2011. Daniel Holbe, Jahrgang 1976, lebt mit seiner Familie im oberhessischen Vogelsbergkreis. Insbesondere Krimis rund um Frankfurt und Hessen faszinierten den lesebegeisterten Daniel Holbe schon seit geraumer Zeit. So wurde er Andreas-Franz-Fan – und schließlich selbst Autor. Als er einen Krimi bei Droemer-Knaur anbot, war Daniel Holbe überrascht von der Reaktion des Verlags: Ob er sich auch vorstellen könne, ein Projekt von Andreas Franz zu übernehmen? Daraus entstand die Todesmelodie, die zum Bestseller wurde. 

November 1990


Julia Durant besuchte den Friedhof zweimal pro Monat. Höchstens. Auch wenn ihre Zeit es vielleicht erlaubt hätte, öfter zu kommen, sie konnte es nur schwer ertragen. Wie jedes Mal stellte sie eine frische Grabkerze in das bronzefarbene Gehäuse, das zwischen den Pflanzen auf einer Marmorplatte stand. Um frische Blumen kümmerte sich jemand anderes, und das war ihr sehr recht. Das Feuerzeug brauchte im auffrischenden Wind einige Anläufe, und sie musste die Kerze mit der Hand abschirmen, damit sie nicht ausgeblasen wurde. Endlich flackerte warmes Licht auf. Ein Funken Hoffnung in der einsetzenden Dämmerung. Ein bisschen Wärme in dem durchdringenden Novemberregen, der sich wohl schon bald in Schneeflocken verwandeln würde.

Durant wäre gern noch ein paar Minuten geblieben, doch das Wasser durchdrang bereits ihre Jeansjacke. Sie zog den Kragen zum wiederholten Mal nach oben und folgte dem Schotterweg in Richtung Friedhofspforte. Der Wind peitschte ihr den Regen ins Gesicht. Die Tropfen trafen die Haut wie Nadelstiche, aber sie ertrug es. Wenigstens würde so niemand ihre Tränen sehen, denen sie nun ohne Hemmung ihren Lauf lassen konnte.

Vor zwei Jahren war es geschehen. Das Schicksal hatte mit all seiner Härte zugeschlagen und einer jungen Frau von Mitte zwanzig die Mutter genommen. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, was dabei am schlimmsten war. Die Tatsache, dass ihre Mutter mit ihrer verdammten Kettenraucherei dieses Schicksal förmlich heraufbeschworen hatte? Das kalte Grau, welches von ihrer Haut, ihren Augen und am Ende von ihrem ganzen Wesen Besitz ergriffen hatte wie ein Schatten, der ihr das Leben aussaugte? Oder waren es die Wut und Verzweiflung darüber, dass kein Gebet, keine Tränen und kein Flehen geholfen hatten? Julias Mutter war am Ende ihres Todeskampfes kläglich erstickt, und hätte man sie gelassen, sie hätte ihr letztes Röcheln mit einer Ladung Teer und Nikotin versehen. In Momenten wie diesen fühlte Julia sich schuldig, dass sie selbst diesem Laster verfallen war. Sie hasste es, manchmal verachtete sie sich sogar, aber meistens genoss sie es viel zu sehr. Und zum Aufhören war immerhin noch jede Menge Zeit.

Vor einer Woche war die Kommissarin siebenundzwanzig geworden. Wieder ein Jahr. Und wieder ein Geburtstag ohne Mama. Sie hatte ohne ihre Mutter Hochzeit gefeiert, und sie würde ohne sie Kinder bekommen. Enkel, einen Jungen und ein Mädchen, auch wenn man das vorher nicht festlegen konnte. Aber genauso hatte Mama es sich immer gewünscht.

Nein. Julia Durant würde sie niemals dafür hassen können, Lungenkrebs bekommen zu haben. Zu viele Menschen bekamen auch ohne Rauchen Krebs. Julia liebte ihre Mutter, und das würde für immer so bleiben.

 

Der Fahrersitz sowie die Türverkleidung des Renault waren durchnässt, sie hatte vergessen, nach ihrer letzten Zigarette den Schlitz des Wagenfensters zu schließen. Nun hatte es hineingeregnet. Einen stummen Fluch auf den Lippen, kurbelte sie das Fenster nach oben, rubbelte das Polster mit der Jeansjacke ab, ließ sich anschließend auf den Sitz sinken und startete den Motor. Während das Gebläse warme Luft in den Innenraum beförderte, entzündete sie sich eine Gauloise, schloss die Augen und inhalierte tief. Der Regen trommelte noch ans Fenster, deshalb öffnete sie nur einen kleinen Spalt, gerade so weit, dass sie die Spitze ihres Glimmstängels zum Aschen hinausstrecken konnte. Denn ihr Vater, ein allseits geschätzter Pastor, hatte es noch nie leiden können, wenn man in der Enge eines Fahrzeugs auch noch rauchte. Und da sie sich schon nicht an dieses Gebot hielt, hatte sie sich zumindest geschworen, den Aschenbecher niemals zu entweihen.

Ein dicker Tropfen traf die Glut, die mit einem wütenden Zischen erlosch. Sie murrte und ließ die kaum zur Hälfte gerauchte Zigarette fallen. Dann eben nicht. Es war beinahe, als habe der liebe Gott mit seinem Finger …

Julia Durant setzte den Blinker, warf einen Blick durch die beschlagene Heckscheibe und setzte den Renault in Bewegung. Der Verkehr war nicht dicht. Sie schaltete das Radio ein. Hörte einen Song von R.E.M. zu Ende, danach folgten Werbespots und anschließend die Nachrichten. Es schien, als befände sich die ganze Welt am Abgrund. Überall Hunger, überall Krieg, überall errangen aggressive Machthaber die Kontrolle und riefen zum Kampf gegen ihre Widersacher auf. Es gab Massenmorde und Gewaltexzesse. Die Leidtragenden waren wie immer Frauen und Kinder. Verfolgt. Vergewaltigt. Freiwild für Soldaten und Milizen, von denen manche einst Nachbarn oder gar Freunde gewesen waren. Ein Kloß formte sich in ihrem Hals, und sie wollte das Radio ausschalten, als die Lokalnachrichten etwas meldeten, was sie hellhörig werden ließ.

Wenige Minuten später erreichte Durant eine Tankstelle, wo sie zuerst den Renault volltankte und sich anschließend mit Zigaretten versorgte. Es war zwar ein Umweg gewesen, doch sie hatte es ohnehin nicht eilig, nach Hause zu kommen. Außerdem kaufte sie ein halb aufgeweichtes Salamibrötchen, das hier vermutlich schon den ganzen Tag in der Kühlvitrine gelegen hatte. Die Kassiererin schien den Blick der Kommissarin bemerkt zu haben und berechnete nur den halben Preis.

Es regnete noch immer, als Durant ihren Wagen in dieselbe Richtung zurücksteuerte, aus der sie gekommen war.

Vor einer Woche hatte sie ihren Geburtstag gefeiert. Viele hatten ihr gratuliert, aber die Person, von der sie es sich am meisten gewünscht hätte, war stumm geblieben. Wieder einmal. Denn sie war tot, und sie würde ihr nie wieder gratulieren können. Keine Umarmungen, keine tröstende Schulter, kein Anteil an ihrem Leben. Stattdessen ein einsames, kaltes Grab mit einem bescheuerten Licht, von dem man sich auch nichts kaufen konnte. Es erinnerte einen höchstens daran, wie dunkel es ringsum doch war. So wie der Lichtkegel einer grellen Taschenlampe, der die Umgebung in eine noch viel tiefere Schwärze taucht.

Sie drehte den Zündschlüssel, nachdem sie den Wagen in die Einfahrt manövriert hatte. Überprüfte beide Fenster, griff nach den Zigaretten und dem Brötchen, von dem sie zweimal abgebissen hatte. Stille umgab sie. Der Regen hatte etwas nachgelassen und trommelte nur noch leise auf das Autodach. Durant stieß die Tür auf, richtete sich auf und knallte die Tür mit dem Ellbogen wieder zu. Danach näherte sie sich der Haustür. Das Brötchen zwischen den Zähnen, um mit der freien Hand den richtigen Schlüssel aus ihrem Bund zu wählen. Der Bart hakelte, irgendwann musste mal ein neues Schloss her.

»Julia, bist du das?«

Eine Welle von malzigem Pfeifenaroma wogte ihr entgegen. Dazu ein beinahe himmlisches Licht und eine angenehme Wärme. Außerdem ein Essensgeruch, der das frühe Aus für ihr wabbeliges Brötchen bedeuten würde. Warum hatte sie es sich überhaupt gekauft?

Verdammt, Mädchen, mahnte sie sich. Du musst besser mit alldem klarkommen. Wie soll das denn noch werden, wenn …

»Julia?«

»Ja, ich bin’s. Wen hast du denn erwartet?«

Zuerst sah sie seinen Kopf, dann reckte er den halben Oberkörper in den Türrahmen. Er trug eine karierte Schürze und lächelte sie an: »Na ja, du hast keine Antwort gegeben. Aber du kommst genau im richtigen Augenblick.«

Nur dass ich nicht lange bleiben kann, dachte sie und spürte, wie das Gewissen an ihr nagte. Doch sie durfte dieses Abendessen nicht ausfallen lassen, auch nicht, wenn sie die Hälfte der Zeit an die Arbeit würde denken müssen. Deshalb gab Julia Durant sich besondere Mühe, ihrem Vater ein schönes Lächeln zu schenken und es nicht gequält aussehen zu lassen. Sie drückte die Haustür ins Schloss, warf ihre durchnässte Jacke über die nächstbeste Stuhllehne und betrat anschließend die Küche. Der Geruch hatte sie nicht getäuscht. Leberknödelsuppe.

»Hmm. Riecht verdammt lecker«, sagte sie und wollte den Koch gerade umarmen, als dieser sie rügte: »Du weißt, was ich von diesen Alltagsflüchen halte, nicht wahr?«

»Sorry, Paps.« Sie lächelte so entwaffnend, wie nur Töchter es gegenüber ihren Vätern fertigbekamen. »Ich korrigiere: Es riecht unheimlich lecker. Aber ich muss zuerst noch meine Dienststelle anrufen.«

»Du kommst doch gerade erst von dort!«

Julia Durant küsste ihren Vater auf die Wange und verschwand im Flur. Tippte die Nummer in das weinrote Tastentelefon, welches anders als die modernen Geräte im Büro noch nicht über eine Wahlwiederholungsfunktion verfügte. Besetzt. Sie legte auf, wartete ein paar Sekunden, dann versuchte sie es erneut. Immer noch.

Aus der Küche erklang die Stimme ihres Vaters: »Soll ich dir schon was auf den Teller geben?«

Ohne sich den aufsteigenden Frust anmerken zu lassen, wechselte Durant zurück an den Esstisch und drängte die Gedanken an die Arbeit vorerst ins Aus.

 

Während sie aßen und sich über Belanglosigkeiten unterhielten, kam die Rede kein einziges Mal auf den Friedhof. Er fragte nicht danach, sie erwähnte ihn nicht. So war die stille Absprache, die Vater und Tochter getroffen hatten: Wenn jemand der beiden etwas auf dem Herzen hatte, dann sollte er es sagen, wann immer er oder sie bereit dazu war. Nachbohren verboten. Und im Gegensatz zu ihren Jugendjahren, wo Julia Durant sich das ähnlich gewünscht hätte, klappte das mittlerweile ganz gut.

»Ich müsste nachher noch mal in die Stadt«, verkündete sie schließlich, die Hand an der Suppenkelle, um sich eine zweite Portion aus dem Topf zu schöpfen.

»Wie, du meinst dienstlich?«

»Ja. Da kam vorhin was im Radio. Es hat wieder Probleme auf dem Trucker-Parkplatz gegeben, du weißt schon, wo. Deshalb würde ich auch gerne deinen Wagen nehmen, wenn du nichts anderes damit...

Erscheint lt. Verlag 2.8.2021
Reihe/Serie Julia Durant ermittelt
Julia Durant ermittelt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
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ISBN-10 3-426-45823-3 / 3426458233
ISBN-13 978-3-426-45823-5 / 9783426458235
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