Dorian Hunter 74 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1100-5 (ISBN)
Völlige Dunkelheit. Kälte und doch Hitze. Hunger. Durst. Furcht. Und nur ein Gedanke: hinaus ins Licht! Don Chapman saß mit angezogenen Beinen da und starrte in die tintenschwarze Finsternis.
Bin ich blind?, fragte er sich zum wiederholten Male. Nein, wir sind in einer magischen Sphäre gefangen. Wie viele Dimensionen hat sie? Drei? Vier? Wie spät ist es? Ist es Tag? Oder Nacht? Wie sieht es draußen aus?
Er streckte die linke Hand aus und fühlte ihren weichen warmen Arm. Sie war da, war Wirklichkeit.
»Don«, sagte sie leise und mutlos.
»Dula ...«
Als der Dämonenkiller noch einmal in die Höhle zurückkehrt, entdeckt er dort eine handgroße Pyramide, die an der Unterseite mit einer Halbkugel verschmolzen ist. Offenbar handelt es sich um einen hermetischen Kreisel - und vielleicht um eine Möglichkeit, mit dem verschollenen Puppenmann Donald Chapman Kontakt aufzunehmen ...
2. Kapitel
Dorian flog mit einer etwas altersschwachen Caravelle der kretischen Luftverkehrsgesellschaft nach Athen, denn Direktverbindungen nach Frankfurt gab es nicht, jedenfalls nicht bei den Linienflügen. In der griechischen Hauptstadt hatte er fast drei Stunden Aufenthalt. Während er an der Snack-Bar einen brühheißen Kaffee schlürfte, studierte er den Flugplan und stellte fest, dass Hartmut Leiding aller Wahrscheinlichkeit nach schon vor ihm in Frankfurt eintraf – wenn er am Nachmittag fortkam. Dorian war sicher, dass der Deutsche darauf drängen würde; zu stark war der Einfluss der Hypnose. Er würde also nach Rom reisen, und von dort aus kam er ohne lange Pause mit der Alitalia weiter bis an sein Ziel.
Um sechzehn Uhr zehn betrat der Dämonenkiller den Innenraum der Lufthansa-Maschine, Flug-Nummer 357, planmäßiger Abflug 16 Uhr 25.
Er setzte sich auf den Mittelsitz einer Dreierreihe. Auf dem Fensterplatz saß ein Mann mit Hut. Der linke Platz blieb frei. Insgeheim studierte er die Züge seines Nebenmannes. Er hatte viele Falten im Gesicht und grau melierte Schläfen, war jedoch unschwer als Südländer einzustufen. Seine Miene war mürrisch. Dorian versuchte, mit ihm ins Gespräch zu kommen, auf Griechisch. Der Mann antwortete nur lakonisch und unwillig. Es ließ sich nicht einmal feststellen, ob er tatsächlich Grieche war. Kurz vor dem Abflug setzte sich ein Mann links neben Dorian. Ein dicker Mensch mit teigigem Gesicht. Im Gegensatz zu dem anderen redete er fast pausenlos. Dorian fand ihn jedoch nicht sonderlich sympathisch. Im Grunde war es ein ziemlich zusammenhangloses Gefasel, das der Kerl von sich gab.
Der Jet rollte auf die Piste hinaus. Die Triebwerke heulten auf, die Gäste wurden in die Sitzpolster gedrückt. Dorian blickte an dem Mürrischen vorbei durch das Fenster und sah die Dächer von Athen unter sich davongleiten. Er wartete, bis sie die richtige Flughöhe erreicht hatten, dann löste er den Sicherheitsgurt und setzte sich bequem zurecht. Ganz voll war die Boeing nicht. Ein Steward schob den üblichen Büfettwagen durch den Gang, während seine blonde Kollegin sich nach den Wünschen der Leute erkundigte.
»Dass ich nicht lache!«, sagte der Redselige links neben dem Dämonenkiller, bevor die Reihe an ihn kam. Er zerrte sein Handgepäck unter dem Sitz hervor, eine zerknautschte Tasche, holte eine kleine Flasche hervor und schwenkte sie strahlend. »Habe selbst vorgesorgt. Erstklassiger griechischer Rotwein! Wollen Sie auch einen Schluck?«
»Gern«, erwiderte Dorian.
Er ließ sich von der Stewardess einen Becher Kaffee geben. Wenn er den geleert hatte, konnte er ja Rotwein nachfüllen lassen, falls der Dicke dann immer noch darauf bestand. Der Mürrische lehnte das freundliche Angebot mit einer verneinenden Kopfbewegung ab; er schien keinen Durst zu haben. Ein in sich gekehrter Mensch, der, wie es zumindest den Anschein hatte, in Ruhe gelassen werden wollte. Dorian trank den Kaffee. Als er absetzte, bemerkte er, dass der Dicke darauf gewartet hatte.
»Wein?«
»Ich kann wirklich nicht nein sagen«, gab Dorian zurück.
Er streckte dem Mann den Becher hin und wartete darauf, dass dieser ihn voll schenkte. Inzwischen war er wirklich neugierig geworden auf die Qualität des Tropfens. Schließlich kannte er griechische Landweine und wusste, dass die es in sich hatten. Doch dann kam alles ganz anders als erwartet.
Das Gesicht des Dicken verzerrte sich von einer Sekunde auf die andere. Mit einem grimmigen Laut kippte er den Inhalt der Flasche über Dorians Anzug. Schwarz, nicht rot, war die Flüssigkeit. Und der Mürrische rechts neben ihm entwickelte plötzlich rege Aktivität. Auf einmal hatte auch er eine Flasche in der Hand und besprengte den Dämonenkiller mit deren Inhalt. Dorian wollte sich zur Wehr setzen, aber mit der Flüssigkeit ging eine Verwandlung vor: Sie wurde zäh und schleimig, dann steif. Über und über war er damit bedeckt. Binnen weniger Augenblicke lähmte ihn die nun teerartige Masse. Er konnte sich nicht mehr rühren. Den Rest verrieben sie mit Tüchern auf seinen Händen, seiner Brust, seinen Knien.
»Satan«, sagte der Dicke hämisch, »jetzt haben wir ihn!«
»Hunter, du Dreckskerl!« Der Mürrische schaute ihn mit tückisch glitzernden Augen an. »Sag uns, wo der hermetische Kreisel steckt! Spuck es aus! Wir müssen ihn haben, und wenn du dich weigerst, ihn herauszurücken, geht es dir schlecht.«
Daher also wehte der Wind! Dorian begriff. Diese beiden Kerle waren keine eigentlichen Dämonen, sonst hätte er ihre Ausstrahlung ja sofort gespürt, sondern nur Diener. Sie hatten ihn in eine Falle gelockt. Der magische Schleim hielt ihn gefangen. Er war wirklich nicht in der Lage, zu reagieren. Jetzt stellte sich heraus, wie klug es gewesen war, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Er konnte den Kopf nur ein wenig zur Seite drehen, guckte nach hinten, konnte aber niemanden sehen, weil die Kopfstütze die Sicht versperrte. Offenbar hatte niemand den Zwischenfall zur Kenntnis genommen, auch die Stewardess und der Steward nicht. Zurzeit befanden sie sich im Heckteil des Jets. Bis sie zurückkehrten, konnte der Dämonenkiller schon tot sein. Und wenn sie erschienen? Was konnten sie schon ausrichten gegen zwei zu allem entschlossene Kerle wie diese? Möglicherweise brachten die Dämonendiener noch das ganze Flugzeug in Gefahr. Indirekt trug Dorian also die Verantwortung für die Passagiere und die Besatzung. Er musste sich so verhalten, dass das Leben Unbeteiligter nicht gefährdet wurde.
»Also, Hunter«, zischte der Dicke, »her mit dem Kreisel!«
»Ich habe ihn nicht.«
»Das nehmen wir dir nicht ab.«
»Ich habe ihn jemandem übergeben.«
»Wem?«
»Einem Fremden. Ich kenne seinen Namen nicht. Er liefert das Ding in diesen Minuten in Frankfurt ab.«
Dorian blieb ruhig und wartete die Reaktion seiner beiden Gegenspieler ab. Er zog es vor, die Wahrheit zu sagen. Hartmut Leiding konnten die Kerle kaum noch gefährlich werden. Der Dicke mit dem teigigen Gesicht stieß halblaut Verwünschungen aus. Der Mürrische bekam unnatürlich große, rötlich glänzende Augen; sie schienen aus den Höhlen hervorquellen zu wollen. Seine Stimme rutschte in tiefere Tonbereiche ab, wurde rau und hässlich.
»Das lügst du! Wir reißen dir den Kopf ab, du Hund!«
Dorian fixierte ihn. »Jetzt spricht der Dämon aus dir.«
»Ja«, antwortete der andere. »Ja, ich bin hier drin.« Demonstrativ klopfte er sich mit der einen Faust gegen die Brust und begleitete die Geste mit einem fauchenden Laut. »Reize mich nicht, Hunter! Treibe es nicht auf die Spitze!«
Es folgten Beschimpfungen und eine Reihe unartikulierter Grunztöne.
»Wer bist du?«, fragte Dorian.
Der Mann mit dem Hut lachte. »Narr! Errate es doch, wenn du kannst!«
»Ich kenne dich nicht.«
»Ich dich dafür umso besser.« Das Scheusal in dem Kerl knurrte. »Ich weiß, was für ein Heuchler und Lügner du bist. Ein Widerling, mit allen Wassern gewaschen, gemein und durchtrieben. Ich hasse dich, Hunter.«
»Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.« Dorian bemühte sich, gelassen zu bleiben und das Gespräch auszudehnen. Vielleicht konnte er es mit dieser Taktik schaffen, den Dämon zu identifizieren.
»Zum letzten Mal: Wo ist der Kreisel?«
Der Mann mit dem Hut schrie es, und von der Sitzreihe hinter ihnen meldete sich ein Passagier mit ein paar ärgerlichen, protestierenden Bemerkungen.
»Wo ist er? Wo?«, bedrängte auch der Dicke den Dämonenkiller.
Dorian spannte die Arm- und Beinmuskeln an. Er musste aber feststellen, dass die Wirkung der magischen Masse nicht nachgelassen hatte – nach wie vor saß er wie paralysiert da.
»Ich habe die Wahrheit gesprochen«, versicherte er. »Warum prüft ihr es nicht nach? Selbst wenn ich wollte, ich kann selbst nicht mehr an das hermetische Gefäß heran.«
Der Dicke fluchte und gab die obszönsten Äußerungen von sich. Der andere gebärdete sich weitaus wilder. Zunächst versetzte er Dorian ein paar Hiebe gegen die Brust und den Kopf. Dorian steckte sie ohne Wehlaute ein. Dann erhob sich der Kerl, sprang auf das Polster seines Sitzes und begann zu toben. Immer wütender wurde er. Der Dämon in ihm schäumte vor ohnmächtigem Zorn über. Der Mann mit dem Hut schrie und schlug mit den Fäusten auf die Rückenlehne des Sitzes ein, hämmerte gegen die Bordwand, hüpfte auf der Stelle. Dorian musste wieder ein paar Knüffe und Tritte einstecken.
Der Passagier hinter ihnen, der sich bereits beschwert hatte, stand auf und beugte sich vor. »Hören Sie, was fällt Ihnen denn ein? So können Sie sich zu Hause aufführen, aber nicht in einem öffentlichen Verkehrsmittel! Ich werde ...«
Weiter kam er nicht, denn der Besessene schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der Hut rutschte dabei von seinem Kopf. Dorian sah nun, dass er eine Glatze hatte.
Der Passagier stöhnte auf und sackte mit einem Schmerzenslaut auf seinen Platz zurück. Jetzt...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2021 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-1100-7 / 3751711007 |
ISBN-13 | 978-3-7517-1100-5 / 9783751711005 |
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