Rache (eBook)
512 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-585-7 (ISBN)
Ex-FBI-Agentin Jane Hawk suchte die wahren Schuldigen für den vermeintlichen Freitod ihres Ehemannes Nick und hat die Verschwörung um die elitäre Gruppe der Arkadier aufgedeckt. Während ihres Kreuzzuges gegen die Terrorgruppe hat sie sich viele Feinde gemacht, die auf Rache sinnen. Nun endlich scheinen diese ihrem Ziel nahe: Die Arkadier haben Janes fünfjährigen Sohn Travis aufgespürt, den sie bei Freunden in Sicherheit wähnte. Zeitgleich bereiten sie sich darauf vor, die Schwiegereltern von Jane mental umzuprogrammieren. Jane ist gerade am anderen Ende des Landes - wird sie rechtzeitig da sein, um die Rache der Arkadier zu verhindern?
Dean Koontz ist in Pennsylvania geboren und aufgewachsen. Er begann parallel zu seiner Tätigkeit als Lehrer zu schreiben. Seine Frau Gerda erkannte schnell sein Talent und unterstützte ihn in den folgenden Jahren finanziell, sodass er sich voll auf seine Karriere als Schriftsteller konzentrieren konnte. Inzwischen wurden seine Werke in 38 Sprachen übersetzt und mehr als 450 Millionen Mal verkauft. Dean lebt mit Gerda und ihrem Golden Retriever Elsa in Südkalifornien.
DREI
Der Raum wird nur durch das unterweltartige fahle Leuchten des Fernsehers erhellt, während vage Reflexionen von Gestalten, die sich auf dem Bildschirm bewegen, Spektralerscheinungen gleich über die Wände huschen …
Ancel saß steif in seinem Sessel und nahm die Lügen und Verdrehungen des Sunday Magazine mit starrer Miene zur Kenntnis, während seine grauen Augen die Dinge auf dem Bildschirm widerspiegelten.
Clare hielt es nicht in ihrem Sessel aus; sie konnte nicht nur zuhören und zusehen, ohne etwas zu tun. Sie stand auf, ging erregt auf und ab und kommentierte das Gehörte: »Bullshit« und »Lügner!« und »Abscheulicher Dreckskerl«.
Diese Sendung war anders als frühere Ausgaben des Sunday Magazine. Bisher hatte es Gefälligkeitslob und scharfe Angriffe gleichermaßen vermieden, war manchmal fast intellektuell gewesen. Und jetzt das. Dies war mit Alarmismus gekoppelter schlimmster Boulevardjournalismus. Die Sondersendung »Das schöne Ungeheuer« hatte nur einen Zweck: Jane als gefallenen Engel, als Landesverräterin hinzustellen, die nicht nur zu schrecklichen Gewaltverbrechen imstande war, sondern vielleicht auch aus Blutlust mordete.
Vor der Halbzeitpause machte der Moderator Andeutungen über die sensationelle Enthüllung, mit der seit Tagen geworben wurde. In verheißungsvollem Tonfall versprach er sie für die zweite Hälfte der Sendung.
Als der erste Werbespot lief, sank Clare auf einen Hocker, schloss die Augen und schlang ihre Arme um den Oberkörper, als fröre sie. »Was ist das, Ancel? Doch kein Journalismus, nicht im Entferntesten!«
»Rufmord. Propaganda. Diese Leute, die Janes Feinde sind, durchziehen Staat und Industrie wie Fäulnisadern und wollen sie um jeden Preis vernichten, bevor sie ihre Story erzählen kann.«
»Glaubst du, dass es in Zukunft noch Leute geben wird, die sie verteidigen?«
»Ganz sicher, Clare. Diese Dummköpfe übertreiben, sie stellen sie wie eine weibliche Kombination aus Dracula, Charles Manson und Benedict Arnold hin.«
»Viele dumme Leute werden ihnen glauben«, erwiderte Clare sorgenvoll.
»Ein paar Dumme. Ein paar Leichtgläubige. Nicht alle. Vielleicht nicht die meisten.«
Sie sagte: »Ich mag mir nicht noch mehr von diesem Scheiß ansehen.«
»Ich auch nicht. Aber uns bleibt nichts anderes übrig, nicht wahr? Jane und wir sind eins. Zerstören sie ihr Leben, zerstören sie auch unseres. Wir müssen mit eigenen Augen sehen, was uns nach dieser Sendung noch bleibt.«
Nach der Werbeunterbrechung machte das Sunday Magazine mit einem Foto weiter, das Jane nach Abschluss ihrer FBI-Ausbildung in Quantico zeigte, wo sie Nick kennengelernt hatte, der beim Marine Corps auf demselben Stützpunkt stationiert gewesen war. Dann folgten Hochzeitsfotos: Nick in Ausgeh-Uniform, Jane in einem schlichten weißen Brautkleid. Ein umwerfend attraktives Paar.
Clare kämpfte mit den Tränen, als sie ihren toten Sohn und seine junge Frau so glücklich, so lebensfroh vor sich sah.
Als Nächstes zeigte ein Film, wie Nick mit dem Navy Cross, nur eine Stufe unter der Medal of Honor, ausgezeichnet wurde, während Jane liebevoll und stolz zusah.
Clare stand von dem Hocker auf, setzte sich auf Ancels Armlehne und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er legte ihr eine Hand aufs Knie, drückte leicht zu und sagte: »Ich weiß.«
Der Moderator begann, von Nicks Selbstmord im November letzten Jahres zu reden.
Jane und er waren in ihrem Haus in Alexandria, Virginia, gewesen, hatten das Abendessen zubereitet und dabei etwas Wein getrunken. Ihr Sohn Travis übernachtete bei einem anderen Fünfjährigen in der Nachbarschaft, sodass seine Eltern einen romantischen Abend planen konnten. Nick ging auf die Toilette … und kam nicht mehr zurück. Jane fand ihn vollständig bekleidet in der Badewanne sitzend. Mit seinem Ka-Bar-Kampfmesser hatte er sich die linke Halsschlagader durchtrennt. Er hatte einen Abschiedsbrief hinterlassen, der in sauberer Schrift begann, die jedoch rasch unleserlich wurde: Mit mir ist irgendetwas nicht in Ordnung. Ich muss. Ich muss unbedingt. Ich muss unbedingt tot sein.
Seit jenem niederschmetternden Anruf von Jane waren über vier Monate vergangen. Clares Tränen waren jetzt ebenso heiß wie damals.
»Das«, verkündete der Moderator ernst, »war Jane Hawks Story, die durch die polizeilichen Ermittlungen in allen Einzelheiten bestätigt wurde. In den Tagen nach Nicks Tod soll Jane sich Aussagen von Freunden zufolge in die Idee verrannt haben, es gebe im ganzen Land einen unerklärlichen Anstieg von Selbstmorden. Sie entdeckte, dass Tausende von glücklichen, erfolgreichen Menschen wie ihr Mann, die nie Depressionen gehabt hatten, ohne erkennbaren Grund Selbstmord verübten. Vom FBI beurlaubt und in so tiefer Trauer, dass ihre Freunde um ihre geistige Gesundheit fürchteten, begann sie, diesen unheimlichen Trend zu erforschen, was sie bald ganz ausfüllte.
Der Tenor der Sendung schien sich plötzlich dahin gehend verändern zu wollen, dass all die schlimmen Dinge, die in der ersten Hälfte über Jane gesagt worden waren, jetzt aus mitfühlenderer Perspektive betrachtet wurden, was Zweifel an ihrer amtlichen Charakterisierung als verräterisch und grausam wecken musste.
Als Nächstes trat ein Universitätsprofessor und Experte für Selbstmordverhütung auf. Er führte aus, der Anstieg der Suizidrate in den vergangenen zwei Jahren sei keineswegs ungewöhnlich, weil die Rate immer stark schwanke. Er behauptete, die Zahl der wohlhabenden, anscheinend glücklichen Menschen, die Selbstmord verübten, liege weiter innerhalb der normalen Grenzen.
»Das kann unmöglich stimmen«, sagte Clare.
Ihm folgte eine Expertin für Kriminalpsychologie, eine Frau, die ihr Haar zu einem straffen Nackenknoten zusammengefasst trug, schlank wie ein Windhund und mit hinter einer runden schwarzen Hornbrille eulenhaft wirkenden Augen, deren streng geschnittener Hosenanzug zu ihrem ernsten Auftreten passte, als sie analysierte, was über die unglückliche Kindheit der Protagonistin bekannt war.
Jane. Mit vier Jahren ein Wunderkind am Klavier. Tochter des berühmten Pianisten Martin Duroc. Manche bezeichneten ihn als fordernd, distanziert. Jane war ihm entfremdet. Ihre Mutter, ebenfalls eine begabte Pianistin, hatte Selbstmord verübt. Die damals neunjährige Jane hatte sie verblutet in der Badewanne aufgefunden. Ein Jahr später hatte Duroc trotz der Einwände seiner Tochter wieder geheiratet. In dem folgenden Jahrzehnt hatte Jane ein Vollstipendium am Oberlin College abgelehnt, das Musizieren ganz aufgegeben, vier Jahre College in drei Jahren absolviert und sich für eine Karriere beim FBI entschieden.
»Und es ist interessant, ihre sieben Jahre beim FBI zu betrachten«, sagte die Psychologin. Als die Kamera ihr Gesicht in Großaufnahme zeigte, um ihre blasse Ernsthaftigkeit einzufangen, senkte sie die Stimme, als hätte sie vertrauliche Informationen mitzuteilen. »In ihrer Dienstzeit im Bureau hat sie der Critical Incident Response Group angehört, die vor allem für die Analystengruppen 3 und 4 ermittelte, die für Verhaltensanalysen von Massenmördern und Serienmördern zuständig waren. Sie war an zehn Ermittlungen beteiligt, von denen acht erfolgreich waren. Für eine junge Frau, die Männer vielleicht schon lange hasste, bedeutete dieses Eintauchen in die Welt mörderischer Soziopathen, dass sie wie sie denken musste, um sie aufspüren zu können. Und diese Erfahrung kann schwere traumatische Auswirkungen auf ihre Psyche gehabt haben.«
Clare spürte einen kalten Schauder, als stünde etwas Grässliches bevor. Sie erhob sich von der Armlehne. »Was zum Teufel soll das heißen?«
Auf dem Bildschirm erschien jetzt ein Foto von J. J. Crutchfield. Der Moderator wiederholte die grausige Story dieses Frauenmörders, der die Augen seiner Opfer in Formaldehyd eingelegt aufbewahrt hatte. Jane hatte ihn angeschossen und festgenommen.
Und als Nächstes: kommentierte Videoaufnahmen einer Farm, auf der zwei Verbrecher einundzwanzig Mädchen vergewaltigt und ermordet hatten. Hier war der FBI-Agent, dessen Partnerin Jane war, erschossen worden, sodass sie nachts mit den Mördern, die Jagd auf sie machten, allein gewesen war. Sie hatte beide erledigt – den zweiten Kerl in dem Kellerverlies, in welchem die Täter ihre Opfer vergewaltigt und ermordet hatten, um sie danach im ehemaligen Schweinepferch zu verscharren.
Weitere Videoaufnahmen aus dieser Nacht, nachdem die Polizei eingetroffen war. Jane im Scheinwerferlicht mehrerer Streifenwagen im Gespräch mit uniformierten Beamten: frappierend schön wie eine Rachegöttin, aber mit zerzaustem Haar und durch das subtile Spiel von Licht und Schatten auf ihrem Gesicht leicht bedrohlich wirkend.
Die Macher des Sunday Magazine hielten das Video bei einer Nahaufnahme an, die ihre Schönheit nicht negierte, aber auch … was zeigte? Ihre verstörende Härte? Potenzielle Grausamkeit? Verrücktheit?
Unterwegs auf einer Straße in Alexandria, wo Nick und Jane gewohnt hatten, fragte der Moderator die Kamera: »Wie schmal ist der Grat zwischen Heroismus und Schurkentum?«
»Red keinen Unsinn«, sagte Clare. »Die liegen nicht dicht beieinander. Das sind Länder, zwischen denen sich ein Meer erstreckt.«
Ancel saß schweigend und mit grimmiger Miene da.
»Wenn ein guter Mensch«, fuhr der Moderator fort, »der durch ein profundes Kindheitstrauma geschädigt...
Erscheint lt. Verlag | 22.6.2021 |
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Reihe/Serie | Jane Hawk | Jane Hawk |
Übersetzer | Wulf Bergner |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Forbidden Door |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | action thriller • Actionthriller • Agententhriller • bücher krimi thriller • Bücher Thriller • dean koontz buch • Dean koontz bücher • gefürchtet • Gehetzt • gute Thriller • Jane Hawk • Kriminalthriller • Krimi Thriller • krimi und thriller • Suizid • Thriller • Thriller Buch • Thriller Bücher |
ISBN-10 | 3-95967-585-2 / 3959675852 |
ISBN-13 | 978-3-95967-585-7 / 9783959675857 |
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