Die Gräfin und das Shakespeare Vermächtnis (eBook)

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2021 | 1. Auflage
332 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2716-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Gräfin und das Shakespeare Vermächtnis - Christiane Lind
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»Aber seid vorsichtig in London. Die Stadt frisst Dutzende wie Euch zum Frühstück und spuckt die Knochen auf ihre Gassen.« Im Elisabethanischen London können Geheimnisse tödlich sein und vor allem ihres: Die junge Alice verkleidet sich als Mann, um ihrem gewalttätigen Ehemann zu entkommen. Ihre Flucht führt sie nach Southwark, einen Vorort Londons. Hier, in der Welt der Theater und Bordelle, beginnt Alice ein neues Leben. Dank der Unterstützung des Autors Christopher Marlowe wird sie Schauspieler im Rose Theatre. Durch ihre Maskerade gefährdet sie aber nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das des Mannes, in den sie sich verliebt. Denn Alices Gemahl ist nicht bereit, sie aufzugeben ... Dieser Titel erschien vormals unter 'Geheimnisse der Gaukler'.

Christiane Lind, geboren 1964, ist Sozialwissenschaftlerin und wuchs in Niedersachsen auf. Nach Zwischenstationen in Gelsenkirchen und Bremen lebt sie heute mit ihrem Ehemann und fünf Katern in Kassel. Bei atb ist ihr Roman 'Die Heilerin und der Feuertod' lieferbar; 2015 erschien 'Die Medica und das Teufelsmoor'.

Prolog
Die Fahrenden


Stratford-upon-Avon, 1587

Der Tag, an dem das Theater nach Stratford-upon-Avon kam, brachte Alice größtes Glück und tiefste Enttäuschung. Zu ihrer Überraschung hatte ihr Vater, wohlsituierter Kaufmann und im kommenden Jahr wohl Bürgermeister von Moreton-in-Marsh, ihr erlaubt, das Schauspiel zu sehen.

»Aber nur, wenn du dich benimmst, wie es einem Mädchen ziemt«, hatte ihr Vater gesagt und die übliche sorgenvolle Miene gezeigt, mit der er die Narrheiten seiner Tochter begleitete. »Ich möchte nicht hören, dass du unseren guten Namen entehrst.«

»Selbstverständlich, Vater«, flüsterte Alice und hielt den Kopf gesenkt, damit er ihre rebellischen Gedanken nicht an ihrem Gesicht ablesen konnte. Zum großen Verdruss ihrer Eltern benahm sich ihre einzige Tochter nicht so, wie man es von einem Mädchen erwartete, sondern stellte mit ihren Streichen und Abenteuern ihre beiden Brüder in den Schatten. »Ganz wie es Euch gefällt.«

Weil ihr Vater jedoch weder Alice noch ihren Brüdern vertraute, gab er ihnen Millicent mit, ihre alte Amme, die Alice von Herzen liebte. Da Millicent nicht gut zu Fuß war, durften sie in Vaters Wagen reisen, der sonst wichtigen Geschäftsfahrten vorbehalten war. Alices ältester Bruder Tobias, der letzten Monat seinen vierundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte, durfte neben Ralph, dem Wagenlenker, sitzen. Das ärgerte Alice sehr, war dies doch der beste Platz. Sie jedoch musste es sich mit dem einundzwanzigjährigen John und ihrer alten Amme hinten auf dem Wagen bequem machen. Stroh und Kissen sorgten dafür, dass die Reise angenehm verlaufen sollte. Für Alice jedoch verging die Fahrt viel zu langsam.

Seitdem sie aus Moreton-in-Marsh abgefahren waren, zappelte Alice hin und her, schaute nach rechts und nach links, als könnte sie dort etwas Spannendes erspähen. Als wollte es ihr gelingen, die reisende Schauspieltruppe zu entdecken.

»Kind, nun setz dich endlich ruhig hin.« Millicent schüttelte den Kopf. »Man könnte meinen, du wärst erst fünf und keine fünfzehn Jahre alt.«

Dermaßen zurechtgewiesen, setzte Alice sich gerade auf und legte die Hände in den Schoß, so wie es sich für ein sittsames Mädchen gehörte. Wenn selbst Millicent ihr einen Rüffel erteilte, würde ihr Benehmen Vater und Mutter bestimmt verärgern. Das durfte nicht geschehen. Für das Theater würde Alice sich anstrengen, ihren Eltern zu gefallen. Die Erwartung ließ ihr jedoch keine Ruhe.

»Millicent, hast du schon einmal ein Bühnenstück gesehen?«

»Nein.« Die Amme schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre gestärkte weiße Haube verrutschte, was Millicent sofort in Ordnung brachte. Unordnung konnte sie überhaupt nicht leiden, wie Alice nur zu gut wusste. »Ich hätt auch sterben können, ohne eins zu erleben.«

»Warum?« Das vermochte Alice nun gar nicht zu verstehen. Wie konnte man nicht neugierig sein auf dieses Vergnügen, von dem sie schon so viel gehört hatte. Jahrelang hatte sie befürchtet, niemals Schauspieler auf einer Bühne sehen zu können, weil es selbst die herumvagabundierenden Kompanien nicht nach Moreton-in-Marsh zog. Dafür war Alices Heimatstadt zu klein, obwohl sie eine Marktstadt war. Einem wichtigen Handel, den ihr Vater tätigen wollte, hatte Alice es zu verdanken, dass ihre Familie nach Stratford-upon-Avon reiste, wo sich nun endlich ihr Wunsch erfüllen würde. Hoffentlich enttäuschen sie mich nicht, dachte Alice und knetete ihre Unterlippe mit den Zähnen, wie stets, wenn Unruhe sie plagte.

»Alice. Eine Lady tut so etwas nicht!« Millicent tappte ihr mit zwei Fingern an die Wange. Sanft, aber bestimmt. »Du bist bald in dem Alter, wo du heiraten kannst, und benimmst dich noch immer wie ein Kind.«

»Entschuldige.« Alice senkte den Kopf. »Heiraten will ich nicht. Niemals.«

»Ach Kind«, erwiderte Millicent und seufzte. »Wie kannst du so etwas nur sagen? Es ist die Bestimmung einer Frau, Gemahlin und Mutter zu werden.«

»Ich werde Stücke schreiben.« Die Vorstellung, heiraten zu müssen, sagte Alice überhaupt nicht zu. »Oder Gedichte. Das ist mein Ziel.«

»Ach, Kleines.« John schüttelte den Kopf. »Niemals würde Vater das zulassen.«

»Daran ist nur Mutter schuld«, ließ sich Tobias’ tiefe Stimme vernehmen. Er wandte sich halb zu ihnen um, sodass sein kantiges Profil mit der geraden, markanten Nase unter den tiefbraunen Haaren deutlich zu sehen war. »Alice hätte niemals lesen und schreiben lernen sollen. Eine Frau braucht das nicht.«

Was weißt du schon davon, was eine Frau braucht?, dachte Alice, war jedoch klug genug, die Frage für sich zu behalten. Tobias war zuzutrauen, dass er sie bei ihrem Vater anschwärzte, der ihr dann das Theater verbieten würde. Aber ganz gewiss würde Alice die Worte ihres Bruders nicht ungestraft lassen. Eine Maus würde sie fangen und ihm in die Kammer setzen. Dann würde man bald hören, wer da kreischte wie ein Mädchen. Der Gedanke an ihre Rache ließ sie lächeln.

»Tobi, sei lieber vorsichtig.« John beugte sich vor und zauste durch Alices hellbraunes Haar. Sie zog den Kopf weg, obwohl er der Einzige war, bei dem sie diese Geste ertrug. »Ich kann unserem Schwesterchen an der Nasenspitze ansehen, dass es Rachepläne ausheckt.«

»Das soll es mal versuchen.« Nun drehte sich Tobias noch weiter zu ihnen um. Er musterte Alice, die sich bemühte, ein gleichmütiges Gesicht aufzusetzen. »Wenn du ins Theater willst, benimm dich besser.«

»Stimmt es, dass wir vorher die Comptons treffen?« John legte den Kopf ein wenig schief, so wie stets, wenn er eine Frage stellte, deren Antwort er bereits kannte. Ohne dass ihre Brüder es auch nur im Geringsten ahnten, beobachtete ihre kleine Schwester sie sehr genau, um ihre Schwachstellen zu entdecken. Als einziges Mädchen und um Jahre jünger hatte sie Strategien entwickeln müssen, sich Respekt zu verschaffen. »Was Vater von denen will? Nur weil sie einen Titel haben …«

»Du kennst Vater doch.« Tobias wandte seine Aufmerksamkeit von Alice weg und John zu. Er hob die Hände. »Er ist nicht damit glücklich, ein wohlhabender Kaufmann zu sein. Ohne einen Adelstitel in der Familie wird er nie zufrieden sein.«

Wie will er den Titel erhalten?, wollte Alice fragen, als sie sich Johns Blick bewusst wurde. Mitleid lag darin und Bedauern. Wusste ihr Bruder etwas, von dem sie nichts ahnte? Bevor sie ihn fragen konnte, sprach John bereits wieder mit Tobias.

»Kennst du Stephen Compton gut? Ihr wart doch zusammen in Cambridge.« Obwohl John sich bemühte, die Frage beiläufig zu stellen, erkannte Alice seine Anspannung. Die verriet ihr Lieblingsbruder, indem er seine Schulterblätter zusammenzog. »Man hörte ja so einiges über ihn.«

»Ich kannte ihn kaum.« Tobias log, wie Alice sehr wohl bemerkte. Mit Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand zupfte er an der Daumenhaut der rechten Hand. Alice schauderte. Was mochte mit Stephen Compton nicht stimmen, dass ihr mutiger Bruder, der sich vor nichts fürchtete außer vor Mäusen, so unruhig war? »Ich legte auch keinen Wert darauf, ihn näher kennenzulernen. Er trieb sich mit Kerlen wie Kit Marlowe herum.«

»Du weißt, dass er mit …«, begann John, doch Tobias unterbrach ihn rüde: »Da ist noch nicht das letzte Wort drüber gesprochen. Also schweig still und mach nicht die Pferde scheu.«

Von Tobias’ Ausbruch überrascht, wechselten Alice und John einen Blick und schauten dann zur Seite, als wollten sie beide nicht erfahren, was ihr Gegenüber dachte. Den Rest ihrer Reise verbrachten sie in einem unbehaglichen Schweigen, das nicht einmal Millicent zu unterbrechen wagte.

Endlich waren sie an dem Gasthof angekommen, in dem ihre Eltern sie bereits erwarteten. Flüchtig umarmte Alice ihre Mutter und reichte ihrem Vater die Hand zum Gruß. Ihr ganzes Sinnen und Trachten galt dem Theater, das sie bereits vom Wagen aus erspäht hatte. Eine Bühne aus Holz, drei bunt bemalte Fuhrwerke mit Kostümen und Requisiten. Am liebsten wäre sie von ihrem Reisegefährt gehüpft, hätte den Rock geschürzt und wäre dorthin gelaufen, aber das ziemte sich nicht. Als Strafe hätte ihr Vater ihr sicher den Theaterbesuch verboten, sodass Alice sich von ihrer besten Seite zeigte, als sie die Gäste ihres Vaters begrüßte.

Die Familie Compton bestand aus einem rundlichen, überaus prächtig gekleideten Mann, seiner hageren Ehefrau, deren Gewand eher an den Königshof als in das beschauliche Stratford-upon-Avon gepasst hätte, und Stephen, nach dem John gefragt hatte. Hochgewachsen war er, im gleichen Alter wie Tobias, mit flachsblonden Haaren und wasserhellen Augen, die Alices Blick auswichen. Obwohl seine Züge ebenmäßig waren, hätte sie ihn nicht gut aussehend genannt. Vielleicht lag es an den dunklen Schatten unter seinen Augen oder an dem harten Zug um seinen Mund. Möglicherweise lag es auch daran, dass er sie von oben bis unten musterte, als wäre sie eine Stute, die er kaufen wollte. Was es auch sein mochte, Alice war sich gewiss, dass sie die Bekanntschaft mit diesem Herrn nicht vertiefen wollte.

Unglücklicherweise hatte man sie jedoch beim Essen neben ihn gesetzt, sodass sie gute Miene zum bösen Spiel machen und sich mit ihm unterhalten musste.

»Werdet Ihr nachher ebenfalls das Schauspiel besuchen?«, war die einzige Frage, die ihr einfallen wollte, und sie konnte nur hoffen, dass ihre Eltern, die Alice beobachteten, damit einverstanden waren.

»Nein, diese Dorffeste sind mir zuwider«, antwortete Stephen Compton, während er seine Suppe schlürfte....

Erscheint lt. Verlag 7.6.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte Alte Liebe • Christiane Lind • fahrende Schausteller • Gaukler • Rose Theater • Schicksal • Shakespeare • Theater
ISBN-10 3-8412-2716-3 / 3841227163
ISBN-13 978-3-8412-2716-4 / 9783841227164
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