Das Haus Zamis 17 (eBook)

Das orphische Ei
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Aufl. 2021
64 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1471-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 17 - Ernst Vlcek, Ralf Schuder
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Jonathan gab einen zischenden Laut von sich. »Leise, Coco! Das müssen die Menschenfänger sein.«
Aus dem Nebel tauchten zwei Reiter auf. Der erste hatte den kantigen Reptilkopf weit über den Hals des Pferdes gereckt, und das einzelne Auge auf der Stirn leuchtete in roter Glut. Mit den Klauen seiner Tentakel krallte er sich in die Mähne des Pferdes. Auf dem zweiten Pferd saß ein weibliches Gegenstück. Trotz des geschuppten Unterleibes und der krallenbewehrten Tentakel erschien mir die Nereide wie der Inbegriff von Anmut und Grazie.
Die beiden Reiter verschwanden wieder wie ein Spuk im Nebel, und Jonathan entspannte sich. 'Wir haben Glück gehabt. Wer den Menschenjägern in die Hände fällt, erleidet ein viel schlimmeres Schicksal als den Tod!«

Cocos Aufenthalt in Mettlingen gerät zum Spießrutenlauf. Fast alle Bewohner scheinen dem Bösen verfallen, und überall lauern Zadkiels Kreaturen! Aber was ihr Gegner wirklich vorhat, erkennt Coco erst, als sie selbst unter den Einfluss des orphischen Eis gerät ...


2. Kapitel


Das Haus der Familie Stotz sah genau so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Selbst die Fenster der Goldschmiedewerkstatt waren unverändert, nur das Innere nicht, was der Zeit dieser Wahrscheinlichkeit angepasst war. Über dem Laden hing das bekannte Schild, das verkündete: »Gold & Silber wohlfeil«.

Jonathan klopfte in einem bestimmten Rhythmus an die Tür. Nach einer Weile wurde geöffnet, und Albert Stotz, der Vater von Eva, steckte den Kopf heraus.

»Ich bringe jemanden, der Asyl braucht«, raunte Jonathan, drängte mich durch die Tür und folgte selbst nach.

»Hat euch auch niemand gesehen?«, fragte Vater Stotz ängstlich. Als ich ihn kennengelernt hatte, war er viel jünger – und stattlicher – gewesen. Jetzt war sein Gesicht von Narben gekennzeichnet, sein Haar fast ergraut. Die Narben stammten sicher von Folterungen. Er hatte einen unruhigen Blick, seine Hände zitterten. Später erfuhr ich jedoch, dass das Zittern seiner Hände von übermäßigem Alkoholgenuss kam, er war dem Schnaps hoffnungslos verfallen. Seine Frau Gisela kümmerte sich zwar fürsorglich um ihn, aber da auch sie einem Gläschen nicht abgeneigt war, endeten die meisten begonnenen Entwöhnungskuren stets in Saufgelagen. Wie auch immer, sie waren auch in dieser Wahrscheinlichkeit so nett und gastfreundlich wie in der Realzeit. Daran konnte nicht einmal Zadkiels Magie etwas ändern.

Diesmal führte mich Albert Stotz jedoch nicht in den Wohnraum, sondern in den Keller. Ein Mann, den ich nicht kannte, war an der Kellertür damit beschäftigt, mit einer Pumpe das einsickernde Wasser manuell abzusaugen. Ein anderer stand mit einem Hackbeil vor einem Rattenloch und erschlug schlangenähnliches Gewürm, das dort in unregelmäßigen Abständen herausgekrochen kam. Der Mann an der Pumpe wurde gerade von einem anderen abgelöst, den ich als Robert erkannte, die männliche Hälfte des Lehrerehepaars aus der Realzeit. In dieser Wahrscheinlichkeit hatte er jedoch nichts von einer Autoritätsperson an sich und erinnerte mehr an einen Metzger.

Im Kellerraum, in den man mich führte, entdeckte ich auch seine Frau Olga. Sie trug noch dieselbe Kleidung, in der ich sie zuletzt gesehen hatte und die überhaupt nicht in diese Wahrscheinlichkeit passte: Jeans, einen blauen Rollkragenpullover und eine Windjacke. Auf der Stirn trug sie ein Brandmal, das aus einem zwölfzackigen Stern bestand. Vier der Zacken waren aber bereits verblasst.

Olga stach mir als Erste ins Auge, weil sie bei meinem Eintreten ausrief: »Schon wieder eine Bekannte. Aber ich nehme an, dass du dich nicht an mich erinnerst, Coco.«

»Ganz im Gegenteil«, erwiderte ich erfreut, weil es schien, dass Olga mit voller Erinnerung in diese Zeit verschlagen worden war. »Ich weiß alles über unsere Bootsfahrt, und es ist mir noch gut im Gedächtnis, dass du und dein Mann es waren, die vorgeschlagen haben, die Wolkengebilde zu deuten.«

»Obwohl ich nicht abergläubisch bin«, sagte Olga bekümmert, »glaube ich jetzt fast, dass wir diese unheimlichen Geschehnisse mit dieser Pareidolie heraufbeschworen haben. Vieles davon ist bereits eingetroffen, und wenn ich bedenke, was noch alles auf uns zukommen könnte ...«

»Genug!«, sagte da eine barsche Stimme aus dem Hintergrund.

Ein großer, kräftiger Mann trat in die Mitte des Kellerraumes. Es war Ralf Winter, der mehr Ähnlichkeit denn je mit Manannan mac Lir hatte. An seiner Seite befand sich ein Zwerg in einem Narrenkostüm. Es war Oirbsen. Ralf trat vor mich hin und sah mich durchdringend an.

»Jonathan hat mir berichtet, dass du eine Nereide im Zweikampf besiegt hast«, sagte Ralf. »Und er verriet mir auch, dass du Caillech zu sein behauptest, die ich in einem früheren Leben mehr als meine eigene Schwester geliebt habe.«

»Ich bin Caillech«, sagte ich mit rauer Stimme. Ralf hatte mich nicht erkannt, und Oirbsens Gesichtsausdruck merkte ich an, dass er ebenfalls keine Erinnerung an mich zu haben glaubte. Ich formuliere das absichtlich so, weil ich sicher war, dass Zadkiel die beiden manipuliert hatte. Aber umso mehr überraschte es mich, dass sie in dieser Wahrscheinlichkeit Widerstandskämpfer waren.

Was war davon zu halten?

»Es wird sich noch herausstellen, wer du wirklich bist«, sagte Ralf und deutete auf einen rohgezimmerten Holztisch im Hintergrund. »Setzen wir uns. Du auch!«, herrschte er Olga an.

»Wieso dieser rüde Ton?«, erkundigte ich mich bei Olga.

»Er glaubt mir nicht, dass ich Roberts Frau bin«, antwortete Olga. »Und Robert streitet das ebenfalls ab. Er hält sich für den Henker von Lindau, der hier nur auf der Durchreise ist.«

»Wie das?«, wunderte ich mich.

»Wir beide hatten nicht das gleiche Schicksal«, sagte Olga. »Nachdem wir in der Pension Zur Goldenen Engelschar abgestiegen waren, wo wir die Nacht in einem gemeinsamen Zimmer verbrachten, erwachte ich am Morgen allein im Bett. Ich erinnere mich dumpf daran, dass Robert in der Nacht einmal aufgestanden ist, um was Trinkbares zu besorgen. Ich nehme an, dass er dadurch auf unerklärliche Weise von mir getrennt wurde. Bezeichnenderweise heißt das Haus, in dem wir übernachtet haben, jetzt Herberge ohne Wiederkehr. Und es ist wahrlich ein Labyrinth.«

Wir hatten am Tisch Platz genommen, und Ralf brachte Olga mit einem strengen Blick zum Schweigen.

»Ihr könnt später eure eingebildeten Erinnerungen austauschen«, sagte er. »Jetzt müssen wir uns mit der Realität beschäftigen. Prägt es euch ein für alle Mal ein: Das ist die Wirklichkeit! Ihr müsst damit fertigwerden, oder ihr geht zugrunde. Zadkiel herrscht mit seiner Dämonenschar. Er knechtet und unterdrückt die Menschen mit seiner Magie. Noch ist Mettlingen die einzige Insel, die Zadkiels grausamen Gesetzen gehorchen muss. Aber wer weiß, wie es inzwischen draußen in der Welt aussieht. Wir sind hier hermetisch von ihr abgeschnitten, und nur hie und da verirrt sich jemand aus der sogenannten Realzeit hierher. Aber es werden immer weniger, und das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Zadkiel immer mehr an Einfluss gewinnt. Unsere einzige Hoffnung war es bis jetzt, dass Caillech zu uns findet und den Bann von uns nimmt.«

Er schwieg abrupt und blickte demonstrativ von mir fort. Ich sah zu Oirbsen und fing seinen Blick auf. Der Zwerg lächelte spöttisch. »Du willst Caillech sein«, sagte er zu mir. »Nun gut, dann höre, was man von dir erwartet. Im Tempel ...«

»Das ist die ehemalige Kirche von Mettlingen, ein unheimlicher Ort«, fiel ihm Olga ins Wort. Sie deutete auf ihr Stirnmal und fuhr fort: »Ich lag dort bereits auf dem Opferstein, und Lazi hat mich im letzten Moment gerettet. Es scheint, dass die Magier diesem Geistesgestörten nichts anhaben können.«

Oirbsen ignorierte ihre Worte und fuhr unbeirrbar fort: »Im Tempel Zadkiels befindet sich auf dem Altar das orphische Ei, das von den Sektierern verehrt wird. Zadkiel ist nur der böse Geist, das orphische Ei stellt die eigentliche Gottheit dar. Es heißt, dass, wenn sich gewisse Voraussetzungen erfüllt haben, dem Ei ein Drache entschlüpfen wird, der alle vier apokalyptischen Reiter in sich vereinigt ...«

»Wir haben die apokalyptischen Reiter in den Wolken gesehen«, warf Olga ein.

»Wenn das geschieht«, fuhr Oirbsen fort, »dann ist die Welt verloren. Das Chaos wird regieren, die Realität, wie wir sie uns wünschen, wird keinen Bestand mehr haben und vergehen und Platz für die Welt der Schwarzen Magie machen. Es gibt nur eine Person, die das verhindern kann. Das ist Caillech. Von ihr wird erwartet, dass sie in den Tempel geht und das orphische Ei vernichtet.« Oirbsen machte eine Kunstpause und fragte mich dann spöttisch: »Willst du immer noch Caillech sein?«

»Ich bin Coco Zamis, die Ralf Winter in einer anderen Zeit, als er noch Manannan mac Lir war, als Caillech bezeichnet hat«, sagte ich fest und blickte dabei Ralf an. Er zeigte keine Regung.

Eine Weile herrschte brütendes Schweigen am Tisch, dann ergriff endlich wieder Ralf das Wort.

»Besitzt du den Signatstern?«, fragte er mich.

Ich zeigte ihn ihm.

»Hast du den Armreif für die Zeitschächte, den Merlin dir vermittelt hat?«

Ich wies ihn vor.

»Und den Ring?«

Ich streckte die Finger der Hand aus, so dass der Ring mit dem blauen Stein wie aus Lapislazuli zu sehen war.

»Und trägst du das magische Vlies?«

Ohne zu zögern stand ich auf und ließ meinen Umhang über die Schultern und zu Boden gleiten. Darunter war ich nackt.

»Es kann sich um Fälschungen handeln«, meinte Ralf. »Ich muss mir Gewissheit verschaffen, Fremde. Deshalb verlange ich von dir, dass du den Schmuck und dein tarnendes Vlies ablegst, damit ich erkennen kann, ob sich darunter wirklich Caillech versteckt – und nicht eine andere.«

»Das kannst du nicht von mir verlangen, Manannan«, sagte ich. »Du müsstest auch so die Frau in mir wiedererkennen, die dich die süßen Freuden ihres Schoßes kosten ließ. Wenn du wirklich der...

Erscheint lt. Verlag 8.6.2021
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-1471-5 / 3751714715
ISBN-13 978-3-7517-1471-6 / 9783751714716
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