Mein Zuhause war ein Gefängnis (eBook)

Wie ich mich aus der toxischen Ehe mit meinem Peiniger befreite

(Autor)

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2021 | 1. Aufl. 2021
510 Seiten
Lübbe (Verlag)
978-3-7517-1566-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Zuhause war ein Gefängnis - Dawn McConnel
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Für die Außenwelt ist Dawn McConnell eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Niemand weiß, dass sie Tag und Nacht von ihrem Ehemann Stuart kontrolliert wird. Jahrelang ist sie seiner Tyrannei ausgesetzt - wird missbraucht, bedroht und geschlagen. Er macht ihr das Leben zur Hölle, droht ihr, dass sie ihm gehört und dass er ihr schreckliche Dinge antut, wenn sie ihn verlässt. Dann, eines Tages, findet Dawn die Kraft, sich gegen Stuart zu wehren. Doch für ihre Freiheit muss sie alles riskieren ...

Sommerferien


»Komm schon, Dawn!«, schnaufte meine Mutter ungeduldig, während sie ihren großen braunen Lederkoffer in das wartende Taxi wuchtete. »Beeil dich, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

Ich folgte ihr, so schnell ich konnte, aber es war für mich nicht immer so leicht, mit dem hohen Tempo mitzuhalten, das meine Mum vorgab. Mit ihren eleganten beigefarbenen hohen Absätzen gab sie sich wie eine Frau, die eine Mission zu erfüllen hatte und die auf keinen Fall zuließ, dass die kurzen Beine einer Fünfjährigen darüber bestimmten, wie schnell sie selbst gehen durfte. Erst recht nicht, wenn wir uns in Paris im Gare du Nord befanden und auf dem Weg in unseren üblichen vierwöchigen Italienurlaub waren. Meine Mutter Penelope McConnell hatte die vergangenen zwei Wochen damit verbracht, für meinen Bruder, meine Schwester und mich alles zu packen. Unsere Koffer lagen auf dem dunkelgrünen Fußboden im Esszimmer verteilt und warteten darauf, mit unserer gewaschenen und gebügelten Kleidung in der Reihenfolge gefüllt zu werden, in der alles fertig wurde. Jeden Abend hatte sie in diesen zwei Wochen vor den Koffern gehockt, eine Tasse Kaffee neben ihr auf dem Boden, einen Notizblock in der Hand, auf dem sie ihre Listen abhakte, die alles aufführten, was für jedes von uns Kindern als notwendig erachtet wurde.

Abends war ich oft eingeschlafen, während ich sie leise reden hörte, wie sie wieder und wieder alles überprüfte. »Zwei Hosen, ein Rock, zwei Kleider, sechsmal Unterwäsche, zwei Shorts ...«

Wir waren drei Kinder in unserer Familie. Mit meinen fünf Jahren war ich die Jüngste, meine Schwester Susy war zehn, und dann war da noch unser großer Bruder John. Im Sommer 1974 war er fünfzehn, ein großer Junge und damit zehn Jahre älter als ich.

Obwohl wir in einem der schlechteren Viertel von Glasgow lebten, war Mum der Ansicht, dass unsere Familie ein ganzes Stück besser war als die üblichen Gestalten, die im The Drayton Arms abstiegen – dem Hotel, das uns gehörte. Auf jeden Fall hob sie sich durch ihren vornehmen Edinburgher Akzent von der Masse ab. Es war ein kleines Hotel mit zehn Zimmern, mit Bar und Restaurant und einem Saal, der von den Leuten aus dem Viertel genutzt wurde. Im Speisesaal fanden oft die Feiern zu Hochzeiten und Beerdigungen statt. Außerdem versorgten wir die Hotelgäste mit Frühstück und – falls es von ihnen gewünscht wurde – mit Abendessen. Mum und Dad arbeiteten dort Tag und Nacht, sie pendelten ständig zwischen dem Hotel und unserem großen Haus hin und her, das sich gleich nebenan befand. Es war eine unerbittliche Methode, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, aber sie funktionierte. Ich wusste, in unserem Viertel gab es nicht viele Kinder, die eine Privatschule besuchen konnten und deren Eltern mit ihnen vier Wochen Urlaub im Ausland verbrachten.

Aber so viel harte Arbeit machte diese Urlaube auch zu etwas Kostbarem, das entsprechend perfekt geplant sein wollte. Schon früh am Morgen hatte Mum den letzten Koffer zugemacht und dann die Reisetasche mit Aspirin, Zahnpasta, Zahnbürsten, Malbücher und Ersatzhosen gepackt. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass alle Fahrkarten vorhanden waren, war es Zeit gewesen aufzubrechen.

Nur vier McConnells quetschten sich mitsamt Gepäck in dieses Pariser Taxi. Dad war diesmal nicht mitgekommen, nachdem er sich im Jahr zuvor fast während der gesamten Ferien nur lautstark über alles beklagt hatte. Mürrisch war er den Strandboulevard entlanggegangen und hatte immer wieder auf Restaurants gezeigt, in denen er zu Mittag essen wollte. Aber wir besuchten nie eines dieser Lokale, weil wir im Hotel Vollpension hatten. Das hatte für viel gereizte Stimmung zwischen meinen Eltern gesorgt.

»Alles ist im Preis inbegriffen und wir haben dafür bezahlt«, hatte Mum ihm in aller Ruhe gesagt, während Dad sich zum Mittagessen noch ein Glas Wein einschenkte und sie missmutig ansah. Sie war nie davon angetan gewesen, wenn er Alkohol trank, aber sie konnte nur wenig dagegen ausrichten. Schon gar nicht in diesem Jahr, da wir ohne Dad in die Ferien fuhren und er sich ganz allein um das Hotel kümmerte.

»Er wird da glücklicher sein«, hatte Mum mit aufgesetztem Lächeln gesagt, als er uns bei der Ausfahrt aus dem Glasgower Bahnhof hinterhergewinkt hatte. »Er hat ja seine Spirituosen, die ihm Gesellschaft leisten.«

Als ich das hörte, wünschte ich fast, ich wäre diejenige, die ihm Gesellschaft leistete, denn die Augusthitze am Gare du Nord war einfach unerträglich. Die schwarzen Ledersitze im Taxi waren sengend heiß und klebten an meinen nackten Oberschenkeln.

»Le Bristol, s'il vous plaît«, sagte Mum in ihrem besten Französisch zu dem jungen Taxifahrer, und dann ließen wir auch schon das Chaos am Bahnhof hinter uns zurück. Das Fünf-Sterne-Hotel im Herzen von Paris war für eine Nacht unser Zwischenstopp auf dem Weg nach Italien. Mum liebte den Glamour des Hotels aus den Zwanzigerjahren und wurde nie müde, uns zu erzählen, dass Könige dort schon genauso abgestiegen waren wie Prominente, unter anderem Mick Jagger und Sophia Loren.

Kaum hatten wir das Hotel betreten, schien Mum sofort etwas gerader dazustehen, so als würde der Anblick von so viel Pracht sie dazu veranlassen, den Rücken durchzudrücken und die Schultern zu straffen. Auf der Treppe strich sie mit einer Hand über das auf Hochglanz polierte Messinggeländer.

Sie liebte es hier, das konnte ich ihr anmerken. Wenn ich sah, wie sie uns anlächelte, dann war mir klar, dass meine Mutter das hier mehr wollte als alles andere: das vornehme Leben eines Luxusurlaubs und die einem damit zuteilwerdende Aufmerksamkeit. Hier kümmerte sich zur Abwechslung jeder um sie und ihre Wünsche, während sie sonst diejenige war, die für ihre Hotelgäste da sein musste. Hier war sie mal der Gast!

Später ging Mum mit uns zum Abendessen, der Weg führte durch die engen Straßen von Paris hin zu einem kleinen Café in einer der vielen Gassen. Ich atmete die Fremdartigkeit dieser Szenerie ein – Menschen jeden Alters und von unterschiedlichster Herkunft, Schicht und Hautfarbe, die sich in den exotischsten Sprachen miteinander unterhielten. Mum bestellte für sich ein Glas Sancerre, wir bekamen jeder eine Fanta. Sie wirkte hier so entspannt, wie ich sie in unserem Hotel noch nie erlebt hatte. Ohne meinen Dad an ihrer Seite wirkte sie glücklich und gelassen.

»Genau danach sehne ich mich«, gestand sie schließlich seufzend. »Nach allem hier! Ich hätte schon vor Jahren auf den Kontinent umziehen sollen. Ich hätte in Italien bleiben sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte. Gott allein weiß, wieso es mich nach Glasgow verschlagen hat, in dieses schäbige kleine Hotel, in dem ich Tag und Nacht schuften muss ...«

Und so ging es dann weiter. Es war ein vertrautes Klagelied. In der Zwischenzeit vertrieben Susy und ich uns die Zeit, indem wir mit Knabberstangen einen Schwertkampf vortäuschten. Als beide Stangen durchbrachen und auf dem Boden landeten, sahen wir schuldbewusst Mum an, weil wir fest damit rechneten, dass sie mit uns schimpfen würde.

Aber sie bekam davon gar nichts mit. Ausnahmsweise beobachtete sie uns nicht wie sonst auf Schritt und Tritt, wenn sie nur darauf achtete, ob es an unserem Erscheinungsbild oder an unserem Benehmen etwas auszusetzen gab. Nein, an dem Abend schien sie verträumt in die Ferne zu schauen, so als würde sie einen Blick auf ein anderes Leben werfen, das sie viel lieber führen würde.

Am nächsten Tag begannen wir unsere letzte Etappe auf unserer Reise in die Toskana. In Rom mussten wir umsteigen, dann trafen wir erst spät am Tag im noblen Badeort Forte Dei Marmi ein, der nicht ganz sechzig Kilometer von Pisa entfernt lag. Untergebracht waren wir in einem beeindruckenden Hotel, die Zimmer mit hohen Decken, überall opulente Farben und edle Stoffe. Der Manager persönlich hieß uns willkommen. Ich mochte Signor Adammo sehr, und kaum hatte ich ihn entdeckt, rannte ich zu ihm und sprang in seine Arme, während ich meine kurzen Arme um seinen Hals schlang, so gut ich konnte.

»Du hast mir so gefehlt!«, quiekte ich.

Mum lachte nervös, da sich durch meine öffentliche Bekundung meiner Zuneigung für diesen Mann in Verlegenheit gebracht fühlte. Sie umarmte niemanden, und erst recht küsste sie niemanden – dafür trat sie viel zu erhaben auf.

»Komm schon, Dawn, jetzt verärgere nicht Signor Adammo«, ermahnte sie mich.

»O nein, Signora«, erwiderte er und fuhr nachsichtig durch meine Haare. »Alles in Ordnung, kein Problem.«

Dann wandte er sich mir zu und fragte: »Ciao, Dawn, come stai?«

»Siamo molto bene!«, antwortete ich auf Italienisch, so gut ich das konnte. Endlich waren wir angekommen, jetzt konnte der Urlaub losgehen!

Diese Sommertage vergingen so rasend schnell. Sie huschten vorbei wie die Fische, die in alle Richtungen davonschossen, wenn ich ihnen beim Planschen im strahlend blauen Meer mit meinen kleinen Füßen zu nahe kam. Spätestens nach einer Woche hatten wir in unsere vertraute Routine gefunden.

Jeden Morgen nach dem Frühstück gingen wir vier zum Strand,...

Erscheint lt. Verlag 28.5.2021
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel I Own You
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Die Hölle war mein Zuhause • Ehemann • Erfahrungen • Erfahrungsbücher • Gewalt • Schicksal • Starke Frau • toxische Beziehung
ISBN-10 3-7517-1566-5 / 3751715665
ISBN-13 978-3-7517-1566-9 / 9783751715669
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