Die Stadt der Seher (eBook)

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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12133-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Stadt der Seher -  Christoph Hardebusch
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»Christoph Hardebusch schreibt Fantasy-Spektakel!« Bild am Sonntag Eine gewaltige Armee steht vor den Toren der Stadtrepublik Vastona. Während sich die Einwohner zum Krieg rüsten, entdeckt der Straßenjunge Marco ein furchtbares Geheimnis um den geheimen Orden der Seher. Er und seine Gefährten müssen die Stadt vor dem sicheren Untergang retten. In der blühenden Stadtrepublik Vastona wird der Waisenjunge Marco in den Orden der Seher aufgenommen, der ihm eine Zukunft jenseits der Straßen verspricht. Er freundet sich mit Elena an, einem Mädchen aus ärmsten Verhältnissen, die in den Manufakturen arbeitet, um ihre Familie zu ernähren. Als ein gewaltiger Krieg droht, die Stadt zu erfassen und alles zu zerstören, was sie kennen, müssen sich Marco und Elena ungewöhnliche Verbündete suchen, um das Schlimmste zu verhindern. Denn die wahre Gefahr ist viel größer, als sie ahnen - und sie lauert direkt im Herzen der Stadt.

Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierte Anglistik und Medienwissenschaft in Marburg und arbeitete anschließend als Texter bei einer Werbeagentur. Seit dem großen Erfolg seines Debütromans »Die Trolle« ist er als freischaffender Autor tätig. Christoph Hardebusch lebt mit seiner Frau in München.

Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierte Anglistik und Medienwissenschaft in Marburg und arbeitete anschließend als Texter bei einer Werbeagentur. Seit dem großen Erfolg seines Debütromans »Die Trolle« ist er als freischaffender Autor tätig. Christoph Hardebusch lebt mit seiner Frau in München.

1. Kapitel


Noch eine weitere Nacht überleben.

Wie jeden Abend war Marcos Bitte an die unsichtbaren Mächte kurz, aber dafür voller Inbrunst. Tief in sich hoffte er, dass jemand – oder etwas – über ihn wachte, doch die Jahre der Entbehrungen hatten dafür gesorgt, dass er sich zu allererst auf sich selbst verließ, statt sein Vertrauen in andere zu setzen.

Manchmal beneidete er diejenigen, die das konnten. So schlimm ihr Leben auch sein mochte, im festen Glauben an etwas Größeres fanden sie Kraft und Halt. Aber es schützte sie nicht.

Sein Schlafplatz war besser als die meisten, die er für gewöhnlich gefunden hatte. Ein alter Erker über ihm schützte vor dem gröbsten Regen, und wenn er sich in das Kellerfenster an die Gitterstäbe legte, entging er dem Wind, der nachts oft durch die Straßen von Vastona wehte.

Die Gasse, in die er sich nachts verkroch, lag abseits der großen Straßen und die nächste Kaschemme war weit entfernt, so dass sich in der Dunkelheit selten jemand hierher verirrte. Und diejenigen, die es doch taten, ignorierten das reglose Bündel, das sich dort verbarg.

Jetzt, in der heißen Jahreszeit war es weitaus angenehmer als im Winter. Die Nächte blieben mild und es regnete selten. Die Bauern jenseits der großen Mauern mochten über die dürre Hitze stöhnen, für einen Straßenjungen wie Marco war sie ein Segen.

Wie jede Nacht rollte er sich um seine spärliche Habe zusammen, die eingeschlagen in ein löchriges, altes Tuch kaum größer als ein Kürbis war. Für viele Bürger der Stadt mochte die magere Sammlung von Tau, einer kleinen verbeulten Metalldose und allerlei sonstigen Fundstücken Abfall sein, aber Marco wusste, dass es genug andere gab, die ihm seinen mageren Besitz stehlen oder ihm dafür einfach den Schädel einschlagen würden.

Die Dächer der Häuser über ihm ließen kaum einen Spalt hellen Himmels erkennen. Als wären sie alt, lehnten sie sich über die Gasse. So lag alles selbst in dieser mondhellen Nacht in tiefe Schatten gehüllt.

Weshalb Marco die Gestalten erst bemerkte, als es schon zu spät war. Halb war er bereits in den Schlaf gedriftet, doch als er die Neuankömmlinge wahrnahm, war er sofort wieder hellwach.

Vorsichtig spähte er aus seinem Versteck, das Gesicht in der Beuge seines Arms verborgen, ein Auge gerade so weit darüber, dass er die Gasse entlang sehen konnte. Es waren drei, ob Männer oder Frauen, konnte er nicht erkennen. Sie huschten zwischen den Gebäuden hin und her, und schon an ihren Bewegungen erkannte Marco, dass sie Ärger mit sich brachten.

Am liebsten wäre er fortgelaufen, doch die drei waren bereits zu nah. So hoffte er darauf, dass die Dunkelheit ihn gut genug verbergen würde.

Eine Gestalt ging von links nach rechts, bückte sich, stocherte mit einem Stock im Abfall herum, der am Rand der Gasse vor sich hin faulte. Zehn Meter waren sie noch entfernt und ihr Gang verlangsamte sich, als ob sie etwas suchten. Marco schlug das Herz bis zum Hals und ihm war kalt.

Fünf Meter, dann zwei. Er schloss die Augen, hielt den Atem an. In der nächtlichen Stille waren ihre Schritte zu hören, unregelmäßig, suchend.

Eine Berührung, ein unsanfter Stoß mit etwas Spitzem in seinen Rücken. Marco wagte nicht, sich zu bewegen, biss sich in den Unterarm.

»Ist da was?«

Es war eine leise Stimme, rau, die Worte mehr gespuckt als gesprochen.

»Mehr Dreck«, antwortete eine Frau etwas lauter. »Oder, warte mal …«

Wieder traf Marco der Stock, diesmal in die Rippen. Unwillkürlich zuckte er zusammen.

Ein Lachen wehte von der Mündung der Gasse herüber.

»Leise«, zischte die Frau. Schritte entfernten sich ein Stück von Marco. Stille senkte sich herab.

Trotz seiner Angst öffnete Marco die Augen. Der Teil der Gasse, den er einsehen konnte, war leer. Noch immer lauschte er in die Dunkelheit, doch jetzt war nichts mehr zu hören. Dankbar entließ er die Luft aus seiner Brust.

Überraschend traf ihn ein harter Schlag auf den Rücken. Marco schrie vor Überraschung und Schmerz auf.

»Du kleine Ratte.« Eine Hand packte sein fleckiges Hemd. »He! Hier haben wir einen!«

Marco wich zurück, seine nackten Füße kratzten über den Schmutz der Gasse. Er warf sich herum und es gelang ihm, den Griff zu brechen. Sofort machte er sich auf allen vieren davon.

Jemand sprang ihm in den Weg, die Arme ausgebreitet und den Mund aufgerissen. Marco drehte sich um, aber da waren die anderen beiden, blockierten jede Fluchtmöglichkeit. Rückwärts kroch er von ihnen fort, bis er die Mauer des Hauses in seinem Rücken spürte.

»Eine Ratte«, erklärte die Frau mit dem Stock und stieß nach ihm. Marco wich aus, so gut er konnte, doch alle drei kamen langsam näher, kreisten ihn ein, trieben ihn in die Enge.

Im fahlen Licht des Mondes konnte er kaum Details ausmachen, doch er sah ihre dunkle, einfache Kleidung, die schmutzigen Gesichter. Keine Wachen, die gekommen waren, um ihn zu verhaften, keine jungen Tunichtgute, die darauf aus waren, mit den Ärmsten der Stadt ihren Spaß zu haben.

»Ich hab’ nix«, rief er ihnen zu, so laut er es wagte. Einer der drei, ein kleiner Mann mit einer flachen Mütze auf dem dunklen Haar, sah sich um, aber er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Niemand hier würde des Nachts Fenster oder gar eine Tür öffnen, nur weil auf den Straßen geschrien wurde. Die Bürger Vastonas wussten es besser.

»Oh doch«, antwortete die Frau und lachte finster. »Für dich bekommen wir zwölf Silberne, du Ratte.«

Verwirrt runzelte Marco die Stirn. Wer sollte so viel Geld für einen wie ihn bezahlen? Dann kamen ihm die Gerüchte in den Kopf. Doktoren der Universität, denen die Leichen aus den Armenhäusern nicht genug für ihre Sezierübungen waren. Oder – Marco schluckte – reiche Männer, die Schreckliches im Sinn hatten. Wofür auch immer, niemand bezahlte eine solche Summe, ohne dass es für Marco schlimm endete.

»Lasst mich«, rief er. Er ließ den Blick schweifen, suchte nach einem Ausweg. Doch die drei Häscher verstanden ihr Handwerk. Gebückt, mit den Armen jede Lücke zwischen ihnen verschließend, kamen sie näher und näher. Sie wirkten riesig auf Marco, schienen die ganze Gasse auszufüllen.

Hände packten ihn, zerrten ihn hoch. Er wehrte sich. Ein Hieb traf ihn am Kopf. Sein Atem ging schnell, sein Herz raste. Er bemerkte kaum, wie sein Besitz auf den Boden fiel.

Zwei Arme schlangen sich um ihn, pressten seine Arme an seine Seiten, hielten ihn gnadenlos fest.

»Los, mach schon«, drängte die Frau. Der dritte Mann trat an Marco heran, in seinen Händen ein schäbiger Sack, dessen schwarze Öffnung immer größer vor Marcos Augen wurde.

In seiner Verzweiflung schlug Marco den Kopf nach hinten. Der Mann, der ihn hielt, keuchte auf. Dann grub Marco seine Zähne in dessen Arm. Damit entlockte er ihm ein Heulen.

Der Griff lockerte sich, als Marco Blut schmeckte. Das Fleisch seines Angreifers war Übelkeit erregend weich, aber Marco biss so fest zu, wie er konnte.

Um ihn drehte sich die Welt, als der Mann zurücktaumelte. Die andere Hand ließ ihn los, schlug hart gegen seine Schulter.

»Weg! Weg!«

Sofort kam Marco dem Befehl nach, ließ von dem Mann ab, rutschte aus dessen Griff und fiel auf den harten Boden. Der Stock traf ihn erneut am Rücken.

Doch Marco rannte bereits, erst auf allen vieren, dann kam er auf die Füße. Die Häuser flogen vorbei.

»Hol’ ihn dir«, folgte ihm der Schrei der Frau, während der Gebissene laut fluchte.

»Du kleiner Bastard! Verdammte Scheiße! Ich zieh dir die Haut ab, du Ratte! Wir erwischen dich! Wir kriegen dich!«

Marco rannte so schnell wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er erreichte die Mündung der Gasse und warf sich nach links, ohne groß nachzudenken. Dort lag das Viertel der Tagelöhner und Dockarbeiter, ein endloses Gewirr aus Hinterhöfen und engen Gassen. Sein Revier.

Doch seine Verfolger waren ihm auf den Fersen. Er konnte ihre Stimmen hören, ja sogar ihre Schritte. Stiefel auf dem Boden, harte, schnelle Tritte. Jäger auf den Fersen ihrer Beute.

Renn, war alles, was er denken konnte. Jeder Atemzug brannte in seiner Brust, die bloßen Sohlen klatschten auf Dreck und Pflastersteine.

Ein Sprung über einen dunklen Klumpen in seinem Weg, rechts-links durch zwei Gassen, über einen Hof, sich dann durch einen niedrigen Holzzaun quetschen. Gänse, die empört ...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2021
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy • High Fantasy • Krieg • Roman
ISBN-10 3-608-12133-1 / 3608121331
ISBN-13 978-3-608-12133-9 / 9783608121339
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