Kubanisches Tagebuch (eBook)

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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30236-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kubanisches Tagebuch -  Ernesto Che Guevara
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Ein Leben gegen die Ungerechtigkeit -Kubanisches Tagebuch. Drei Jahre lang notiert der junge Arzt Che Guevara die Geschichte der kubanischen Revolution. Wir lesen von seiner ersten Begegnung mit Fidel Castro, den entscheidenden Kämpfen in der Sierra Maestra und aus dem Alltag der Befreiungsarmee. Ein Dokument der Zeitgeschichte.

Ernesto »Che« Guevara wurde am 14. Mai oder Juni 1928 im argentinischen Rosario geboren. Nach einem Medizinstudium und ausführlichen Reisen durch Lateinamerika traf er 1954 eine Gruppe kubanischer Revolutionäre, die in Mexiko im Exil lebten. Nach zweijährigem Guerillakrieg als Commandante, an der Seite Fidel Castros, trat er 1959 in die Revolutionsregierung auf Kuba ein. 1964 trat er von allen Ämtern zurück und ging 1966 nach Bolivien, um die Revolution weiterzutragen. Dort wurde er ein Jahr später erschossen.

Ernesto »Che« Guevara wurde am 14. Mai oder Juni 1928 im argentinischen Rosario geboren. Nach einem Medizinstudium und ausführlichen Reisen durch Lateinamerika traf er 1954 eine Gruppe kubanischer Revolutionäre, die in Mexiko im Exil lebten. Nach zweijährigem Guerillakrieg als Commandante, an der Seite Fidel Castros, trat er 1959 in die Revolutionsregierung auf Kuba ein. 1964 trat er von allen Ämtern zurück und ging 1966 nach Bolivien, um die Revolution weiterzutragen. Dort wurde er ein Jahr später erschossen.

Das Gefecht am La Plata


Der Angriff auf eine kleine Kaserne, die an der Mündung des La-Plata-Flusses in der Sierra Maestra lag, brachte unseren ersten Sieg und fand eine gewisse Resonanz, die über die felszerklüftete Gegend hinausreichte, in der sich jener Kampf abspielte. Es war ein Warnsignal für alle, der Beweis, dass die Rebellenarmee existierte und zu kämpfen bereit war, und für uns bedeutete er die erneute Bestätigung, dass unser Sieg möglich war.

Am 14. Januar 1957, etwas mehr als einen Monat nach dem Überraschungsangriff von Alegría de Pío, machten wir an dem Fluss Magdalena halt, der vom La Plata durch einen Bergrücken getrennt ist; dieser erstreckt sich von der Sierra Maestra bis zum Meer und trennt die beiden kleinen Flusstäler. Dort führten wir auf Fidels Befehl einige Schießübungen durch, um die Männer etwas zu trainieren; einige schossen zum ersten Mal in ihrem Leben. Dort badeten wir uns auch, nachdem wir viele Tage lang die Hygiene vernachlässigt hatten, und wer konnte, wechselte seine Wäsche. Damals hatten wir dreiundzwanzig einsatzfähige Waffen: neun Gewehre mit Zielfernrohr, fünf halb automatische, vier Hinterlader, zwei Thompson-Maschinengewehre, zwei Maschinenpistolen und ein Gewehr Kaliber 16. Am Nachmittag jenes Tages stiegen wir den letzten Bergkamm hinauf, bevor wir die Umgebung des La Plata erreichten. Wir folgten einem schmalen Waldpfad, der sehr wenig benutzt wurde und den Melquiades Elías, ein Bauer aus dieser Gegend, mit der Machete speziell für uns gekennzeichnet hatte. Seinen Namen erfuhren wir von unserem Führer Eutimio, der in jener Zeit für uns unentbehrlich war und sich als typischer Vertreter der aufständischen Bauern zeigte; wenig später aber wurde er von Casillas gefangen genommen, der ihn nicht tötete, sondern ihn stattdessen mit dem Angebot von zehntausend Pesos und einem Rang in der Armee kaufte, wenn er Fidel umbringen würde. Er war ganz nahe daran, sein Vorhaben zu verwirklichen, doch fehlte ihm der Mut, es auszuführen; trotzdem waren seine Aktionen von großer Bedeutung, weil er unsere Lagerplätze verriet.

In jener Zeit diente Eutimio uns ehrlich; er war einer der vielen Bauern, die für ihr Land gegen die Grundbesitzer des Gebietes kämpften, und wer gegen die Grundbesitzer kämpfte, kämpfte gleichzeitig gegen die Polizei, die im Dienst jener Klasse stand.

An jenem Tag nahmen wir unterwegs zwei Bauern gefangen, die, wie sich herausstellte, Verwandte unseres Führers waren: Einen von ihnen ließen wir frei, doch den anderen hielten wir aus Vorsicht fest. Am nächsten Tag, dem 15. Januar, entdeckten wir in der Ferne die noch im Bau befindliche La-Plata-Kaserne mit ihren Zinkdächern, und wir sahen eine Gruppe halb nackter Männer, an denen man trotzdem die feindliche Uniform erriet. Wir konnten beobachten, wie um sechs Uhr nachmittags, bevor die Sonne unterging, ein Boot mit Soldaten kam, von denen einige ausstiegen und dafür andere zustiegen. Da wir das Manöver nicht recht einschätzen konnten, entschlossen wir uns, den Angriff auf den folgenden Tag zu verschieben.

Vom Morgengrauen des 16. an begannen wir, die Kaserne zu beobachten. Das Küstenwachtschiff hatte sich in der Nacht zurückgezogen; wir begannen mit Erkundungsarbeiten, aber nirgends waren Soldaten zu sehen. Um drei Uhr nachmittags entschlossen wir uns, uns dem Weg zu nähern, der von der Kaserne am Fluss aufsteigt, um zu versuchen, etwas zu beobachten; als es Abend wurde, überquerten wir den La-Plata-Fluss, der ganz flach ist, und wir gingen am Weg in Stellung; nach fünf Minuten nahmen wir zwei Bauern gefangen. Einer der Männer war früher einige Male als Denunziant aufgetreten; als sie erfuhren, wer wir waren, und als wir ihnen klarmachten, dass wir ihnen gegenüber keine guten Absichten hätten, wenn sie nicht offen redeten, gaben sie wertvolle Informationen. In der Kaserne befanden sich einige Soldaten, ungefähr fünfzehn, und außerdem sollte kurz darauf einer der drei berüchtigten Aufseher des Gebietes vorbeikommen: Chicho Osorio. Diese Aufseher gehörten zum Gut der Familie Laviti, die sich einen riesigen Grundbesitz geschaffen hatte und ihn durch Terror mithilfe solcher Individuen wie Chicho Osorio zusammenhielt. Nach kurzer Zeit erschien der genannte Chicho; er war betrunken und saß auf einem Maulesel; hinter sich hatte er rittlings einen kleinen Schwarzen sitzen. Universo Sánchez hielt ihn im Namen der Guardia Rural[1] an, und dieser antwortete rasch: »Moskito« – das war das Losungswort.

Trotz unseres Spitzbubenaussehens, vielleicht dank der hochgradigen Trunkenheit dieses Subjektes, konnten wir Chicho Osorio täuschen. Fidel sagte ihm mit entrüsteter Miene, er wäre ein Oberst der Armee, der gekommen sei, um zu untersuchen, aus welchem Grund man die Aufständischen noch nicht liquidiert hätte, er selbst würde in die Wälder gehen, und deshalb sei er unrasiert, es wäre ein »Mist«, was die Armee gegenwärtig zuwege brächte; schließlich sprach er ziemlich abfällig über die Aktionsfähigkeit der gegnerischen Kräfte. Mit großer Unterwürfigkeit erzählte Chicho Osorio, dass die Posten tatsächlich ihre Zeit in der Kaserne totschlügen, dass sie nur essen und nicht handeln würden, dass sie unwichtige Patrouillen machten. Er verkündete hochtrabend, dass man alle Aufständischen liquidieren müsse. Diskret wurde damit begonnen, eine Bestandsaufnahme der Freunde und Feinde in dieser Gegend vorzunehmen, indem man Chicho Osorio über die Leute ausfragte, und das natürlich mit umgekehrten Vorzeichen: Wenn Chicho sagte, dass jemand schlecht sei, hatten wir schon einen Grund, ihn für gut zu halten. So sammelten wir etwas über zwanzig Namen, und der Denunziant redete weiter; er erzählte uns, wie er zwei Männer an jenem Ort getötet hatte, »aber mein General Batista ließ mich sofort frei«. Er berichtete uns, wie er gerade ein paar Bauern, die sich »ein bisschen ungezogen« aufgeführt hätten, geohrfeigt hatte und dass außerdem, entsprechend seinen eigenen Worten, die Soldaten unfähig wären, so etwas zu tun; sie ließen die Leute reden, ohne sie zu bestrafen. Fidel fragte ihn, was er mit Fidel Castro in dem Fall machen würde, dass er ihn zu fassen bekäme, und darauf antwortete er mit erläuternder Geste, dass man ihm die … zerquetschen müsste … Die gleiche Meinung äußerte er über Crescencio. »Schauen Sie«, sagte er und zeigte auf die Schuhe unserer Truppe, die mexikanisches Fabrikat waren, »von einem dieser Hurensöhne, die wir umgelegt haben.« Da hatte Chicho Osorio, ohne es zu wissen, sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Schließlich zeigte er sich infolge der geschickten Anspielungen Fidels bereit, uns zu führen, um alle Soldaten zu überraschen und ihnen zu beweisen, dass sie sehr schlecht vorbereitet waren und ihre Pflicht nicht erfüllten.

Wir näherten uns der Kaserne und hatten als Führer Chicho Osorio, obwohl ich persönlich nicht sehr sicher war, ob dieser Mann uns nicht schon durchschaut hatte. Trotzdem lief er ganz unbefangen weiter, denn er hatte so viel getrunken, dass er nicht zurechnungsfähig war. Als wir wieder den Fluss überquerten, um an die Kaserne heranzukommen, sagte Fidel ihm, die militärischen Vorschriften verlangten, dass ein Gefangener gefesselt sein müsse. Der Mann leistete keinen Widerstand, er ging als Gefangener weiter, ohne es zu wissen. Er erklärte, dass der einzige existierende Wachposten sich in einem Eingang der im Bau befindlichen Kaserne oder im Haus eines anderen Aufsehers befände, der Honorio heiße, und er führte uns bis an eine der Kaserne nahen Stelle, wo der Weg nach Macío kreuzte. Compañero Luis Crespo, heute Comandante, wurde zur Erkundung ausgeschickt und kehrte mit der Nachricht zurück, dass die Informationen des Aufsehers richtig wären, denn man sähe die beiden Bauten und zwischen ihnen die roten Punkte der Zigaretten der Wachposten.

Als wir uns schon zum Vorrücken bereit gemacht hatten, mussten wir uns verstecken und drei berittene Polizisten vorüberlassen, die einen Gefangenen zu Fuß wie einen Maulesel hinter sich herzogen. Er ging an mir vorbei, und ich erinnere mich der Worte des armen Bauern: »Ich bin wie ihr«, und an die Antwort eines Mannes, den wir später als den Gefreiten Basol identifizierten: »Halt den Mund und geh weiter, bevor ich dich mit Peitschenhieben vorwärtstreibe.« Wir glaubten, dass dieser Bauer außer Gefahr bliebe, wenn er nicht in der Kaserne und unseren Kugeln im Augenblick des Angriffs ausgesetzt wäre; trotzdem wurde er am nächsten Tag, als sie von dem Kampf und seinem Ausgang erfuhren, niederträchtig in Macío ermordet.

Wir hatten den Angriff mit zweiundzwanzig einsatzfähigen Waffen vorbereitet. Es war ein wichtiger Augenblick, denn wir hatten sehr wenig Munition; wir mussten die Kaserne auf jeden Fall einnehmen; sie nicht einzunehmen würde bedeuten, die gesamte Munition zu verbrauchen und praktisch wehrlos zu bleiben. Compañero Leutnant Julito Díaz, der später ruhmreich in El Uvero fiel, sowie Camilo Cienfuegos, Benítez und Calixto Morales sollten mit halb automatischen Gewehren das Palmenhaus an der äußersten Rechten umzingeln. Fidel, Universo Sánchez, Luis Crespo, Calixto García, Fajardo – heute ist er Comandante, er trägt den gleichen Familiennamen wie unser Arzt, Piti Fajardo, der im Escambray-Gebirge fiel – und ich sollten im Zentrum angreifen, Rául mit seiner Gruppe und Almeida mit der seinen von links.

So näherten wir uns den feindlichen Stellungen, bis wir auf ungefähr vierzig Meter herangekommen waren. Der Mond schien hell. Fidel eröffnete das Feuer mit zwei Maschinengewehrsalven, und darauf setzten alle verfügbaren Gewehre ein. Man forderte die Soldaten sofort zur...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2021
Übersetzer Horst-Eckart Gross
Zusatzinfo 27 s/w-Fotos, 2 Dokumente
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 1956-1959 • Befreiungskrieg • Bolivianisches Tagebuch • Diktatur • Ernesto Che Guevara • Film Che-Revolucion • Kuba • Neuausgabe • Revolution • Tagebuch
ISBN-10 3-462-30236-1 / 3462302361
ISBN-13 978-3-462-30236-3 / 9783462302363
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