Heimlich (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
464 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2591-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Heimlich -  James Ellroy
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Frauen und Golf - am liebsten frönt der jungen Streifenpolizist Fred Underhill beiden Leidenschaften zugleich. Bis ein brutaler Frauenmörder seine blutige Spur durch Los Angeles zieht, und Underhill die Chance seines Lebens wittert: Er will nach oben, und zwar um jeden Preis. 'Ellroy ist ein amerikanisches Phänomen, eine Kultgestalt zwischen Thomas Pynchon und Jeff Koons.' Die Zeit 'Ellroy ist der wohl wahnsinnigste unter den lebenden Dichtern und Triebtätern der amerikanischen Literatur.' Süddeutsche Zeitung 'Er schreibt die blutigsten Krimis Amerikas.' Zeit-Magazin 'Anarchisch kaputt, sexbesessen und mit einem unheimlichen Gespür für alles Pathologische, Zerstörerische ... Aus seinen Büchern weht der Wind des Bösen.' Bücherjournal 'Ellroy ist der wichtigste zeitgenössische Kriminalautor... seine Romane beginnen da, wo die Recherchen der Polizei nicht mehr weiterführen, und wenn sie enden, sind die Morde zwar geklärt, aber nichts wird dadurch besser.' Der Spiegel 'Einer der größten amerikanischen Autoren aller Zeiten.' L.A. Times

James Ellroy, Jahrgang 1948, begann seine Schriftstellerkarriere 1981 mit Browns Grabgesang. Mit Die Schwarze Dahlie gelang ihm der internationale Durchbruch. Unter anderem wurde Ellroy fünfmal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zahlreiche Bücher wurden verfilmt, darunter L.A. Confidential.

James Ellroy, Jahrgang 1948, begann seine Schriftstellerkarriere 1981 mit Browns Grabgesang. Mit Die Schwarze Dahlie gelang ihm der internationale Durchbruch. Unter anderem wurde Ellroy fünfmal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zahlreiche Bücher wurden verfilmt, darunter L.A. Confidential.

1


Wacky und ich waren seit drei Monaten zusammen, als Night Train in unser Leben trat. Der Wachhabende erzählte uns von ihm, als wir in unseren schwarz-weißen 48er Ford einstiegen, der vor der Wilshire-Wache geparkt war.

»Walker. Underhill. Kommt mal kurz rüber«, rief er uns zu. Wir gingen zu ihm. Er hieß Gately; er war unrasiert und lächelte. »Der Lieutenant hat was Tolles für euch. Ihr Golfspieler habt immer Glück. Mögt ihr Hunde? Ich hasse Hunde. Da iss ’n Hund, der kleine Kinder terrorisiert. Er klaut ihnen ihr Mittagessen. Drüben in der Grundschule Ecke Orange Drive und Olympic Boulevard. Ein böser alter Mülleimer-Hund. Gehörte früher einem Penner. Der Hausmeister der Schule hat ihn geschnappt. Sagt, er würde ihn umbringen oder ihm die Eier abschneiden. Die Kerle vom Städtischen Tieramt ham was gegen das Gequieke, die denken, der Hausmeister ist verrückt. Ihr zwei bringt den alten Köter ins Tierheim. Erschießt ihn ja nicht, da sind lauter kleine Kinder. Könnten sich erschrecken. Ihr Golf-Kerle habt immer Glück.«

Wacky lenkte den Schwarz-Weißen auf den Pico Boulevard; er lachte und redete in Versen, was er manchmal tat, wenn der Kaffee den Restalkohol der letzten Nacht reaktivierte.

»Verbleiche denn, du edles Biest, das, was wir tun, uns nie verdrießt, o edler Hund, bald unser Fund, auf Zwingers Grund schlägt dir die Stund!«

Ich lachte, während Wacky weitermachte und dem Straßenpflaster seine Verse einhämmerte. Der Hausmeister war ein dicker Japaner um die fünfzig. Wacky schaute ihn an und wackelte dabei mit den Augenbrauen, was das Eis brach und ihm einen Lacher einbrachte. Er führte uns zu dem Hund, der in einem transportablen Baustellenklo eingeschlossen war. Als wir näher kamen, konnte ich hören, wie sich aus dem dünnwandigen Gebilde ein durchdringendes Jaulen erhob. Auf das verabredete Zeichen von Wacky trat ich ein Loch in die Seite der Toilette und schob unser Mittagessen hinein – zwei Schinken-Käse-Sandwiches, ein Sardinen-Sandwich, ein Roggenbrot mit Roastbeef und zwei Äpfel. Wütendes Kauen war zu hören. Ich riss die Tür auf, erhaschte einen flüchtigen Blick von einer dunklen, haarigen Gestalt mit glitzernden, scharfen Zähnen und verpasste ihr eine mit voller Kraft direkt aufs Maul. Sie brach zusammen und spuckte dabei etwas Schinken-Sandwich aus. Wacky zog den Hund nach draußen.

Er war ein gut aussehender schwarzer Labrador – aber sehr dick. Er hatte ein riesiges Gehänge, das beim Gehen über den Boden schleifen musste. Wacky war in ihn verliebt. »Oooh, Freddy, schau dir das arme Baby an. Oooh.« Er hob den bewusstlosen Hund auf und wiegte ihn in seinen Armen. »Oooh, Onkel Wacky und Onkel Freddy bringen dich aufs Revier und finden ein nettes Zuhause für dich. Oooh.«

Der Hausmeister beäugte uns misstrauisch. »Ihr töten Hund?«, fragte er, wobei er einen Finger quer über die Kehle zog und Wacky nachschaute, der seinen neu gefundenen Freund liebevoll zum Streifenwagen trug.

Ich stieg auf der Fahrerseite ein. »Wir können diesen Köter nicht mit auf die Wache nehmen«, sagte ich.

»Blödsinn. Wir verstecken ihn im Umkleideraum. Wenn wir freihaben, nehme ich ihn mit nach Hause. Dieser Hund wird mein Caddy sein. Ich werde ihm ein Geschirr anlegen, sodass er meine Tasche ziehen kann.«

»Beckworth wird dir in den Arsch treten.«

»Beckworth kann mich am Arsch lecken. Kümmer du dich um Beckworth.«

Der Hund wachte auf, als wir auf den Parkplatz des Reviers einbogen. Er fing wütend an zu bellen. Ich drehte mich auf meinem Sitz um, um ihm noch eine zu verpassen, aber Wacky hielt meinen Arm zurück. »Oooh«, sagte er zu dem Biest, »oooh, oooh!« Und der Hund war ruhig.

Ich führte den Hund durch den Hintereingang in den Umkleideraum. Wacky lief rasch zu der Würstchenbude neben Sears und kam mit sechs Cheeseburgern zurück. Ich tätschelte den Hund gerade vor meinem Spind, als Wacky zurückkam und den schmierigen Fraß vor mir auf den Boden fallen ließ. Der Hund grub seine Zähne rein, und Wacky und ich schlossen die Tür ab und gingen wieder auf Streife. So begann die Odyssee von Night Train, wie der Hund heißen sollte.

Als wir in jener Nacht von unserer Tour zurückkehrten, hörten wir vom Umkleideraum her Reuben Ramos’ Saxofon heulen. Reuben ist ein Motorrad-Polizist, der durch die Arbeit beim Sittendezernat auf der 77th Avenue zu seiner Liebe zum Jazz gefunden hatte. Da filzte er regelmäßig die Bebop-Kneipen auf der Central Avenue, auf der Suche nach Nutten, Buchmachern und Drogensüchtigen. Er brachte sich das Saxofonspielen selbst nach Gehör bei – hauptsächlich Heulen und schräge Töne, aber manchmal fährt er auf eine einfache Melodie wie »Green Dolphin Street« ab. Heute Abend heizte er richtig ein – das Leitthema von »Night Train« immer und immer wieder.

Als Wacky und ich den Umkleideraum betraten, trauten wir unseren Augen nicht. Reuben hatte kurze Jockey-Hosen an, verrenkte sich fürchterlich und stieß dabei die wilden ersten Noten von »Night Train« aus, während der dicke schwarze Labrador sich rücklings auf dem Betonboden wälzte, jaulte und einen gewaltigen Urinstrahl hoch in die Luft schoss. Scharen von Polizisten kamen rein und gingen angeekelt gleich wieder hinaus. Reuben war der Sache müde und ging nach Hause zu Frau und Kindern. Übrig blieb Wacky, der irgendwas von dem »Genius« des Hundes herumbrüllte.

Wacky gab dem Hund den Namen »Night Train« und nahm ihn mit zu sich nach Hause. Wochenlang spielte er dem Hund Platten mit Saxofonmusik vor und fütterte ihn mit Steaks, alles in der fruchtlosen Hoffnung, aus ihm einen Caddy zu machen. Schließlich gab Wacky auf, stellte fest, dass Night Train ein Freigeist war, und ließ ihn laufen. Wir dachten, das wäre das Letzte gewesen, was wir von dem Viech sahen – aber wir irrten. Er sollte in der Geschichte des Los Angeles Police Department einen legendären Status erhalten.

Zwei Tage nach seiner Freilassung erschien Night Train wieder auf der Wilshire-Wache mit einer toten Katze in seinen Fängen. Der Wachhabende jagte ihn raus und warf die Katze in einen Abfalleimer. Am nächsten Tag erschien Night Train mit einer weiteren toten Katze. Dieses Mal wurde er – mit der Katze im Maul – wieder hinausgejagt. An diesem Tag kehrte er mit derselben Katze wieder, die noch etwas mitgenommener aussah. Er kam rechtzeitig zurück, denn Wacky und ich hatten gerade Dienstschluss. Als Night Train Wacky sah, ließ er vor lauter Freude die bös zugerichtete Katze, seine Liebesgabe, fallen, lief in Wackys ausgestreckte Arme und pisste ihm über die ganze Uniform. Wacky trug Night Train in mein Auto und schloss ihn ein. Und Wacky war sauer auf Lieutenant Beckworth. Beckworth hätte ihm zwei Kisten Cutty Sark mit 75 Prozent Nachlass aus einem Hehlernest mitbringen sollen, aber er hatte sein Versprechen nicht gehalten.

Wacky wollte sich rächen, also holte er sich die zerfetzte, tote Katze und brachte mit einer Stecknadel einen Zettel an ihrem Fell an. Auf dem Zettel stand: »Das ist die einzige Muschi, die du je kriegen wirst, du schäbiger Schwanzlutscher!« Dann legte er die Katze dem Lieutenant auf den Schreibtisch.

Beckworth fand sie am nächsten Morgen und drehte durch. Er ließ einen richtigen Steckbrief für den Hund anschlagen. Er musste nicht weit suchen. Night Train wurde da entdeckt, wohin er in der Nacht zuvor gebracht worden war – auf dem Rücksitz meines Wagens. Mit mir konnte Beckworth sich nicht anlegen, weil er wusste, dass ich seine Golfstunden abbrechen könnte, aber Night Train konnte er todsicher in die Scheiße tauchen. Er ließ den Hund verhaften und in die Ausnüchterungszelle bringen. Das war genau das Falsche. Night Train griff drei Penner an und brachte sie beinahe um. Als der Wärter von ihren Schreien aufgeschreckt wurde und reinstürmte, um die Zellentür zu öffnen, rannte Night Train an ihm vorbei durch die Tür des Wilshire-Reviers, über den Pico Boulevard bis nach Hause in Wackys Wohnung. Dort lebten die beiden dann – hörten Saxofonmusik und lebten glücklich bis ans Ende der letzten Saison meiner Jugend.

Eine Woche nach dem Zwischenfall mit der Katze war Beckworth noch immer sauer.

Wir waren auf dem Übungsplatz in Rancho-Park, wo ich – erfolglos – versuchte, seinen fürchterlichen Slice zu verbessern. Auf der Tagschicht arbeiten zu dürfen kostete einen hohen Preis.

»Scheiße. Verdammte Scheiße. O Gott«, murmelte Beckworth vor sich hin. »Zeig’s mir noch mal, Freddy.«

Ich schnappte mir sein 3er Eisen und schickte einen Sanften auf die Reise. Zweihundert Meter. Direkt. »Schultern nach hinten, Lieutenant. Füße mehr zusammen. Langen Sie nicht nach dem Ball, gehn Sie ihm entgegen.«

Er beherrschte es perfekt. So lange, bis er seinen Schläger schwang. Dann machte er alles so, wie ich es ihm nicht gesagt hatte, und gurkte den Ball ungefähr zehn Meter weit.

»Sachte, Lieutenant. Probieren Sie’s noch mal.«

»Gottverdammt, Freddy, ich kann heute nicht denken. Golf ist neunzig Prozent Konzentration. Ich hab die...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2022
Übersetzer Wolfgang Determann
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • Femizid • Frauen • Kalifornien • Kriminalität • L.A. • LAPD • Los Angeles • Mord • Mörder • Thriller • Verbrechen
ISBN-10 3-8437-2591-8 / 3843725918
ISBN-13 978-3-8437-2591-0 / 9783843725910
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,9 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99