Kinderklinik Weißensee - Jahre der Hoffnung (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
432 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2454-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kinderklinik Weißensee - Jahre der Hoffnung -  Antonia Blum
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Krankheit und Hoffnung in der Weimarer Republik: Marlene und Emma kämpfen für ihre kleinen Patienten Berlin 1918: Marlene Lindow ist glücklich, nach ihrem Medizin-Studium wieder in der Kinderklinik Weißensee arbeiten zu können. Die meisten Ärzte wurden in Lazarette befohlen, so dass sie die kleinen Patienten oft allein behandeln muss. Fortan kämpft sie nicht nur um ihren geliebten Maximilian, der völlig verändert aus dem Krieg heimkehrt, sondern auch gegen die Spanische Grippe, die sich rasant in Berlin ausbreitet. Als der Sohn ihrer Schwester Emma ebenfalls erkrankt, taucht der verschollene Kindsvater auf. Er bietet Emma eine neue Heimat fern des seuchengeplagten Berlins, wo ihr Sohn unbeschwert aufwachsen kann. Marlene kann sich allerdings ein Leben ohne Emma nicht vorstellen. Und auch die kranken Kinder in der Klinik brauchen die engagierte Kinderkrankenschwester. Wie wird sie sich entscheiden?

Antonia Blum lebte längere Zeit in Berlin, ohne den Weißen See dort je gesehen zu haben. Erst Jahre später, nachdem sie die Hauptstadt längst verlassen hatte, entdeckte sie durch einen Zufall die Ruine der einstigen Kinderklinik in Weißensee und kommt seitdem von dem Ort und seiner bewegten Geschichte nicht mehr los. Heute fährt Antonia nicht nur zum Spazierengehen immer wieder an den Weißen See, der dem Berliner Stadtteil seinen Namen gab. Sie ist überzeugt, dass dort ein Tor in die Vergangenheit existiert.

Antonia Blum lebte längere Zeit in Berlin, ohne den Weißen See dort je gesehen zu haben. Erst Jahre später, nachdem sie die Hauptstadt längst verlassen hatte, entdeckte sie durch einen Zufall die Ruine der einstigen Kinderklinik in Weißensee und kommt seitdem von dem Ort und seiner bewegten Geschichte nicht mehr los. Heute fährt Antonia nicht nur zum Spazierengehen immer wieder an den Weißen See, der dem Berliner Stadtteil seinen Namen gab. Sie ist überzeugt, dass dort ein Tor in die Vergangenheit existiert.

Prolog


3. August 1914

Die Berliner schienen wie im Rausch, wie auf Kokain, das nirgends im Deutschen Kaiserreich beliebter war als in der Hauptstadt. Jubel und fröhliche Lieder drangen bis in die Bibliothek der Königlichen Charité und an das hinterste Lesepult, an dem Marlene saß und über Büchern zu makroskopischer Anatomie brütete. Als Medizinstudentin kurz vor dem fünften Semester blieb ihr nur noch ein Jahr bis zum Physikum.

»Die Niere ist ein bohnenförmiges Organ im Retroperitonealraum …«, las sie flüsternd. »Sie kommt als Paar vor und ist in Relation zu ihrem Gewicht das bestdurchblutete Organ und …« Ihre Gedanken glitten zu jenem unvergesslichen Abend vor fünf Wochen, an dem Maximilian und sie auf dem Weißen See den Sonnenuntergang genossen hatten. Sie drehte ihren Verlobungsring am Ringfinger der linken Hand. »Ach, Max«, seufzte sie lauter als beabsichtigt.

Der Aufseher des Lesesaals schaute mahnend zu ihr, und der Student am Vordertisch wandte sich kopfschüttelnd um. »Diese Weiber!«

Marlene nahm sich vor, endlich ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Niere zu richten, dann würden ihr wenigstens keine anstößigen Seufzer mehr entfahren. Seit zwei Tagen stahlen sich ihre Gedanken vermehrt fort und wollten partout nicht beim Lernstoff bleiben. Vorgestern hatte Deutschland Russland den Krieg erklärt und die Mobilmachung verkündet. Tausende junge Männer machten sich seitdem bereit, als Soldaten in den Krieg zu ziehen, aber vorher feierten sie ausgiebig. Es hieß, dass Kinderärzte wie Maximilian nicht im Krieg gebraucht würden. Für die Versorgung von Verwundeten waren vor allem Chirurgen und Internisten gefragt.

»Makroskopisch gliedert sich die Niere in Rinde und Mark …«, las Marlene weiter und zwang sich über ihr Buch. Zwar wurde das folgende Kapitel über die Leber interessanter, aber sie schaffte es trotzdem nicht bis ans Ende. Eine Hand streichelte plötzlich ihre Schulter.

Überrascht sah sie auf. »Max, du hier?« Mit dem dunkelblauen Seidenanzug, der hellblau schimmernden Fliege und dem steifen Zylinder war er wie für ein Fest gekleidet.

»Komm, Lene!« Er zog sie vom Stuhl hoch. Einige Bibliotheksbesucher starrten sie unverhohlen an, andere schüttelten wieder nur ungläubig den Kopf, woran Marlene sich inzwischen fast gewöhnt hatte. Wenn sie sich in Vorlesungen zu Wort meldete, gab es immer noch Kommilitonen, die verächtlich schnaubten oder sie gar unterbrachen. »Aber die makroskopische Anatomie –«, wandte sie halbherzig ein.

Maximilian führte sie zwischen jene Bücherregale, die die zahlreichen Bände von Virchows Archiv beherbergten. Dort küsste er sie stürmisch. Leidenschaftlich erwiderte sie seinen Kuss und vergaß schnell, dass sie sich in einer Bibliothek befanden.

»Mein Herz ist bei dir zu Hause, Lene«, raunte er beim Luftholen und klang etwas verzweifelt.

Marlene hielt inne. »Hast du etwa einen …?« Sie brachte das Wort »Gestellungsbefehl« nicht über die Lippen, bedeutete es doch, dass ihr Verlobter Weißensee für eine Tätigkeit als Arzt im Krieg verlassen würde. Im zurückliegenden Jahr hatten sie fast jede lernfreie Minute miteinander verbracht.

Maximilian nickte zerknirscht, dann holte er den Gestellungsbefehl aus seiner Anzugjacke. »Er ist von höchster kaiserlicher Stelle unterzeichnet«, sagte er, worauf viele junge Herren bestimmt stolz wären. Aus seinem Mund klang es, als müsse er sich erst noch Begeisterung zusprechen. Der Jubel draußen schwoll an.

Maximilian entfaltete das Papier und las flüsternd daraus vor. Der Brief ordnete an, dass er noch am gleichen Abend abreisen sollte, um als Chefarzt auf einem Preußischen Lazarettzug zu dienen. Es sei eine Ehre, für das Vaterland kämpfen zu dürfen.

Mit jeder Zeile wuchs Marlenes Verzweiflung. Sie würden getrennt werden – vielleicht für Monate. Das war unvorstellbar. Ihr Blick sprang zum Fenster. Wie konnte man einen Krieg bejubeln, der unzählige Paare auseinanderriss? Seit Deutschland vor wenigen Stunden auch Frankreich den Krieg erklärt hatte, feierten die Berliner auf den Straßen und Plätzen ein nie da gewesenes Fest. Sie sangen, warfen ihre Hüte in die Luft und tanzten ausgelassen.

»Uns bleiben nur noch wenige Stunden zusammen, Lene.« Maximilian schaute von dem Brief auf. »Jede Minute ist nun kostbar.«

Wild entschlossen ging er zu ihrem Tisch, stellte die Anatomiebücher zurück ins Regal und zog sie aus dem Lesesaal.

Hand in Hand verließen sie erst die Bibliothek und dann das Gelände der Kaiserlichen Charité. Es war nicht einfach, ein Automobiltaxi zu bekommen. Die Straßen waren mit Militärs und Jubelnden völlig überfüllt. Offiziere, deren Uniformen vor Behang glänzten, wurden wie Filmstars gefeiert. Aber Marlene hatte nur Augen für Maximilian in seinem dunkelblauen Seidenanzug und mit der hübschen Fliege vor dem Hals. Sie wollte ihn nicht hergeben, nicht für einen einzigen Tag.

Als sie endlich in einem Automobil saßen, wurde es trotzdem nicht ruhiger. »Deutschland, Deutschland über alles«, sang der Fahrer. Er hatte Mühe, sie durch die Massen zu steuern, die die Straßen belagerten. Sie kamen nur langsam voran.

An der Ortsgrenze von Berlin und Weißensee ging es nur noch schrittweise voran, sodass Maximilian der Geduldsfaden riss. Kurzerhand bezahlte er und zog Marlene auf seiner Seite mit aus dem Automobil heraus. »Zu Fuß sind wir schneller!«

»Wohin gehen wir denn?«, wollte Marlene wissen, bekam aber keine Antwort. Umgehend wurden sie eingesogen in die feiernde Menschenmasse an der Berliner Allee, vor der die Infanterie mit Blumen an den Helmen marschierte. Es gebe jetzt keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche!, hallte es um sie herum wider. Extrablätter flatterten durch die Luft wie Vögel, Kapellen spielten beliebte Märsche. Trotz der bedrückenden Enge drängte Maximilian weiter.

Langsam begann der Jubel, Marlene in den Ohren zu schmerzen. Ihr Herz schlug immer schneller. »Wo führst du mich hin?«, wollte sie nun endlich wissen. Vielleicht ins Gesellschaftshaus in der Parkstraße, wo sie so gerne zum Tanzen hingingen? Ihr letzter Tango vor dem Abschied?

Zärtlich zog Maximilian sie zu sich heran und küsste sie ins Haar. »Ich führe dich an einen ganz besonderen Ort«, flüsterte er, sie konnte seine Lippen an ihrem Ohr spüren. Dann ging er auch schon weiter. Bald bogen sie in die Wilhelmstraße ein, die vom Kirchturm von Sankt Josef überragt wurde. Er beschleunigte seinen Schritt noch einmal, sodass Marlene neben ihm zu laufen begann.

Vor Sankt Josef blieb er stehen, richtete seine Fliege und schob den Zylinder hinter den Haaransatz. Aus leuchtend grasgrünen Augen schaute er sie erwartungsvoll an. Er sah blendend aus ganz ohne Bart und mit dem weißblonden Haar, das er sich gepflegt aus dem Gesicht frisiert hatte. Es bildete einen hübschen Kontrast zu seiner schon sommerlich gebräunten Haut.

»Du sollst versorgt sein, egal, was passiert«, sagte er, öffnete die Kirchentür und führte Marlene in den überfüllten Raum. »Seit der Mobilmachung traut Pfarrer Ramlow im Minutentakt, und wir wollten doch sowieso heiraten.« Er hielt ihr seine linke Hand mit dem Verlobungsring hin.

Marlenes Gedanken blieben am Egal, was passiert hängen. Könnte er als Arzt im Krieg sterben? Sie schob sich ihre Brille die Nase hinauf und schaute sich unter den Menschen in der Kirche um. Niemand Bekanntes war da. »Und unsere Trauzeugen?«, fragte sie kleinlaut.

»Pfarrer Ramlow sagt, dass die Trauzeugen unsere Ehe auch nachträglich testieren können«, erklärte Maximilian.

Vorm Altar reihten sich die Heiratswilligen in Doppelreihe auf. Sie sahen aus wie ein Bataillon beim Appell. Marlene senkte den Blick.

»Lene, Liebes.« Maximilian hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger an. »Vertrau mir, alles wird gut werden.«

Marlene behielt ihr seltsames Bauchgefühl für sich und wandte sich zum Kirchenportal um, das fortlaufend auf- und zuschlug. Ihr wurde kalt in dem alten Gemäuer.

»Oder liebst du mich nicht mehr?« Maximilians Gesicht verdunkelte sich augenblicklich.

»Doch, natürlich tue ich das, aber …« Ihr Blick glitt an ihrer einfachen Bluse und ihrem alten Rock hinab. Sie hatte immer in einem hübschen, modernen Kleid heiraten wollen. Nicht einmal ihre Brille hatte sie ordentlich mit Seifenwasser gereinigt.

Maximilian nahm sie fester bei der Hand und sagte feierlich: »Ich liebe dich, Marlene Lindow, und möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Bitte werde meine Frau.«

Marlene schaute von ihrem Rock auf. Seine Bemühung rührte sie. Immer wieder hatte er ihr bewiesen, wie viel er für sie empfand und wie sehr er sie schätzte. Er blieb standhaft im Konflikt mit seinen Eltern und würde erst versöhnungsbereit sein, wenn der Graf und die Gräfin von Weilert Marlene als die Frau an seiner Seite akzeptierten – was bis heute nicht der Fall war. Und als Marlene zuletzt die Prüfung in Histologie mit voller Punktzahl bestanden hatte, hatte...

Erscheint lt. Verlag 13.9.2021
Reihe/Serie Die Kinderärztin
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ärztin • Berlin Roman • Diphterie • Familiansaga • Historienroman • Historischer Roman • Kaiserzeit • Kinderärztin • Kinderheilkunde • Kinderkrankenschwester • Kinderkrankheiten • Krankenhaus • Krankenschwester • Milchkur • Neonatologie • Pädiatrie • Saga • Säugling • Schwester • Schwestern • Serie • Weißensee
ISBN-10 3-8437-2454-7 / 3843724547
ISBN-13 978-3-8437-2454-8 / 9783843724548
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99