Halligzorn (eBook)

Ein Nordseekrimi | Darauf haben alle Küstenkrimi-Fans gewartet: Dieser Urlaubskrimi entführt Sie auf die sturmumtosten Halligen
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2022 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2538-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Halligzorn -  Greta Henning
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Ein perfekter Halligsommer, ein mysteriöser Mord und eine scharfsinnige Ermittlerin   Es ist ein wunderschöner Sommer auf Midsand. Badegäste trudeln ein, die nordfriesische Sonne scheint und abends bietet sich ein grandioses Naturschauspiel. Das 'Meeresleuchten' färbt die Nordsee fluoreszierend blau. Dann geschieht das Unfassbare: Am Abend des großen Sommerfests wird ein totes Mädchen in der blau leuchtenden Brandung gefunden. Die siebzehnjährige Leonie trägt noch die Friesentracht und einen Blumenkranz im Haar - sie wurde ermordet. Aber von wem und warum? Kommissarin Minke van Hoorn jagt den Mörder und muss ein Geflecht aus Lügen und Hass entwirren, das sich über die Hallig zieht  ...

Greta Henning ist das Pseudonym einer deutschen Autorin. Sie mag die Nordsee bei jedem Wetter, Wattwanderungen und Krabbenbrötchen - gute Voraussetzungen, um einen Nordseekrimi zu schreiben. Besonders die Welt der friesischen Halligen hat es ihr angetan.

Greta Henning ist ein Pseudonym. Die Autorin mag die Nordsee bei jedem Wetter, Wattwanderungen und Krabbenbrötchen - gute Voraussetzungen, um einen Nordseekrimi zu schreiben. Die besondere Welt der friesischen Halligen hat ihr es angetan.

Kapitel 1


»Verkaufen Sie auch Briefmarken?« Die Frau mit Strohhut auf dem Kopf und einer schreiend bunt geblümten Sommerbluse wedelte mit einer Handvoll Fotopostkarten, alle mit dem Aufdruck »Gruß aus Jüstering und von den Halligen«.

»Ich brauche sieben Stück! Nein – lieber acht.«

Vor dem Laden in der Jüsteringer Altstadt drängten sich schon jetzt am Morgen die Urlauber um die Postkartenständer und Strandaccessoires. Ein kleiner Junge bettelte seine Mutter an, ihm eine Luftmatratze in Krokodilform zu kaufen. Ein Pärchen probierte Sonnenbrillen auf; ein paar Rentnerinnen mit viel Lippenstift besahen sich Badeanzüge, während eine zierliche Aushilfe das Regal mit der Sonnenmilch wieder auffüllte. Sonnenmilch ging seit Wochen weg wie warme Semmeln; über dem Küstenstädtchen und seinen beiden vorgelagerten Halligen Midsand und Nekpen lag ein Jahrhundertsommer. Jeden Tag stieg das Thermometer weit über dreißig Grad, die Straßen, der Deich, die Halligen, das Meer, alles glänzte im nordisch-hellen Sommerlicht. Ein freies Hotelzimmer oder auch nur einen freien Strandkorb gab es schon lange nicht mehr. Und die Krabbenbrötchen werden auch knapp, dachte Kommissarin Minke van Hoorn. Sie hatte gerade an ihrer Lieblingsfischbrötchenbude am Hafen noch das letzte zum Frühstück ergattert. Zufrieden biss sie nun hinein, während sie weiterging.

Die Stadt rüstete sich für einen weiteren heißen Sommertag: Eisdielen öffneten, die Straßencafés klappten ihre Tafeln mit Angeboten aus, bald würde hier wie jeden Tag alles bis auf den letzten Platz besetzt sein. In den Restaurants und an den Stränden war die Hölle los – das restliche Leben in der Stadt schien dagegen in einem tiefen Sommerloch zu stecken. Außer ein paar Taschendiebstählen und einer Schlägerei nach einer Sommerparty unten am Hafen war schon lange nichts mehr passiert, was Minke und ihre Assistentin Lisa von der Jüsteringer Polizei beschäftigt hätte. Der Jüsteringer Stadtanzeiger kämpfte seit Wochen mit einem veritablen Fehlen von Schlagzeilen, es gab einfach nichts zu berichten, abgesehen von der unglaublichen Hitze, bei der kein Ende in Sicht war. Minke biss wieder von ihrem Brötchen ab und verzog das Gesicht. Die Remouladensoße war schon nach den paar Hundert Metern unappetitlich warm geworden.

»Ich freu mich langsam auf den Herbst«, murmelte sie. Ihr Weg führte an der großen Stadtkirche mit dem Turmhelm vorbei und dann in eine gepflasterte Gasse. Dort umrundete sie eine Gruppe Senioren, die sich zu einer frühen Stadtführung versammelt hatte, und schnappte dabei ein paar Sätze der Stadtführerin auf: »Unsere Stadt blickt auf eine lange Seefahrer- und Walfängergeschichte zurück. Dieses große alte Gebäude aus Backstein dort drüben«, alle Köpfe drehten sich in die Richtung, in die die Stadtführerin zeigte, »gehörte zum Beispiel einst dem größten Fischhändler von Jüstering.«

Auf genau dieses alte Gebäude steuerte Minke nun zu. Über dem Eingang prangte ein steinerner Fisch aus den lange vergangenen Tagen eben jenes Fischhändlers – und direkt daneben ein blau-weißes Leuchtschild. »Polizei«. Minke war angekommen; der Tag begann.

»Na, war’s heut Morgen schon wieder so voll an deinem Fischständle?«, rief eine Stimme mit eindeutig schwäbischem Akzent, kaum hatte Minke die Tür hinter sich geschlossen. Lisa Röhrle, Ende zwanzig, klein, rundlich, mit braunen Locken und freundlichen Rehaugen, streckte den Kopf aus ihrem Büro. Sie hatte sich nach einer kurzen Ehe und einer noch schnelleren Scheidung, über die sie beinahe nie sprach, im letzten Herbst von der Schwäbischen Alb an die Nordseeküste versetzen lassen – »Weisch, weiter weg ging’s halt net« – und war seitdem Minkes Assistentin. Lisa war schwäbisch-fleißig, unerschütterlich freundlich und für nordfriesische Gewohnheiten viel zu redselig.

»Es ging«, nuschelte Minke mit vollem Mund und schluckte den letzten Bissen Krabbenbrötchen hinunter.

»Ach je, du hasch dich verkleckert.« Lisa deutete auf Minkes verwaschenes T-Shirt. Direkt neben dem kaum noch leserlichen Aufdruck »Projekt Nordseeauster« – ein Überbleibsel aus Minkes früherem Leben als Meeresbiologin – prangte ein Remouladenfleck. Minke rubbelte darüber.

»Nein – net reiben! Des macht alles nur viel schlimmer. Warte!« Lisa verschwand in ihrem Büro und kam gleich darauf mit einer kleinen Pappschachtel zurück. »Hier, ich hab immer Gallseife für solche Notfälle. Meine Oma hat immer g’sagt, es gibt fast nix, was Gallseife net wieder rauskriegt.« Sie nahm ein gelbliches Seifenstück aus der Schachtel und streckte es Minke entgegen. »Aber du musch dich beeilen, wenn es antrocknet, wird es immer schwieriger. Auf der Hochzeit meiner Tübinger Cousine isch auch mal so was passiert. Die hat sich Himbeerbowle auf das Brautkleid gekleckert, Himbeerbowle – das muss man sich mal vorstellen, auf weißer Spitze! Des konnte man natürlich net so lassen, wie hätt denn das ausgesehen?« Sie wedelte immer noch mit dem Seifenstück, während sie redete und drängte Minke in Richtung des Waschbeckens der kleinen Teeküche. »Jedenfalls, meine Tante hatte vorgesorgt und Gallseife im Handtäschle – und was soll ich sagen, des ging einwandfrei wieder raus und kein Mensch hat was gesehen. Die Hochzeitsfotos waren gerettet! Aber sie hat natürlich auch net gewartet, bis es angetrocknet war, und gerubbelt hat sie auch net …« Lisa warf Minke einen vorwurfsvollen Blick zu.

Minke nahm die Seife und begann halbherzig, den Fleck auszuwaschen. Der Fleck war ihr egal, aber sie wollte sich weitere Gallseifengeschichten von Lisa ersparen. Das T-Shirt sog sich schnell mit Wasser voll. Immerhin ein bisschen Erfrischung, dachte Minke. Selbst in den dicken Gemäuern der alten Polizeistation staute sich seit Tagen die Hitze. Auch jetzt spürte Minke, wie sich auf ihrer Stirn ein unangenehmer Schweißfilm bildete. Lisa dagegen sah aus, als würde ihr die Hitze gar nichts ausmachen. Süddeutsche Gene, vermutete Minke.

»Du, übrigens, des wollte ich noch sagen – ich will am Wochenende schwäbische Laubfrösche machen«, plauderte ihre Assistentin währenddessen weiter. »Ich glaub echt, des würde dir auch schmecken. Ich bring dir welche mit, ja?«

Minke brummte etwas Unverständliches. Sie öffnete den Kühlschrank auf der Suche nach der letzten Packung Eistee und dachte an das letzte Mal, als Lisa ihr eine schwäbische Spezialität mitgebracht hatte. Ochsenmaulsalat war das gewesen und es schmeckte genau nach dem, woraus es bestand. Da wollte sie lieber gar nicht wissen, was schwäbische Laubfrösche waren.

»Hat heute Morgen schon jemand angerufen?«, wechselte Minke das Thema.

Lisa nickte. »Die alte Frau Vermeer von gegenüber – der isch mal wieder der Pudel ausgebüxt.« Der Pudel riss alle paar Wochen aus und meistens fand ihn jemand auf dem Deich wieder, wo er leidenschaftlich ein paar Schafe anbellte. »Dann hat David angerufen«, zählte Lisa weiter gewissenhaft auf. »Der wollte fragen, ob er dich heut Abend zum Fescht abholen soll oder ob du selber hinkommsch.«

David Holt, der Sohn des letzten Deichgrafen von Nekpen und Leiter der Seehundstation auf den Klippen war seit einem Jahr Minkes Freund. Sie hatte ihn bei ihrem ersten Fall kennengelernt; ein netter Naturbursche aus altfriesischer Familie, der meist in groben Strickpullovern und Gummistiefeln herumlief und trotzdem ihrer Meinung nach umwerfend aussah. Mit ihm würde sie heute Abend auf das Fest im Halligprinzen drüben auf Midsand gehen.

»Ach ja, und dann noch deine Mutter«, fuhr Lisa fort. »Die lässt fragen, welches Kleid du heute Abend für ‘s Fescht anziehen willsch.«

Minke lachte. »Ich besitze gar kein Kleid. Meine Mutter schnappt wirklich noch über wegen heute Abend.«

Das Fest – dieses Jahr unter dem Motto »Altfriesischer Abend« – wurde jeden Sommer vom Halligverein organisiert, dessen Vorsitzende Imma van Hoorn war. Seit Wochen hatte sie kein anderes Gesprächsthema mehr. Es war ihr sogar gelungen, Minkes Zwillingsbruder Eibo, genannt Bo, der in Kiel als Rechtsmediziner arbeitete und rein gar nichts für die kalte Nordsee, seinen traditionellen friesischen Vornamen und die nordfriesische Provinz, in der er aufgewachsen war, übrighatte, zu überreden, für diesen Abend nach Midsand zu kommen. Daran, ihre starrköpfige Tochter zum Basteln der Dekorationsgirlanden zu bewegen, war sie allerdings gescheitert.

»Also ich freu mich ja echt schon total«, plapperte Lisa in diesem Moment strahlend weiter. »Altfriesischer Abend, des klingt doch toll. Und der Halligprinz isch so ein hübsches Gasthaus, so richtig friesisch mit dem alten Reetdach. Dazu das wahnsinnig tolle Wetter. Ich lieb ja den Sommer – das wird sicher ein subber Abend heut.«

Minke hatte sich Eistee eingeschenkt und steuerte mit dem Glas aus der...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2022
Reihe/Serie Ein Minke-van-Hoorn-Krimi
Ein Minke-van-Hoorn-Krimi
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte COSY • Crime • Deutsch • Dünen • Ermittler • Ermittlerin • Flieder • Föhr • Geheimnis • Gerichtsmediziner • Hallig • Hoorn • Insel • jung • Kiel • Kolorit • Kommissarin • Krimi • Küste • Lektüre • Leuchten • Meer • Meeresleuchten • Minke • Neu • Nordfriesland • Nordsee • Ostfriese • Ostfriesland • Polizei • Prinzessin • regional • Reihe • Serie • Sommer • Sommerfest • Strand • Strandkorb • Tod • Toter • Urlaub • Watt • Wattenmeer
ISBN-10 3-8437-2538-1 / 3843725381
ISBN-13 978-3-8437-2538-5 / 9783843725385
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