Was weiß der letzte Hund? (eBook)
304 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-1479-9 (ISBN)
Renate Pöhls, 1958 in Berlin geboren, wo sie auch heute lebt. Thematisch ist sie mit ihren Romanen in der Satire zuhause.
Zweiter Tag, vormittags
4. Kapitel
Was bellt von nebenan?
Der nächste Tag ist trübe und sogar etwas regnerisch, was mir für das längere Schlafen ein gutes Gewissen vermittelt. Kurz vor Mittag gehe ich dann in meinen weitläufigen Garten hinaus – ich habe etwas vor …
Dazu hole ich mir die Schubkarre, den Spaten und die Harke aus dem Schuppen und schiebe alles in der Schubkarrenwanne verstaut an den Nordzaun, ganz nach hinten, da wo die Kirschlorbeerhecke steht.
Landhaus Birkenwandelwind ist seit dem 18. Jahrhundert im Besitz der Hürselhüter. Im Landhaus selbst gibt es zwei Etagen, in der unteren befinden sich: Salon, Galerie, Speisezimmer, Bibliothek und Bad, in der oberen: Schlafzimmer, zwei Gästezimmer, zwei Waschräume, Kabinett. Um das Haus herum liegen etwa sechzig Hektar Land, die zum Besitz gehören. Hinter dem Haupthaus schließt sich ein Stückchen Wald an, dort steht auch noch ein kleiner Gästepavillon, mit allem eingerichtet, damit Überraschungsgäste nicht denken, man könne ihre Spontaneität nicht parieren. Weiter hinten, viel weiter hinten, geht dann mein eigener Wald in den Gemeindeforst über. Nach vorn zur anliegenden Straße führt ein längerer, gewundener Weg … –
Noch heute morgen überlege ich: wie hat sich der erste Irre gestern Abend so gezielt zum Anwesen verlaufen können? Immerhin das schwere eiserne Tor ist zwar immer offen, aber da steht nirgendwo ein Hinweis auf eine neu eröffnete ‚Geschlossene Anstalt‘!
Andererseits: selbst, wenn das Tor geschlossen wäre, hielte es keine Heerscharen ab, schon jeder halbwegs Sportliche fände sicher einen Drüberstieg.
Das Haus allerdings ist kompakt, es hat schwere Türen, massive Beschläge und umständliche Fenstervorrichtungen. Für Außenstehende gibt es wenig Wertvolles zu stehlen – was diese freilich von draußen nicht einschätzen können …
Birkenwandelwind ebenso wie am anderen Ende von Nachtrödel Hagemuts Landsitz Hasenhagel liegen in einer weitläufigen Gegend, mit eher wenigen Einwohnern und die lassen es im Allgemeinen ruhig angehen, so gesehen ist ‚Nachtrödel’ ein passender Name. Weil’s hier keine Industrie hat und wer reale, zupackende Arbeit sucht, außer etwas Landwirtschaft nichts finden wird, deshalb sind wir hier recht ruhig eingebettet und irgendwie verschlafen ‚hinten dran’. Das birgt allerdings auch die Gefahr, Sachen, die wirklich erledigt werden müßten, aufzuschieben oder gar zu verpennen …
Rund ums Jahr gibt es ein paar Urlauber, die hier in der angenehmen aber unspektakulären Landschaft Erholung im Wandern, Spazieren und Radfahren suchen und weil sie sich den ruhigen Rückzugsort erhalten möchten, werden die es eher nicht euphorisch weiterempfehlen, denn in Nachtrödel geht nicht die Post ab, steppt kein Bär, ja, es gibt nicht einmal ein rötliches Viertel ….
Mich stört die Verschlafenheit und Beschaulichkeit des Dorfes nicht, eher bringt es mir die Ruhe, die ich schätze. Aber die Gemeinde selbst – also deren offizielle Vertreter – hätten schon gern mehr Gewerbe, Infrastruktur und irgendwie ein paar Attraktionen …
Aber das Einzige, was wir uns leisten in dieser Gemeinde – oder, was sich ‚angefunden’ hat – ist ein Sanatorium, aber das liegt in ganz entgegengesetzter Richtung von Birkenwandelwind und ist daher gar nicht mit meinem Landhaus zu verwechseln, weshalb mir der ‚irr‘-tümliche Besucher von gestern Abend, der so unbedingt in die Anstalt wollte, ein Rätsel bleibt.
Der Name ‚Birkenwandelwind’ erklärt sich aus einer Reihe von Birken vor dem Portal, die, so zartästrig sie auch sein mögen, den Wind seit Jahrhunderten gut abfangen, ausbremsen und zerstreuen.
Und geht man nun zur Nordseite des Anwesens, erst nach vorn Richtung Ausfahrt und dann scharf links, endet der schmiedeeiserne Zaun und geht in einen Handelsüblichen Maschendrahtzaun über, vor dem die Kirchlorbeerhecke steht. Sie ist auf langen Abschnitten sehr dicht, hat aber hier und da einige ausgedünnte Stellen. An diesen sieht man, was sich dahinter erschließt und das war bisher eine ungenutzte Gemeindewiese, auf der sich weiter hinten ein Unterstand und ein Schuppen befinden. Hier war es immer schon ruhig und eigentlich etwas langweilig. Allerdings tut sich neuerdings an dieser Seite etwas – ich weiß nur noch nicht, was genau es ist und das will ich schon seit einigen Tagen erkunden.
Was ich bisher mitbekommen habe, ist nicht viel – aber ich bin auch nicht der stieläugigste Nachbar, wenn sich in der Umgebung etwas Neues ereignet. Oft bin ich sogar erstaunlich hintendran bei dem, was alle vorneweg schon wissen.
Von den neuesten Aktivitäten auf dieser kleinen Gemeindewiese hatten nun auch diejenigen, die sonst die Flöhe wachsen und das Gras husten hören, nichts mitbekommen, wie ich neulich bei einem Wein im alten Wirtshaus Zum Nachhocker erfahren konnte. Die Wiese liegt eben etwas abseits und grenzt außer zu meinem an kein anderes Gehöft direkt an, vielmehr erschließt sich nach hinten der Wald und vorn zur Landstraße gibt es einen hohen Palisadenzaun, auch im Auto vorbeifahrend, wird man auf eventuelle Aktivitäten nicht immer aufmerksam.
So ist es heute nach dem unbehaglichen gestrigen Abend und der schlecht verträumten Nacht vielleicht eine nette Aufmunterung zu schauen, was sich denn hier neuerdings abspielt.
Bei meinen täglichen Spaziergängen im Gelände habe ich verschiedentlich Hundegebell gehört und beim geschielten Blick durch die Hecke immer wieder herumlaufende Hunde gesehen, ein oder zweimal waren auch Menschen zu sehen. Die hielten sich aber im Hintergrund, so daß es kein neu eröffneter Hundeauslauf- oder -erziehungsplatz sein kann, denke ich mir.
Trotz des an einigen Stellen löchrigen Zauns haben sich noch keine Vierbeiner zu mir herüber verirrt. Auch gibt es Tage, da ist alles ruhig – kein Hund, kein Mensch ist dann zu sehen oder zu hören.
Als ich meine Schubkarre an der Kirschlorbeerhecke entlang schiebe, höre ich zunächst nichts von Hundegebell oder etwas, das sich wie springende Pfoten auf Wiese oder Gestrüpp anhört. Ich muß mir eingestehen, es enttäuscht mich ein wenig …
„Guten Tag, Graf Hürselhüter!“
Ertappt auf meinem eigenen Grundstück zucke ich zusammen. Die etwa drei Meter vor mir liegende, für mich, aus meiner Schubkarrenperspektive noch verdeckte Aussparung der Hecke, habe ich aus den vergangenen Streifzügen gar nicht mehr so groß in Erinnerung.
Ich gehe die paar Schritte, die Schubkarre fast als Schild vor mir herschiebend weiter, um mich in die Heckenlücke beugen zu können …
Da steht eine groß gewachsene Frau, Mitte Sechzig mag sie sein, mit wuschligen grauen Haaren, einer markanten Brille auf der fein geschwungenen Nase. Sie, in ihrem Outfit mit Gummistiefeln, lässigem Pullover und Regenjacke kann man locker als die couragierte Countryside-Lady einschätzen, zumal ihre Haltung auch ganz ohne Bewegung etwas Aristokratisches ausstrahlt – so mit dem leicht spitzbübischen Lächeln im Gesicht. Wer uns so sieht, der hält mich, den ‚Herrn Grafen’, der in diesem Moment ungelenk die Schubkarre rangiert, höchstens für den dussligen Aushilfsgärtner und sie für die ‚Mylady‘!
„Äh, Ihnen auch einen guten Tag!“ grüße ich überhastet aber doch recht spät zurück. „Mit wem …“
„… Sie die Ehre haben?“ lacht sie munter zu mir hinüber, immer gedanklich einen Schritt voraus. „Ich bin Vasa Kantrock und ich freue mich, Sie mal ansprechen zu können, nachdem Sie immer noch nicht erkunden konnten, was denn hier neuerdings vor sich geht!“
„Freut mich, Graf Hürselhüter … – oh, meinen Namen wußten Sie ja schon … – Sie haben mein Herumstromern schon mitbekommen?!“
„Ja, natürlich! Sie haben es ja weder aufdringlich noch hinterrücks gemacht – deshalb hätte ich mich auch schon längst vorstellen sollen.“
Die Frau macht eine kleine Pause und ich setze endlich mal das dumme Ding von Schubkarre ab.
„All die Hunde haben Sie aber sicher schon gesehen?!“ fährt sie fort.
„Ja, klar, unterschiedliche Hunderassen und immer andere Hunde – also dann sind Sie keine Züchterin?“
„Nicht in erster Linie.“
„Aber so Klettergeländer und Hindernisse wie in Hundeschulen sind auch nie aufgebaut.“
„Tja, was bleibt da noch übrig?“ die Frau lacht mich aufmunternd an.
„Sie betreiben so etwas, wie sagt man … – eine Naturheilpraxis für Hunde und die Wiese ist das Bewegungsparadies?“
„Wäre möglich!“ meine neue Nachbarin schmunzelt.
Ich rate weiter ins Phantasievolle: „Sie suchen Hunde für geheimdienstliche...
Erscheint lt. Verlag | 19.4.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga |
ISBN-10 | 3-7534-1479-4 / 3753414794 |
ISBN-13 | 978-3-7534-1479-9 / 9783753414799 |
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