Es muss nicht immer Labskaus sein (eBook)

Ein Ostfriesen-Krimi | «Es muss doch nicht Sylt sein, in Neuharlingersiel passiert doch auch genug.» Dora Heldt
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01160-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Es muss nicht immer Labskaus sein -  Christiane Franke,  Cornelia Kuhnert
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Januar in Ostfriesland: Nicht nur, dass ein toter Pottwal am Strand von Spiekeroog angespült wird, obendrein findet man Martin Junghans, den ehrenamtlichen Wachposten der lokalen Umweltgruppe, ermordet auf. Für die Wittmunder Kripo ist das Motiv schnell klar, denn einige der wertvollen Zähne des Wals sind herausgebrochen. Erste Zweifel kommen jedoch auf, als sie erfahren, dass Martin einen Kollegen wegen sexueller Belästigung einer Schülerin anzeigen wollte. Könnte dieser Kollege der Täter sein? Während die Polizei auf Hochtouren in beide Richtungen ermittelt, verschwindet in Neuharlingersiel ein weiteres Mitglied der Umweltgruppe. Während die Kripo dem keine Beachtung schenkt, wittern Rudis Freunde, Lehrerin Rosa und Postbote Henner, einen Zusammenhang und eilen ihm zu Hilfe. Und Unterstützung kann er diesmal wirklich gebrauchen.

Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint.  Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.

Christiane Franke wurde an der Nordseeküste geboren und lebt immer noch gerne dort. Neben ihren gemeinsamen Projekten mit Cornelia Kuhnert schreibt sie eine weitere Krimiserie um die Wilhelmshavener Kommissarinnen Oda Wagner und Christine Cordes, die im Emons Verlag erscheint.  Gemeinsam mit Cornelia Kuhnert hat sie bei rororo bereits elf Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht. Cornelia Kuhnert lebt in Hannover und hat dort als Lehrerin gearbeitet. Sie hat bereits zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht und Anthologien herausgegeben. Gemeinsam  mit Christiane Franke hat sie bei rororo bereits zehn Bände ihrer Ostfriesland-Krimireihe um Dorfpolizist Rudi, Postbote Henner und Lehrerin Rosa veröffentlicht.

Samstag


Der Handywecker klingelt. Halb sechs. Sven reibt sich verschlafen die Augen. Warum hat er sich bloß für diese frühe Stunde zum Wachdienst einteilen lassen? Zehn Uhr hätte ihm besser gepasst. Ohne sich zu waschen, schlüpft er in die warme Skiunterwäsche und dann in den Thermoanzug seines Kumpels, der jedes Jahr über Ostern in die Berge fährt. Skigebiete sind zwar eine Katastrophe für die Umwelt, aber gegen das Ausleihen der wärmenden Klamotten spricht nichts. Das ist ja eher nachhaltig.

In der Küche des Jugend-Gästehauses schnappt sich Sven die Stullen aus dem Kühlschrank, die er vorsorglich gestern Abend geschmiert hat, und die Thermoskanne Tee. Dann setzt er seine Stirnleuchte auf und macht sich über die unbeleuchteten Dünenwege auf den Weg zum Hauptstrand.

Dort ist alles noch dunkel und wirkt unheimlich. Die Sonne wird sich erst in drei Stunden zeigen. Unablässig rauscht das Meer, auch wenn die Wellen gar nicht direkt bis an den Strand rollen. Im Lichtkegel seiner Stirnlampe nähert sich Sven dem schwarzen Koloss, um den sie gestern in weitem Abstand Flatterband gezogen haben.

«Martin, ich bin da!», ruft er in das Getöse von Wind und Wellen.

Niemand antwortet.

«Ich bin da!»

Wieder keine Antwort. Sven schlüpft unter dem Flatterband durch und marschiert auf den Wal zu. Erschrocken zuckt er zusammen, als er das Brodeln im Inneren des riesigen Tieres hört. Er läuft um den toten Wal herum und entdeckt seinen Mitstreiter. In seiner neongelben Daunenjacke liegt er direkt neben dem Kopf des Tieres. So, als würde er den Kadaver als Windschutz benutzen. Der hat ja Nerven. Er soll doch aufpassen. Nicht schlafen.

Sven grinst breit. «Hey, du Schlafmütze! Deine Wachablösung ist da.»

Martin rührt sich nicht.

Sven beugt sich vor und schüttelt ihn. Keine Reaktion. Dafür fühlt sich seine Hand nass an. Er betrachtet sie im Licht der Stirnlampe. Blut. Wo um Himmels willen kommt das her? Sven nimmt sein Handy aus der Jackentasche, schaltet die Taschenlampe ein und leuchtet Martin ab. Überall ist Blut. Mit zittrigen Fingern tippt er die Kurzwahl seines Vaters an.

***

Hauptkommissar Siegfried Haueisen könnte schwören, dass er ganz grün im Gesicht ist, als er im Hafen von Spiekeroog das Motorboot verlässt, das als Insel-Taxi zwischen Neuharlingersiel und der Insel verkehrt. Obwohl die Überfahrt nicht lang gedauert hat, war es ziemlich kippelig. Sein Magen hat ordentlich rebelliert, und sein Rücken schmerzt. Von wegen Wasser hat keine Balken! Wenn man in hohem Tempo darüberbrettert, wird man eines Besseren belehrt. Nach ihm klettert Oberkommissar Helmut Schnepel vom Boot, gefolgt von Doktor Emterbäumler, dem Rechtsmediziner. Den hat Haueisen gleich hinzugezogen, als Rudi Bakker einen Toten mit mehreren Stichverletzungen gemeldet hat. Das Team der Spurensicherung kommt mit dem nächsten Wassertaxi, obwohl das vermutlich nicht viel bringt. Inzwischen ist auflaufendes Wasser, da sind die Spuren garantiert schon weggespült. Aber egal. Rudi Bakker steht mit einem Golfcart am Hafenkai, daneben wartet ein anderer Mann mit einem ebensolchen Gefährt. Haueisen kennt diese Dinger sonst nur aus dem Fernsehen.

«Moin, Chef.» Bakker tippt sich zum Gruß mit der rechten Hand an die Dienstmütze. «Ich fahre uns hiermit, das geht schneller. Herr Lüttjohann befördert anschließend die Kollegen der Spurensicherung und ihre Ausrüstung.»

«Können Sie denn mit so einem Ding umgehen?», fragt Haueisen skeptisch.

Rudi grinst. «Ist wie mit ’nem Autoscooter. Nur hat der noch eine Bremse. Ich hab vorhin geübt, Sie können sich ganz auf mich verlassen. Außerdem gibt’s auf der Insel nicht viele von diesen E-Autos. Hier sind eher die Radfahrer das Problem.»

Auf der Fahrt zur gegenüberliegenden Inselseite erklärt Rudi: «Als mein Sohn mich angerufen hat, bin ich gleich hin. Ich hab vorsichtshalber Fotos gemacht, man weiß ja nie. Sven und ein paar von seiner Umwelttruppe bewachen den Toten jetzt, wir haben ihm eine Rettungsdecke über den Körper gelegt und die mit Sand beschwert. Die weht ja sonst weg. Eine Fleecedecke wollte ich nicht nehmen, damit wir keine zusätzlichen Spuren legen. Und erkälten kann sich der Mann ja nicht mehr.» Rudi muss gestehen, er ist ein bisschen stolz auf sich selbst, dass er so früh am Morgen an alles gedacht hat.

«Sie wissen, wer der Tote ist?», fragt Haueisen, der neben Rudi sitzt.

«Jo. Martin Junghans. Lehrer am hiesigen Insel-Internat und Mitglied der EGA, zu der auch mein Sohn gehört.»

«EGAL?», fragt Schnepel von hinten.

«Nö. EGA. Eine Abkürzung. Übersetzt heißt der Verein: Ostfrieslands Schutzengel. Schöner Name, nich? Aber zurück zum Toten. Der hat auf jeden Fall mehrere Stichwunden.»

Sofort beugt sich Emterbäumler vor, der hinten neben Schnepel sitzt. «Sie haben ihn doch nicht etwa angefasst?»

«Nö, nur minimal. Aber am Hals sieht man zwei Einstichwunden, und die neongelbe Jacke ist vorne rum blutverschmiert. Überall quellen Daunen aus den Löchern.»

«Na, Gott sei Dank.» Emterbäumler lehnt sich zurück, als sie den Holzbohlenweg entlang zum Strand fahren.

***

Der Wind pustet die Wolken über den Himmel, die sich ein Schattenrennen auf dem Sand liefern. Ab und zu blitzen ein paar Sonnenstrahlen aus dem Grau.

Vor dem riesigen Kadaver, neben dem der tote Lehrer unter der Rettungsdecke liegt, stehen drei Leute. Jenseits des Absperrbandes noch mindestens zehn, die mit ihren Handys Aufnahmen machen. Garantiert findet man diese Fotos gleich in den sozialen Netzwerken. Widerlich, dass manche Menschen sich damit wichtigmachen wollen.

Rudi hebt das Absperrband hoch, Haueisen und Co. schlüpfen hindurch. Er friert. Hätte er sich doch bloß vorhin noch eine lange Unterhose angezogen.

«Moin», grüßt Haueisen knapp, während Schnepel schon die Rettungsdecke vom Toten zieht. Inzwischen ist es längst hell genug, um die Stichwunden am Hals und die Blutflecken auf der Daunenjacke ohne Taschenlampe zu erkennen. Emterbäumler kniet sich neben den Leichnam und beginnt seine Untersuchung.

«Sie haben also den Toten gefunden?», wendet sich Haueisen an Sven.

Rudi wundert sich über das «Sie», aber klar, junge Erwachsene muss man siezen. Und so gut kennt Haueisen Rudis Sohn nun auch wieder nicht.

Sven nickt. «Ja. Wir hatten abgesprochen, dass ich um sechs Uhr die Wache übernehme. Gestern waren schon ein paar Touristen tagsüber da, die einfach die Absperrung ignoriert haben.»

«Ist Ihnen heute Morgen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen? Haben Sie Personen bemerkt, die fortgelaufen sind? Oder ein Messer gefunden, wenn es denn tatsächlich Stichverletzungen sind, wie Ihr Vater sagt.»

«Nein. Es war ja auch noch stockduster, da hab ich mit meiner Stirnlampe und dem Handy geleuchtet. Dann hab ich meinen Vater angerufen. Er ist ja im Moment hier der Inselpolizist. Danach hab ich Geertje und Felix informiert, damit sie auch herkommen und ich nicht allein bin.» Sven deutet auf die beiden, die in Höhe der Walflosse stehen und regungslos alles beobachten. Das ist doch die Nichte seines ehemaligen Boßelkumpels Ludwig Twenge. Genauer gesagt, die von Ludwigs Frau Sigrid, aber das tut ja nichts zur Sache.

Der Chef winkt die beiden heran. «Moin, Hauptkommissar Haueisen», stellt er sich vor. «Können Sie sich erklären, was hier vorgefallen ist?»

Felix schüttelt den Kopf, Geertje ist weiß wie die Wand, Tränen rinnen ihr über die Wangen. Die ist völlig durch den Wind.

«Dem Wal … dem fehlen auf der einen Seite alle Zähne», stammelt sie.

«Wahrscheinlich hat Martin die Diebe auf frischer Tat ertappt. Schließlich sind die Zähne wertvolle und begehrte Trophäen», antwortet der junge Mann neben Geertje.

«Und Sie beide sind?», fragt Haueisen.

«Das ist Geertje Michelsen, und ich bin Felix Gravenstein. Wir sind bei der EGA

«Aha. Na, dann sollten wir uns mal mit Ihrer Truppe unterhalten, wenn der Leichnam abtransportiert ist.» Haueisen dreht sich um. «Gibt es überhaupt einen Bestatter auf der Insel?»

Rudi nickt. «Im Westerloog. Ich habe ihn bereits informiert. Sobald wir grünes Licht geben, kommt er und holt ihn ab.»

«Können wir jetzt gehen?», fragt Sven. «Oder braucht ihr uns noch?»

Rudi sieht den Chef an. Als der den Kopf schüttelt, sagt Rudi: «Dann macht euch auf den Weg. Wir sehen uns gleich im Gästehaus.»

***

Ludwig Twenge sitzt in seinem Wohnzimmer am Fenster. Ein Logenplatz mit Blick auf den Hafen. Im Internet hat er sich alle Fotos von dem gestrandeten Wal angeschaut, die er finden konnte. Dazu noch welche von älteren Fällen aus Nordfriesland. Ist ja beileibe kein Einzelfall, dass diese Riesenviecher im Meer die Orientierung verlieren und sich auf dem Weg von der Arktis zum Äquator verschwimmen, in zu flaches Wasser geraten und dort elendig verenden. Die Wildnis ist eben kein Ponyhof.

Ludwig klatscht in die Hände. Das ist die perfekte Überschrift. Flink wandern seine kräftigen Finger über die Tastatur seines Tablets. Seit der gelernte Fernsehtechniker in der Frühverrentung gelandet ist, hat er sich zum umtriebigen Online-Reporter der Neuharlingersieler Mitmach-Zeitung gemausert und sich schon in so manche Themen reingefuchst, von denen er vorher keine Ahnung gehabt hatte.

Mitten im Artikel über die Wanderroute der Pottwale vom Polarkreis zu den Azoren hält er inne und schaut aus dem Fenster. Ein VW-Bus der Polizei fährt über den Parkplatz...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2022
Reihe/Serie Henner, Rudi und Rosa
Henner, Rudi und Rosa
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller-Autorinnen • Dattein • Dorfpolizist Rudi • Ebbe und Flut • Elfenbein der Pottwale • Esens • FÖJ • Freiwilliges Ökologisches Jahr • gestrandeter wal • Hafenbecken • Häkelbüdel-Club • humorvoller Krimi • Inselfähre • Inseltaxi • Krabbenkutter • Krimi mit Herz • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinung 2022 • Krimis mit Kochrezepten • Küstenkrimi • Labskaus • Lehrerin Rosa Moll • Meer • Motorboot • Nationalparkhaus • Nationalparkhaus Wiltbülten • Naturschutz • Neuharlingersiel • Nordfriesische Inseln • Nordsee • Nordseestrand • Ostfriesenkrimi • Ostfriesen-Krimi • Ostfriesland • Plastikmüll • Postbote Henner Steffens • Pottwal • Scrimshaw • Sexuelle Belästigung • spiegel bestseller • Spiegel-Bestsellerliste • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Spiekeroog • Teestube • Teestube Spiekeroog • Trio • Umweltaktivist • Umweltgruppe • Umweltschutz • Umweltschützer • Walsterben • Wangerooge • Wittmund • Wohlfühlkrimi
ISBN-10 3-644-01160-5 / 3644011605
ISBN-13 978-3-644-01160-1 / 9783644011601
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