Lady Blake und das Grab im Meer (eBook)

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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00950-9 (ISBN)

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Lady Blake und das Grab im Meer -  Anne Glenconner
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Es war ein traumhafter Sommer auf Mustique. Während die meisten Urlauber die Insel bereits verlassen haben, genießt eine illustre Runde wohlhabender Engländer weiterhin Sundowner und Dinnerpartys, darunter Lady Veronica Blake, Hofdame im Ruhestand. Als eine junge Amerikanerin aus bester Gesellschaft spurlos verschwindet, beginnt sie, auf eigene Faust zu ermitteln, sehr zum Missfallen von Solomon Nile, dem einzigen Polizisten der Insel. Wenige Tage später wird Amanda Fortinis Leiche aus dem türkisblauen Wasser geborgen. Der Mörder ist noch auf der Insel, vermutet Lady Blake. Dann bricht ein Tropensturm los, Mustique ist von der Außenwelt abgeschnitten, und eine weitere Person verschwindet ...

Lady Anne Glenconner wurde 1932 als älteste Tochter des 5. Earl of Leicester geboren. Aufgewachsen im britischen Norfolk, zog sie 1958 mit ihrem Ehemann Lord Glenconner auf die Karibikinsel Mustique. 1971 wurde Anne Glenconner Hofdame von Prinzessin Margaret, die ein Anwesen auf der Insel hatte. Bis zu deren Tod begleitete sie die Prinzessin auf zahlreichen Staatsempfängen und Auslandsreisen. Heute lebt sie wieder in Norfolk. «Lady Blake und das Grab im Meer» ist ihr erster Kriminalroman.

Lady Anne Glenconner wurde 1932 als älteste Tochter des 5. Earl of Leicester geboren. Aufgewachsen im britischen Norfolk, zog sie 1958 mit ihrem Ehemann Lord Glenconner auf die Karibikinsel Mustique. 1971 wurde Anne Glenconner Hofdame von Prinzessin Margaret, die ein Anwesen auf der Insel hatte. Bis zu deren Tod begleitete sie die Prinzessin auf zahlreichen Staatsempfängen und Auslandsreisen. Heute lebt sie wieder in Norfolk. «Lady Blake und das Grab im Meer» ist ihr erster Kriminalroman. Stefanie Kremer, geb. 1966 in Düsseldorf, arbeitet freiberuflich als Übersetzerin für Sachbücher und Belletristik aus dem Englischen und Französischen. Sie lebt südlich von München.

2


Detective Sergeant Solomon Nile sitzt in seinem Büro und fragt sich, was er bloß den lieben langen Tag tun soll. Er hat diesen Posten erst seit drei Monaten inne und fühlt sich reichlich unwohl damit, hier auf Mustique der einzige ausgebildete Polizeibeamte zu sein. Aber seit er im Juni aus Großbritannien hierher zurückgekehrt ist, gab es nicht den allerkleinsten Vorfall, der ihm einen Vorwand geboten hätte, zur Gewährleistung der Sicherheit auf der Insel einen Stellvertreter anzufordern. Der Polizeipräsident auf St. Vincent würde bestimmt lauthals loslachen, sollte Nile behaupten, auf Mustique werde ein weiterer Polizist gebraucht. Die Insel, auf der er geboren wurde, ist nur drei Meilen lang und anderthalb Meilen breit, und die Verbrechensrate hier liegt bei null. Wer sich auf Mustique etwas zuschulden kommen ließe, würde im Gefängnis von St. Vincent landen und dürfte die im Privatbesitz befindliche Insel nie wieder betreten.

Dummerweise ist Nile noch in der Probezeit und darum gezwungen, einen guten Eindruck auf seinen Vorgesetzten zu machen. Sein Vater ist krank, und er selbst ist mit dreißig Jahren der ältere der beiden Söhne. Ein Großteil seines Gehalts wird für die Medikamente des alten Mannes gebraucht. Der Posten bei der hiesigen Polizei ist nicht gerade Niles Traumjob, er hat die Stelle eher aus einem Gefühl der Loyalität heraus angenommen und weil er ohnehin eine Entscheidung über seine Zukunft treffen musste. Als er sieben Jahre alt war, starb seine Mutter, und seither hat er seinem Vater geholfen, Lyron, den jüngeren Bruder, großzuziehen. Der Job jetzt verschafft ihm etwas Luft zum Atmen, selbst wenn sein Büro gerade mal groß genug ist für einen ramponierten Schreibtisch und zwei Plastikstühle. Die Klimaanlage brummt den ganzen Tag über, ohne die Temperatur auch nur um ein Grad zu senken. Und seine Uniform mit dem steifen weißen Hemd und der schwarzen Hose mag ja schick aussehen, ist bei Außentemperaturen von fast siebenundzwanzig Grad Celsius aber denkbar ungeeignet.

Der junge Sergeant wirft einen Blick durch die halb offen stehende Bürotür auf seine Kollegen Winston und Charlie Layton, die gerade beim Kartenspielen sind. Die Brüder sind zehn Jahre älter als er und, da sie neunzig Prozent ihrer Zeit im Sitzen verbringen, schon ordentlich aus dem Leim gegangen. Auf ihren gelben T-Shirts prangt das Wort «Security». Im Fall der Fälle möchte Nile auf keinen von beiden bauen müssen.

Plötzlich läutet das Telefon auf seinem Schreibtisch, zum ersten Mal seit Wochen. Nile ist einen Moment lang völlig überrumpelt, aber dann nimmt er ab und lauscht schweigend Lily Calders leiser, eindringlicher Stimme. Als er erfährt, dass jemand vermisst wird, ist er sofort auf den Beinen. Ihre Freundin Amanda Fortini habe sie gestern Abend besuchen wollen, berichtet Lily, sei aber nicht aufgetaucht und gehe auch nicht an ihr Telefon. Die junge Frau sollte leicht aufzuspüren sein; jetzt, am Ende der Saison, sind nur noch ein paar Dutzend Villenbesitzer auf der Insel. Die meisten sind bereits in ihre jeweiligen Heimatländer geflogen, um dem Wirbelsturm zu entgehen, der sich langsam, aber stetig über den Atlantik voranschiebt. Für sie ist der Aufenthalt auf Mustique nur eine vorübergehende Auszeit von der Realität.

Die Brüder Layton sind viel zu sehr in ihr Pokerspiel vertieft, um sich zu verabschieden, als Nile aufbricht. Beim Blick zurück auf das Reviergebäude verspürt er erneut einen schmerzhaften Stich der Enttäuschung. Als ihm mit achtzehn ein Stipendium für das Geschichtsstudium an der Oxford University gewährt wurde, hatte er geglaubt, ihm würde von nun an die Welt zu Füßen liegen. Doch seit seiner Rückkehr in die Heimat beurteilt er seine Aussichten nicht mehr ganz so euphorisch. Die Fenster seines Büros schließen schlecht, das Revier hat nur zwei behelfsmäßige Arrestzellen aus Betonblocksteinen, und das Wellblechdach wird spätestens mit Ankunft der Herbststürme seine undichten Stellen offenbaren. Wenn seine Probezeit in sechs Monaten um ist, wird er den Polizeipräsidenten auf St. Vincent darum bitten, das Gebäude zu modernisieren.

Die Laune des Detectives hebt sich, als er in den geländetauglichen Strandbuggy steigt, der zur Stellenbeschreibung gehört. Mit dem Buggy kommt man auf dem abwechslungsreichen Gelände der Insel am schnellsten voran, und außerdem ist er das Beste an diesem Job, selbst wenn der Motor erst beim dritten Mal anspringt. Natürlich könnte Nile auch zu Fuß zur Villa der Fortinis gehen, aber die leichten Passatwinde sind längst abgeflaut, und als er jetzt anfährt, spürt er die brütende Hitze. Das Revier liegt in einem Teil der Insel, in den sich für gewöhnlich nur wenige Feriengäste verirren. Die meisten nisten sich einfach in ihren Villen ein und lassen sich nur auf ein paar Cocktails in Basil’s Bar, dem Firefly oder dem Cotton House blicken, bevor sie wieder nach Hause düsen.

Aufmerksam lässt Nile seine Blicke durch die dichte Vegetation wandern, die den steingepflasterten Weg säumt. Seit seiner Kindheit hat die Insel sich sehr verändert, doch die Bauherren haben darauf geachtet, die Illusion eines tropischen Urwalds aufrechtzuerhalten, obwohl beinahe einhundert Villen versteckt zwischen den Bäumen liegen. Als er ein kleiner Junge war, krabbelten noch Meeresschildkröten auf die Strände, um dort ihre Eier abzulegen, und im Dschungel gab es Köhlerschildkröten. Immerhin gehören noch zahlreiche Vogelarten zur Tierwelt der Insel, und als Nile Britannia Bay passiert, flattert ein Papagei mit grünen Schwanzfedern über seinen Kopf hinweg. In der Bucht baden ein paar Urlaubsgäste. Ihre Strandtücher bilden die einzigen Farbtupfer auf dem hellen Sand.

Der Detective stellt den Buggy vor dem Feriendomizil der Fortinis ab und spürt, wie seine Neugier wächst. Mit seinen in den Hang gemauerten riesigen Terrassen ähnelt das Gebäude eher einem Märchenpalast als einer Villa. Es ist eins der beeindruckendsten Anwesen auf Mustique, was aber nicht weiter überrascht. Das Kaffeeimperium der Fortinis zählt schließlich zu den größten weltweit. Nile hat sich schon immer gefragt, wie es drinnen wohl ausschauen mag, und heute wird er es endlich mit eigenen Augen sehen.

Als er die Stufen zur Eingangstür hochsteigt, fegt gerade eine seiner Nachbarinnen aus Lovell die Veranda. Obwohl Nile die etwa fünfzigjährige Frau schon sein ganzes Leben lang kennt, weicht sie plötzlich seinem Blick aus. Nicht zum ersten Mal beschert ihm seine Polizeimarke eine frostige Begrüßung. Auf seine Frage hin, ob Amanda Fortini zu Hause sei, verweist die Frau ihn an die Haushälterin.

«Im Moment werkelt sie wahrscheinlich in der Küche herum.»

Sie scheucht ihn mit einer Handbewegung ins Haus und widmet sich, noch bevor er ihr danken konnte, wieder ihrer Arbeit, die darin besteht, unsichtbaren Staub von der Veranda zu kehren.

Ein Blick auf sein Spiegelbild in einem der Fenster ruft ihm abrupt in Erinnerung, wie sehr seine äußerliche Erscheinung und sein Selbstbild auseinanderklaffen. Er ist ein Meter vierundneunzig groß, fast so groß wie Usain Bolt, und hat dank der Tatsache, dass er das ganze Jahr über im Meer schwimmt, breite, muskulöse Schultern. Aber da hören die Ähnlichkeiten auch schon auf. Nile mag denselben Körperbau haben wie der berühmte Sprinter, die siegessichere Lässigkeit fehlt ihm. Mit der runden zarten Goldrandbrille, die seine braunen Augen bedeckt, sieht er zudem eher aus wie ein Studiosus, nicht wie ein Athlet. In seinem Blick liegt neugieriges Interesse, aber nur wenig Selbstbewusstsein. Beim Betreten der Eingangshalle unterdrückt Nile einen leisen Pfiff der Bewunderung. Er fühlt sich beinahe, als stünde er in einer Kathedrale und nicht in einem privaten Wohnhaus. Marmortreppen mit goldenen Handläufen schrauben sich spiralförmig durchs Herz des Gebäudes, und aus in großer Höhe liegenden Fenstern ergießt sich das Tageslicht ins Innere. Als er nach der Haushälterin ruft, antwortet ihm nur das Echo der eigenen Stimme, das von den Wänden widerhallt.

Die Pracht des Gebäudes erscheint ihm mit jedem Schritt überwältigender. Allein das Wohnzimmer ist größer als das ganze Haus seines Vaters, und auch wenn die Aussicht von der Veranda dort genauso schön ist wie hier, wirkt sie in dem Rahmen aus perfekt designten Bogenfenstern ganz anders. Im Garten gibt es einen Infinitypool, in dessen Fliesen sich der helle Himmel spiegelt, zwischen den Palmen hängen Lichterketten, und auf dem Rasen verstreut liegt Konfetti aus den Blütenblättern der Bougainvilleen. Nile war noch nie besonders an Kunst interessiert, aber die Gemälde, mit denen die Wände übersät sind, sehen wertvoll aus. Der einzige Malstil, den er erkennt, ist ein Seestück von Mama Toulaine, die in Lovell Village gleich neben seinem Vater wohnt. Vor ihrem Aquarell der Gelliceaux Bay bleibt er kurz stehen, der Sonnenuntergang ist meisterlich eingefangen, das Meer austernschalenrosa.

Erst nachdem er sich im gesamten Erdgeschoss umgesehen hat, entdeckt Nile eine offen stehende Tür, die hinunter in den Keller führt, dem wohl einzigen Ort in der Villa der Fortinis, wo nicht alles blitzt und funkelt. Auf dem nackten Betonfußboden stehen lange Regalreihen, in denen Hunderte Flaschen Wein lagern. Als Nile die letzte Stufe erreicht hat, sieht er sich einer Frau gegenüber, die in jeder Hand ein Staubtuch hält.

Die Haushälterin besucht...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2021
Übersetzer Stefanie Kremer
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cosy Crime • Königshof • Kriminalroman • Mustique • Queen Elizabeth • Royals • The Crown • Thronjubiläum
ISBN-10 3-644-00950-3 / 3644009503
ISBN-13 978-3-644-00950-9 / 9783644009509
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