Die Maskenbildnerin von Paris (eBook)

Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2819-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Maskenbildnerin von Paris - Tabea Koenig
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Paris, 1914 - der Mut einer jungen Künstlerin in hoffnungslosen Zeiten.

Valérie will in Paris Kunst studieren und verlässt dafür ihren Heimatort und ihre große Liebe Gabriel. Dann bricht der Krieg aus, und die Nachricht, dass Gabriel vermisst wird, trifft Valérie schwer. Sie begegnet der Bildhauerin Anna Coleman Ladd, die Masken aus Kupfer für Kriegsversehrte anfertigt. Valérie stürzt sich in die Arbeit und verliebt sich dabei in Louis. Als der Krieg vorbei ist, wird Valérie von ihrer Vergangenheit eingeholt - und sie begreift, dass es an der Zeit ist, ihr größtes Geheimnis zu verraten ...

Die Geschichte einer jungen Künstlerin in Paris, die ihr Talent nutzt, um verletzten Soldaten neue Hoffnung zu geben.



Tabea Koenig, geboren 1992, studierte Soziale Arbeit und Kulturvermittlung. Sie war schon immer von starken weiblichen Persönlichkeiten fasziniert. Besonders haben es ihr das viktorianische Großbritannien sowie Paris von der 'Belle Époque' bis zu den 'Années folles' angetan. Sie liebt Tagträume, Bücher und lange Spaziergänge und lebt mit ihrem Mann in Basel.

Im Aufbau Taschenbuch ist ihr Roman 'Die Maskenbildnerin von Paris' lieferbar.

Mehr zur Autorin unter www.autorin-tabea-koenig.ch

Prolog


Paris, Januar 1917

Es waren immer nur wenige Sekunden nach dem Aufwachen, in denen Valérie den Krieg vergaß. Sekunden des gnädigen Dämmerns ohne den allgegenwärtigen Kummer, der sich wie ein heißes Eisen in ihre Brust brannte. Doch dieser Augenblick ließ sich nicht einfangen. Er verflüchtigte sich genauso rasch wie die Wärme unter der Decke. Kohle zum Feuern war in diesen Tagen rar, wer nicht frieren wollte, schlief im Wintermantel.

Fröstelnd zündete sie eine Kerze an. Das Licht warf lange Schatten und verzerrte die Proportionen der Möbel in diesem kleinen Zimmer am Boulevard Saint-Germain, am linken Ufer der Seine.

Einst war diese Straße von Künstlern, Literaten und Weltenbummlern belebt worden. Damals hörte man sie bis spät herumjohlen, wenn sie aus dem »Les Deux Magots« oder dem »Café de Flore« torkelten und die Luft mit ihrem Zigarettenrauch schwängerten. Heute aber schimmerte nicht die Glut der Zigaretten, sondern der Vollmond wie eine Gaslaterne im Nebel. Valérie konnte ihn deutlich durch die verriegelten Fensterläden erkennen. In den letzten Monaten hatte sie gelernt, dass es verschiedene Arten von Stille gab. Da gab es die friedvolle Stille, die nachdenkliche Stille oder die bedrückende Stille … und manchmal Totenstille.

Valérie drückte ihre Nase an das Glas. Ihr Atem beschlug in einem kleinen Oval das Fenster. Wann hatte sie zuletzt einen solch prachtvollen Mond erlebt? Wann überhaupt etwas gesehen, das schön war? Durfte sie es riskieren, die Verriegelung zu entfernen, um ihn näher zu bewundern? Sie würde zuerst die Kerze löschen müssen. Paris, die Stadt des Lichts? Das war Vergangenheit. Wer sich nicht an die Abdunkelung hielt, wurde bestraft und als schlechter Patriot bezeichnet.

Sie befeuchtete ihre Finger und löschte die Kerze. Flüchtig schwebte der Duft des Rauchs im Raum. Dann stieß sie die Läden auf und blickte hinab auf die schlafende Stadt.

Eine Patrouille marschierte die Straße entlang. Die Stiefel der Männer stapften im monotonen Takt über den Neuschnee, bis nichts mehr zu hören war. Wieder war es still. Was für eine Stille war es? Valérie hörte genauer hin und seufzte erleichtert. Friedvolle Stille. Als gäbe es kein Leid auf dieser Erde, als wäre dies ein Moment der Regeneration.

Valérie glaubte, die Stadt atmen zu hören. Ein alter Geist spukte in diesen Mauern, dessen Mörtel unnachgiebig blieb, obwohl er seit Jahrhunderten bröckelte. Ein Geist, der schon so viel Schreckliches erlebt hatte und sich dennoch nicht vertreiben ließ. Würde er eines Tages auch über das triumphieren, was derzeit geschah?

Sie ahnte noch nicht, dass sie sich getäuscht hatte. Die Stille war nicht friedlich, es war die Ruhe vor dem Sturm. Aber Valérie war zu sehr damit beschäftigt, in den Himmel zu blicken. Ihr wurde die Distanz zu ihrer kleinen Tochter Julie bewusst, die auf dem Land in Sicherheit lebte und nichts von ihrer Maman ahnte, die in Paris täglich ums Überleben kämpfte. Mit Julie ging ein weiterer Gedanke einher, und dieser ließ ihre Kehle so eng werden, dass ihr das Atmen schwerfiel. Wenn Gabriel noch lebte, blickte er dann in diesem Augenblick ebenfalls in den Himmel und dachte an sie? Oder sah er von den Sternen auf sie herab wie so viele andere, die in den letzten zweieinhalb Jahren in den Schützengräben gefallen waren?

Als sie ihre Hände zum Gebet faltete, brannten ihre Augen. »Gabriel, wo immer du bist, so Gott will …«

Ein herabsausendes Brummen ließ sie zusammenfahren. Zeppeline!

Ihr Puls schoss in die Höhe, von ihrer Brust ging eine Angst aus, die hochwanderte, über ihren Schädel kroch und ihren Verstand lähmte. Obwohl die Erfahrung sie längst eines Besseren belehrt haben sollte, hinderte diese Angst sie daran, klar zu denken. Da, wo sie aufgewachsen war, heulten nachts nur die Wölfe. Doch in Paris im Januar 1917 waren es die Bomben deutscher Fliegertruppen.

Sie durfte keine Zeit verlieren. Eilig riss sie die Zimmertür auf. »Apollinaire, wach auf! Es hat wieder begonnen!« Mit einem Satz war sie bei ihrem Freund und zerrte an seiner Schulter. »Apollinaire!«

Endlich blinzelte er sie aus schlaftrunkenen Augen an. »Was ist?«

Das Einsetzen der Sirenen, die Rufe der verängstigten Nachbarn und das entfernte Donnern von Bombeneinschlägen bedurften keiner weiteren Erklärung. Das ganze Haus erzitterte, als wäre es bloß ein Puppenhaus. Valérie ergriff Apollinaires Hand. Zusammen kauerten sie sich unter den Esstisch.

»Das haben wir von deiner Wohnung im Dachgeschoss. Wenn wir getroffen werden, sterben wir zuerst«, knurrte Valérie wenig später.

Apollinaire, an einer Zigarette ziehend, dachte pragmatischer. »Dafür werden wir nicht lebendig begraben.«

»Ich hasse es trotzdem. Ich hasse diesen Impuls, auf die Straße rennen zu wollen, obwohl es dort gefährlicher ist als hier.« Sie nahm einen Schluck aus dem Flachmann und hustete.

»Langsam, Kleine.«

Apollinaire nahm ihr den Flachmann aus der Hand und trank ebenfalls. Der Schnaps half ihnen, die Nerven zu beruhigen. Wie lange verharrten sie jetzt schon hier unter dem Tisch? Zwanzig Minuten? Dreißig? Sie wusste, dass Zeppeline nicht sonderlich große Schäden anrichteten, da sie aufgrund ihrer geringen Traglast nicht viele Bomben mit sich führen konnten. Doch die Vorstellung, wie diese lautlosen Todesboten im nächtlichen Himmel über ihre Köpfe schwebten, war furchteinflößend. Und sie waren nahe, sehr nahe, sodass einmal unter einer ohrenbetäubenden Detonation das Geschirr im Schrank erzitterte und Kalk von der Decke rieselte.

Valérie schloss die Augen. »Letztens hörte ich, wie eine Nachbarin erzählte, wie ohnmächtig sie sich bei diesen Angriffen fühle. Sie sagte, es bleibe ihr nichts anderes übrig, als ihre Bébés an sich zu pressen und sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie wenigstens alle beisammen seien, sollten sie sterben.«

»Wir könnten natürlich auch Bébés machen«, entgegnete er unverblümt mit einem Grinsen.

»Guillaume Apollinaire, ich muss doch sehr bitten!«

Er lachte – fast zu herzhaft für diese Schreckensstunde. Dabei verrutschte die Bandage um seinen Kopf, die er selbst in der Öffentlichkeit mit Stolz trug. Darunter verbarg sich eine üble Verletzung, die nicht richtig heilen wollte. Auf poetischere Art hätte er sie nicht erlangen können: ein Dichter, der im Schützengraben Mercure de France gelesen hatte, ehe ein Granatsplitter seinen Helm durchbohrte und ihn am Kopf traf. Nächste Woche sollte er sich erneut einer Operation im Militärhospital Val‑de-Grâce unterziehen. Obwohl diese Verletzung ihn zum Invaliden machte, hielt ihn das nicht davon ab, seinen nächsten Einzug zu planen. Das Kampfesfieber hatte ihn befallen, und es war weitaus schwieriger, ihn davon zu kurieren als von der Grippe.

»Ich wünschte, du gingest nicht.« Valérie wusste, dass ihre Worte nicht zu ihm dringen würden. Ein Pole, der sich eigens für das Kriegsministerium hatte einbürgern lassen, den konnte man nicht zum Umdenken bewegen. Auch Frauen waren dazu angehalten, zur Hebung der Moral beizutragen. Eine Pflicht, die Valérie immer wieder versäumte, wenn sie Männer, die ihr lieb waren, von ihrem patriotischen Eifer zu kurieren versuchte. »Apollinaire, du warst mein erster Freund, als ich hierherkam, wenn dir etwas zustößt …«

»Daran vergeude keine Tränen, solange nichts dergleichen passiert ist. Du bist so jung. Ich hingegen erfahre erst jetzt Ruhm und Ehre. Etwas, das ich als Schriftsteller fast zwanzig Jahre lang vergeblich versucht habe.«

Eine unglaubwürdige Ausrede. Apollinaire war nicht so erfolglos, wie er behauptete. Sie hob die Tischdecke und spähte zum expressionistischen Gemälde, das über dem Bett hing. Ein Geschenk seiner Muse und einstigen Geliebten Marie Laurencin. Das Bild zeigte Apollinaire umgeben von Freunden. Auch Rousseau und Modigliani hatten ihn schon porträtiert. Und vor zwei Wochen an Silvester hatte Picasso eine Feier eigens dafür veranlasst, um Apollinaires Überleben, seine Kriegsauszeichnung und seine neue Publikation zu würdigen. Er war sehr wohl jemand. Sein Wort zählte was am linken Ufer der Seine. Aber Valérie war nicht einfältig. Sie wusste, dass sie ihn nicht zwingen konnte, bei ihr zu...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anna Coleman Ladd • Bohème • Erster Weltkrieg • Frankreich • Frauenschicksal • Geheimnis • gueules cassées • Kriegsversehrte • Künstlerin • Masken • Paris • Pariser Bohème • Saint-Germain
ISBN-10 3-8412-2819-4 / 3841228194
ISBN-13 978-3-8412-2819-2 / 9783841228192
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