Das Leben ist niemals nur schwarz-weiß (eBook)

Mein Weg vom Senegal über die Laufstege der Welt zu mir selbst
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
244 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491463-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Leben ist niemals nur schwarz-weiß -  Papis Loveday
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Anderssein kann ein Geschenk sein, und es lohnt sich immer zu glauben, zu hoffen und zu kämpfen! Ein strenger Blick nach vorn. Disziplin, Entschlossenheit, Biss. Dann ein Lachen aus tiefster Seele, das vor Wärme und Lebensfreude nur so sprüht. So facettenreich das nahezu perfekte Gesicht, so facettenreich auch der Mensch dahinter. Geboren im Senegal spürt Papis schon früh, dass er anders ist als seine 25 Geschwister. Durch ein Sportstipendium in Paris entflieht er den engen Konventionen seines Heimatlandes. Dann der Rückschlag: Papis verletzt sich, sein Traum, als Läufer bei der Leichtathletik-WM dabei zu sein, platzt. Unerwartet öffnet sich eine andere Tür: Er startet eine steile Modelkarriere. Doch die Branche ist hart, Papis erlebt rassistische Ausgrenzung und persönliche Krisen. In einem Münchner Club wird er mit Kokain erwischt. Ein Zeichen für ihn, die Richtung in seinem Leben zu ändern.

Papis Loveday (*1977 in Dakar) wird durch eine Kampagne für United Colors of Benetton als Model bekannt. Er arbeitet  für Dior, Valentino und Armani. Auf internationalen Schauen läuft er für Labels wie Gucci, Givenchy oder Yves Saint Laurent. 2011 zieht er nach München und gründet ein Unternehmen. Papis ist zudem in diversen TV-Formaten wie Germany's Next Topmodel, Austria's Next Topmodel, Switzerland's Next Topmodel und Promi Shopping Queen zu sehen. Bis heute hält Papis engen Kontakt zu seiner Familie im Senegal und engagiert sich als Unesco-Botschafter für sein Heimatland und in der Black-Lives-Matter-Bewegung.

Papis Loveday (*1977 in Dakar) wird durch eine Kampagne für United Colors of Benetton als Model bekannt. Er arbeitet  für Dior, Valentino und Armani. Auf internationalen Schauen läuft er für Labels wie Gucci, Givenchy oder Yves Saint Laurent. 2011 zieht er nach München und gründet ein Unternehmen. Papis ist zudem in diversen TV-Formaten wie Germany's Next Topmodel, Austria's Next Topmodel, Switzerland's Next Topmodel und Promi Shopping Queen zu sehen. Bis heute hält Papis engen Kontakt zu seiner Familie im Senegal und engagiert sich als Unesco-Botschafter für sein Heimatland und in der Black-Lives-Matter-Bewegung.

Mit viel Witz, einer guten Portion Selbstironie, aber auch der nötigen Ernsthaftigkeit erzählt er von seiner außergewöhnlichen, inspirierenden Reise.

Wie ich wurde, wer ich bin


»Ich war anders. Ich war anders als meine Brüder, anders als meine Schwestern. Mein Kopf war anders.«

Nichts leuchtete so rot wie der Sand im Senegal. Ich erinnere mich noch genau an den rostbraunen Schimmer meiner Haut, wenn ich als Kind vom Spielen im Freien nach Hause kam. Wie pudriges Kupfer haftete der Sand am ganzen Körper. Jedes Mal musste ich mir vor der Tür mit einer Gießkanne die Füße waschen, bevor ich ins Haus durfte. Raus aus den staubigen Klamotten und sofort unter die Dusche. Wir Kinder waren immer bunt angezogen. Von T-Shirts über Hosen und Jacken bis hin zu Fußballshorts, alles kaufte unsere Mutter in bunten Farben. Sie nannte sie Farben der Lebendigkeit. Ein Wort, das das Leben im Senegal beschreibt wie kein anderes: lebendig. Die Menschen sind offen, herzlich und unglaublich gesellig. Ständig schauen Nachbarn, Verwandte oder Freunde spontan beieinander vorbei, um zu quatschen. Es ist immer etwas los. Und vor allem eines ist für mich aus dem Senegal nicht wegzudenken: Lachen. Egal, was gerade in den Menschen vorgeht oder was in ihrem Leben passiert, sie lachen. Das liebe ich. Im Senegal bin ich sorglos. Wenn ich heute zurückkehre, dann denke ich nicht daran, was morgen ist, ich genieße einfach den Moment. Alles ist unbeschwert, schön, und die Luft ist erfüllt vom Geruch trockener Hitze, den Stimmen meiner Familie, dem Lachen meiner Mutter. Das ist meine Heimat. Das ist mein Senegal.

 

Ich war schon immer anders. Ich war anders als meine Brüder, anders als meine Schwestern. Mein Kopf war anders. Ich war ein sehr lebendiges Kind und trieb meine Familie regelmäßig in den Wahnsinn. Vor allem meine Tante, die oft auf uns Kinder aufpasste, hatte es nicht leicht mit mir, dennoch hat sie mich geprägt. Bis heute sagt sie: »Ohne mich wärst du nicht der, der du heute bist.« Ich war immer der Clown der Familie, der alle zum Lachen brachte. Wenn niemand mehr lachte oder ich nicht mehr im Mittelpunkt stand, dachte ich mir sofort etwas Neues aus. Ich verkleidete mich zum Beispiel wahnsinnig gern. Darin war ich Profi. Ich schnappte mir die Klamotten meiner Mutter, was ich eigentlich nicht durfte, präsentierte mich vor meinen Geschwistern, und alle prusteten los. Ich liebte es, der Entertainer zu sein, womit ich meiner Mutter regelmäßig Sorgen bereitete. Ich erinnere mich noch genau an ihre Worte, wenn ich mich mal wieder verkleidet hatte. »Warum machst du so etwas, Papis? Warum bist du so komisch, so anders als deine großen Brüder? Wenn die Nachbarn dich so sehen, werden sie denken, mein Sohn sei nicht ganz richtig im Kopf.« Heute weiß ich, was sie eigentlich mit »nicht ganz richtig« meinte, früher war mir das nicht bewusst. Wie auch? Ich war noch ein Kind.

Mit den Nachbarskindern heckte ich so manches aus und musste es am Ende als Einziger ausbaden, weil einer der anderen mal wieder nicht dichthalten konnte. Wie zum Beispiel, als wir in das Haus einer Nachbarin schlichen, ihr Palmöl stibitzten, es uns in Gesicht und Haare schmierten und einen wilden Tanz veranstalteten. »Es war alles Papis’ Idee«, hieß es dann nur. Tatsächlich war ich meistens der Anführer unserer Truppe. Streiche zu planen war mein Spezialgebiet, die Durchführung überließ ich den anderen. Ging allerdings etwas schief, wussten die anderen Mütter sofort, dass ihre Sprösslinge nicht clever genug waren, um derartige Pläne auszuhecken. Wenn ich in den Senegal fahre, schauen diese Damen mich immer noch mit schiefem Blick an. Eine von ihnen sagte einmal zu mir: »Wer hätte gedacht, dass du jemals ein so vernünftiger Mann wirst. Wärst du im Senegal geblieben und mit deinem Auto an mir vorbeigefahren, hätte ich dich angehalten und Geld gefordert für alles, was du früher angestellt hast.« Ich lache dann nur und antworte: »Ja, deshalb bin ich auch nach Europa gegangen.«

Unser Familienleben war gewöhnlich für den Senegal und ungewöhnlich für europäische Verhältnisse. Mein Vater ist bis heute mit drei Frauen verheiratet. Meine Mutter wurde seine dritte Frau, und zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens hatte er bereits acht Kinder mit seinen ersten beiden Frauen. Ich habe 25 Geschwister. Meine Eltern trafen sich 1970 auf einer Taufe bei gemeinsamen Freunden. Meine Mutter war 25 Jahre alt und beendete gerade ihre Ausbildung als Sekretärin, mein Vater, ein Arzt, stand mit 31 Jahren schon im Berufsleben. Viel mehr weiß ich nicht über die Anfänge ihrer Beziehung. Es ist nicht Teil unserer Kultur, über solche Dinge detaillierter zu sprechen.

Drei Jahre später kam meine älteste Schwester Ami auf die Welt, im Abstand von zwei Jahren folgte meine zweite Schwester Bebe. 1977 wurde ich geboren, dicht gefolgt von meinem kleinen Bruder Lamine, 1978, und meiner dritten Schwester Astou, 1980. Und unser aller Liebling wurde unser kleinster Bruder Moussa. Er wurde 1982 geboren.

Anfangs wohnten wir gemeinsam unter einem Dach. Als kleiner Junge fand ich das toll, und ich kann mich an einige schöne Momente erinnern, in denen wir als Familie gut funktionierten und harmonierten. Generell empfand ich das Zusammenleben in einer großen Familie aber als schwierig und teilweise als sehr spannungsgeladen.

Meine Mutter arbeitete im diplomatischen Dienst im Außenministerium. Sie war sehr diszipliniert und hatte einen unglaublich starken Charakter. Bei uns Kindern legte sie großen Wert auf perfekte Umgangsformen, die sie uns durch eine deutliche und konsequente Erziehung vermittelte. Ihr war es wichtig, klare Regeln zu haben, an die sich jedes Kind halten musste. Wenn zum Beispiel Besuch kam, standen wir Kinder kurz zur Begrüßung stramm und mussten dann in unsere Zimmer verschwinden und leise sein. Nicht alle fanden diese Erziehungsmethoden gut: »Meine Güte! Was sind denn das für Regeln!? Wie albern«, hieß es dann manchmal. Für mich als kleiner Junge waren diese Regeln okay, und die Kritik daran sah ich eher als Vorwurf gegenüber meiner Mutter, nicht zuletzt wegen ihrer Berufstätigkeit und weil sie so emanzipiert war. Hatte ich etwas ausgefressen, bekam ich schnell zu hören: »Deine Mutter sollte wirklich aufpassen. Immer arbeitet sie, anstatt sich um ihre Kinder zu kümmern.«

Irgendwann hatte ich mich an das Leben und die Dynamik im Haus gewöhnt, aber leicht war es nicht. Obwohl wir mit allen Geschwistern unter einem Dach wohnten, verbrachte ich die Zeit am liebsten mit meinen beiden »echten« Geschwistern, Ami und Bebe. Sie waren mir, ohne dass ich es erklären konnte, immer näher als meine Halbgeschwister. Ich hatte den Eindruck, dass je älter wir wurden, desto mehr verstanden wir viele Dinge, die um uns herum passierten. Das stärkte unser Band.

Irgendwann war meine Mutter es leid. Sie hatte genug von der Wohnsituation und dem ständigen Streit. Sie wollte sich nicht länger zurücknehmen und rechtfertigen müssen. Also tat sie etwas, was damals als Frau im Senegal an eine Revolte grenzte: Sie kaufte sich ein eigenes Haus von ihrem selbstverdienten Geld und zog dort mit mir und meinen vier Geschwistern ein. Ein wahnsinnig mutiger und starker Schritt. Damals war ich vier Jahre alt und konnte natürlich noch nicht begreifen, was sie da eigentlich getan hatte. Mit zunehmender Reife erkannte ich, wie stark meine Mutter war. Diese Frau musste man dafür bewundern, was sie leistete. Also begann ich, ihr persönlicher Schutzengel zu werden …

Meine Mutter ist eine schöne, große und schlanke Frau. Sie hat einen festen Blick, klare Gesichtszüge, ein strahlendes Lachen und eine erhabene und elegante Ausstrahlung. Früher trug sie ihr Haar lang, allein das war ungewöhnlich für eine Senegalesin. Ich bin meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Von ihr habe ich meine Haut und meine Gesichtszüge. Als Kind fand ich das schrecklich und weinte, wenn mich jemand auf unsere Ähnlichkeit ansprach. Ich wollte doch nicht aussehen wie eine Frau! Mit der Zeit änderte sich mein Blick, und heute bin ich stolz darauf, so viel von meiner Mutter in mir zu tragen. Sie lacht ständig, genau wie ich. Mit uns Kindern ging sie, bei aller Strenge, humorvoll um. Wenn es Streit gab und wir uns trotzig in eine Ecke verkrümelten, schaffte sie es jedes Mal, die Stimmung mit Witzen oder kleinen Blödeleien aufzulockern. Sie neckte uns und stichelte, bis wir lachen mussten und völlig vergaßen, dass wir gerade noch gestritten hatten. Sie wusste, welche Knöpfe sie bei uns drücken musste.

Ebenso genau wusste sie, was sie wollte. Sie ist sehr entschlossen und bestimmt. Gleichzeitig hat sie eine fürsorgliche Art und hilft, wo sie kann, gerade in der Familie und unter Freunden. Sie hat ein wahnsinnig gutes Herz. Bis heute ist sie einer der stärksten und faszinierendsten Menschen, die ich kenne. Jeder in unserer Nachbarschaft hatte Respekt für das, was sie leistete. Als dritte Frau ihres Mannes zog sie ihre sechs Kinder allein in einem eigenen Haus groß und ging dazu noch arbeiten.

Woher nahm sie diese Stärke? Meine Mutter wuchs, wie auch mein Vater, im Süden Senegals auf. Ihr Vater war ein einfacher Bauer, dreifach verheiratet und wohnte in einem kleinen Dorf namens Bailar. Später zog die Familie nach Thiès, einer Stadt unweit von Dakar. Meine Großmutter war seine erste Frau und meine Mutter das erste von insgesamt 16 Kindern.

Der Stellenwert der Frau im Senegal war und ist mit dem in der westlichen Welt nicht zu vergleichen. Die Pflicht einer Tochter war es, zu heiraten und Kinder zu bekommen, nicht mehr und nicht weniger. Doch meine Mutter hatte andere Pläne für ihr Leben. Sie wollte Abitur...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2021
Co-Autor Valerie Gorris
Zusatzinfo 8 farbige Abbildungen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Afrika • Anderssein • Autobiografie • Biografie • Black lives matter • Coming out • Die Geissens • Diskriminierung • Diversity • Erfolgsgeschichte • Erzählendes Sachbuch • Giorgio Armani • Givenchy • GNTM • Große Lebensgeschichte • Gucci • Heidi Klum • Homophobie • Ibiza • Inspiration • Kindheitserinnerung • Kokain • Laufstege • Mode • Model • Promi Big Brother • Protest • Schwulsein • Selbsbewusstsein • Selbstbewusstsein • Selbstwirksamkeit • Senegal • Vielfalt der Kulturen • Weihnachtsgeschenk 2021 • Yves Saint Laurent
ISBN-10 3-10-491463-X / 310491463X
ISBN-13 978-3-10-491463-3 / 9783104914633
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