Stürmische Weihnacht in Cornwall (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2791-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stürmische Weihnacht in Cornwall - Maxim Wahl
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Wundersame Festtage.

Noch einmal möchte die hundertjährige Lady Virginia, Tochter des Earl Trevelyan, das Schloss ihrer Familie auf St. Michael's Mount besuchen. Mit ihrem Enkel reist sie zu der Gezeiteninsel, doch die steigende Flut verwehrt ihnen den Zutritt. Virginia erinnert sich an das Weihnachtsfest im Jahr 1899, als in einer Sturmnacht das Royal Heart, ein sagenumwobener Diamant, verschwand. Und als kurz darauf ein mysteriöser junger Butler auftauchte, brachte dieser Lady Virginias Gefühlswelt gehörig durcheinander ...

Vom Autor der Erfolgssaga »Das Savoy« - eine zauberhafte Weihnachtsgeschichte vor der rauen Kulisse Cornwalls.



Hinter Maxim Wahl verbirgt sich ein deutscher Bestsellerautor, der mit seinen zahlreichen Romanen auch international Aufmerksamkeit erregte. Für seine Stoffe sucht sich Maxim Wahl große Schauplätze der europäischen Geschichte. Er lebt in Berlin und London - und am allerliebsten im Hotel Savoy. 

Im Aufbau Taschenbuch sind bisher seine Romane »Das Savoy. Aufbruch einer Familie«, »Das Savoy. Schicksal einer Familie«, »Das Savoy. Geheimnisse einer Familie«, »Das Savoy. Hoffnung einer Familie« sowie bei Rütten & Loening »Stürmische Weihnacht in Cornwall« erschienen.

Eins


Virginia sah in den Spiegel, Papas Geschenk zu ihrem fünfzehnten Geburtstag. Er wirkte so kostbar wie eh und je, nur das Silber war matt geworden. Auch die Reflexion hatte sich verändert, das musste sie zugeben. In wenigen Tagen feierte Virginia ihren hundertsten Geburtstag.

Für eine beinahe Hundertjährige war sie ungewöhnlich aufgekratzt, sie zappelte regelrecht. »Du musst schon ein bisschen schneller fahren«, sagte sie zu ihrem Enkel Timmy.

Virginia hatte neun Enkel, und es gab bereits einige Urenkel. Timmy war ihr Lieblingsenkel, weil er als Einziger immer Zeit für sie hatte. Virginias Kinder waren im Rentenalter und schwer aus ihren Fernsehsesseln hochzukriegen. Die übrigen Enkel tummelten sich wichtig und tüchtig durchs Leben. Sie liebten ihre Großmutter, erfanden aber jedes Mal prima Ausreden, weshalb sie nicht zu Besuch kommen konnten. Timmy dagegen nahm sich die Zeit. Er und Virginia waren aus demselben Holz geschnitzt. Er spürte, wenn seiner Großmutter etwas wichtig war, deshalb hatte er sofort zugestimmt, sie nach St. Michael’s Mount zu fahren, in das Schloss, in dem sie geboren war. Zu ihrem Hundertsten wollte sie diesen sagenumwobenen Ort noch einmal wiedersehen.

»Ich kann nicht schneller fahren.« Vorsichtig steuerte Timmy den Vauxhall Senator, Baujahr 1973, über den schmalen holprigen Weg. Der Wagen hatte zehn Jahre auf dem Buckel, aber einen neuen konnte sich Timmy nicht leisten. »Wenn ich auf dem Kopfsteinpflaster mehr Gas gebe, bricht mir die Hinterachse durch.«

»Wenn du nicht wenigstens einen kleinen Zahn zulegst, werden wir die Insel nicht erreichen«, erwiderte Virginia gut gelaunt.

»Was redest du denn, Nana? Sie liegt doch direkt vor uns.«

»Du kennst Cornwall nicht, Timmy. Was vor einem liegt, ist manchmal ferner, als man glaubt.«

»Was soll das heißen?«

Virginia brauchte ihre Worte nicht zu erklären, das tat die Flut für sie. St. Michael’s Mount war eine Gezeiteninsel vor der Südküste Cornwalls. Vom Dorf Marazion aus fuhr man an den Strand, wo eine dreihundert Jahre alte Steinstraße trockenen Fußes auf die Insel führte – zu bestimmten Tageszeiten. Bei Ebbe herrschte reger Verkehr zwischen St. Michael’s und dem Festland. Die Touristen kamen in Scharen, überquerten die Straße zu Fuß und besichtigten das Schloss. Einer Neunundneunzigjährigen durfte man natürlich nicht zumuten, mehrere hundert Yards über holperige Granitblöcke zu laufen. Daher brachte Timmy sie im Auto hinüber.

Die Flut kam überraschend schnell.

»Was, was, was ist das?«, rief er, als der Weg vor ihnen im Meer versank. Das Wasser stieg bereits an den Reifen hoch. Timmy hielt an.

»Das, mein Lieber, ist St. Michael’s Mount.« Virginia lachte.

»Und was machen wir jetzt?« Er öffnete die Fahrertür. Die Radkappen waren zur Hälfte verschwunden.

»Wir warten, bis sich die Flut zurückzieht.«

»Wir warten – mitten im Meer? Und was ist, wenn das Wasser den Motorblock überflutet, wenn es zu uns hereindringt?«

»Wir haben die tiefste Stelle noch nicht erreicht«, beruhigte ihn Virginia. »Alles, was wir brauchen, ist Geduld.«

»Wie lange?«

»Ungefähr drei Stunden.«

»Drei …?!«

»Ich habe dir gesagt, dass du schneller fahren sollst.« Virginia lehnte sich zurück und spielte mit dem Anhänger ihrer Kette.

Timmy stellte den Motor ab. »Und was tun wir so lange?«

»Wir genießen die Aussicht auf mein wunderbares Schloss.«

»Dein Schloss?«

»Das war es einmal, oder sagen wir, es hätte mein Schloss werden können, wenn mein Vater …« Virginia tat einen tiefen Atemzug. »Wenn ich meinem Vater von Anfang an die Wahrheit gesagt hätte.«

Timmy warf einen ängstlichen Blick aus dem Fenster. Tatsächlich schien die Flut nicht mehr höher zu steigen. »Du hast mir nie besonders viel von deinem Vater erzählt.«

»Weder dir noch sonst jemandem.« Virginias Blick schweifte zu den Festungsmauern. »Mein Vater war der 19. Earl of Laureal. Seit dem 17. Jahrhundert befand sich dieser Berg im Meer im Besitz meiner Familie.« Plötzlich sah sie ihren Enkel mit wundem Blick an, Tränen der Erinnerung drängten in Virginias Augen.

»Entschuldige, Nana, ich wollte dich nicht aufregen. Möchtest du mir nicht erzählen, was damals passiert ist?«

»Das ist jetzt vierundachtzig Jahre her.«

»Ich verstehe. Eine wahnsinnig lange Zeit. Erzähl mir einfach, woran du dich erinnerst.«

Sie musterte ihn mit jenem strengen Blick, vor dem er schon als Kleinkind Respekt gehabt hatte. »Es wäre nett, wenn du mich ausreden lässt. Es ist vierundachtzig Jahre her, aber ich rieche immer noch das Bohnerwachs, mit dem die Diener unsere Böden eingelassen haben. Ich sehe die Eisvögel den Ostturm anfliegen, wo sie im Frühling ihr Nest bauten. Ich höre den Bumms noch genau, mit dem mein Vater jeden Morgen die Kanone abgeschossen hat.«

»Eine Kanone? Wozu?«

»Als Begrüßung.«

»Wen hat er begrüßt?« Timmy löste den Sicherheitsgurt.

»Den neuen Tag. An jedem Morgen. Wenn die Leute in der Umgebung dieses Geräusch hörten, wussten sie, dass die Welt noch in Ordnung war. St. Michael’s Mount wurde damals die Kathedrale zu den vier Winden genannt. Und das war sie. Bei Gott, das war sie.«

* * *

»Macht die Tür zu!«, rief Sir Thomas Trevelyan, der 19. Earl of Laureal. »Es fliegen einem ja die Haare vom Kopf.«

Januar war der Eismonat, Februar der Nebelmonat, aber Dezember galt als der Monat der Stürme auf St. Michael’s. Die Fenster mit ihren dünnen Scheiben in den Bleifassungen hielten zwar den Frühlingswinden stand, doch gegen die Stürme des Dezembers erwiesen sie sich als nutzlos. Sir Thomas konnte rufen, so oft er wollte, man solle die Türen schließen, das änderte nichts daran, dass der Wind durch die Ritzen pfiff. Sobald jemand eine Tür ins Freie öffnete, hielten die Dienstmädchen ihre Schürzen fest, und die Diener hatten ihre liebe Mühe, die erloschenen Kerzen neu anzuzünden.

Virginia liebte es, wenn ihr Rock im Wind flatterte, wenn das lange Haar um ihr Gesicht wehte, wenn die Finger nach wenigen Minuten auf dem Ostturm so klamm waren, dass sie das verrostete Türschloss kaum aufbekam. Für sie war der Dezember die Zeit, in der sich die ganze Insel auf Weihnachten vorbereitete. Einer alten Tradition zufolge luden die Trevelyans ihre Pächter und Lehensbauern, die das Land rundum bewirtschafteten, zur Weihnachtsfeier in den Schlosssaal ein.

Zu keiner Zeit des Jahres gab es so viel zu tun. Das Personal schuftete von früh bis spät, und auch sie als Tochter des Hauses packte mit an. In diesem Jahr musste alles noch schöner, noch heller und glitzernder werden, schließlich begrüßten sie in wenigen Tagen das neue Jahrhundert. Das gesegnete 20. Jahrhundert stand vor der Tür. Virginia hatte vor, es zu ihrem Jahrhundert zu machen. Sie war sechzehn, Herrgott, so viele glorreiche Jahre lagen noch vor ihr.

»Tür zu!«, wiederholte der Lord.

Die Diener waren dabei, den Lunch zu servieren und sahen sich daher nicht zuständig für die Türen. Lionel Patters, der Chefbutler auf St. Michael’s, der bereits Lord Trevelyans Vater gedient hatte, erledigte es persönlich. Niemand kannte das Alter von Patters genau, er musste weit über achtzig sein. Im Schloss nannte man ihn den Fahnenmast, weil er sich immer so steif aufrecht hielt. In den letzten sechzig Jahren war er keinen einzigen Tag krank gewesen. Ihm entging nichts, er bestrafte Nachlässigkeit streng, aber fair.

»Verzeihen Sie, Mylord«, sagte Patters, nachdem er die Tür geschlossen hatte.

»Schon gut.« Hastig löffelte Sir Thomas seine Suppe. Die anderen mussten sich ranhalten, denn sobald der Lord fertig gegessen hatte, wurden sämtliche Teller abgeräumt. »Ist Hailsham schon eingetroffen?«, fragte er.

»Seine Gnaden werden erst zum Dinner erwartet«, antwortete Patters. »Er hat wohl die Ebbe verpasst, wollte sein Gepäck aber nicht auf das Fährboot umladen und wartet daher in der Taverne auf den Gezeitenwechsel.« Patters gab das Zeichen, dass der Hauptgang serviert werden sollte.

Virginia spitze die Ohren. »Freddie kommt?«, rief sie quer über den Tisch. »Freddie kommt zu uns?«

»Er ist sozusagen meine erste Weihnachtsüberraschung für dich«, lächelte Sir Thomas. »Der Duke of Hailsham bleibt über die Feiertage bei uns.« Er ließ sich zwei Stück Roastbeef auftun.

»Herrlich, ach, herrlich, da freu ich mich!« Virginia nahm vom Rosenkohl. »Freddie ist der Einzige, mit dem man die Insel bei Sturm umrunden kann, ohne dass er gleich zu bibbern anfängt.« Ein gewitzter Blick zur Seite. »Ganz anders als meine Schwester, die den Wind auf St. Michael’s nicht erträgt.«

»Sportliche Unternehmungen dieser Art überlasse ich gerne dir«, entgegnete Moyra Trevelyan mit ihrer rauchigen, stets ein wenig heiseren Stimme.

»Man darf Moyras angegriffene Lungen nicht auf die leichte Schulter nehmen«, sprang ihr Ehemann Ethelred bei.

»Danke, mein Lieber.« Moyra tätschelte seine Hand und schenkte Virginia einen mitleidigen Blick. »In deinem Alter kennt man die Tücken des Körpers noch nicht. Dieses Klima und unser zugiges Schloss haben mich krank gemacht. Ich hoffe, dass du es nicht eines Tages bereust, mich verspottet zu haben.«

...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Adelsfamilie • Butler • Cornwall • Countess • Das Savoy • Duke • Earl • Erbe • Familiengeheimnis • Gezeiteninsel • Legenden • Maxim Wahl • St. Michael's Mount • Stürmische Weihnacht in Cornwall • Weihnachten • Weihnachten am Meer
ISBN-10 3-8412-2791-0 / 3841227910
ISBN-13 978-3-8412-2791-1 / 9783841227911
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